Zerbrochene Freundschaft von xxNico_Robinxx (Kapitel 51) ================================================================================ Kapitel 1: Robin: Memories -------------------------- Die warme Sonne strahlt auf mein Gesicht hinab, während ich hinunter auf die schmale Gasse blicke. Der Anblick der Kinder, die dort unten freudig lachend mit einem Ball spielen, lässt ein wehmütiges Lächeln auf meine Lippen erscheinen. Obwohl meine Kindheit alles andere als glücklich war, bedeuten Kinder für mich dennoch ein Zuhause. Dieses Gefühl der Geborgenheit und der Sicherheit, dass so ein Zuhause einen vermitteln soll, habe ich viele Jahre über nicht gekannt. Einsamkeit war alles, was ich gekannt habe. Sie war mein ständiger Begleiter, selbst als ich mit ihm ... Sir Crocodile ... zusammengearbeitet habe. Aber dann ... ja, dann lernte ich sie kennen! Ich habe sie beobachtet - ihren Zusammenhalt, ihre Stärke, ihren Mut, ihre Entschlossenheit, ihren Kampfgeist! Noch nie zuvor waren mir solche Menschen begegnet. Sie haben etwas ausgestrahlt, das mich wie magisch angezogen hatte. Es hat in mir den Wunsch ausgelöst zu ihnen gehören zu wollen. Diesem Wunsch habe ich nachgegeben! Und was hat es mir gebracht ... jetzt ... heute? Dieses Zuhause ... mein Zuhause ... ist nicht mehr! Schmerz ... Leid ... Qual - all das musste ich wieder einmal durchleben, als mein Zuhause auseinander gebrochen ist. Doch anders als in der Vergangenheit, bin ich dieses Mal nicht allein. Diesmal wurde ich aufgefangen in meinem Schmerz. Ich weiß, ihm ist es nicht anders ergangen in dieser Zeit. Auch er hat unter der Trennung sehr gelitten, die unweigerlich eingetreten war. Gegenseitig haben wir uns Halt und Unterstützung gegeben. Und ich glaube, wenn wir nicht einander gehabt hätten, dann wäre jeder von uns an dem Schmerz zugrunde gegangen. Heute, nach mehr als einem Jahr, sitze ich auf einem Balkon eines kleinen, schicken Hotels in der warmen Frühlingssonne, während eine Biene über den Korb mit den frischen Croissants schwirrt und ich nachdenklich zu den Kindern hinabblicke. Die Morgenzeitung liegt noch ungelesen neben mir auf dem weißen Stuhl mit der abgerundeten Rückenlehne. Doch ich verspüre keine Lust sie zu lesen. Ich sehe auf, als ich das leise Zischen eines Streichholzes höre, das angezündet wird. Da steht er, unter dem Rahmen der Balkontür, und bläst langsam den Rauch der Zigarette aus, während er seinen Blick über den wolkenlosen Himmel schweifen lässt. Er sieht gut aus in seinem weißen Hemd, dessen Ärmeln er bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt hat. Die oberen Knöpfe hat er nicht geschlossen, so dass ich ein Stück seines leicht gebräunten Oberkörpers sehen kann. Langsam mustere ich sein Gesicht, das in der vergangenen Zeit markanter geworden ist. Er ist deutlich ernster geworden und ein harter Zug hat sich um seine Augen und um seinen Mund gelegt. Die jugendliche Frische ist aus seinem Gesicht gänzlich verschwunden. Einst war er ein ausgelassener Sunnyboy, der mit jeder Frau ausgiebig geflirtet hatte. Aber jetzt sehe ich einen ernsten, jungen Mann vor mir, der dem Leben nicht mehr so unbeschwert gegenüber steht. Bevor unser Leben einen so drastischen und plötzlichen Verlauf genommen hatte, haben wir bereits eine enge Freundschaft zueinander aufgebaut. Sanji war der Erste, dem ich von meiner Vergangenheit erzählt habe. Der Erste, dem ich meine Gefühle offenbart habe. Wir haben oft nachts in der Kombüse auf der Flying Lamb gesessen und geredet. Und jedes Mal, wenn mich etwas beschäftigte, bin ich zu ihm gegangen. Dadurch hatte es oft Streit gegeben. Er konnte die Beziehung zwischen Sanji und mir einfach nicht verstehen - oder vielmehr wollte er es nicht verstehen. Er würde es zwar nie zugeben, aber er hatte Angst, das weiß ich. Angst davor, dass ich ihn verlassen könnte. Ich wusste es damals schon, und habe daher immer versucht ihm das Gefühl irgendwie zu nehmen. Mit jeder Berührung ... mit jedem Blick ... mit jedem Wort ... habe ich das Versprechen, ihn auf ewig zu lieben, erneuert. Doch letztendlich war es mein Herz, das zerbrach ... mein Herz, das aus der Brust gerissen wurde. Der Wind spielt leicht mit Sanjis blonden Strähnen, die ihm immer noch ins Gesicht fallen, während ich daran denken muss, wie weich sie sich zwischen meinen Fingern angefühlt haben. Nach dem Zerwürfnis mit den Anderen hat sich unsere Beziehung auch auf die körperliche Ebene ausgeweitet, nachdem tröstende Worte nicht mehr geholfen haben. Ich habe keine Ahnung, wie man unsere Beziehung nennen soll, da wir nur eine freundschaftliche Liebe zueinander hegen. Und dennoch ... wir küssen uns ... wir streicheln uns ... wir lieben uns. Doch die wirkliche Liebe, die weit über Freundschaft hinausgeht, die existiert nicht zwischen uns. Und ich bin mir auch sicher, dass es sie nie geben wird. Denn trotz der harten Worte, die nicht nur meine Augen zum Weinen gebracht haben, gibt es für mich nur eine Person, die ich von ganzen Herzen liebe. Und auch für Sanji gibt es nur eine Frau, nach der sich sein Herz sehnt. "Was sagt eigentlich unser Geldbeutel?" Seine Stimme reißt mich aus meinen melancholischen Gedanken. Ich habe nicht bemerkt, dass er mittlerweile neben mich getreten ist und jetzt die Zeitung auf den Tisch legt, um sich in den Stuhl zu setzen. Seine geschmeidigen Bewegungen dabei lassen mich an einen Panther denken. Und das ist er auch! Er ist zu einer lautlosen, gefährlichen Raubkatze geworden. "Das Geld sollte für zwei oder drei Monate reichen", antworte ich ihm. An seinem leisen Lächeln, das sich langsam auf seine Lippen legt, erkenne ich, dass er die Neugier über die Frage in meinen Augen sehen kann. Ich scheine für ihn wie ein offenes Buch zu sein - in einer Sprache geschrieben, die nur er lesen kann. "Dann können wir ja nach dem Frühstück ein wenig in der Stadt bummeln gehen." Ich sehe ihm dabei zu, wie er sich ein noch warmes Croissants nimmt, während er meine unausgesprochene Frage beantwortet. Ich mustere seine linke Hand mit den starken, langgliedrigen Fingern, die nach dem Messer neben den kleinen Frühstücksteller greift, um damit ein Stückchen Butter abzuschneiden. Mehr als nur einmal habe ich dieser Hand dabei zugesehen, wie sie Jemandem in einen harten, unnachgiebigen Griff gepackt hatte. Diese Hand, so weiß ich, kann den Tod herbeiführen, wenn Sanji es zulassen würde. Aber sie war auch zärtlich ... sanft ... wie ein Hauch an einem abendlichen Sommertag. So wie jetzt, als Sanji mit ihr über meine Wange streicht. Ganz von alleine schmiege ich mein Gesicht an seine Hand. Die Geborgenheit, die von ihr ausgeht, wärmt mein Blut und lässt mich zufrieden aufseufzen. "Du denkst wieder zu viel nach", raunt Sanji mir leise zu und beugt sich mit seinem blonden Schopf näher zu mir herüber. Ich kann dem Drang einfach nicht widerstehen und streiche mit meiner linken Hand durch sein Haar, das leicht durch meine Finger gleitet. Ich sehe meiner Hand dabei zu und erkenne aus den Augenwinkeln, wie Sanjis Lächeln dabei strahlender wird. Dann spüre ich plötzlich, wie sich seine kräftigen Arme um meine Taille legen und er mich auf seinen Schoß zieht. Allzu bereitwillig komme ich ihm entgegen. Mit meinen Händen umrahme ich sein Gesicht und koste den Geschmack des frischen Croissants und den leicht süßlichen Geschmack der Butter von seinen Lippen. An meinen Handflächen spüre ich das raue Kratzen seiner Bartstoppeln, während er mit seinen Händen an meinem Rücken hinabfährt, bis sie auf meinem Po zu liegen kommen. Ich entlocke ihm ein heiseres, dunkles Stöhnen, als ich dann mit meiner Zunge in seine Mundhöhle fahre. Fast schon gierig wird sie von seiner umschlungen, woraufhin ich lächeln muss. Unter meinen Lippen fühle ich, dass auch er lächelt. "Dann verschieben wir den Einkaufsbummel auf später", murmelt er an meinen Lippen. Für einen kurzen Moment unterbrechen wir den Kuss, während er vom Stuhl aufsteht und meine Beine sich fast schon von selbst um seine Hüften schlingen. Scheinbar mühelos trägt er mich in das kleine, gemütliche Gästezimmer, wo er mich vorsichtig auf dem Bett absetzt und die gelben bodenlange Vorhänge vor den Fenstern zuzieht. Kapitel 2: Sanji: Changes ------------------------- Nur sehr langsam werde ich mir der Sonnenstrahlen bewusst, die hinter meine Augenlider dringen. Und dabei habe ich noch keine rechte Lust aufzustehen. Dafür ist es unter der weichen Bettdecke, die sanft und zart auf meiner nackten Haut liegt, einfach viel zu gemütlich. Aber da das helle Licht wirklich lästig ist, drehe ich mich deshalb auf die andere Seite und taste nach dem weichen, anschmiegsamen Körper, der in der Nacht noch in meinen Armen gelegen hatte. Doch die Seite neben mir ist kalt und leer. Sie ist also wieder vor mir aufgestanden, ohne dass ich es bemerkt habe. Zwar wir mein Herz auf ewig für eine andere Frau schlagen, aber dennoch bin ich froh darüber, dass Robin bei mir ist. Nicht, weil ich sonst ohne sie alleine wäre, sondern weil sie für mich ein ganz besonderer Mensch geworden ist. Und das bereits zu einer Zeit, bevor es zu diesem ganz großen Streit gekommen ist, der unser beider Leben so unvorhergesehen verändert hat. Zwischen uns beiden existiert nämlich eine ganz eigentümliche Beziehung, die niemand zerstören kann. Auch wenn die Leute das glauben, so ist Robin nicht einfach nur meine Geliebte - sie ist weitaus mehr. Sie ist Freundin und Schwester zugleich für mich. Dieser Gedanke ruft ein leises Lachen in mir hervor. Ein Bruder würde ja wohl kaum mit seiner Schwester ins Bett steigen! Und dennoch schleicht sich sofort wieder das Gefühl von Schuld in mein Herz, wodurch mir das Lachen schnell wieder vergeht. Nein ... nein! Eigentlich schleicht es sich nicht in mein Herz - denn dieses Gefühl ist immer da. Seit diesem einen schicksalhaften Tag lauert es in der tiefsten, dunkelsten Ecke meines Herzens ... jederzeit bereit sofort zuzuschlagen. Doch schnell unterdrücke ich die dunklen Gewissensbisse. Es war nicht meine Schuld! Und vielleicht, wenn ich es mir nur oft genug sage, werde ich es auch eines Tages dann selber glauben. Einen bedauernden Seufzer jedoch kann ich nicht unterdrücken, als ich mich auf den Rücken drehe, wodurch ich erst jetzt bemerke, dass die Balkontür einen Spalt weit offen steht. Und auch das Lachen von Kindern dringt allmählich an meine Ohren, während ich Robin draußen sitzen sehe. An ihrem wehmütigen Lächeln auf ihren Lippen erkenne ich, dass auch sie wieder an die Vergangenheit zurückdenkt. Sie lässt einen einfach nicht los, denn dafür haben wir zuviel verloren! Entschlossen steige ich schließlich aus dem Bett und tapse barfuss zum Kleiderschrank hinüber. Das Wetter heute ist viel zu schön, um den Tag mit trübsinnigen Gedanken zu verbringen. Wahllos greife ich daher nach einer schwarzen Hose und reiße ein weißes Hemd vom Bügel, die ich mir im angrenzenden Badezimmer schnell überziehe. Als ich mir ein wenig kaltes Wasser ins Gesicht spritze, fällt mein Blick danach unweigerlich auf mein Spiegelbild. Nicht zum ersten Mal bemerke ich, wie kantig meine Züge mittlerweile geworden sind. Die Härte, die sich darin eingegraben hat, springt mir fast schon entgegen. Auch der strahlende Glanz in meinen Augen ist schon lange daraus verschwunden. Jetzt sehe ich darin nur eine kalte Ernsthaftigkeit. Das jetzige Leben hat mich doch sehr verändert. Aber wie sollte es auch anders sein? Die Frau, die ich liebe, habe ich vor mehr als einem Jahr das letzte Mal gesehen. Ich weiß nicht, was sie heute macht oder wo sie ist, während von meinen Freunden nur noch Robin geblieben ist. Und meinen Traum ... den habe ich aufgegeben! Er ist in zu weite Ferne gerückt, als dass ich ihn mir noch erfüllen könnte. Wie sollte ich das auch schon tun können bei dem Leben, dass wir führen? Die glücklichen und sorgenfreien Zeiten sind vorbei! Auf dem kleinen Nachttisch neben dem Bett liegen meine Zigaretten, von denen ich mir eine nehme, bevor ich dann die Balkontür weiter öffne. Robin bemerkt davon nichts und blickt erst zu mir hinüber, als ich ein Streichholz anzünde. Ich sehe sofort, dass sie eins meiner Hemden trägt ... eines von den Alten, die mir selber nicht mehr passen. Noch so eine Sache, dass sich an mir verändert hat - die breiten Schultern. Doch darüber will ich mich gar nicht beklagen, da es mir ganz gut gefällt, denn dadurch wirke ich nicht mehr so schlaksig. Tief atme ich neben dem Nikotinrauch auch die frische saubere Luft ein, während sich vor mir eine Stadt erstreckt, die eine friedvolle Atmosphäre ausstrahlt. Dadurch hat es fast den Anschein, als würden wir ein ganz normales Leben führen ... dass wir ein glückliches Pärchen sind, das in vertrauter Zweisamkeit ihr Frühstück in der warmen Morgensonne einnimmt. Für jeden muss es so aussehen, der uns sieht! Aber wir beide wissen, dass dem nicht so ist! Glücklich ... als glücklich würde ich unser Leben nicht beschreiben. Wir sind zufrieden ... können eigentlich nur zufrieden sein! Sicher, wir haben oft schöne Momente miteinander - sehr schöne, in der wir vergessen können - aber es ist nicht das, was wir uns wünschen. Robin ist nicht die Frau, in deren Armen ich gerne liegen würde. Und ich? Ich bin nicht der Mann, an dessen Seite sie gerne jeden Abend einschlafen würde. Der Anblick des Frühstücks lässt meinen Magen knurren. Kein Wunder! Seit gestern Mittag habe ich auch nichts weiter mehr gegessen. Als mein Blick auf die Zeitung fällt, die zusammengerollt neben ihr auf dem Stuhl liegt, kommt mir eine Idee, was wir mit dem heutigen Tag machen könnten. Sicher wäre es eine gute Abwechslung zu unserem sonstigen Alltag, um den quälenden Erinnerungen mal für wenige Stunden zu entfliehen. "Was sagt eigentlich unser Geldbeutel?" Kopfgeldjäger ... das hat das Leben aus uns beiden gemacht! Zwei Menschen, die jetzt im Schatten leben; zwei Menschen, die aus dem Schatten heraus angreifen. Wahrscheinlich hat man uns deshalb auch den Namen Shadow Devils gegeben. Ich kann mir etwas Besseres vorstellen, als ein solches Leben führen zu müssen. Aber mit unserer Vergangenheit ist es für uns unmöglich einer normalen Arbeit nachzugehen. Die Marine ist immer noch auf der Suche nach uns, und unsere Kopfgelder sind auch wieder gestiegen. Welch ahnungslose Narren! Wir liefern ihnen einen Gauner nach dem anderen aus - und sie wissen nicht einmal, dass wir es sind. Niemand weiß, wer die Shadow Devils sind! "Das Geld sollte für zwei oder drei Monate reichen." An ihrer entrückten Stimme erkenne ich, dass sie nur sehr langsam aus der Vergangenheit zurückkehrt. In diesem Punkt hat sich Robin nicht verändert. Noch immer versteht sie es meisterhaft ihre Gefühle vor anderen zu verbergen - aber nicht vor mir. Mit der Zeit habe ich gelernt auf jede Nuance von ihr zu achten. Ich brauche nur noch einen kurzen Blick auf sie werfen und schon weiß ich, was in ihr vorgeht - so wie in diesem Augenblick. Sie kann mit meiner Frage nichts anfangen und der leise, musternde Blick aus ihren blauen Augen verrät es mir. "Dann können wir ja nach dem Frühstück ein wenig in der Stadt bummeln gehen." Aus den Augenwinkeln bemerke ich, dass ihre Gedanken wieder abdriften, während ich mir ein Croissant schnappe, das noch ein wenig warm ist. Ich kann nicht sagen, ob sie meine Antwort gehört hat. Es gibt einfach Tage, da hat uns die Vergangenheit einfach zu fest im Griff, als dass wir uns allein wieder daraus lösen könnten. Vielleicht, wenn ein paar Jahre vergangen sind, können wir auf diese Zeit zurückblicken, ohne dass uns diese Trostlosigkeit erfasst. Das zumindest hoffe ich! Ich hoffe es so sehr, dass der Schmerz dann aus meinem Herzen verschwunden sein wird. "Du denkst wieder zu viel nach." Ich beuge mich ein wenig näher zu ihr hinüber, während sie ihre samtweiche Wange an meine Hand schmiegt. Sie ist wie ein junges Kätzchen, das sich nach Streicheleinheiten sehnt. Es versetzt mir immer noch einen Stich, wenn ich daran denken muss, was sie in ihrem Leben alles erdulden musste. Deswegen kann ich es auch gut nachvollziehen, dass sie diese sanften, zärtlichen Berührungen liebt, die ihr das Gefühl von Zuneigung vermitteln. Ich erinnere mich, dass sie früher schon keine Gelegenheit ausgelassen hatte, um ihn zu berühren. Jetzt streicht sie mir wieder durch mein widerspenstiges Haar. Ich weiß nicht warum, aber sie scheint es zu mögen. Ihre Augen verdunkeln sich dabei, während sie wie gebannt der Bewegung ihrer zarten Fingern folgt. Bei diesem Anblick kann ich nicht anders als sie auf meinen Schoß zu ziehen. Ihre Hände legen sich dabei um mein Gesicht, und schon fühle ich das wohlige Kribbeln in meinem Inneren, das meinen Körper jedes Mal durchströmt, wenn wir uns berühren. Es ist ein erregender Kontrast ihre weiche, samtene Haut auf meiner rauen und trockenen Haut zu spüren. Ob er dasselbe gefühlt hat? Schwer zu sagen! Er war schon immer sehr verschlossen. Nur Robin scheint er sich anvertraut und sich ihr gegenüber ganz geöffnet zu haben. Das Eindringen ihrer Zunge in meine Mundhöhle holt mich wieder in die Gegenwart zurück - und hungrig komme ich ihr entgegen. Während ich meinen Griff um ihren wohlgerundeten Po festige, ahne ich bereits, wohin das wilde Zungenspiel uns führen wird. "Dann verschieben wir den Einkaufsbummel auf später." Es wundert mich schon ein wenig, dass ich noch an unser Vorhaben denken kann, während ich mit ihr in meinen Armen vom Stuhl aufstehe. Ihre langen, schlanken Beine schlingt sie dabei um meinen Körper, wodurch ihr fester Busen noch enger an meine Brust gedrückt wird. Während ich sie ins Zimmer trage, atme ich tief den leichten Lavendelduft ihres Shampoos ein, der mir entgegenweht. Unverwandt sind ihre Augen dabei auf mich gerichtet, die mittlerweile so dunkel wie das Meer geworden sind. Ein faszinierender Anblick, bei dem ich scheinbar nie müde werde dem Schauspiel zuzuschauen, wenn das helle Blau ihrer Iris voller Erregung immer dunkler wird. Nur ungern löse ich mich aus ihren verheißungsvollen Armen, nachdem ich sie vorsichtig auf das breite Bett absetze. Am Liebsten hätte ich mich sofort zu ihr gelegt und damit begonnen ihren Körper aufs Neue zu erforschen. Denn obwohl ich ihren Körper wie fast kein anderer kenne, so steckt er noch immer voller Geheimnisse, die es zu entdecken gilt. Dennoch wende ich mich zunächst der Fensterfront zu und ziehe die Vorhänge davor, wodurch sich ein angenehmes, sanftes Licht im Zimmer ausbreitet. Währenddessen spüre ich ihren verlangenden Blick in meinem Rücken. Doch wie verlangend er ist, stelle ich erst fest, als ich mich Robin wieder zuwende, deren Augen glutvoll über meinen Körper wandern. Bei ihrem umwerfenden Anblick stockt mir der Atem. Ihre Wangen sind von einem zarten Rot überzogen und ihr Mund mit diesen weichen, verheißungsvollen Lippen ist leicht geöffnet, während sich ihre Brust in einem erwartungsvollen Rhythmus hebt und senkt. Die pure Erregung geht von ihr aus, und ich merke sofort, wie es um meinen Schritt herum enger wird. Doch anstatt mich auf sie zu stürzen und mich einer wilden Ekstase hinzugeben, ignoriere ich dieses Gefühl und gehe stattdessen langsam aufs Bett zu. Dabei bemerke ich, wie sich mein Herzschlag bei jedem Schritt immer weiter beschleunigt, bis es in einem wilden Galopp zu rasen scheint. Ganz dicht vor ihr bleibe ich stehen und blicke auf sie hinab, während Robin sich langsam auf ihre Knie erhebt. Ihre Hände streichen dabei von meinem Bauch hinauf zu meiner Brust und ich schließe genießerisch die Augen. Im nächsten Augenblick spüre ich, wie sie die Knöpfe meines Hemdes öffnet, wobei ihre Fingernägel dabei sanft über meine nackte Haut kratzen, während ihre weichen Lippen den Weg ihrer Hände folgen. Für einen Moment lache ich kurz auf, als sie beinahe schon ungeduldig mein Hemd aus der Hose reißt - aber wirklich auch nur für einen Moment. Denn der geheimnisvolle Blick, den sie mir unter ihren langen Wimpern hervor wirft, lässt mich die Luft mit einem scharfen, zischenden Laut einatmen, verspricht er mir allerhöchsten Genuss. Erneut wandern ihre Hände an meiner Brust hinauf und fahren anschließend von der Schulter entlang an meinen Armen hinab, während Robin sich mit ihrem Körper hoch aufrichtet, wodurch unsere Gesichter nunmehr auf gleicher Höhe sind. Nur allzu gerne komme ich ihren sich nähernden Lippen entgegen, während sie mir das Hemd über die Schultern streift. Doch zu spät merke, dass sie mich reingelegt hat, als Robin mit einem leisen freudigen Lachen ihr Gesicht im letzten Augenblick von mir abwendet, bevor sich unsere Lippen treffen können. Sofort bemerke ich, dass sie mir mit Hilfe des Hemdes meine Hände auf den Rücken gefesselt hat, während ich den Kopf nur amüsiert darüber schütteln kann. Kapitel 3: Robin: Wishes ------------------------ Angenehm erschöpft höre ich seinem langsamen Herzschlag zu, der in einem leisen Dumpfen unter meinem Ohr erklingt. Das ruhige Heben seines Brustkorbs hat eine einschläfernde Wirkung auf mich, aber dennoch halte ich meine Augen offen. Blicklos schaue ich in das helle Gelb der Vorhänge, während die Lust allmählich in uns abklingt. Ich liebe diese seligen Momente! Die Zeit scheint stehen zu bleiben ... nichts stört meine friedvollen Gedanken ... es gibt nichts, dass mir schaden kann ... ich führe ein ganz normales Leben! Ich koste diese Momente immer in vollen Zügen aus, bevor die Realität mich wieder einholt. Aber für heute nehme ich mir vor die Vergangenheit nicht an mich ranzulassen. Ich will diesen Tag genießen ... ich will Spaß haben ... ich will endlich nach langer Zeit wieder das Gefühl von Glück verspüren! Ich spüre das Gefühl der Vorfreude in meinem Herzen, als ich kurz meine noch leicht geschwollenen Lippen auf die Stelle drücke, unter der das starke Herz des Mannes an meiner Seite schlägt. Genießerisch fahre ich mit meiner Zunge über meine Lippen, auf denen der salzige Geschmack seiner Haut liegt. Etwas widerstrebend löse ich mich dann vorsichtig aus seinem kraftvollen Arm, den er locker um meine Taille gelegt hat. Ein unwilliges Grunzen dringt aus der Tiefe seiner Kehle und ich schaue in sein Gesicht. Aus halbgesenkten Augen schauen seine Augen mich fragend an, und ich sehe die tiefe Befriedigung darin. "Wir wollen doch einkaufen gehen." Ich glaube, dass ich einen glücklichen Gesichtsausdruck mache, als ich so auf ihn hinabblicke ... in sein vertrautes Gesicht, dessen Konturen ich selbst im Schlaf nachzeichnen könnte. Auf jeden Fall schenkt er mir ein zufriedenes Lächeln. Ich kann nicht widerstehen! Der Drang, seinen Geschmack erneut auf meinen Lippen zu spüren, ist zu groß. Daher senke ich meinen Kopf und verschließe seinen Mund mit meinem. Das Lächeln auf seinen Lippen verschwindet nicht, als wir den Kuss vertiefen. Sein Gesicht wird völlig von meinen herabfallenden Haaren verdeckt. Wie ein Vorhang umrahmen sie es ein. Vielleicht ist dies ein guter Anfang die Vergangenheit endgültig hinter uns zu lassen. Unser größter Herzenswunsch wird sich nie für uns erfüllen. Es wäre eine Lüge zu sagen, dass wir nicht mehr bräuchten als uns beide. Immer wird ein leerer Platz in unseren Herzen vorhanden sein, den nur zwei Menschen füllen können. Unsere Herzen schlagen nicht füreinander ... aber trotzdem haben wir uns. Wir führen eine ... ich weiß nicht ... eine ganz einzigartige Beziehung. Eine Beziehung, die sonst keiner hat. Nicht einmal mit IHM hatte ich solch eine. Seine wandernde Hand an meinem Rücken reißt mich aus meinen Gedanken, die sich unter der Decke langsam auf meinen Po zu bewegt. Leise lachend beende ich den in Leidenschaft ausgearteten Kuss und schüttele verneinend mit dem Kopf, bevor ich mich aufsetze. Er stöhnt frustriert auf und sieht zur Zimmerdecke hinauf. Fast hab ich Mitleid mit ihm ... aber auch nur fast. Entschlossen steige ich daher aus dem warmen Bett. Ich brauche nicht erst zurückzusehen, um zu wissen, dass seine Augen glutvoll über meinen nackten Körper gleiten. Dieses Gefühl dabei lässt mich wieder bewusst werden, wie machtvoll der Körper einer Frau ist. Er ist wahrlich eine Waffe. Eine Waffe, die ich mir angewöhnt habe, gezielt einzusetzen. Es vereinfacht unsere Jagd nach den Piraten. Doch anders als jetzt ... hier, bei diesem Mann ... genieße ich es nicht, wenn die Männer vor mir auf die Knie gehen. "Was hast du vor?" Seine raue Stimme, in der noch ein Hauch von der eben wieder aufgewallten Leidenschaft steckt, hält mich an der Tür zum Badezimmer auf. Über meine Schulter werfe ich einen Blick zu ihm und mein Herzschlag setzt für einen Moment aus. Die dünne, weiße Bettdecke auf seiner braunen Haut liegt so dicht auf seinem Körper, dass die Konturen seiner Hüften mehr als nur betont werden und meiner Fantasie keinen Spielraum lassen. Aufgestützt auf seinem Arm treten die Muskeln an seinem Bauch deutlich hervor. Dieser Anblick von purer Männlichkeit lässt mich in meinem Entschluss, ins Badezimmer zu verschwinden, wanken. An seinem diebischen Ausdruck in seinen Augen erkenne ich, dass er diese Körperhaltung mit voller Absicht eingenommen hat, um mich wieder zurück ins Bett zu locken. Doch ich widerstehe dem Impuls die offensichtliche Einladung anzunehmen. "Ich mache mich für die Stadt fertig." Nach diesen Worten trifft mich ein heißer Blick aus seinen Augen. Ich kann mir gut vorstellen, was für Gedanken ihm jetzt durch den Kopf gehen, daher schüttele ich erneut verneinend meinen Kopf. "Wenn wir heute noch mal aus dem Zimmer kommen wollen, gehe ich lieber alleine duschen." Sein mitleidiges Stöhnen begleitet mich in das angrenzende Zimmer und entlockt mir ein frechwirkendes Lächeln. Als ich unter dem heißen Strahl der Dusche stehe und die letzten verbliebenen Spuren unseres Liebesspiels von meinem Körper spüle, werde ich unweigerlich meinem Versprechen, die Vergangenheit ruhen zu lassen, untreu. Ich wollte es eigentlich gar nicht! Während ich mit meinen Händen über meinen Körper fahre, rufe ich mir das Gefühl seiner Hände in Erinnerung, die vor kurzer Zeit noch meine Haut gestreichelt haben. Aber es ist nicht sein Gesicht, das ich hinter meinen geschlossenen Lidern sehe. Und es sind auch nicht seine Arme, in denen ich liege ... die mir soviel versprechen. Sicherheit ... Geborgenheit ... Halt ... Zuneigung ... Liebe! Das alles hatte meinen Körper durchströmt ... von innen erwärmt ... mich zum Leben erweckt. War es vielleicht naiv von mir anzunehmen, dass wir auf ewig zusammenbleiben würden? Habe ich mich absichtlich blind gestellt und die Augen vor unseren Problemen verschlossen? Sie waren da ... ich weiß das! Die Vergangenheit, sie lässt einen nicht los. Durch sie sind wir geprägt. Wir BEIDE sind durch sie geprägt. Wir haben unsere geheimsten Gedanken miteinander geteilt ... unsere Gefühle ... unsere Ängste ... unsere Erinnerungen. Und trotzdem haben wir es nicht geschafft. Nein! DU hast es nicht geschafft! Du konntest deine Angst nicht überwinden ... du konntest mir nicht vertrauen! Warum? Habe ich nicht alles getan, um dir zu beweisen, wie groß meine Liebe zu dir ist? Was hätte ich noch tun können? Und jetzt sieh uns an! Die Liebe ... die Freundschaft ... die Träume ... das Leben ... alles ist zerstört! Dich trifft keine Schuld ... ich gebe sie dir nicht ... denn sie ist meine! Ich wusste, dass du es nicht gerne siehst ... dass du es nicht leiden kannst ... dass du es hasst! Ich hätte es Nami überlassen sollen. Oder Ruffy ... Lysop ... Chopper ... irgendjemanden. Nur ich hätte mich nicht einmischen dürfen. Und dennoch habe ich es getan! Und warum? Ich habe es versucht dir zu erklären. Versucht, es dir begreiflich zu machen. Heute ... ja, heute hättest du einen Grund eifersüchtig zu sein. Aber nicht damals! Damals hätte ich es Sanji nicht erlaubt mich zu küssen ... mich zu berühren ... mit mir zu schlafen. Doch du ... du hast nur gesehen, was du wolltest. Ich spüre wieder die Sehnsucht nach dir. Nach deiner Stimme. Nach deiner Umarmung. Nach deinen Berührungen. Du besitzt mein Herz, das voller Narben ist. Und das du dennoch geliebt hast. Ich wünschte, ich könnte das Meer fragen, wo du jetzt bist ... die Erde, wie es dir geht ... den Wind, ob du ab und zu an mich denkst ... ob du mich immer noch liebst. Gedankenverloren lehne ich an der kalten Wand, die Arme um mich geschlungen, während das heiße Wasser unablässig an meinem Körper hinabrinnt. Ich habe keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen ist, seit ich das Badezimmer betreten habe. Ich will nicht daran denken ... nicht an ihn ... nicht jetzt. Heute soll der Tag einfach nur uns gehören. Wieder spüre ich die Vorfreude in mir. Daher drehe ich das Wasser ab und hülle mich in das weiche, blaue Badehandtuch. Als ich ins Zimmer zurückgehe, steht Sanji draußen auf dem Balkon und raucht sich wieder einmal eine Zigarette. Er hat nichts weiter als seine seidigen, schwarzen Boxershorts übergezogen, die sich sehr zart an meiner Haut angefühlt hatte. Mich würde es nicht wundern, wenn jetzt unten auf der Straße einige Frauen stehen, die ihn bewundernd anhimmeln. Bei dem Anblick der muskulösen Brust und den breiten Schultern kann man es ihnen nicht verübeln. Doch sie sind zu bedauern. Jetzt, wo er weiß, wem sein Herz gehört, wird er sich nie für eine von ihnen interessieren. Welch Ironie! Jetzt, wo die Frauen ihm zu Füßen liegen. Prüfend lasse ich meinen Blick durch den eher mageren Inhalt des Kleiderschranks wandern. Viele meiner schönen Kleider, die ich noch auf der Flying Lamb hatte, habe ich verkauft. Wir haben einfach nicht mehr die Möglichkeit soviel mitzuschleppen. Und damals haben wir das Geld auch dringend gebraucht. "Zieh doch deine weiße Hose an." Völlig überraschend steht er hinter mir und schlingt seine Arme um mich, während er sein stoppeliges Kinn auf meine nackte Schulter legt. Es erstaunt mich immer noch, wie leise er ist. Den schleichenden Gang hat er wahrlich perfektioniert. Es scheint ihm ins Blut übergegangen zu sein. Kapitel 4: Sanji: Comeback -------------------------- Wir haben uns auf die Terrasse eines schönen, ruhigen Cafés gesetzt und schauen dem Treiben auf dem Marktplatz vor uns zu. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mich das letzte Mal so entspannt in der Öffentlichkeit gefühlt habe. Es ist ein erhabenes Gefühl mal nicht die Umgebung wachsam im Auge behalten zu müssen. Hier treiben sich, wenn überhaupt, nur einige kleine Taschendiebe herum. Kein dreckiges Viertel mit irgendwelchen schmierigen Typen, bei denen man mit allem rechnen muss. Kein Gestank von tagelangem Abfall, Alkohol oder Schweiß, bei dem die Tränen kommen. Kein dunkles, fahles, graues Licht, bei der überall die Gefahr lauert. Wer hätte schon gedacht, dass unser Leben mal so aussehen würde? "Was hältst du davon, wenn wir heute Abend mal ganz schick essen gehen würden?" Ihre sanfte Stimme holt mich aus meinen Gedanken heraus. Erwartungsvoll blickt sie mich aus ihren weichen, blauen Augen an, während ich noch mit der Überraschung kämpfe, die ihre Worte bewirkt haben. Sonst bin es eigentlich immer, der solche Vorschläge macht. Aber ich habe bereits bemerkt - schon im Hotel -, dass sich etwas an ihr verändert hat. Doch bislang bin ich noch nicht draufgekommen, was es ist. "Was ist los mit dir?" Habe ich das jetzt wirklich gesagt? Dem überraschten Heben ihrer zierlichgeschwungenen Augenbraue nach zu urteilen, habe ich das wirklich. Da war meine Zunge mal wieder schneller als mein Verstand. Dabei wollte ich eigentlich mit ihr später darüber reden, wenn wir zurück im Hotel sind. "Vergiss die Frage", sage ich daher und widme mich wieder meinem Kaffee zu, der dampfend vor mir steht. "Wir sollten mit der Vergangenheit abschließen." Diesmal bin ich mir sicher, dass ich meine Überraschung nicht vor ihr verbergen kann. Solche Worte ... nein! ... diese Bedeutung habe ich nicht erwartet. Nicht von ihr! Und wie ruhig sie die Worte gesprochen hat. Ist ihr Herz wirklich schon bereit dazu? Bereit, zu vergessen? Bereit, sich einer neuen Liebe zu ergeben? Und ich? Kann ich loslassen? Kann ich SIE aus meinem Herzen verbannen? Ich möchte es ... das ist mein Wunsch ... sie für immer zu vergessen. Mein Verstand rät mir schon lange zu diesem Schritt. Doch warum zögere ich noch? Warum kann ich es nicht? Du bist unerreichbar für mich! Das warst du schon immer. Und jetzt mehr als je zuvor. Sympathie war alles, was ich von dir erhalten habe. Immer habe ich mir gesagt, dass es mir reichen würde. Dass ich glücklich bin in deiner Nähe sein zu können. Wie ein Verdurstender habe ich in dem Strahlen deines Lächelns gebadet. Und jedes Mal habe ich mir vorgestellt ... mir eingeredet ... dass mehr als Freundschaft hinter deinem Lächeln steckt. Aber ich habe mir was vorgemacht. Du hast mich nie geliebt ... nicht ein bisschen. Nur meine Ergebenheit für dich! Die hast du geliebt ... hast du ausgenutzt. Alles habe ich von dir ertragen! Dein Gezeter ... dein Geschreie ... deine Zurückweisungen ... alles! Und immer hat mich die Hoffnung aufrecht gehalten. Hoffnung, dass du mich doch noch erhören würdest. Dass du mir ebenfalls dein Herz schenkst ... so, wie ich dir meins geschenkt habe. Und was ist aus dieser Hoffnung geworden? Sie ist weg ... zerstört! Soviel habe ich für dich getan! Sogar mein Leben hätte ich für deins geopfert. Und was habe ich als Lohn bekommen? Für meine Ergebenheit? Für meine Liebe? Die Wahrheit! Ein Dolchstoß in mein Herz ... von deiner Hand geführt. Als ich dich gebraucht habe ... dich wirklich gebraucht habe ... da warst du nicht da. Du hast dich von mir abgewendet. Meinen stummen Hilferuf hast du einfach ignoriert. Wahrscheinlich weißt du noch nicht einmal, was du mir angetan hast. Wie sehr du mich verletzt hast. Du wirst es auch nie erfahren! Nie wieder werde ich dir ein Blick in mein Herz gewähren, das jetzt nur noch von Schatten umhüllt ist. Du sollst nie wieder die Chance dazu bekommen, es zwischen deinen anmutigen Fingern zu zerbrechen. Mit der Vergangenheit abschließen ... verlockende Worte! Doch habe ich den Willen dazu? Enttäuschung ... Wut ... Verzweiflung ... sie sind alle da. Ganz tief in meiner Seele drin, sind sie spüren. Und dennoch ... trotz des schmerzhaften Verrats, den mein Herz erlitten hat, hat die Liebe keinen Schaden genommen. Oder etwa doch? Ich weiß es nicht! Zum ersten Mal kommen mir Zweifel. Zweifel an meinen Gefühlen für sie. Kann es vielleicht sein? Den Schmerz kann ich nicht beschreiben, den sie mir zugefügt hat. Er übertrifft alles, was ich bisher gespürt habe. War er vielleicht so stark, dass er auch die Liebe zerstört hat? Wir haben eine lange Zeit miteinander verbracht. Zeit genug mich an das Gefühl zu gewöhnen. Vielleicht zu sehr, dass ich jetzt nicht einmal sagen kann, ob ich sie noch liebe? Ich habe es so satt! Die ständigen Fragen ... die quälenden Träume ... diese verfluchte Frau! Ich will wieder ein Leben führen! Ein Leben, so unbeschwert wie einst. Ein Leben voller Spaß und Freude. Ein Leben mit einem Traum ... den Traum vom All Blue! Ja ... da ist sie wieder! Fast habe ich vergessen, wie sie sich anfühlt. Die gespannte Erregung, die mich am ganzen Körper zittern lässt. Ich werde ihn nicht aufgeben! Ich werde den All Blue finden! Ich werde mit der Vergangenheit abschließen! Nein! WIR werden mit der Vergangenheit abschließen! Und wir werden unsere Träume erfüllen. Das Gefühl von Befreiung und eine noch nie da gewesene Energie erfüllt meinen ganzen Körper und wärmt mein Blut. Ja! Das Leben habe ich wieder zurück. Ein sanfter, kurzer Stoß an meinem Bein holt mich aus meiner Zufriedenheit heraus. Langsam wende ich meine Augen, die bislang mit einem leeren Ausdruck auf die Händler gerichtet waren, auf Robin. Sie hat die ganze Zeit über dem Geschehen auf dem Markt zugesehen und mir die Gelegenheit dazu geboten, über ihre Bemerkung nachzudenken. Ich weiß, sie erwartet von mir keine Antwort. Nicht so schnell ... nicht so bald. Gewissensbisse nagen an mir. Den heutigen Tag wollten wir eigentlich genießen. Und jetzt sitze ich hier und hänge meinen Gedanken nach, anstatt mit ihr etwas zu unternehmen. Doch schnell weicht dieses Gefühl einem anderen. Aufmerksam beobachte ich, wie sie in einer anmutigen Handbewegung durch ihr seidigglänzendes Haar streicht. Für jeden Außenstehenden ist dies eine normale Geste einer Frau. Wer sie aber besser kennt, weiß, dass es für sie eine untypische Bewegung ist. Es ist ein verabredetes Zeichen. Ein Zeichen dafür, dass wir beobachtet werden. Ich gebe mich einer entspannten Haltung hin, als ich meine Ellenbogen auf dem Tisch abstütze. Nichts an mir lässt darauf schließen, dass das Adrenalin durch mein Blut fließt und meine Muskeln zum Zerreißen gespannt sind. Auch sie gibt sich ruhig und gelassen, während sie den Rand ihrer Kaffeetasse umfasst. Dabei hält sie kurz zwei Finger in meine Richtung hoch. Unruhe erfasst meinen Körper, während wir auf den Kellner warten, damit die Rechung bezahlt werden kann. Ich lasse es mir aber nicht anmerken. Liebend gerne hätte ich mich umgedreht, um zu erfahren, wer uns beobachtet. Die Marine kann ich ausschließen. Die hätten schon längst versucht uns zu ergreifen. Blieben als nur noch Kopfgeldjäger. Wer sonst sollte ein Interesse an uns haben? Nachdem der Kellner wieder gegangen ist, lasse ich meine Schultern noch kreisen, um ein wenig die Anspannung daraus zu lösen, bevor ich dann vom Tisch aufstehe. In einem lockeren Griff lege ich einen Arm um ihre Taille und gemeinsam verlassen wir langsam den Marktplatz. Wir gehen eine kleine, schmale Gasse entlang, in der die weißen Fassaden der Gebäude sich in die Höhe recken. Die lauten Rufe der Händler bleiben hinter uns zurück und nur noch unsere leisen Schritte auf dem mit Steinen befestigten Weg sind zu hören. Irgendwo in der Ferne vernehme ich das aufgebrachte Schreien einer Frau sowie das Lachen von Kindern. Sonst ist alles ruhig. Nichts ertönt hinter uns, das uns hätte sagen können, ob unsere Beobachter uns folgen. Ich habe keine Lust auf ein Katz- und Mausspiel. Und schon gar nicht an einem Ort, wo ich mich nicht auskenne. Ich verspüre eine leichte Wut in mir aufkommen. Wut auf unsere Verfolger. Das heute sollte ein schöner Tag für uns werden, an dem wir mal frei Sorgen sind. Und trotz der quälenden Vergangenheit hätten wir ihn auch genießen können. Sanft dränge ich sie an eine Hauswand, nachdem wir eine weitere Gasse betreten haben, und schmiege meinen Kopf neben ihrem. Unter anderen Umständen hätte ich ihren lieblichen Duft und die verzehrende Wärme, die sie ausstrahlt, genossen. Meine gesamte Aufmerksamkeit ist auf die Frau in meinen Armen gerichtet. Meine Sinne nehmen jede Bewegung von ihr wahr. Bereitwillig geht sie auf das Schauspiel ein und legt ihre geschmeidigen Arme um meinen Hals, während sie scheinbar genießerisch ihren Kopf an die Wand lehnt. Ohne es zu sehen, weiß ich, dass ihre Augen halbgeschlossen sind, unter denen sie unbemerkt den Eingang der Gasse beobachten kann. Obwohl das Leben als Kopfgeldjäger hart ist - besonders für uns, die wir selbst von der Marine gesucht werden -, bringt es dennoch einige Vorteile mit sich. Wir sind jetzt ein gut eingespieltes Team, das sich auch ohne Worte verstehen kann. Nur eine Geste oder ein Blick reicht aus, um zu wissen, was der andere geplant hat. Jetzt höre ich das leise Knirschen von Stein auf Stein. Was für Idioten! Als wenn man sich so einfach an uns heranschleichen kann. Aber sie sind nicht die Ersten, die uns unterschätzen. Und diese Erfahrung wird für sie schmerzhaft, wie ich an der Bewegung an meinem Hals erkennen kann. "Huit Fleurs!" Wie ein Hauch dringen diese beiden Worte ganz nah an mein Ohr, die bebend durch meinen Körper fließen. Ihr süßer Klang wird jedoch im nächsten Augenblick von dem überraschten Stöhnen unserer Verfolger ersetzt, die sich unter weiten, braunen Umhängen verstecken. Ruhig und gelassen wandern meine Augen über diese zwei Personen, die von Robins Armen in einer tödlichen Umarmung gehalten werden. Eine Bewegung von ihr würde ausreichen, um ihnen das Genick zu brechen. Doch schnell wandelt sich meine Gelassenheit in Überraschung um. "Begrüßt man so einen alten Freund?" Kapitel 5: Ace: Reunion ----------------------- Keine Ahnung, was ich von dem Zusammentreffen erwartet habe. Aber irgendwie habe ich schon gehofft etwas wie Freude in ihren Gesichtern zu sehen oder ein Lächeln zu bekommen. Doch nichts dergleichen geschieht. Im Gegenteil! Zwischen uns herrscht ein eisiges Schweigen, als sie uns zu ihrem Hotel führen. Die Spannung um uns herum ist mehr als geladen. Sie scheinen nicht sehr erfreut zu sein, mich zu sehen. Ob meine Anwesenheit unliebsame Erinnerungen weckt? Wahrscheinlich. Hin und wieder haben ich sie damals ein Stück ihres Weges begleitet. Von daher weiß ich, dass es eine enge Freundschaft war, die sie alle miteinander verbunden hatte, obwohl sie so unterschiedlich wie Tag und Nacht sind. Eine illustre Bande! Aber genau diese Unterschiede haben sie zu einem Ganzen gemacht. Und jetzt soll die Freundschaft zu Ende sein? So recht kann ich nicht daran glauben. Dafür haben sie gemeinsam zuviel erlebt. Eine düstere Vorahnung beschleicht mich, als ich meinen Blick durch das kleine Zimmer schweifen lasse. Die Tatsache, dass nur ein Bett vorhanden ist, besagt mir, dass die beiden das verliebte Pärchen auf dem Marktplatz nicht nur gespielt haben. Das verkompliziert die ganze Angelegenheit, wegen der wir hier sind. Da wird noch eine Menge Ärger auf uns zukommen, sofern sie mitmachen sollten. Was denke ich da eigentlich? Ob sie nun ein Paar sind oder nicht spielt keine Rolle, den Ärger wird es so oder so geben! "Was wollt ihr von uns?" Mein Blick richtet sich wieder auf Sanji. Nein ... er ist über meine Anwesenheit garantiert nicht erfreut. Nicht nur seine harte Stimme, sondern auch seine Körperhaltung, so, wie er mit verschränkten Armen an der Wand neben der Tür steht, strahlt pure Kälte aus. Sie besagt deutlich, dass wir unerwünscht sind. Doch du wirst noch eine Weile warten müssen, mein Freund! Wenn ich ihn überhaupt noch so bezeichnen kann, denn ein völlig Fremder steht vor mir. Das habe ich bereits in der Gasse bemerkt. Die Zeit hat ihn sehr verändert. In seinen Augen finde ich keine Spur der Wärme, die einst in ihnen erstrahlt hatte. Härte spricht aus ihnen heraus. Auch eine gewisse Ernsthaftigkeit mache ich an ihm aus. Seine manchmal unreife Art, die er damals hin und wieder an den Tag gelegt hatte, scheint er verloren zu haben. Ich glaube nicht, dass sein jetziges Leben ihn so dermaßen verändert hat, sondern vielmehr der Bruch mit den anderen. Aber er ist nicht der Einzige, der darunter gelitten hat! Und Robin? Mein Blick wandert zu der jungen Frau hin, die ihre kleine Tasche in das Innere des Kleiderschrankes gepackt hat. Den kurzen Blick, den ich hineinwerfen kann, beweist mir ebenfalls, dass sie beide dieses Zimmer bewohnen. Obwohl ich Lysops Worten keinen Glauben geschenkt habe, bekomme ich jetzt so meine Zweifel. Ging es bei dem Streit wirklich um Betrug? Aber wenn das so ist, warum hat Ruffy nur vage Andeutungen gemacht? Warum hat er nie erzählt, was geschehen ist? Da muss noch mehr vorgefallen sein! Auf mich macht Robin den Eindruck, als wenn sie sich nicht verändert hätte. Aber mir ist es auch noch nie gelungen hinter ihrer Fassade zu blicken, hinter der sie ihre Gefühle und Gedanken versteckt. Doch während sie schweigend meine Musterung über sich ergehen lässt, nehme ich dennoch eine kleine Veränderung an ihr wahr. Ihre Augen sind ein wenig getrübt ... getrübt von ... Trauer? Oder ist es vielleicht Schmerz? Es lässt mich auf jeden Fall vermuten, dass das Ende der Freundschaft auch an ihr nicht spurlos vorbeigegangen ist. "Wir sind hier, weil wir eure Hilfe brauchen." Während ich aufmerksam auf jede Bewegung Sanjis achte, ertönt hinter meinem Rücken ein abfälliges Schnauben. In diesem Moment, wo sich seine Augen auf Yasopp konzentrieren, wird mir bewusst, was für ein Fehler es war, diesen mitzunehmen. Er war von Anfang an dagegen, dass wir Sanji und Robin um Hilfe bitten sollen. Eigentlich wollen die meisten Kameraden nicht, dass sich die beiden uns anschließen. "Wer ist das?" "Das ist Yasopp, Lysops Vater", erkläre ich Sanji. Halb wende ich mich Yasopp zu, um ihm einen warnenden Blick zuzuwerfen. Seine mehr als deutliche Abneigung ist im ganzen Raum spürbar. Dabei habe ich es schon schwer genug an der abweisenden Haltung Sanjis vorbeizukommen. "Und wofür braucht ihr unsere Hilfe?" Das Desinteresse, die hinter der Frage steckt, ist deutlich aus Sanjis Stimme zu hören. Fest beiße ich die Zähne aufeinander, dass mein Unterkiefer anfängt zu schmerzen, während sich Verzweiflung und Wut in meinem Körper ausbreitet. Seit acht Wochen sind Yasopp und ich unterwegs. Acht Wochen, in denen wir intensiv nach den Beiden gesucht haben. Jedem Hinweis auf ihren möglichen Verbleib sind wir gefolgt, wobei wir immer wieder in eine Sackgasse gelandet waren. Und jetzt, wo wir sie, eher zufällig, endlich gefunden haben, sieht es so aus, als wenn wir unsere Zeit nur verschwenden. Wertvolle Zeit! Zeit, in der sich das Leben meines Bruders immer mehr verkürzt! "Lass uns verschwinden, Ace! Von solchen Verrätern haben wir keine Hilfe zu erwarten!" In Gedanken stöhne ich bei diesen Worten auf, während ich Yasopp dabei zusehe, wie er das Zimmer verlassen will. Seine Ungeduld, die ihn zurück zu Shanks drängt, kann ich gut nachvollziehen, immerhin steht auch das Leben seines Sohnes auf dem Spiel. Aber auch ihm muss doch klar sein, dass wir Sanji und Robin brauchen. Dass wir ihre Fähigkeiten brauchen! "Wieso Verräter?" Mit diesen ruhig gesprochenen Worten, hinter denen eine leise Neugier zu hören ist, wird Yasopp zurückgehalten, als er an Robin vorbeigehen wollte. Ich versuche erst gar nicht, ihn von seiner Antwort abzuhalten, da ich genau weiß, dass es zwecklos wäre. Eine derartige Konfrontation ist unausweichlich, da sie früher oder später eh mit Vorwürfen überhäuft werden. Aber ich halte mich dennoch bereit einzugreifen, da ich die leichte Anspannung Sanjis bemerke. Früher konnte ich jede seiner Handlungen vorhersagen, aber jetzt ist er unberechenbar geworden. Wer weiß, zu was er jetzt fähig ist? "Wollt ihr etwa behaupten, dass ihr keine Verräter seid? Und das in zweifacher Hinsicht? Ich weiß, dass ihr die Shadow Devils seid und mit der Marine zusammenarbeitet. Und ich weiß auch von dem Streit und davon, dass ihr euren Freund hintergangen habt." Wie Peitschenhiebe knallen die aufgebrachten Worte durch das Zimmer, so dass ich selbst bei der Härte der Anschuldigung zusammenzucken muss. Die anschließende Stille, in der nur das leise Atmen von uns vier Personen zu hören ist, kommt mir wie die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm vor. Die Luft um uns herum ist wie elektrisiert. Niemand von uns rührt sich. Ich vermag nicht zu sagen, was in den Köpfen von Sanji und Robin vor sich geht. Ihre Blicke sind leer ... ohne jegliche Gefühle. Yasopp dagegen sieht sich in seiner Anschuldigung bestätigt. Das befriedigende Grinsen in seinem Gesicht besagt es mir. Der plötzliche Knall hört sich in meinen Ohren unnatürlich laut an, während Yasopp zwei Schritte zurückstolpert. Ich muss mehrmals blinzeln, um begreifen zu können, was gerade geschehen ist. Solch eine Reaktion hätte ich von jedem anderen erwartet, selbst von Sanji ... aber nicht von ihr! Ich habe die Hand gesehen ... die Hand, die sich in die Luft erhoben hat. Doch dass sie zuschlagen würde ... dass sie Yasopp einen heftigen Schlag mit ihrem Handrücken verpassen würde ... damit habe ich nicht gerechnet. Was war der Grund dafür? Welche Bemerkung hat sie so aus der Fassung gebracht, dass ihr ganzer Körper zittert? "Ihr verschwindet jetzt besser!" "Warte, Sanji, bitte", wende ich mich fast schon flehend an ihn. Die Hilflosigkeit in meiner Stimme kann sogar ich hören. Mein Stolz bäumt sich auf angesichts der Zurschaustellung meines Inneren, aber die Situation in diesem Zimmer ist in nur wenigen Minuten so dermaßen eskaliert, dass es schon beinah eine aussichtslose Lage angenommen hat. "Ruffy und Lysop sind von der Marine festgenommen worden! Und wir wollen sie jetzt befreien. Mit eurer Hilfe hätten wir bessere Aussichten auf Erfolg." Sanji sieht mich abwartend ab, wodurch mich ein kleines Maß an Erleichterung durchflutet. Es ist mir gelungen die Situation ein wenig zu entschärfen. Zwar ist es nur ein kleiner Sieg, aber dafür entscheidend, denn er hört mir jetzt zu. Jetzt kann ich nur noch hoffen, dass sich Yasopp im Hintergrund hält. Noch eine falsche Bemerkung von ihm und die Sache ist endgültig gelaufen. "Warum gerade unsere Hilfe?" Ich blicke zu Robin, die in der Zwischenzeit wieder zu ihrer so typischen Ruhe zurückgefunden hat. Ich bin erstaunt darüber, wie schnell sie ihre Gefühle wieder unter Kontrolle bringen kann. Nichts an ihr lässt auf den eben noch erlebten Gefühlsausbruch schließen. Nur ihre Stimme ist um einige Grade kälter geworden. "Weil ihr ausgesprochen gut darin seid Informationen zu besorgen. Wir wissen ja, dass ihr die Shadow Devils seid." "Um was für Informationen geht es?" Zufrieden nehme ich das Interesse in Sanjis Worten wahr, wodurch sich meine Muskeln zum ersten Mal, seit wir das Zimmer betreten haben, entspannen. Es ist beruhigend zu wissen, dass ihn die Not von seinen einstigen Freunden nicht kalt lässt. Die Hoffnung kommt wieder. Hoffnung, auf ihre Hilfe! Und vielleicht ... ja, vielleicht gibt es auch Hoffnung für sie ... für ihre Freundschaft. Vielleicht wird diese Mission sie wieder zusammenschweißen. "Es geht um das Gefängnis, in dem Ruffy und Lysop sind. Wir wissen rein gar nichts darüber. Weder über den Aufbau, der Bewachung noch über die Waffenstärke. Das Einzige, was wir darüber wissen, ist, dass es bislang noch nie jemandem gelungen ist, von dort auszubrechen." "Wer macht noch bei diesem ganzen Vorhaben mit?" Der Moment ist da! Der Moment, den ich die ganze Zeit erwartet, zugleich aber auch gefürchtet habe. Und dennoch habe ich irgendwie gehofft, dass ich diese Frage nicht beantworten müsste. Von ihr hängt jetzt alles ab. "Shanks und seine ganze Bande. Whitebeard mitsamt Mannschaft. Und ... Nami ... sie ist ... auf der Suche nach Chopper und Zorro." Ich halte den Atem an, während ich Sanji und Robin gespannt beobachte. Sie zeigen keine Regung, so, als würde der Name Zorros sie nicht berühren. Als wäre er ihnen fremd. Ich weiß nicht, was ich von ihren Blicken halten soll, die sie sich gegenseitig zuwerfen. Was geht bloß in ihren Köpfen vor? "Bedenkzeit?" Ist es ein gutes Zeichen? Können wir noch weiter hoffen? "Wir laufen morgen früh mit der Flut aus." Kapitel 6: Sanji: Fear ---------------------- Die Gedanken wirbeln wild durch meinen Kopf, während Ace und Yasopp an mir vorbei das Zimmer verlassen. Ich blicke sie nicht an, sondern starre nur leer aus dem Fenster. Ich höre, wie die Tür leise ins Schloss fällt. Wir bewegen uns nicht. Wir sehen uns auch nicht an. Jeder von uns ist mit den eigenen Gedanken beschäftigt. Gedanken über das eben Gehörte. Es ist nicht fair! Nicht jetzt ... nicht, wo sich gerade ein wenig Hoffnung gezeigt hat. Hoffnung auf ein neues Leben. Ich kann nicht glauben, dass unser Leben so aussehen soll! Dass jeder Tag für uns ein Kampf ist. Ein Kampf mit den Gefühlen und Erinnerungen. Wir werden daran zerbrechen! Irgendwann ... wenn wir keine Kraft mehr haben ... wenn der Wille gebrochen ist. Als wenn die Wahrheit mir meine ganze Energie geraubt hätte, rutsche ich an der Wand hinab. Warum jage ich mir eigentlich nicht sofort ein Messer durch die Kehle? Dann wäre es vorbei. Dann wäre ich endlich frei. Frei von der Vergangenheit ... frei von den Gefühlen ... frei von meiner Liebe! Und ich müsste nicht auf die kommenden Tage warten. Auf die Begegnung, die die Wunde in meinem Herzen wieder aufreißen wird. Auf den Schmerz, der bei ihrem Anblick unweigerlich eintreten wird. Gott! Ist es schon so weit mit mir gekommen? So weit, dass ich schon den Lockruf des Todes höre? Es wäre so einfach. So einfach, sich ihm zu ergeben! Die schwarzen Schwingen, die mich einhüllen ... die mich verlocken ... die mich zu sich rufen. Ruhe! Friedliche Ruhe hätte ich dann. Nichts würde ich dann mehr spüren. Absolut gar nichts! Schwerelos würde ich dann durch die Zeiten reisen ... ohne Qualen ... ohne Sorgen ... ohne Sehnsucht. Wie der Ruf einer lieblichen Sirene erfüllt diese Vorstellung meine Gedanken. Es ist befreiend sich diesem Traum hinzugeben. Aber genau das ist es ... ein Traum! Ein Traum, der sich nicht erfüllen wird. Nicht, solange sie bei mir ist. Mit der Vergangenheit abschließen ... da haben wir uns beide was vorgemacht. So bitter die Wahrheit auch ist, aber unsere Herzen werden nie frei sein ... frei für eine neue Liebe. Es wird für uns beide nie einen Menschen geben, der die Leere in unseren Herzen füllen kann. Nur sie beide können das! Sie beide können unsere Wunden heilen und uns das höchste Glück bringen. In einem sanften Griff werden meine Hände aus meinem Gesicht gezogen. Überrascht blicke ich in ihre Augen, in denen ein solch tiefer Schmerz liegt, den ich noch nie darin gesehen habe. Die Worte müssen sie sehr hart getroffen haben. Mehr noch, als der Schlag, den sie Yasopp verpasst hatte. Mit einem unnachgiebigen Druck drückt sie meine Knie herunter, damit ich meine Beine lang ausstrecke. Neugierig beobachte ich sie dann, wie sie sich auf meinen Schoß setzt und ihre Hände an meine Wangen legt. "Wir werden es schaffen! Zusammen werden wir damit fertig!" Trotz ihres heiseren Flüsterns kann ich die Verzweiflung in ihren Worten hören. Es ist, als wenn sie nicht nur mir sondern auch sich selbst damit Mut machen will. Sie hat genauso viel Angst wie ich! Angst vor dem Wiedersehen! "Wir beide gegen den Rest der Welt. Wer soll uns da noch aufhalten können?" Meine letzten Worte entlocken ihr ein kleines Lächeln, das ich einfach erwidern muss, und die Spannung um uns herum lockert sich ein wenig auf. Ich bin froh, dass ich sie bei mir habe. Durch sie erhalte ich immer die nötige Kraft mit den Geistern der Vergangenheit fertig zu werden. Wer weiß, wo ich heute wäre, wenn sie damals nicht mit mir gegangen wäre? "Sag mir, was du dir wünschst?" Der Ernst in ihren Augen besagt mir, dass es keine locker dahergesagte Floskel ist. Nein ... sie hat eine tiefergehende Bedeutung. "Ich möchte mal wieder glücklich sein", antworte ich nach langer Überlegung. Ein gequältes Lächeln erscheint auf ihren Lippen. Sie weiß genau, dass sie mir diesen Wunsch nicht erfüllen kann. Genau, wie auch ich sie nicht glücklich machen kann. "Und du? Was wünscht du dir?" Traurig schüttelt sie ihren Kopf, während sie leise aufseufzt. "Ich weiß nicht. Das vergangene Leben will ich wieder zurückhaben. Aber gleichzeitig will ich auch ein neues Leben." "Irgendwann werden wir uns das Leben zurückholen." Ich lege meine Arme fest um ihren Körper und ziehe sie näher zu mir heran. Schweigend genießen wir eine Weile die tröstende Umarmung. Wir beide wissen, dass eine harte Zeit auf uns zukommen wird, in der wir all unsere Kraft brauchen werden, um mit unseren zerstörerischen Emotionen fertig zu werden. Wie immer, wenn wir so nah beisammen sind, beflügeln ihr süßer Duft und ihre geborgene Wärme meine Sinne. Ich spüre ihr wissendes Lächeln an meinem Ohr, während meine Hände tastend an ihrem Rücken hinunterwandern. Leicht rutscht sie unruhig mit ihrem knackigen Po auf meinem Schoß herum, so dass sich meine Muskeln anspannen. Stützend legt sie ihre Hände auf meine Schultern und richtet sich auf. Eine Weile blickt sie mich an. Ihre Augen sind vor Lust verschleiert. Dann beugt sie sich ganz langsam zu mir herunter. Unsere Lippen streifen sich nur ganz kurz, bevor sie dann in einen tiefen Kuss miteinander verschmelzen. Längst haben meine Hände ihren Weg unter ihr rotes Hemd gefunden, wo meine Finger in kleinen, zarten Kreisen nach vorne zu ihrem Bauch wandern. Unter meinen Fingerkuppen fühle ich das leichte Zusammenzucken ihrer Muskeln. Immer wieder streiche ich über die sensible Haut ihres flachen Bauchs, weil ich genau weiß, dass die hauchzarte Berührung sie verrückt macht. Ein raues Stöhnen dringt aus ihrer Kehle und ihre Lippen beben ein wenig unter dem Geräusch, das meine Lust nur noch mehr anfacht. Gierig vertiefe ich unseren Kuss und dringe tief mit meiner Zunge in ihre Mundhöhle ein. Dafür ernte ich ein erneutes Stöhnen, während ihre Hände langsam die Knöpfe meines Hemdes öffnen. Atemlos unterbricht sie den Kuss und wandert mit ihren Lippen stattdessen an meinem Kinn entlang hinunter zum Hals, wobei sie zugleich sanft meine Hände von ihrem Bauch schiebt. Der Drang, wieder nach ihr zu greifen und ihren Geschmack erneut zu kosten, ist fast nicht zu kontrollieren. Doch der Anblick, wie sie mit ihrer Zunge über die nackte Haut meiner Brust leckt, die sich in einem schnellen Rhythmus hebt, erregt mich zutiefst und lässt mich weiter zuschauen. Währenddessen öffnet sie mit ihren flinken Fingern die Schnalle meines Gürtels, was mir ein erwartungsvolles Stöhnen entlockt, das sich beinah schon wie ein Knurren anhört. Doch als sie eine vorwitzige Hand unter den Saum meiner Hose stecken wollte, halte ich sie davon ab. "Das solltest du jetzt besser nicht tun", warne ich sie, wobei ich mich gleichzeitig frage, ob diese tiefe, raue Stimme wirklich zu mir gehört. Ihre Antwort auf meine Bemerkung jedoch besteht in einem hellen Auflachen, dessen warmer Atem an meinem Bauch kitzelt. Mit einem gespielten Knurren ziehe ich sie wieder zu mir hoch und lege ihre Arme um meinen Hals. Sanft streiche ich an ihrem Armen entlang, während ich kleine Küsse auf ihr Brustbein verteile. Ich spüre ganz deutlich ihren lustvollen Blick, als meine Hände an ihren Schultern zu den Seiten ihres Busens hinabwandern. Zischend holt sie tief Luft, als sich meine Lippen um die Spitze einer ihrer Brüste legen, die noch immer von dem Stoff ihres Hemdes bedeckt sind. Gleichzeitig streichle ich mit meinem Daumen die andere Spitze, die sich deutlich unter dem Hemd abzeichnet. Ihr kurzes, abgehacktes Wimmern zaubert ein befriedigendes Lächeln auf mein Gesicht. Doch schon bald reicht mir diese Berührung nicht mehr aus, so dass ich in schnellen Handgriffen die Knöpfe des Hemdes löse, um die störende Barriere von der samtenen Haut zu befreien. Aber bevor ich mich wieder ihrem Busen zuwenden kann, richtet sie sich auf ihren Knien auf. Plötzlich überkam mich ein noch nie da gewesenes Gefühl. Es schießt wie spitze Nadeln durch meinen ganzen Körper und presst schmerzhaft mein Herz zusammen. Nur wenige Sekunden vergehen, bis ich es als Furcht erkenne. Furcht davor, dass sie mich verlassen könnte. Geschockt über die Intensität des Gefühls schlinge ich meine Arme fest um ihren Unterleib und drücke mein Gesicht gegen ihren Bauch. Ich spüre, wie sich ihr Körper kurz versteift, bevor er sich wieder entspannt. Ich kann nur vermuten, dass sie ebenfalls über meine Reaktion überrascht ist, wie ich selbst. "Sanji?" Ich höre den besorgten Ton aus ihrer Stimme heraus, in der keine Spur von Lust mehr vorhanden ist. Sanft streichelt sie durch mein Haar, während sie auf irgendeine Antwort von mir wartet. Doch ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich kann mir ja selbst nicht erklären, was auf einmal mit mir los ist ... warum ich auf einmal Angst habe. In einem sanften Griff versucht sie meine Hände von ihrem Rücken zu lösen, doch ich schlinge meine Arme nur noch fester um sie. Ich will sie nicht loslassen ... um keinen Preis. Es ist total verrückt, aber ich habe die grauenhafte Vorstellung, dass sie sich sonst in Luft auflösen wird. In diesem Moment wird mir bewusst, wie sehr ich von ihr abhängig bin ... wie sehr ich sie brauche. Tröstend legen sich ihre Arme um meinen Hals und drückt mich noch enger an sich, während sie sich wieder auf meinen Schoß sinken lässt. Mein Kopf und meine Arme rutschen dabei an ihrem Körper hinauf. Fest schmiegt sie ihre Wange an meine und schaukelt unsere Körper in einem beruhigenden Rhythmus vor und zurück. "Sprich bitte mit mir. Sag mir, was dich quält." Noch immer spüre ich die kalten Fänge um mein Herz, während ich mit geschlossenen Augen ihrer leisen Stimme lausche und die Wärme ihres Körpers in mir aufnehme. "Verlass mich nicht!" Es ist alles, was ich sagen kann ... was ich denken kann. Allmählich werde ich mir der warmen Feuchtigkeit unter meiner Wange bewusst, die von Tränen herrührt. Meine Tränen! "Niemals!" An ihrer gebrochenen Stimme erkenne ich, dass auch sie selbst den Tränen nahe ist, während ihre Umarmung noch fester wird. "Ich werde dich niemals verlassen. Solange du mich bei dir haben willst, bleibe ich." Kapitel 7: Robin: Home ---------------------- Leise trete ich auf den Gang hinaus und schließe die Tür meines Zimmers hinter mir. Aber ich gehe nicht weiter. Stattdessen lehne ich mich an das dunkle, raue Holz, das mir so vertraut ist. Am Morgen zuvor noch habe ich gedacht, dass ich es nicht schaffen würde auch nur einen Fuß auf das Schiff zu setzen. Dass ich unter der Flut von Erinnerungen zusammenbrechen würde. Doch nichts dergleichen ist geschehen. Stattdessen hat eine friedvolle Ruhe meinen Körper erfasst. Zu lange schon habe ich dieses Gefühl nicht mehr verspürt. Es ist, als wenn ich ... nach Hause gekommen wäre. Nein, nicht wäre ... ich bin es! Nach mehr als einem Jahr bin ich wirklich wieder zu Hause. Und nichts hat sich hier verändert. Wirklich gar nichts! Fast schon könnte ich glauben, dass nichts geschehen ist ... dass wir alle noch zusammen sind und in ein neues Abenteuer segeln. Ich blicke auf das ledergebundene Buch in meiner Hand hinab. Es ist schon einige Jahre her, als ich es auf einem kleinen Markt erstanden hatte. Seitdem hatte ich es immer wieder gelesen. Die Seite ist noch immer markiert, auf der ich aufgehört habe. Damals, an dem Abend vor dem Streit. Warum hat sich hier nichts verändert? Wieso sind all unsere Sachen noch hier? Hoffst du, dass wir alle wieder zurückkehren, Ruffy? Dass alles wieder wie früher wird? Du warst ja schon immer ein Optimist und hast nie so schnell eine Hoffnung aufgegeben. Diese Eigenschaft habe ich schon immer an dir bewundert. Langsam gehe ich einige Schritte den schmalen Gang entlang, bis ich vor der Tür stehe, die ins Jungenzimmer führt. Ich weiß, dass niemand drin ist. Die anderen sind alle oben, in der Kombüse. Yasopp wird mit Sicherheit in ein mürrisches Schweigen verfallen sein. Er macht keinen Hehl daraus, dass ihm unsere Anwesenheit missfällt. Aber das ist mir egal. Vielmehr beschäftigt mich die Frage, ob er nicht vielleicht Recht hat. Seit dem gestrigen Vorfall in dem Hotelzimmer muss ich immer wieder darüber nachdenken. Selbst bis in meine Träume verfolgt mich die Frage, ob ich Zorro nicht vielleicht doch betrogen habe. Zögernd strecke ich meine Hand nach dem kühlen Griff der Tür aus. Was wird mich dahinter erwarten? Angst und Hoffnung pressen mein Herz zusammen. Aber ich muss es wissen! Muss wissen, ob auch Zorro etwas zurückgelassen hat. Nur ein kurzer Blick genügt mir, um zu erkennen, dass sich auch hier in dem Zimmer kaum etwas verändert hat. Noch immer hängen überall verteilt die Hängematten, in denen die Jungs immer geschlafen hatten. Auch stehen die Truhen, in denen sie ihre Sachen verstaut haben, noch immer an den gleichen Stellen. Doch mein Interesse gilt nur einer Truhe! Angst, dass mich der Mut verlassen würde, lässt mich schnell das Zimmer bis zur rückwärtigen Wand durchschreiten, wo ich mich kraftlos auf den Boden fallenlasse. Das unkontrollierte Zittern in meinen Händen macht es mir fast unmöglich den schweren Truhendeckel zu öffnen, während mein Herz mir scheinbar bis zum Hals klopft. Aus Furcht davor, dass der Inhalt leer sein könnte, schließe ich meine Augen. Warum tue ich das eigentlich? Warum quäle ich mich so? Was erhoffe ich mir damit? Es ist doch alles verloren! DICH habe ich verloren! Auch wenn du mir jetzt gegenüberstehen würdest, würdest du mir fern sein. Zu sehr habe ich dich verletzt. Klar und deutlich sehe ich dich vor mir ... an dem Tag, an dem alles begonnen hat. So habe ich dich noch nie erlebt ... so voller Wut. Ich habe gesehen, wie angespannt deine Muskeln waren ... zum Zerreißen gespannt. Es war das erste Mal, dass ich Angst hatte ... Angst vor dir! Dass ich Sanji in Schutz genommen habe, war ein Fehler ... den ich auch sofort bereut habe. Nur weil er ein ganz besonderer Freund ist, habe ich so gehandelt. Gehandelt ohne nachzudenken! In deinen Augen habe ich gesehen, wie tief ich dich damit verletzt habe. Mein Leben lang werde ich diesen Anblick nie vergessen. Und schon gar nicht den traurigen Glanz, der sich schnell in Kälte gewandelt hat. Eine Kälte, die nur mir galt! Bereits da habe ich schon gewusst, dass es mit uns vorbei ist ... dass nichts mehr zu retten ist. Gewaltsam reiße ich mich aus der Erinnerung heraus, während mir einzelne Tränen an den Wangen hinab laufen. Achtlos wische ich sie mir aus dem Gesicht, bevor ich mich dann mit einem zittrigen Seufzer der Truhe wieder zuwende. Sie ist halbvoll. Langsam und vorsichtig breite ich seine Sachen um mich herum aus, so, als wenn sie zerbrechen könnten. Hauptsächlich sind es Kleidungen: ein paar Hosen, einige Trägershirts, zwei Hemden und ein dunkler Mantel. Wieder laufen mir die Tränen hinab, als ich ein dünnes Buch heraushole. Darin sind alle wertvollen Schwerter verzeichnet. Sanft streichen meine Finger über den schwarzen Lederband, bevor sie die erste Seite aufschlagen. Nur ganz verschwommen erkenne ich die Widmung, die dort geschrieben steht. Doch das macht nichts. Auch ohne es lesen zu können, weiß ich, was dort steht, ist die geschwungene Handschrift doch die meine. Auf ewig deine Black Lady So hast du mich immer genannt! Weil ich so voller Geheimnisse stecke, hast du mir mal verraten. Es tut weh zu wissen, dass ich jetzt nicht mehr deine Lady bin. Dass du das Buch zurückgelassen hast, beweist es mir. Langsam und mit einem tiefen Bedauern lege ich es wieder zurück in die Truhe. Dabei fällt mein Blick auf ein anderes. Es ist ganz einfach gehalten, ohne jegliche Zier und Beschriftung. Der Einband fühlt sich rau unter meinen Fingern an, als ich das Buch herausnehme. Neugierig, was es enthält, schlage ich es auf ... und erkenne völlig überrascht seine Schrift. Bereits die ersten Zeilen verraten mir, dass es eine Art Tagebuch ist. Entschlossen lege ich das Buch neben mir auf den Boden und räume seine Sachen wieder ordentlich in die Truhe ein. Nur den Mantel behalte ich draußen. Obwohl er durch das lange Liegen ein wenig muffig riecht, möchte ich dennoch das Gefühl seiner Nähe spüren, wenn ich seine Worte lese, die seine geheimsten Gefühle offenbaren. Ein kurzer Blick aus dem Bullauge verrät mir, dass es allmählich auf den Abend zugeht. Die perfekte Zeit! Warm in den dunklen Mantel eingehüllt und das Buch fest an meine Brust gedrückt, trete ich hinaus auf das Deck. Das Wetter hat wieder umgeschlagen und es ist kälter geworden. Ein frischer Wind weht mir durch das Haar, der den salzigen Duft des Meeres mit sich trägt. Den Rücken an das Holz des Mastes gelehnt, rutschte ich daran hinab zu Boden. Eine Weile blicke ich nur nach vorne, wo sich der Horizont in einem sanften Rhythmus auf- und abhebt, während ich erneut das Gefühl bekomme, dass die Zeit zurückgedreht wurde. In Gedanken sehe ich Ruffy vor mir, wie er mit einem breiten Grinsen auf dem Kopf der Lamb sitzt und nach einer Insel Ausschau hält. Lysop bastelt an einer neuen Erfindung, während er Chopper irgendeine seiner Heldengeschichten erzählt. Nami ist in unserem Zimmer und begutachtet kritisch eine ihrer gezeichneten Karten, um noch Änderungen an ihr vorzunehmen. Und währenddessen zaubert Sanji fröhlich in der Kombüse für uns ein leckeres Abendessen, dessen köstlicher Duft sich über das ganze Schiff verteilt. Und Zorro? Er würde mit mir zusammen auf den Sonnenuntergang warten. So, wie wir es früher schon oft getan haben. Er würde seine starken Arme um mich legen und mich an seine feste Brust ziehen. Sein raues Gesicht würde er an meines schmiegen. In einem besinnlichen Schweigen würden wir dann der Sonne zusehen, wie sie langsam immer weiter hinter dem Horizont verschwindet. Nichts würden wir um uns herum wahrnehmen außer der vertrauten Wärme des anderen. Mit dem Gefühl der Geborgenheit, das sich bei dieser Erinnerung bei mir einstellt, schlage ich das Buch in meinen Händen auf. Es dauert nicht lange, dann haben seine einfühlsamen Worte mich gefesselt und nichts um mich herum nehme ich noch wahr. Kapitel 8: Zorro: Diary ----------------------- All die Jahre über habe ich meine wahren Gefühle ganz tief in mir drin verschlossen, damit sie mich nicht von meinem großen Traum ablenken, den ich nicht nur für mich selbst erfüllen will. Aber dadurch hatte ich verlernt, wie ich meine Empfindungen in Worte fassen kann. Daher habe ich meine Berührungen und Küsse sprechen lassen. Und auch deine Augen, in denen ich mich gerne verloren habe und die mich an zwei dunkle Seen erinnern, scheinen immer gewusst zu haben, was in meinem Inneren vor sich gegangen ist. Und jetzt, wo ich weiß, was ich sagen muss, kann ich es immer noch nicht, denn du bist nicht mehr da. Fünf Wochen sind mittlerweile vergangen, seit ich dich aus meinem Leben verjagt habe. In dieser Zeit habe ich viel nachgedacht und erkannt, dass ich dich nie wirklich verstanden habe. Nicht, weil ich taub war, sondern weil ich nur das gesehen habe, was meine Angst mich hat sehen lassen. Jedes Mal, wenn du in meinen Armen eingeschlafen bist, habe ich dich beobachtet. Deine Gesichtszüge sind dann immer weich und sanft geworden und der gespannte Ausdruck, der sich seit deiner Kindheit darin eingegraben hat, verschwand völlig. Trotz deiner leisen, zufriedenen Seufzer musste ich immer daran denken, dass ich dir nicht ausreichen würde. Dass meine Berührungen dich nicht bei mir halten könnten. Dass du eines Tages jemand anderen treffen könntest, der dir all das geben und sagen kann, was ich nicht vermochte. In solch einer Person habe ich Sanji gesehen. Wenn ich in einen Spiegel sehe, erblicke ich einen grimmigen Kerl, dessen Körper voller Narben ist. Ich besitze weitaus mehr Kraft und Stärke als Intelligenz, und mein Benehmen gleicht dem eines Elefanten im Porzellanladen. Sanji dagegen ist das genaue Gegenteil von mir. Er sieht gut aus, ist fröhlich und wortgewandt. Neben seinem perfekten Gentlemandasein hätte er von Anfang an keine Probleme damit gehabt, dir zu sagen, was er für dich empfindet. Deshalb habe ich auch in ihm eine Bedrohung gesehen. Ihr habt immer ganz nah beieinander gesessen und zusammen gelacht und gescherzt. Immer habe ich daran denken müssen, was für ein schönes Paar ihr beiden abgeben würdet. Und jedes Mal habe ich darin die Bestätigung gesehen, wie unzulänglich ich doch für dich bin. Kannst du dich noch an unseren ersten richtigen Streit erinnern? Da ging es auch um Sanji und dich. Ich konnte meine Angst und meine Verzweiflung nicht länger zurückhalten. Das war auch der Grund, warum ich dich angeschrieen habe, und nicht aus Wut. Ich glaube, dieser Ausbruch hatte mich mehr erschreckt als dich. Es war auch das erste Mal, dass ich dich angeschrieen habe. Und dann bin ich aus dem Zimmer gestürmt, ohne noch etwas zu sagen oder dich noch einmal anzuschauen. Danach haben wir einen ganzen Tag lang nicht miteinander geredet. Bei unseren sonstigen Streits war es immer um irgendwelche Kleinigkeiten gegangen, die wir jedoch bereits nach nur wenigen Minuten wieder vergessen hatten. Dieses Mal aber wollte keiner von uns nachgeben, weil jeder sich im Recht gesehen hatte. Doch meine Sehnsucht nach dir und deiner geborgenen Wärme und die Reue wegen meines Ausbruchs haben mich dann doch schließlich wieder zurück in deine zärtlichen Arme getrieben. Trotz deiner Beteuerungen, dass zwischen dir und Sanji nur Freundschaft existiere, konnten meine Angst und meine Eifersucht nicht bezwingen. Glaube mir, die Streitereien, von denen noch so viele gekommen sind, habe ich immer gehasst. In diesen Momenten habe ich mich immer so schwach gefühlt. Aber am Schlimmsten war, dass ich dir mit meinen Vorwürfen wehgetan habe. Trotz meiner Blindheit deiner Liebe gegenüber ist mir der enttäuschte Ausdruck in deinen Augen nie entgangen. Es hat mir immer einen Stich ins Herz versetzt. Ich frage mich gerade, wo du bist und was du tust. Alles hat sich verändert. Ruffy ist seltsam still geworden. Chopper und Lysop laufen nur noch mit einer Trauermiene an Bord herum. Und Nami hat sich in eurem Zimmer eingeschlossen und kommt nur noch selten raus. Ich weiß, dass ich an diesem ganzen Schlamassel schuld bin. Ich hätte auf mein Herz hören sollen, anstatt meine Augen Glauben zu schenken. Irgendwie war es für mich wie ein Schlag ins Gesicht, als du Sanji gegen mich verteidigt hast. Und dass die anderen auch noch alle dabei waren und zusahen, hat meine Wut auf euch beide nur noch mehr geschürt. In diesem Augenblick habe ich Sanji aus tiefstem Herzen gehasst. Ich habe wirklich geglaubt, dass er mir dein Herz gestohlen hat. Es hat mich zerrissen und am Liebsten hätte ich in diesem Moment zugeschlagen, ohne Gnade. Euch Seite an Seite zu sehen, hat mir die Gewissheit gegeben, dass du einen anderen liebst. Eine Welt ist für mich zusammengebrochen. Es tut mir so unendlich Leid, was passiert ist. Wenn ich könnte, würde ich die Zeit zurückdrehen und den Schmerz und die Trauer, die ich über alle gebracht habe, verhindern. Denn mit meinen grausamen Worten habe ich nicht nur unser gemeinsames Leben zerstört, sondern auch die Freundschaft und auch die Liebe zwischen Nami und Sanji. Jetzt, im Nachhinein, wo alles zu spät ist, sehe ich vieles mit ganz anderen Augen. Jetzt kann ich die Blicke deuten, die sich die beiden immer im Geheimen zugeworfen hatten. Auch weiß ich, dass meine Angst völlig unbegründet war. Deine Liebe und dein Herz haben nur mir allein gehört. Ich habe versucht dich zu hassen. Habe mir eingeredet, dass ich es tue. Doch in den Nächten, die mir so kalt erschienen sind, weil du nicht in meinen Armen gelegen hast, habe ich dich immer schmerzlich vermisst. Aber ich habe es mir nicht anmerken lassen. Stattdessen war ich immer kalt und abweisend zu dir, obwohl du noch versuchst hast unsere Beziehung zu retten. Ich habe deinen Blick auf mir gespürt, kurz bevor du mit Sanji zusammen die Flying Lamb verlassen hast. Ich habe mich aber nicht umgedreht. Ich habe nicht zugesehen, wie du die Planke hinab geschritten bist. Ständig habe ich mir gesagt, dass es mir egal sei und dass ich froh über euren Weggang bin, während ich stur auf das Meer hinausgesehen habe. Aber als dann Nami an Deck gelaufen kam, konnte ich nicht mehr an mich halten. Ich musste dich ansehen, wenigstens ein letztes Mal. Doch ich sah nur deinen gestrafften Rücken. Heute wünsche ich mir, dass ich damals meinem Impuls nachgegeben hätte. Ich wollte dir nachrennen und dich zurückholen. Zurück in meine Arme und in mein Herz. Aber es hätte keinen Zweck mehr, oder? Es ist alles zerstört, genau wie auch die Kette. Ich habe sie mir noch am selben Abend des Streits vom Hals gerissen. Das ist eins von vielen, was ich bereue. Doch am meisten bereue ich es, dass ich dir in all der Zeit, die wir gemeinsam verbracht haben, nie gesagt habe, dass ich dich liebe. Nicht ein einziges Mal. Ich weiß, dass du diese Worte nie lesen wirst. Auch weiß ich, dass wir uns nie mehr wieder sehen werden. Aber ich musste all diese Worte aufschreiben, damit ich mit meinem Leben auf der Flying Lamb abschließen kann. Ich werde es dir gleichtun und die Crew verlassen, obwohl ich damit den Schmerz bei den anderen nur noch mehr vergrößere. Aber hier sind einfach zu viele Erinnerungen an dich, die ich nicht bewältigen kann. Auch wenn es mir das Herz zerreißt, wünsche ich mir für dich, dass du nach allem, was geschehen ist, wieder glücklich wirst und einen Mann findest, der dich besser behandelt als ich es getan habe. Du aber wirst für mich immer die einzige Frau bleiben, dessen Bild ich in meinem Herzen mit mir tragen werde. Für immer wirst du meine Black Lady sein. Kapitel 9: Sanji: Doubt ----------------------- Seufzend lehne ich mich auf die Brüstung des Oberdecks. Die Zigarette zwischen meinen Finger habe ich völlig vergessen, genauso wie ich auch keinen Blick für den Horizont übrig habe, der in einem leuchtenden Orange hell aufleuchtet. Ich nehme nichts um mich herum wahr, bis auf das schmerzende Pochen hinter meinen Augen und den unerträglichen Erinnerungen, die mich schon seit dem Morgen quälen. Der Anblick der Flying Lamb, wie sie sanft auf dem Wasser des Hafenbeckens getrieben hatte, hat mich fast in die Knie gezwungen. Im ersten Moment wollte ich sogar umdrehen. Einfach nur umdrehen und flüchten! Flüchten vor den Versprechungen und Träume, die die Flying Lamb immer für mich bedeutet hat. Flüchten vor den Erinnerungen, die seitdem noch lebhafter vor meinem inneren Auge vorbeiziehen. Von ganzem Herzen wünsche ich mir, dass Ace mit einem anderen Schiff gekommen wäre. Es gibt hier kaum einen Ort, an dem man nicht irgendwelche Sachen von Nami vorfindet. Selbst ihr blumiger Duft hängt noch immer über den einzelnen Räumen ... und verspottet mich! Das hätte ich vielleicht haben können. Das und noch vieles mehr, wenn ich damals den Mut dazu gehabt hätte ihr meine Gefühle zu gestehen. Immer nur von weitem konnte ich sie lieben. Anders wird es wohl auch nie sein! Wieder spüre ich die Fänge des Zweifels, die nach meinem Verstand greifen. Stets habe ich in Nami die Person gesehen, die einzig und alleine nur für mich bestimmt ist! Doch nie hat sie mir Anlass dazu gegeben, zu glauben, dass ihre Gefühle den meinen gleichen. Freundschaft war alles, was sie mir gezeigt hat. Nie habe ich auch nur etwas anderes in ihren Augen gesehen, das weit darüber hinausgeht. Aber vielleicht habe ich mir ja etwas vorgemacht? Vielleicht ist das, was ich für Nami empfinde, überhaupt keine Liebe? War es nie gewesen? Unablässig schießt mir diese Frage durch den Kopf, während ich gleichzeitig an den gestrigen Tag zurückdenken muss. An die Gefühle, die mich durchströmt haben. Und auch an die Angst! Diese seltsame Angst, die ich mir nicht erklären kann, habe ich bislang noch nie gefühlt. Ich weiß, dass sie noch immer da ist ... ganz tief in meinem Herzen. Aber woher kommt sie? Was hat sie verursacht? Ist es die Angst vor dem Alleinsein? Robin hat nie einen Hehl aus ihrer Liebe zu Zorro gemacht. Auch jetzt nicht, wo ihre Beziehung nur noch ein Teil ihrer Erinnerung ist. Doch was ist mit Zorro selbst? Dass er eine innige Zuneigung zu ihr gehegt hat, steht außer Frage. Aber ob es sich dabei auch um Liebe gehandelt hat, vermag ich nicht zu sagen. Wird diese Zuneigung wieder aufflammen? Ich zweifle nicht daran, dass Robin sich dann für ihn entscheiden wird. Ich wäre dann nur im Wege, bin doch ich der Schuldige, der ihre Beziehung zerstört hat. "Wie konntest du nur? Du bist doch sein Freund!" Wieder höre ich Namis vorwurfsvolle Stimme und spüre ihren anklagenden Blick auf mir. Nur allzu gut kann ich mir vorstellen, wie Zorro sich gefühlt haben muss, als Robin sich für mich eingesetzt hatte. Ich weiß, ich habe mich nie vorteilhaft benommen, wenn es um Frauen ging. Doch dass Nami wirklich angenommen hat, dass ich so weit gehen würde und einem Freund die Freundin ausspanne, das hat unglaublich wehgetan. Ich habe immer gedacht, dass sie mich kennen würde. Gequält und zugleich erschöpft, schließe ich die Augen. Alles in mir dreht sich im Kreis und ich habe das Gefühl, dass es keinen Ausweg daraus gibt. Tief in mir drin spüre ich die Anwesenheit von Etwas, dass ich mit aller Macht versuche zu verdrängen. Doch instinktiv weiß ich, dass ich mich nicht länger dagegen verschließen kann. Dieses Etwas enthält die Antworten auf meine Fragen. Vielleicht aber auch nicht? Ich kann meinen Gefühlen momentan nicht vertrauen. Aber wenn es sich als wahr herausstellen sollte ... wenn es wirklich passiert ist ... dann wird mir mein Leben aus meinen Händen entgleiten. Mein Glaube ... meine Hoffnung ... meine Träume ... sie alle werden wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzen. Und dennoch würde sich dadurch nicht viel verändern. Meine Situation wäre die gleiche ... eine Liebe ... eine unerwiderte Liebe ... von weitem. Nur der Schmerz würde zunehmen ... mich zerreißen ... weiß ich doch, was ich dann verlieren würde. Sie ist nicht die Frau, in deren Armen ich gerne liegen würde. Gerade mal ein Tag ist es her, als ich es noch gedacht habe. Aber stimmt das überhaupt? Sie hüllt mich mit ihrer Wärme und ihrem Vertrauen ein ... spendet mir Kraft und Trost ... gibt mir Zärtlichkeit und Geborgenheit ... schenkt mir Vergessenheit und Sicherheit. Ich bin ihr näher ... körperlich als auch seelisch ... als ich es jemals bei Nami war. Sie hat mich nie so nah an sich herangelassen. Hat mich nie an ihren Gedanken und Gefühlen teilhaben lassen. Sanfte Finger streichen mir durchs Haar, die mich langsam aufblicken lassen. Blaue Augen, in denen ich deutlich die Sorge um mich erkenne, sehen mich fragend an. Obwohl meine quälenden Gefühle und Fragen noch immer meine Gedanken beherrschen, entgeht mir weder die Röte um ihre Augen herum noch die feuchte Tränenspur auf ihren Wangen. "Du denkst wieder zu viel nach", sagt sie leise und mit rauer Stimme, während ihre Hand langsam zu meiner Wange hinabwandert. Ich kann mir ein kleines Lächeln nicht verkneifen, habe ich die Worte gestern selbst zu ihr gesagt. "Das scheinst du aber auch getan zu haben." Ich gehe näher zu ihr heran und wische mit meinem Daumen eine Träne aus ihrem Augenwinkel weg. Ein leiser Seufzer dringt aus ihrer Kehle, während sie mir ein trauriges Lächeln schenkt. "Ich möchte dir etwas zeigen." Sanft verschränkt sie ihre Finger mit meinen und führt mich hinab ins Unterdeck. Erst jetzt bemerke ich das kleine Buch in ihrer anderen Hand und auch den Mantel, den sie anhat. Mit einem kleinen Stich im Herzen erkenne ich, dass dieser Zorro gehört. Währenddessen frage ich mich aber, was hinter ihren geheimnisvollen Worten steckt. Irritiert blicke ich sie an, als sie schließlich die Tür zum Stauraum öffnet, in dem sich einige Kisten stapeln, die noch zusätzlich mit Seilen befestigt sind. "Hier sind wir ungestört." Mit diesen Worten reicht sie mir das Buch, das ich ein wenig verwirrt entgegennehme. Ratlos darüber, was ich jetzt tun soll und was Robin von mir erwartet, schaue ich ihr dabei zu, wie sie eine kleine Laterne anzündet. Dunkles, gelbes Licht breitet sich in dem kleinen Raum aus, das die finsteren Schatten in den einzelnen Winkeln jedoch nicht vertreiben kann. "Ich bin gleich wieder da", verspricht sie mir und tritt hinaus auf den Gang, wobei sie die Tür leise hinter sich zuzieht, dabei blicke ich langsam auf das Buch hinab. Und wieder regt sich die Neugier in mir, so dass ich die erste Seite aufschlage. Doch was ich dann lese, raubt mir schier den Atem. Mit vielem habe ich gerechnet, aber nicht damit! Erst nach und nach wird mir bewusst, dass ich in meinen Händen einen Teil von Zorros Herzen halte. Gleichzeitig jedoch wirbeln so viele Gedanken durch meinen Kopf, während die Worte mein eigenes Herz Stück für Stück aus meiner Brust reißen. So viel stürmt auf mich ein, dass ich das Gefühl habe keine Luft mehr zu bekommen. So viel offenbart sich meinen Augen, dass mein Verstand es nicht bewältigen kann. Was für ein schönes Paar ihr beiden abgeben würdet Mit leerem Blick starre ich auf das Buch in meinen Händen. Habe ich Sanji aus tiefstem Herzen gehasst Mein Körper wird taub und selbst den Wind spüre ich nicht mehr. Es tut mir so unendlich Leid, was passiert ist Mein Inneres wird kalt und ein unkontrollierbares Zittern erfasst mich. Die Liebe zwischen Nami und Sanji Kleine, weiße Punkte erscheinen vor meinen Augen. Aber als dann Nami an Deck gelaufen kam Wie ein Ertrinkender atme ich die eisige Luft in schnellen Zügen ein. Ich dich liebe Heiße Tränen steigen mir in die Augen und meine klare Sicht schwindet. Meine Black Lady Kraftlos sacke ich in die Knie, wobei ich den Schmerz bei dem harten Aufprall gar nicht spüre. Alles ist außer Kontrolle geraten! Von einer Sekunde auf die andere lebe ich mein Leben, ohne dass ich es noch lenken kann. Ich kann nicht sagen, was mich mehr trifft ... mich mehr schockiert! Dafür habe ich in den letzten Minuten zu viel erfahren. Nur eines wird mir im Moment bewusst ... deutlicher als jemals zuvor ... wie groß unser Verlust wirklich ist! Lange, schlanke Arme legen sich um meinen Hals, während der warme Körper Robins sich an meinen presst. Eine tiefe Geborgenheit hüllt mich ein ...vertreibt die Kälte in meinem Inneren ... beruhigt meine Seele. "Es tut mir Leid", flüstert sie mir leise zu und schmiegt ihr Gesicht an meine Wange. "Es tut mir so Leid. Das wollte ich nicht." "Es ist schon gut." Mein Versuch es beruhigend klingen zu lassen, scheitert kläglich an meiner rauen, gebrochenen Stimme, so dass ich ihr einen hauchzarten Kuss aufs Ohr gebe, während ich meine Arme fest um ihren Körper lege. In Wirklichkeit ist jedoch nichts gut. Mein Leben ist nur noch ein Scherbenhaufen! Kapitel 10: Robin: Pain ----------------------- Gedankenverloren sitze ich auf dem harten Holz des Decks und sehe zu den Sternen am schwarzen Firmament auf. Bis auf das leise Schlagen des Wassers gegen den Schiffsrumpf ist alles still um mich herum. Ich weiß nicht, wie lange ich schon hier so sitze. Es ist mir aber auch egal. Schon seit Tagen hat sich eine eisige Kälte um mein Herz gelegt. Ich versuche mich zu verschließen ... vor allem und jeden. Versuche die Mauer wieder hochzuziehen, hinter der ich meine Gefühle verstecken kann. Versuche den Panzer um mich herum wieder aufzurichten, hinter dem mich nichts treffen kann. Ich will wieder zu dem Menschen werden, der ich war, bevor ich Ruffy getroffen habe! Mit jedem Tag, der vergeht, spüre ich, wie Sanji mir immer mehr und mehr entgleitet. Ich weiß nicht, was mit ihm los ist ... was die Worte Zorros in ihm bewirkt haben. Er geht mir aus dem Weg ... weicht mir aus ... redet nicht mit mir ... sieht mich nicht einmal mehr an. Sorge und Angst, die ich um ihn habe, fressen mich innerlich auf, während ich wieder allein bin ... gefangen in der dunklen Einsamkeit. Alles zerbricht um mich herum. Alles, was mich noch aufrecht gehalten hat. Was mir nur noch bleibt ist eine allumfassende Schwärze, die mich gnädig in sich einhüllt. In wenigen Tagen werden wir unser Ziel erreichen. Doch ich werde einen anderen Weg gehen. Ich kann nicht mehr! Ich habe keine Kraft mehr. Ich will nicht mehr kämpfen ... mit den Erinnerungen ... mit den Gefühlen ... mit den Träumen. Ich will nur noch vergessen! Einfach nur vergessen, was geschehen ist ... was ich verloren habe ... wer ich bin. Alles zerrinnt mir zwischen den Fingern ... irgendwann ... was ich auch anfasse. Da ist es besser, wenn ich alleine bin. Meinen Weg alleine gehe! Dann gibt es nichts, was mich verletzen kann. Nur ich ... und mein leerer Körper. Wenn er doch nur so leer wäre. Leer und gefühllos! Dann würde meine Brust sich jetzt nicht vor Schmerzen verengen. Dann würde ich die kalte Klinge in meinem Herzen nicht fühlen. Unaufhaltsam laufen mir warme Tränen am Gesicht hinab, während ich eine Hand auf meinen Mund presse, um die harten Schluchzer in meiner Kehle zu unterdrücken. Ganz fest ziehe ich meine Beine an ... krümme mich zusammen ... mache mich ganz klein. Der haltlose, stumme Schrei meines Körpers reißt mich entzwei ... lässt mich in eine bodenlose Tiefe fallen. Ich will rennen ... weg von den Erinnerungen ... weg von den Hoffnungen ... weg von dem Mann, der mich von sich gestoßen hat. Der seine starken Arme um mich legt. Der mich fest an seinen warmen Körper zieht. Der seine sanften Hände in meinem Haar vergräbt. Der mich in meinem alles zerbrechenden Schmerz auffängt. "Ist ja gut, Robin. Ich bin hier. Ich bin bei dir." Nur sehr undeutlich dringen seine rauen Worte zwischen meinen gebrochenen Schluchzern an mein Ohr, während ich verzweifelt meine Finger in sein Hemd kralle. Ich brauche ihn ... seine Wärme ... seine Stärke ... seinen Halt. Ich brauche ihn, um mich noch lebendig zu fühlen. Um zu wissen, dass ich nicht alleine bin ... dass ich ihn doch nicht verloren habe. Dass er hier ist ... mich hält ... mich tröstet ... mir Sicherheit gibt. Ich verstehe seine tröstenden Worte nicht, ist meine Wahrnehmung nur auf den starken, festen Körper gerichtet, der mich vor der unendlichen Finsternis bewahrt, die mein Herz langsam wieder freigibt. Nur das tiefe, raue Timbre seiner Stimme höre ich ... lässt mein Inneres vibrieren ... befreit mich von der Angst und der Einsamkeit. "Lass uns ins Warme reingehen. Du bist schon ganz durchgefroren." Ohne mich loszulassen, stehen wir langsam vom Boden auf. Meine Tränen versiegen langsam und eine bleierne Müdigkeit legt sich über meinen Körper. Ich habe das Gefühl, als wenn ich jetzt für Wochen schlafen könnte. Das Gefühlschaos der letzten Tage hat mich ausgelaugt. Erschöpft lehne ich mich gegen seine Schulter, während er mich in die Kombüse führt, wo er mich sanft auf die lange Bank vor dem Tisch drückt. Alles in mir fühlt sich so schwer an, so dass ich meinen Kopf auf meine verschränkten Arme lege. Nur am Rande meines Bewusstseins nehme ich wahr, wie Sanji mir eine Decke über die Schultern legt und dann hinter mir etwas aus den Schränken holt. Danach ist lange Zeit nichts mehr zu hören und ich gebe mich der seligen Ruhe hin, in der mein Geist ausnahmsweise mal völlig leer ist. "Da habe ich ja einen ziemlichen Mist gebaut, was?" Langsam blicke ich bei seinen zerknirschten Worten auf, während er eine Tasse vor mir auf den Tisch stellt, aus der warmer Dampf aufsteigt. Dankbar um die wohltuende Wärme lege ich meine Hände um die Tasse. Noch immer spüre ich die Kälte in mir, die jedoch von dem stundenlangen Sitzen an Deck kommt. Eigentlich hätte ich damit rechnen müssen, dass er extra für mich einen Tee kochen würde. Diese ganze Situation ist so vertraut, erinnert es mich an die Zeit, als wir alle noch Freunde waren. Immer bin ich zu ihm gegangen, verheult wie jetzt, wenn ich mich mit Zorro gestritten hatte. Dann haben wir immer hier gesessen und darüber geredet. "Was meinst du ist die gerechte Strafe für mich? Soll ich nackt ins Wasser springen? Obwohl, bei meinem Anblick würden die Fische wahrscheinlich tot umfallen. Oder willst du mir mit der Bratpfanne eins überziehen?" Ich weiß genau, dass seine Äußerungen nicht ernst gemeint sind, sondern nur ein Versuch mich aufzumuntern. Doch schaffe ich es nicht, mir auch nur ein kleines Lächeln abzuringen. Dafür ist das Gefühl der Einsamkeit, das in einem Winkel meines Herzens auf den passenden Augenblick wartet, erneut zuzuschlagen, noch zu gegenwärtig. "Sag mir einfach nur, was los ist", meine ich daher zu ihm. Sein Blick verdunkelt sich, aber ich erkenne auch, dass meine Bitte für ihn nicht überraschend kommt. Lange sieht er mir in die Augen, als wenn er sich in Gedanken erst die Worte zu Recht legen müsste, bevor er dann mit einem tiefen, ergebenden Seufzer seinen Blick von mir abwendet und stattdessen auf die raue, zerkratzte Oberfläche des Tisches starrt. "Ich weiß selber nicht, was mit mir los ist. Meine Gedanken sind völlig wirr und meine Gefühle spielen auch verrückt." Seine Stimme klingt so bedrückt, dass ich nach einer seiner Hände greife, um ihm zu zeigen, dass er nicht alleine ist ... dass ich für ihn da bin. Ein gequältes Lächeln erscheint um seinen Mund und er legt seinen Arm um mich. "Ist es wegen dem Buch?" "Zu einem Teil. Aber es hat schon vorher angefangen. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich Nami noch liebe. Ob ich sie jemals wirklich geliebt habe." "Geliebt hast du sie mit Sicherheit. Aber ob die Liebe immer noch existiert, kann ich dir nicht sagen. Doch sobald du sie siehst, glaube mir, dann wird dir dein Herz die Antwort darauf geben. Aber da ist doch noch irgendetwas anderes, das dich beschäftigt, nicht wahr? Das dich von mir ferngehalten hat?" Wieder dringt ein leiser Seufzer aus seiner Kehle, während ich deutlich spüre, wie sich die Muskeln seines Arms an meinen Schultern anspannen. "Ich ... das kann ich dir nicht sagen. Jedenfalls noch nicht, weil ich es selber nicht verstehe." Nur sehr zögernd antwortet Sanji mir und man merkt deutlich, dass es ihm schwer fällt. Und als wenn er sich für seine Worte entschuldigen müsste, gibt er mir kleine, zarte Küsse auf die Wange. Obwohl ich ihm dankbar bin, und auch erleichtert, dass er sich mir wieder geöffnet hat, schwindet meine Besorgnis dennoch nicht. Es beunruhigt mich zutiefst, dass er mir gegenüber etwas verschweigt, und es lässt meine Angst erneut aufsteigen. Wir haben uns bisher immer alles gesagt. Nie hat auch nur ein Geheimnis zwischen uns gestanden. Eine böse Vorahnung steigt in mir auf, dass sich zwischen uns etwas verändert hat. "Es tut mir Leid, dass ich mich wie ein Vollidiot benommen habe", raunt er mir mit tiefer Stimme zu, während seine Lippen zu meinem Ohr wandern. "Ich werde es wieder gutmachen." Ich rücke ein Stück von ihm ab, wodurch sein nächster Kuss ins Leere geht. Fragend schaut er mich an und ich sehe die Verwirrung in seinem Blick, da ich sonst immer auf seine Liebkosungen eingegangen bin. Doch ich bin noch nicht bereit dazu die Sache zu vergessen. Dafür hat mich sein abweisendes Verhalten zu tief verletzt. "Wenn du es wieder gutmachen willst, dann wende dich nie wieder von mir ab." Wieder steigen Tränen in mir auf, als ich an das Gefühl der Verlorenheit denken muss, das mich die letzten Tage begleitet hat. Frustriert über den erneuten Gefühlsausbruchs schließe ich meine Augen, die ich im nächsten Moment aber auch schon wieder aufreiße. In einer heftigen Bewegung hat Sanji meinen Kopf zu sich herangezogen und presst fast schon gierig seine Lippen auf meine, bevor seine Zunge die Konturen meines Mundes nachziehen. Ganz automatisch öffne ich meine Lippen, da ich über diese ungewohnte Wildheit viel zu überrascht bin, als dass ich irgendwie ganz bewusst handeln könnte. Ohne den leidenschaftlichen Tanz mit meiner Zunge zu unterbrechen, steht er auf und schlingt seine Arme um meine Taille. Als würde ich nicht mehr wiegen als eine Feder hebt er mich auf den Tisch, wobei meine Tasse mit einem dumpfen Laut umkippt und sich der warme Tee über die gesamte Oberfläche ausbreitet. Gleichzeitig schabt die Bank unangenehm über den Holzboden, als Sanji sie mit seinen Beinen wegdrückt. Doch von beiden bekommen wir nichts mit, sind wir viel zu sehr mit der wildentflammten Leidenschaft beschäftigt. Beinah schon rücksichtslos drängt er sich zwischen meine Beine, während er fest mit seinen Händen meinen Po umfasst und mich näher herandrückt. Deutlich spüre ich die Wölbung, die sich gegen meinen Schritt drängt und mich tief aufstöhnen lässt. Ein lustvolles Knurren kommt mir als Antwort zurück, als ich mit meinen Händen über die nackte Haut unter seinem offenen Hemd streiche und meine Beine um ihn schlinge. In hastigen Bewegungen zieht er mir mein kurzärmeliges Top aus, wodurch wir für einen Moment unseren Kuss unterbrechen müssen. Die plötzliche Kühle auf meiner nackten Haut steigert meine Lust noch mehr, während ich das Gefühl habe, dass mein Inneres brennt. Gerade als ich wieder nach Sanji greifen will, um auch ihn von seinem Hemd zu befreien, fängt er meine Hände in der Luft ein und drückt sie langsam nach hinten, womit er mir zu verstehen gibt, dass ich mich zurücklegen soll. Genießerisch schließe ich meine Augen, nachdem er meinen Mund mit einem verheißungsvollen Kuss geschlossen hat, und jetzt mit seinen Lippen von meinem Kinn hinab über meinen Hals wandert. Abwechselnd kreist seine Zunge langsam um die Spitzen meines Busens, die sich sehnsuchtsvoll zusammenziehen, während gleichzeitig seine Hände den Verschluss meiner Hose öffnen. Bereitwillig hebe ich mein Becken an, wobei er quälend langsam das Kleidungsstück, mitsamt meinem weißen Slip, über meine Taille an meinen Beinen entlang herunter schiebt, um sie dann achtlos auf den Boden zu werfen. Bebend atme ich die Luft ein und meine Muskeln spannen sich unter dem Kribbeln in meinem Inneren an, als er an den Innenseiten meiner Schenkel entlang streicht. Kleine, wimmernde Laute entringen sich meinem Munde, während sich mein Unterleib vor Verlangen windet. Sein kehliges Stöhnen, das mir auf meine Bewegungen hin antwortet, bringt mich dem Rand der Ekstase immer näher. Auch er scheint dies zu bemerken, da ich seine Hände fühle, wie sie jetzt die eigene Hose öffnen. Mein Atem geht nur noch flach, während ich ungeduldig auf den Augenblick seines Eindringens warte. Unendlich langsam spüre ich dann, wie er meine Muskeln weitet, die sich eng an ihm festsaugen. Seine Finger verschränken sich mit meinen und drücken meine Hände neben meinem Kopf. Eine Weile sieht Sanji bewegungslos und mit einem dunklen Blick in meine Augen, den ich nicht zu deuten vermag. Dann beugt er sich zu mir herab und unsere Zungen umschlingen sich erneut in einem hungrigen Kampf. Auf seine langsamen Bewegungen, die mich an ein sanftes Vortasten erinnern, antworte ich mit einem rauen, abgehackten Stöhnen, das er erwidert. Doch dann werden seine Stöße immer schneller, die nicht nur mich zum Beben bringen, sondern auch den Tisch unter uns über den Boden kratzen lässt. Immer weiter baut sich die Spannung in mir auf und ich spüre schon die ersten Anzeichen des kommenden Höhepunkts, der sich dann in einem heiseren Wimmern entlädt. Noch während meine Muskeln unter dem Nachbeben leicht zucken, spüre ich, wie er aus mir heraus gleitet und Sanji sich versteift. Den Kopf in meiner Halskuhle gebettet und mit einem langen, dunklen Stöhnen genießt auch er seinen Höhepunkt. Atemlos blicke ich hinauf zur Decke, während ich mich im Stillen frage, was gerade geschehen war. Alles ist so schnell gegangen ... so explosionsartig. Normalerweise sind unsere Liebesspiele immer sanft und spielerisch, wodurch die Lust langsam gesteigert wird. Doch diesmal hat es etwas Animalisches an sich gehabt, das meine Erregung bereits in sekundenschnelle ins Unermessliche gehoben hat. "Ich glaube, ich liebe dich." Kaltes Entsetzen breitet sich bei den sanft gehauchten Worten in mir aus und mein Herz gerät für einige Sekunden ins Stocken, nur um dann in einem rasenden Tempo weiterzuschlagen. Wieder spüre ich, wie alles um mich herum einstürzt, während ich entschlossen gegen Sanjis Schultern drücke, damit er von mir aufsteht. "Robin, ich ..." Bestimmend winke ich ab, ohne ihn anzusehen. Ich muss hier raus! Weg von ihm und seinen Worten! Kapitel 11: Zorro: Deliverance ------------------------------ Vom Rande der Lichtung aus beobachte ich die Männer, die sich alle um das große Feuer versammelt haben und sich irgendwelche Geschichten und Witze erzählen, während ich völlig geistesabwesend die stumpfe Spitze der Scheide von Wado-Ichi-Monji in den weichen Boden zwischen meinen Beinen drehe. Ich verspüre nicht die geringste Lust dazu, mich zu ihnen zu gesellen und mit ihnen zu reden. Die Einsamkeit ist mir lieber, trotz der Gedanken und Erinnerungen, die mich dann immer beschäftigen. In dem Jahr, das vergangen ist, habe ich gelernt mit ihnen zu leben ... sie zu akzeptieren. Ohne Choppers Hilfe wäre mir dies nie gelungen, wollte ich sie vergessen und aus meinem Gedächtnis löschen. Ich bin nicht stolz darauf, was ich dafür getan habe ... wie tief ich gesunken bin. Doch mit diesen Erinnerungen werde ich genauso leben müssen, wie auch mit den anderen! Wenn Chopper nicht gewesen wäre ... wenn er sich damals nicht entschlossen hätte mit mir zu gehen, dann würde ich wahrscheinlich heute in irgendeiner Ecke einer versifften Gasse liegen oder würde in den schmierigen Armen einer Frau die Vergessenheit suchen. Doch die wahrscheinlichste Möglichkeit ist, dass ich heute vielleicht nicht mehr am leben wäre! Dass mir irgendein finsterer Typ mir sein dreckiges Messer ins Herz gestoßen hätte. Eine tiefe Schuld erfasst mich jedes Mal, wenn ich an diese Zeit denke. Durch mich ist Chopper auf schmerzhafte Weise stark und selbstbewusst geworden. Nur zu gerne hätte ich ihm diese Art erspart, hat es doch seine unschuldige Sichtweise von der Welt verändert. Durch mich hat er die Schattenseiten des Lebens kennen gelernt! Schwarzer Stoff flattert an meinem Gesicht vorbei, als sich Shanks neben mir auf den toten Baumstamm setzt. Er hält mir eine Flasche Sake entgegen, für die ich aber nur einen flüchtigen Blick übrig habe, bevor meine Augen wieder zu dem hellleuchtenden Feuer wandern. Außer Chopper und Nami hat sich bislang in den letzten vier Tagen niemand in meine Nähe getraut ... oder auch nur versucht mich anzusprechen. Nur der rote Shanks ignoriert mein abweisendes Verhalten. Schon mehr als einmal hat er bereits versucht mich in ein Gespräch zu verwickeln. Immer hat seine Stimme dabei freundlich und sorglos geklungen, so, als würden Ruffy und Lysop nicht in irgendeinem stinkenden Loch von Gefängnis stecken. Auf mich macht die ganze Atmosphäre um mich herum den Eindruck, als wenn sich niemand Sorgen machen würde, während die Warterei bei mir allmählich an den Nerven zerrt. Die Warterei und die Ungewissheit! Nicht, weil wir hier tatenlos herumsitzen, so gern ich mir das auch einzureden versuche. Nein ... es hat einen ganz anderen Grund! "Du bist nicht sehr gesprächig?!" An seiner lockeren Plauderstimme, die er scheinbar in jeder Lage draufhat, erkenne ich, dass es mehr eine Feststellung als eine Frage ist. Ein ziemlich dämlicher Spruch, um ein Gespräch zu eröffnen. Zumal er an meinen kurzen, knappen Erwiderungen schon längst erkannt haben müsste, dass ich keine Lust darauf habe mich mit irgendjemanden hier zu unterhalten. "Dadurch erspart man sich so manches", antworte ich schließlich nach einer Weile, in der Hoffnung, dass er jetzt endlich verschwinden würde und mich wieder meinen Gedanken überlässt. Aber vielleicht sollte ich mir stattdessen einen ruhigen Platz suchen, wo ich mich dann meinen Träumen hingeben kann. "Man kann aber auch viel Schaden damit anrichten." Die leichten Drehungen meines Schwertes halten inne, während ich den Mann neben mir aus zusammengekniffenen Augen mustere. Es war ein sauber ausgeführter Schlag, der zwar eine kleine Wunde verursacht, aus der aber dennoch viel Blut fließt. Auch wenn ich die Fehler der Vergangenheit akzeptiere, bedeutet das noch lange nicht, dass sie nicht mehr schmerzen ... dass sie mich nicht treffen können. "Ruffy hat mir alles erzählt." Als wenn er nicht wüsste, welchen Aufruhr seine Worte in mir verursachen, spricht er einfach weiter. Weiter in diesem unbekümmerten Tonfall, als würde er mit mir über das Wetter reden. Stur geradeaus blickt er auf seine fröhlichen Männer, während er einen Schluck aus der Flasche nimmt. Fest beiße ich die Zähne zusammen, um die aufsteigende Wut in mir zu unterdrücken. Wut auf ihn und seine Einmischung! Was bildet dieser Kerl sich überhaupt ein? "Was passiert ist, geht niemandem etwas an." Mein Versuch, die Worte gefühllos klingen zu lassen, scheitert kläglich an dem drohenden Unterton in meiner Stimme. Ich will ihm nicht zeigen, wie sehr er mich getroffen hat. Niemand soll sehen, wie es in meinem Inneren aussieht! Dass mein Herz sich noch immer nach ihr verzehrt. Dass ich noch immer ihre flehende Stimme in meinem Inneren hören kann. Dass ich manchmal nachts schweißgebadet aufwache ... mit ihren Namen auf den Lippen. "So, glaubst du das, ja?" Erstaunt nehme ich den provozierenden Ton wahr, in dem deutlich eine unausgesprochene Warnung liegt, während er mich aus scharfen Augen ansieht. Seine Gesichtszüge haben einen angespannten Ausdruck angenommen, wobei seine Wangenknochen deutlich hervorgehoben werden. "Glaubst du vielleicht, dass du der Einzige bist, der darunter leidet? Dass du der Einzige bist, dessen Leben sich verändert hat? Ich kenne weder dich, Chopper noch Nami oder die anderen beiden. Aber ich kenne Ruffy und habe gesehen, was euer Streit aus ihm gemacht hat. Erwarte bloß nicht, dass du den aufgeweckten und lebenslustigen Jungen von damals wieder sehen wirst." Nach diesem eher aufgebrachten Ausbruch tritt zwischen uns eine gedrückte Stille ein. Zum ersten Mal lässt Shanks mich sehen, wie sehr er Ruffy mag. Und selbst die Sorge um ihn kann er nicht verbergen, werden seine Augen dadurch noch dunkler. Seine Anspannung bleibt bei einigen seiner Leute nicht unbemerkt. Immer wieder werfen sie misstrauische Blicke in meine Richtung, als würden sie jeden Moment erwarten, dass ich ihrem Käpt´n mein Schwert zwischen die Rippen stoßen würde. Ich kann ihnen diesen Eindruck nicht einmal verübeln. Ich weiß genau, dass ich mir den Ruf eines gnadenlosen Kämpfers erworben habe, der rücksichtslos alles niederfegt, was ihm in den Weg kommt. Die einzige Möglichkeit für mich mit allem fertig zu werden. "Ich wollte eigentlich mit dir über etwas anderes reden", unterbricht Shanks als Erster die Stille zwischen uns. Seine Stimme hat die zuvor darin gelegene Schärfe verloren. Stattdessen schwingt jetzt das Bedauern über die kurze Auseinandersetzung darin mit. Obwohl eine gewisse Neugier ein gespanntes Kribbeln an meinem Rücken weckt, blicke ich teilnahmslos auf das Heft meines Schwertes. Erst jetzt bemerke ich, dass mein Daumen immer wieder über die schwarze Rose streicht. Monate ist es her, als ich einen Schmied darum gebeten habe, die losen, abgerissenen Kettenenden an der Scheide zu befestigen. Es ist kein sehr teures Schmuckstück ... billiges Silber ... dennoch besitzt es für mich einen unendlichen Wert, der mit Geld nicht zu bezahlen ist. Seitdem ist es zu einer Angewohnheit von mir geworden immer wieder über den Anhänger zu streichen, wodurch die rauen, spitzen Kanten der Blütenblätter schon längst stumpf sind. Aber es ist die einzige Berührung ... die einzige Nähe ... die mir noch bleibt. "Es geht dabei um Sanji und Robin." In den letzten Tagen habe ich diese beiden Namen viel öfters gehört, als in dem ganzen vergangenen Jahr. Und für mich haben sie einen bitteren Beigeschmack. Jetzt erst recht, nachdem ich erfahren habe, dass sie die berüchtigten Shadow Devils sind. So einige Geschichten sind über sie im Umlauf ... verrückt und unglaubwürdig. Nur eines haben sie alle gemeinsam ... gleichen sich in einem einzigen Punkt. In jeder Geschichte ist immer die Rede davon, dass die Shadow Devils ein Paar sind! Ob es wahr ist? Ich weiß es nicht! "Du kennst ja die Gerüchte, die wegen den Shadow Devils im Umlauf sind. Dass sie angeblich mit der Marine zusammenarbeiten. Meine Männer sind deswegen ziemlich nervös und befürchten, dass sie uns reinlegen könnten. Deshalb würde ich gerne deine Meinung dazu hören." Leicht amüsiert, ohne es ihm zu zeigen, nehme ich seine Bitte in mir auf. Wem will er hier eigentlich etwas vormachen? Da hätte er es sich auch einfacher machen können, indem er Nami oder Chopper danach fragt. Schließlich sind sie viel gesprächiger als ich. Was also will er wirklich von mir? "Da Ace und Yasopp auf der Suche nach ihnen sind, scheinst du nicht an das Gerücht zu glauben", antworte ich stattdessen, während ich ihn aufmerksam beobachte. Beobachten! Etwas, was ich früher nur im Kampf getan habe, um die Schwachpunkte meiner Gegner herauszufinden. Mittlerweile ist es zu einem Bestandteil meines Lebens geworden. Dass die Strohhutbande sich aufgelöst hat, hat auf der Grand Line schnell die Runde gemacht, wodurch die Kopfgeldjäger wohl angenommen haben, dass wir jetzt viel leichter zu schnappen wären. So falsch haben sie in ihrer Ansicht gar nicht mal gelegen, sind Chopper und ich schon sehr oft in ihre Hinterhalte geraten, aus denen wir jedes Mal nur mit knapper Not entkommen konnten. "Ich würde gerne glauben, dass an dem Gerücht nichts Wahres dran ist. Doch das tue ich nicht! Stattdessen hoffe ich, dass sie noch immer eine gewisse Loyalität gegenüber Ruffy und Lysop hegen und uns somit helfen." Seine Antwort dringt nur wie aus weiter Ferne an mein Ohr, da mich etwas zu der gähnenden, schwarzen Leere zwischen den dunklen Schatten der Bäume blicken lässt, wo der breite Trampelpfad liegt, der hinab zum Strand führt. Mein Herz hat angefangen zu rasen, während sich in mir die Gewissheit ausbreitet, dass die quälende Warterei für mich endlich ein Ende hat. Wie lange schon habe ich dieses Gefühl nicht mehr verspürt? Das Gefühl, das mir immer ihre Nähe verraten hat? Ich spüre Shanks fragenden Blick auf mir. Doch ich halte meine Augen unverwandt auf die Schatten. Mein Atem beschleunigt sich ein wenig vor Erwartung und meine Hände fangen an leicht zu zittern. Fest schließen sie sich um die Scheide meines Schwertes, so dass meine Fingerknöchel weiß hervortreten. Etwas Blaues blitzt in dem Dunkel auf, woraufhin sich meine Schultern- und Rückenmuskeln anspannen. Doch schnell muss ich erkennen, dass es sich bei der Gestalt nicht um die erhoffte Person handelt. Ich höre das Rascheln der Kleidung, als Shanks sich neben mir erhebt. Doch er bleibt weiterhin neben mir stehen, obwohl er mit Sicherheit seinen Gefolgsmann erkannt hat. Auch wenn ich gewollt hätte ... selbst wenn mein Leben davon abhängen würde ... kann ich meinen Blick nicht vom Waldrand nehmen. Schon ertönen die ersten freudigen Rufe, als die Männer Yasopp sehen, der zielstrebig die Lichtung betritt. Hastig stehe ich von meinem Platz auf, als sich die Männer um den lang vermissten Freund versammeln und mir die Sicht versperren. Gerade noch rechtzeitig sehe ich, wie sie stolz, kühl und majestätisch aus den Schatten heraustritt. Für einen Moment stockt mir der Atem und mein Herz bleibt stehen, während ich überwältigt von ihrem Anblick die Augen schließe. Ihr Bild, das mich Nacht für Nacht in meinen Träumen verfolgt, wird ihr nicht gerecht. In Wahrheit ist sie noch schöner ... noch ausgeprägter ... noch lebendiger! Schnell öffne ich wieder meine Augen, um mich zu versichern, dass sie nicht einfach nur eine Halluzination ist. Hervorgerufen durch meine inbrünstigen Wünsche sie wieder zu sehen ... sie wieder zu hören ... sie wieder zu fühlen. Ich bemerke das Zögern, das sie nur für einen Sekundenbruchteil in ihrer Bewegung inne halten lässt, bevor sie dann am Rande der Lichtung stehen bleibt. Langsam wendet sie ihren Kopf in meine Richtung und ihre tiefblauen Augen richten sich ganz gezielt auf mich, so, als wenn sie die ganze Zeit gewusst hätte, wo ich bin. Es lässt mich hoffen! Hoffen, dass das unsichtbare Band zwischen uns noch immer existiert. In dem Augenblick, als ihre Augen auf meine treffen, rückt alles in weiter Ferne. Der Mann neben mir ... das Prasseln und Knacken des Feuers ... das Rascheln der Blätter in den Bäumen ... die Stimmen der Männer ... sie alle sind nicht hier ... sind nicht zu hören. Die Zeit bleibt für mich stehen ... und es gibt nur uns beide. Die Ketten, die solange meine Brust umschlungen haben, sind gesprengt und zum ersten Mal seit langer Zeit kann ich endlich wieder frei atmen. Mein Inneres wärmt sich auf und verjagt die dunklen Schatten. Mein Herz weitet sich, als wolle es meinen gesamten Körper einnehmen, während ich sie unverwandt ansehe ... und nach etwas suche. Irgendetwas, das mir sagt, dass es eine Hoffnung für uns gibt. Dass die Gefühle für mich nicht erloschen sind. Doch alles, was ich sehe, ist ein weidwunder Blick in einem viel zu blassem Gesicht und die unsichere Geste, in der sie ihre Schultern umfasst. Dieser ruhige, selige Augenblick zwischen uns wird jäh unterbrochen, als Chopper sie stürmisch in die Arme nimmt. Es tut mir in der Seele weh mit ansehen zu müssen, wie sie zögernd die Umarmung erwidert, als hätte sie eine solch freudige Begrüßung nicht erwartet. Wie ich Chopper im Moment beneide! Nur zu gerne würde ich seinen Platz einnehmen und die langen, sanften Arme um meinen Hals fühlen ... den weichen, schlanken Körper fest an meinen gepresst. Ich wende meinen Blick von den Beiden ab und treffe auf die hochgewachsene Gestalt Sanjis. Obwohl alles an ihm locker und entspannt wirkt, so, wie er ein wenig abseits hinter Robin steht, eine Hand in der Hosentasche und in der anderen eine Zigarette, die hin und wieder rot aufleuchtet, ist sein Blick starr und fest auf mich gerichtet. Ich vermag den Ausdruck in seinen Augen nicht zu deuten, aber etwas sagt mir, dass ich einen Gegner vor mir stehen habe. Kapitel 12: Sanji: Hope ----------------------- In aller Ruhe zünde ich mir eine Zigarette an, um irgendwie die Nervosität in mir ein wenig einzudämmen. Für wenige Sekunden halte ich den inhalierten Rauch in meinen Lungen, während ich hinauf zu dem sternenübersäten Nachthimmel blicke. Alles macht einen so friedlichen Eindruck. Die Welt ist zufrieden und nichts scheint ihre Ruhe stören zu können. In meinem Inneren sieht es allerdings ganz anders aus. Jetzt wird es nur noch einige Minuten dauern, dann hat die Vergangenheit mich endgültig eingeholt. Die Barriere zwischen Erinnerung und Wirklichkeit wird fallen. Werde ich dann auch endlich meine ersehnten Antworten erhalten? Während ich einen weiteren Zug meiner Zigarette nehme, verlassen jetzt auch Yasopp und Robin die Flying Lamb. Neun Nächte sind mittlerweile vergangen. Seitdem ist alles anders! Durch meine unbedachten Worte hat die Beziehung zwischen uns beiden eine ganz andere Wendung genommen. Ich hatte es nicht vorgehabt ... wollte meinen Verdacht für mich behalten. Doch der rasende Herzschlag unter meinem Ohr ... das schnelle Heben der weichen Brust ... die geborgene Wärme unter meiner Haut ... sie haben mir inneren Frieden geschenkt. In diesem Augenblick konnte ich die Worte einfach nicht zurückhalten. Sie sind einfach über mich gekommen ... haben mich hinreißen lassen. Und was habe ich jetzt davon? Die Vertrautheit zwischen uns ist weg ... zerstört. Stattdessen begegnet sie mir jetzt mit einer angespannten Distanziertheit. Zwar reden wir noch miteinander, aber nur über Belanglosigkeiten. Sie hat sich zurückgezogen ... lässt mich nicht mehr an ihre Gefühle und Gedanken teilhaben. Sachlich und kühl ... so sind ihre Worte ... ihre Stimme. Nur noch ihre Augen sind für mich offen ... verraten mir, wie es in ihrem Inneren aussieht. Gehetzt und verzweifelt blicken sie mich immer an. Ein kurzer Blick von ihr trifft mich, als Robin an mir vorbeigeht. Sie wartet nicht auf mich, sondern folgt Yasopp entschlossenen Schritts. Sie will sich alleine der Vergangenheit stellen, ohne mich. Ich habe es so ziemlich verbockt! Und ich weiß, dass es sich nicht mehr rückgängig machen lässt. Die Auswirkungen meiner Worte haben einen zu tiefen Riss in unsere Beziehung gerissen, als dass der Schaden noch irgendwie zu retten wäre. Nicht ein bisschen! Nie wieder wird es zwischen uns so sein, wie noch vor wenigen Wochen. Langsam gehe ich den Beiden nach und ein trostloser Seufzer entringt sich meiner Kehle. Ein breiter Weg führt von dem kurzen Strandabschnitt hinein in einen Wald, dessen Bäume nur kahle Äste beinhalten. Nur ein paar wenige rotverfärbte Blätter und einige Blütenknospen sind im Dunkel der Nacht zu sehen. Nicht mehr lange und dann werden die Bäume wieder in all ihrer grünen Pracht erstrahlen. Dann beginnt die Natur ihren Neuanfang und sämtliche Spuren des zerstörerischen Winters werden ausradiert. Jedes Mal regeneriert sie sich neu ... ohne Unterlass ... ohne Narben davonzutragen. Wenn wir doch genauso wären! Wie viel leichter wäre dann das Leben für uns, wenn wir uns genauso regenerieren könnten. Dann wären die Spuren der Vergangenheit ausgelöscht ... mein Inneres wäre nicht so zerrissen ... und ich müsste mich nicht mit Fragen quälen. Bereits von weitem sehe ich einen rötlichgelben Lichtschein, der mir sagt, dass wir unser Ziel nun erreicht haben. Dumpfe Männerstimmen dringen an meine Ohren. Unartikulierte Laute, deren Sinn ich nicht verstehen kann. Zögernd bleibe ich stehen ... sammle Kraft für die bevorstehende Auseinandersetzung meiner Gefühle ... blende alles um mich herum aus. Lausche ihren Klängen ... halte sie auseinander ... suche nach ihnen. Eine brummige Stimme ... eine aufgeweckte Stimme ... eine weibliche Stimme. Doch keine von ihnen kann ich unter den fröhlichen Klängen heraushören. Sind sie vielleicht noch gar nicht hier? Ist der Moment für ein Wiedersehen noch nicht gekommen? Soll ich erleichtert darüber sein? Oder vielleicht enttäuscht? Eine eisige, finstere Ruhe erfasst mich, während ich in die kalte, gefühllose Identität des Kopfgeldjägers in mir schlüpfe, der seine Opfer unerbittlich und mitleidslos in die Enge treibt. Nach einem tiefen Atemzug setze ich mich dann auch schon wieder in Bewegung, während die nächtlichen Geräusche allmählich wieder in mein Bewusstsein eindringen und sich mit den Stimmen vermischen. Mein Blick richtet sich auf Robin, deren Silhouette von dem rotglühenden Schein des Feuers umschmeichelt wird. Wenn ihre starre Rückenmuskulatur nicht wäre, würde ich diesen Anblick jetzt genießen. Auch ohne zu sehen, wem ihre Aufmerksamkeit gilt ... auf wem ihr Blick unverwandt gerichtet ist ... ahne ich es bereits. Langsam trete ich näher an sie heran und folge ihren Augen. Niedergeschlagen, ohne es mir anmerken zu lassen, muss ich feststellen, dass sich meine geheimsten Befürchtungen in diesem Augenblick bestätigen. Nach all der Zeit ... nach allem, was geschehen ist ... ist die gegenseitige Anziehungskraft zwischen ihnen beiden nach wie vor vorhanden. Seine gespannte Haltung ... sein glühender Blick ... sprechen dafür, dass es so ist. Ich komme mir wie ein Eindringling vor, während ich sie beobachte. Ihre Umgebung scheinen sie vollkommen vergessen zu haben und verweilen stattdessen an einem Ort, wo nur sie beide Zutritt haben. Wie ein Unbefugter versuche ich ihren stummen Gedankenaustausch zu lesen. Aus den Augenwinkeln heraus sehe ich, wie etwas Großes mit dichtem, braunem Fell Robin in eine Umarmung zieht. Doch momentan habe ich keinen Blick für Chopper übrig. Ich kann meine Aufmerksamkeit einfach nicht von Zorro abwenden, dessen Augen jetzt meinen begegnen, als hätte er meinen Blick auf sich gespürt. Sekunden - oder vielleicht auch Minuten - vergehen, in denen wir uns unentwegt anstarren. Ich glaube, ich liebe dich. Tue ich das wirklich? Ist es wirklich Liebe, was ich für Robin empfinde? Oder ist es bloß Verzweiflung, die mich zu den Worten verleitet hat, um sie irgendwie bei mir zu halten? Schließlich ist sie die Einzige, die mir noch geblieben ist. Aber wenn es keine Einbildung ist ... wenn ich mir nicht bloß etwas einrede ... wenn ich sie wirklich liebe ... wie kann ich dann gegen ihn bestehen? Gegen die Anziehung, die noch immer vorhanden ist? Will ich das überhaupt? Kann ich mich einfach so dazwischen drängen? "Sanji! Es ist schön dich wieder zu sehen." Kaum, dass ich meine Aufmerksamkeit wieder auf meine Umgebung gerichtet habe, werde ich auch schon völlig unerwartet in eine herzlichwarme Umarmung gezogen. Unwillkürlich muss ich lächeln, da Chopper mich so fest an sich drückt, dass ich das Gefühl habe, als wolle er mich nie wieder loslassen. Freude, aber auch eine unglaubliche Zufriedenheit durchströmt meinen Körper. "Ich freue mich auch dich zu sehen, Chopper." Mühsam versuche ich den Kloß in meiner Kehle hinunterzuschlucken, der meine Stimme rau vor unterdrückten Gefühlen klingen lässt. Für einen Moment schließe ich die Augen, während ich die Umarmung erwidere. In diesem Augenblick wird mir bewusst, dass nicht alles zerstört ist ... dass Robin und ich nicht so allein sind, wie wir immer angenommen haben. Wenigstens ein Freund ist uns nach dem Streit noch geblieben. Aber als ich meine Augen dann wieder öffne ... das Rauschen meines Blutes in den Ohren ... verfliegt die Zufriedenheit. Stattdessen verkrampft sich mir das Herz. Nami! Doch sobald du sie siehst, glaube mir, dann wird dir dein Herz die Antwort darauf geben. Ich habe dir geglaubt, Robin! Habe mich die ganze Zeit an diese Hoffnung festgehalten, dass mir die Antwort gegeben wird. Dass ich endlich Gewissheit über meine Gefühle erhalte. Dass mein Geist endlich zur Ruhe kommt. Ich kann die Antwort auch hören ... in meinem schnellen Pulsschlag ... in meinem wildklopfenden Herzen ... in der Wärme meiner Seele. Aber ich kann sie nicht verstehen! Kapitel 13: Nami: Perceptions ----------------------------- Neugierig beobachte ich Shanks dabei, wie er langsam auf Zorro zugeht. Seine Beharrlichkeit kann ich einfach nur bewundern, während ich innerlich jedoch mit dem Kopf schüttle. Es war früher schon schwer gewesen mit Zorro ein vernünftiges Gespräch zu führen, in dem er mal mehr als nur kurze, knappe Sätze von sich gegeben hat. Doch heute scheint es unmöglich geworden zu sein. Wenn er nicht reden will, was die meiste Zeit der Fall ist, dann schweigt er einfach. Anfangs habe ich dahinter eine Trotzreaktion vermutet, so, wie er mir früher immer eine Beleidigung an den Kopf geworfen hatte, wenn ihm etwas nicht passte. Aber von Chopper weiß ich, dass es einfach zu Zorros Art geworden ist mit unliebsamen Dingen umzugehen, in dem er sich davor verschließt und sich stattdessen mit seinen Gedanken beschäftigt. Es versetzt mir ein Stich ins Herz, während ich darüber nachdenke, was mit uns geschehen ist. Siebenundfünfzig Wochen sind vergangen, seit wir uns das letzte Mal gesehen hatten. Es hört sich nach so wenig an! Und dennoch war die Zeitspanne groß genug, um solch drastische Auswirkungen hervorzurufen. Über einige davon könnte man sich eigentlich freuen. So hat Chopper ein starkes Selbstbewusstsein aufgebaut. Sein Handeln ist überlegt und energisch und sein Auftreten hat etwas Bestimmendes an sich. Aber dennoch weiß ich, dass etwas Schlimmes passiert ist, das ihn hat so werden lassen. Etwas, das nach dem Streit geschehen ist. Auch wenn ich von ihnen keine Antworten darüber erhalte, sehe ich es trotzdem. Über Choppers Augen hat sich ein trüber Glanz gelegt und ständig läuft er in seiner großen Elchgestalt herum. Und Zorro ist so ungewohnt beherrscht ... zu beherrscht. Kaltes Unbehagen breitet sich in mir aus, während ich die beiden Männer immer noch beobachte. Irgendwie hat es Shanks geschafft Zorros Aufmerksamkeit zu erringen. Doch der Verlauf ihres Gesprächs scheint zu einer Auseinandersetzung auszuarten. Shanks Augen haben den gleichen gefährlichen Ausdruck angenommen, wie an dem Tag, als er erfahren hat, dass Ruffy von der Marine geschnappt wurde. Obwohl der Blick nicht mir gilt, kann ich dennoch ein Frösteln nicht unterdrücken, während ich gespannt Zorro mustere. Anhand der angespannten Kiefernmuskeln kann ich erkennen, dass er die Zähne fest zusammenbeißt. Obwohl es eine vertraute Reaktion ist, die ich aus der Vergangenheit von ihm her kenne, gefällt es mir nicht. Zumal ein hellaufloderndes Feuer in Zorros Augen brennt, das mir Furcht einflößt. In den Monaten, die vergangen sind, ist er unberechenbar geworden, was auf seine Beherrschtheit zurückzuführen ist. Dass Chopper sich von seinem Platz erhebt und sich in der unmittelbaren Nähe der beiden Männer aufstellt, trägt auch nicht gerade viel zu meiner Beruhigung bei. Auch er scheint zu befürchten, dass es zu einer gewaltbereiten Konfrontation zwischen den Beiden kommen könnte. Aber dann sehe ich, wie die beiden ihre Blicke voneinander abwenden, und erleichtert atme ich die Luft aus, die ich unbewusst angehalten habe, während bei Chopper ebenfalls die Anspannung nachlässt. Die Situation ist jetzt schon nicht einfach für uns. Ruffy und Lysop sitzen seit Wochen im Gefängnis. Wir wissen nicht, wie es ihnen geht und ob bei ihnen alles in Ordnung ist. Und trotzdem sind wir zu einer nichtstuenden Warterei verdammt. Ich kann verstehen, dass die Gemüter daher ein wenig gereizt sind. Aber Feindseligkeiten unterhalb der Gruppe ist das Letzte, was wir jetzt gebrauchen können, wird die Lage eh schon schlimm genug werden, sollten Ace und Yasopp erfolgreich zurückkehren. Was für eine Ironie! Ständig habe ich mich gefragt, was Sanji und Robin jetzt machen oder wie es ihnen geht. Und dabei habe ich ihre Aktivitäten genauestens verfolgt und jeden Artikel, in denen sie als gnadenlose Jäger ohne Identität beschrieben werden, aufmerksam gelesen. Ohne es zu ahnen ... ohne es zu wissen! Immer habe ich darauf geachtet, wo sich die Shadow Devils zuletzt aufgehalten haben, um ihnen aus dem Weg zu gehen, weil ich die Befürchtung hatte, dass sie auch Jagd auf Ruffy machen würden. Doch nie ist mir in den Sinn gekommen, dass es sich bei ihnen um Sanji und Robin handeln könnte. Eine alles verzehrende Wut hatte mich erfasst, als ich erfahren habe ... erfahren müssen ... wer die Shadow Devils in Wirklichkeit sind. Dieselbe Wut, die mich schon damals Worte hat sagen lassen, die mir noch heute Seelenschmerzen bereiten. Wut auf Robin, weil sie das bekommen hat, wonach sich mein Herz gesehnt hat. Aber auch Wut auf Sanji! Seine Fürsorge, mit der er mich umgarnt hat ... die zärtliche Wärme in seinen Augen, mit denen er meine Haut gestreichelt hat ... sein strahlendes Lächeln, mit das er mein Inneres zum Beben gebracht hat ... all das hat mich Hoffen lassen. Und doch hat mich Unsicherheit zurückgehalten ihm meine Liebe zu gestehen. Aber heute bin ich dankbar dafür! Der Schmerz über den Verrat seiner Gefühle war auch so schon schlimm genug. Es hat mich viel Kraft gekostet gegen die bedrückte Stimmung auf der Flying Lamb anzukommen. Mit jedem Tag, der verging, haben wir deutlich die Abwesenheit von Sanji und Robin gespürt ... die Leere, die sie hinterlassen haben. Kein Lachen war mehr zu hören ... kein Gefluche ... keine Streitereien ... nur eine absolute Stille. Jeder war mit seinen eigenen Gedanken und Schmerz beschäftigt. Beinahe hätte es mich in die kalte Tiefe gezogen, als dann auch noch Chopper und Zorro gegangen sind. Mein Herz war am Schreien ... lehnte sich dagegen auf. Freunde, die mir viel bedeutet haben und für die ich mein Leben gegeben hätte, sind von mir gegangen ... aus meinem Leben verschwunden. Ab da hat sich alles verändert. Ruffy ... Lysop ... ich. Keiner von uns ist mehr derselbe! Plötzlich springen einige Männer von ihren Plätzen auf, während begeisterte Rufe in mein Bewusstsein dringen. Ich war so sehr in meine Gedanken vertieft, dass ich das Geschehen um mich herum gar nicht mehr wahrgenommen habe, wodurch ich ihnen jetzt dabei verwirrt zuschaue, wie sie sich alle um etwas oder jemandem versammeln. Fragend lasse ich meinen Blick zu Zorro wandern, um eine Antwort für den freudigen Aufruhr zu erhalten. Eigentlich habe ich erwartet, dass er dem ganzen Geschehen unbeteiligt zusehen würde, so, wie er es in den letzen Tagen schon immer getan hatte. Doch sein gesamter Körper ist wie erstarrt, während sein Blick auf etwas ganz Bestimmtes gerichtet ist. Irgendetwas blitzt kurz in seinen Augen auf ... so was wie Freude. Aber bevor ich es genauer definieren kann, ist es auch schon wieder weg. Doch es reicht aus, um mir zu sagen, dass der Zeitpunkt jetzt gekommen ist. Der Zeitpunkt für das Wiedersehen! Obwohl ich neugierig bin sie zu sehen ... zu erfahren, ob sie sich verändert haben ... zu wissen, wie sie auf uns reagieren ... bleibe ich für einen Moment sitzen. Ich fürchte nicht den Augenblick, in dem ich ihnen gegenüberstehen werde. Seit Shanks Ace und Yasopp auf die Suche nach ihnen geschickt hat, habe ich mir schon oft diesen Moment vorgestellt. Unzählige Male bin ich in Gedanken alle Möglichkeiten durchgegangen, wie dieses Treffen ablaufen könnte. Wenn es möglich ist ... wenn man es unter den gegebenen Umständen überhaupt tun kann ... dann habe ich mich auf alle Eventualitäten vorbereitet. Mein Herz ist gestählt! Nein ... es ist der Gedanke an Ruffy, der mich an meinem Platz hält und mein Herz vor Bedauern verkrampfen lässt. Davon hat er geträumt ... es sich von ganzem Herzen gewünscht. Seine Freunde ... die ihm mehr bedeuten, als sein großer Traum ... wieder alle vereint an einem Ort. Und jetzt, wo der Tag endlich eingetroffen ist, ist er nicht hier, um ihn zu erleben. Aber das wird er noch! Gemeinsam werden wir ihn und Lysop befreien. Und nichts wird uns davon abhalten können. Ich werde dafür sorgen, dass sein inniglichster Wunsch in Erfüllung gehen wird. Bestärkt mit diesem Versprechen, das ich mir insgeheim gebe, stehe ich vom Boden auf. Da die Männer alle wie ein Haufen zusammenstehen und mir damit die Sicht nehmen, stelle ich mich etwas abseits von ihnen auf. Doch die Entschlossenheit verschwindet sofort wieder, als mein Blick auf Robin fällt, die scheinbar kühl und gelassen neben Chopper steht. Es war schon ein seltsames Gefühl, als ich Zorro und Chopper nach so langer Zeit wieder das erste Mal gesehen habe. Ich habe nicht gewusst, was mich erwartet und wie mein Erscheinen auf sie wirken würde. Aber ich habe damals nicht das Gefühl gehabt eine Fremde zu sein, die einer ebenfalls Fremden begegnet. Ein wenig bedrückt über das Gefühl lasse ich meinen Blick weiter zu der Person wandern, die von Chopper umarmt wird. Ohne dass es mir bewusst wird, balle ich meine Hände zu Fäusten, wodurch sich meine Fingernägel fest in meine Handflächen bohren. Für wenige Sekunden blicken mich seine dunklen Augen mit einer warmen Freude an, bevor sie dann leer und ausdruckslos werden. Ich habe das Gefühl, dass nicht Blut sondern kaltes Eiswasser durch meine Adern fließt, während mir klar wird, dass die Freude nicht mir galt. Stockend atme ich ein, während mir Tränen in den Augen treten, die ich aber nicht laufen lasse. Wie niederschmetternd es doch ist, wenn man durch das eigene Herz erniedrigt wird ... wenn man erkennen muss, dass die Liebe stärker ist als der eigene Stolz. Und ich habe so sehr gehofft, dass es vorbei wäre ... dass er nicht mehr die Macht über mein Herz besitzt ... die Macht, meine Seele zu peinigen. Langsam tritt Chopper zur Seite, wodurch ich Sanjis gesamte Erscheinung zu Gesicht bekomme. Ein kaum spürbares Zittern durchläuft meinen Körper, während ich seinen Anblick in mich aufnehme und es mit dem Bild in meinem Gedächtnis vergleiche. Mit Schaudern muss ich feststellen, dass er nicht mehr der Sanji ist, den ich kenne. Von ihm geht dieselbe Härte ... dieselbe Ruchlosigkeit ... dieselbe Ernsthaftigkeit aus, die ich auch schon bei Zorro bemerkt habe. Sein sonniges Gemüt scheint er vollkommen verloren zu haben. Er ist nicht mehr der Mann, den ich liebe! Eigentlich sollte ich froh darüber sein, ist mein Herz doch jetzt vor ihm sicher. Aber warum schmerzt es dann? Warum habe ich das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen? Wieso läuft mir eine Träne an der Wange herab? "Er hat dich vermisst." Die leise gesprochenen Worte reißen mich aus seiner Betrachtung und schnell wende ich meinen Kopf dem Feuer zu, um mir die Träne mit einer unwirschen Handbewegung aus dem Gesicht zu wischen. Sein Anblick hat mich so sehr gefesselt, dass ich nicht mitbekommen habe, wie Robin auf mich zugekommen ist. Ein tiefer Atemzug hilft mir meine Gefühle wieder unter Kontrolle zu bekommen, bevor ich mich dann ihr zuwende. Doch ihr Blick ist nur auf Sanji gerichtet. Ihre kühle, gefasste Haltung macht es mir unmöglich zu erkennen, was in ihr vorgeht. "Auch wenn er nicht gerade den Eindruck macht, freut er sich trotzdem dich zu sehen." "Du musst es ja wissen." Innerlich stöhne ich bei meinen Worten auf, in denen deutlich eine tiefsitzende Bitterkeit mitschwingt. Ich habe mir fest vorgenommen, freundlich zu sein, um die Situation für uns nicht noch zu erschweren. In meinen Vorstellungen habe ich mich immer gesehen, wie ich mit einem einfachen "Hallo" auf sie zugehe, um wenigstens ein bisschen die Kluft zwischen uns zu überbrücken. Stattdessen aber kriecht die Wut wieder in mir hoch, die die Bedeutung ihrer Worte in mir erneut geweckt hat. "Ja, ich weiß es! So, wie vieles andere auch, was du nicht siehst, Nami. Wahrscheinlich auch nie gesehen hast." Ihre Augen haben sich fest auf mich gerichtet, in denen eine ungewohnte Schärfe liegt, während meine Wut auf sie nur noch mehr angefacht wird durch die Anklage und dem Bedauern, die ich in ihrer Stimme höre. "Aber ich bin nicht auf dich zugegangen, um den alten Streit wieder aufzurollen. Ich will einfach nur von dir wissen, ob du ihn liebst." "Warum? Hoffst du etwa, dich in meinem Leid suhlen zu können?" Das Gespräch zwischen uns läuft immer mehr aus dem Ruder und alle meine vorgefassten Versprechungen sind vergessen. Ich verstehe mich selber nicht, warum ich mich auf einmal so in die Enge gedrängt fühle ... warum ich so darauf aus bin sie zu provozieren. "Ich habe nichts dergleichen vor, sondern möchte nur eine ehrliche Antwort von dir haben." Fast schon bittend kommen die Worte über ihre Lippen, während sie ergeben ihren Kopf leicht schüttelt. Oder ist es Traurigkeit? Doch was es auch ist, es ist mir egal! Das einzige, was ich noch wahrnehme, ist der rote Schleier, der sich über meine Augen legt, und ein kurzes, hartes Auflachen entringt sich mir. "Ehrlichkeit? Das sagt gerade die Richtige!" Ihre Augen verengen sich und ihre Pupillen werden dunkler, während sich in mir ein mulmiges Unbehagen ausbreitet. Aber ich weiche ihrem starren Blick nicht aus, dafür bin ich schon zu weit gegangen. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, bis sie dann ihre Augen von mir abwendet. Doch es vergehen nur wenige Sekunden, dann richten sie sich schon wieder auf mich. "In diesem Punkt habe ich mir nichts vorzuwerfen!" Zitternd und kraftlos blicke ich ihr nach, wie sie auf Sanji zugeht, während ihre Stimme, die heiser vor unterdrückter Wut klang, noch in meinem Kopf nachhallt. Das habe ich ja wunderbar hinbekommen! Anstatt, dass ich ihrer Freundlichkeit entgegenkomme, habe ich nichts Besseres zu tun, als meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Mit einem Gefühl von Schuld beobachte ich Robin dabei, wie sie nach einem kurzen Wortwechsel mit Sanji und Chopper die Lichtung wieder verlässt. Sofort richten sich Sanjis Augen auf mich, denen ich aber ausweiche. Ich will den stummen Vorwurf darin nicht sehen! Stattdessen wende ich mich Zorro zu, obwohl ich nicht weiß, warum. Im selben Moment, indem meine Augen seine Gestalt erfasst haben, dreht er seinen Kopf zu mir. Ich kann nur vermuten, dass er Robin nicht aus den Augen gelassen und damit auch unsere kleine, aber schwere Auseinandersetzung mitbekommen hat. Doch was auch immer in ihm vorgeht ... was er darüber denkt ... lässt er Außenstehende nicht erkennen. Kapitel 14: Zorro: Approach --------------------------- Das sanfte Rascheln der Blätter ... das kaum wahrnehmbare Knacken und Ächzen der Bäume ... das leise Zirpen der Grillen ... der fragende Ruf eines Kauzes. Nichts anderes höre ich um mich herum, während ich den ausgetrampelten Pfad zum Strand hinab laufe. Ich genieße dieses Alleinsein. Chopper sagt dazu Einsamkeit. Aber ich bin nicht einsam! Jedenfalls nicht so richtig. Ich habe meine Erinnerungen und meine nächtlichen Träume, auch wenn sie nur ein schwacher Ersatz und Trost sind. Aber so kann ich mir wenigstens den Anschein geben, dass noch alles in Ordnung ist, wenn ich mir die Zeit zurückrufe und mich in den Erinnerungen verliere ... trotz des seelischen Schmerzes, den sie jedes Mal in mir hervorrufen. Doch das ist immer noch besser, als das Gefühl von Leere, das ich hätte, würde ich für Robin nichts mehr empfinden. Obwohl ich es versucht habe, sie zu vergessen, ist es mir nie gelungen. So oft ich meinen Verstand auch in Alkohol ertränkt habe, stets sah ich ihr Bild vor mir. Wie sie immer kerzengerade an der Reling gestanden hatte und mit einer Hand ihr Haar aus dem Gesicht zurückhielt. Wie sie sich konzentriert über ein Buch gebeugt hatte und sich dabei ihre Stirn kräuselte, wenn sie über das Gelesene nachdachte. Wie ihre Hand nach meinem Herzen getastet hatte, wenn sie an meiner Seite eingeschlafen war. Auch die vielen Frauen, bei denen ich gelegen habe, haben nicht geholfen. Jedes Mal war es ihre Stimme, die ich gehört habe ... ihre Hände, die über meinen Körper strichen ... ihre Zärtlichkeit, die ich gefühlt habe. Ob sie wohl auch hin und wieder an unsere gemeinsame Zeit zurückdenkt? Was mag sie wohl dabei fühlen? Oder gehört ihre Zuneigung ... ihre Liebe ... Sanji? Noch immer weiß ich nicht, wie die beiden zueinander stehen. Freunde sind sie mit Sicherheit, schließlich sind sie gemeinsam unterwegs. Aber ob sie wirklich ein Liebespaar sind, so, wie die Zeitungen davon berichten? Ich fühle mich hin und her gerissen. In der kurzen Zeit, die Robin auf der Lichtung war, hat sie Sanji kein einziges Mal berührt. Auch ist sie alleine gekommen und nicht Seite an Seite mit ihm. Aber auch aus Sanjis Verhalten werde ich einfach nicht schlau, was mir zeigt, dass er sich verändert hat. Er ist Robin nicht nachgegangen, wie ich es eigentlich erwartet habe, denn er hat ebenfalls die Auseinandersetzung zwischen ihr und Nami mitbekommen. Stattdessen ist er einfach seelenruhig auf Shanks zugegangen und hatte ihn begrüßt. Die Gelassenheit, mit der er das getan hatte, kann ich nur bewundern, da Nami nur wenige Schritte von ihm entfernt gestanden hat. Entweder sind seine Gefühle für sie abgestorben oder aber seine Ruhe war gespielt. Doch was auch immer zutrifft, beantwortet mir dennoch nicht die Frage, was seine durchdringende Blicke zu bedeuten haben, die er Nami und mir zugeworfen hat. Konzentriert ... abschätzend ... fragend ... als wenn er eine Antwort erhalten wollte. Als ich am Strand ankomme, fällt mein Blick sofort auf die Flying Lamb, die sanft auf den seichten Wellen schaukelt. In dem silbernen Mondlicht erhebt sie sich dunkel vor mir auf, wobei ihr Lammkopf am Bug deutlich herausragt. Ihr Anblick ruft mir wieder den Grund für unsere Anwesenheit auf dieser Insel ins Gedächtnis. Ist es eine Fügung des Schicksals, dass wir hier wieder zusammen gekommen sind? Oder ist es nur purer Zufall? Ein sanftes, dahingehauchtes Rascheln reißt mich aus dem Anblick des Schiffes. Nur wenige Meter von mir entfernt sitzt Robin mit angezogenen Beinen im Sand, wobei ihr Rücken mir zugewandt ist. Regungslos nehme ich ihr Bild in mir auf, während sich eine große Erleichterung in meinem Herzen ausbreitet. Erleichterung darüber, dass sie doch keine Erscheinung war, die ich auf der Lichtung gesehen habe ... entsprungen aus meinen tiefsten Wünschen. Doch die Gewissheit, sie hier gefunden zu haben, bewegt mich vielmehr, vertreibt sie meine Befürchtung. Der Anblick des Meeres hatte stets eine beruhigende Wirkung auf ihre Gedanken und Gefühle gehabt. Dass es scheinbar noch immer so ist, erfüllt mich mit Freude, lässt es mich hoffen, dass sich Robin nicht allzu sehr verändert hat. Und trotz dieser Erkenntnis ... dieser Hoffnung ... hält mich dennoch eine unsichtbare Mauer davon ab, auf sie zuzugehen. Was soll ich auch schon zu ihr sagen ... kann ich sagen? Für mich ist sie die Verkörperung all meiner Wünsche. Und genau da liegt das Problem! Ich kann nicht einfach so tun, als wäre nichts geschehen und sie wie eine einfache Bekannte behandeln. Ich kann den Schmerz, den ich ihr zugefügt habe, und die grausamen Worte, die ich zu ihr gesagt habe, nicht einfach übergehen. Und das macht es mir so schwer Worte zu finden. Was bin ich doch für ein Idiot! Nur weil ich mir Sorgen gemacht habe ... mir vorstellen konnte ... dass sie aufgewühlt ist, bin ich ihr hinterher gegangen. Habe ich etwa allen Ernstes geglaubt, dass ich sie trösten könnte? Dass sie mich mit offenen Armen empfangen würde? Ja ... irgendwo ganz tief in meinem Herzen habe ich es gehofft ... es gewünscht. Aber ich mache mir bloß selber was vor! Lautlos wende ich mich von ihrem Anblick ab, um wieder zu den anderen zurückzukehren. Dabei versuche ich mein Herz vor der Trauer zu verschließen, die sich schwer auf meine Seele legt. "Kann ich dir irgendwie behilflich sein?" Für einen Moment halte ich meinen Atem an, während die leisen Worte zu mir dringen ... mich umschmeicheln ... mich wärmen. Langsam wende ich mich ihr wieder zu, unsicher, ob ich ihre Stimme wirklich gehört habe. Sie hat ihren Blick noch immer auf das Meer gerichtet und wartet auf meine Antwort. Ja, du kannst mir helfen! Lass meine Träume wahr werden! "Ich ... ich wollte nur nach der Flying Lamb sehen. Ich habe nicht gewusst, dass du hier bist. Ich will dich auch nicht länger stören." Mich innerlich als einen jämmerlichen Feigling scheltend, mache ich erneut den Versuch den Strand zu verlassen. Wieso bin ich auf ihre Frage nicht weiter eingegangen? Es war schließlich die Chance mich mit ihr zu unterhalten ... und ihre Nähe weiterhin zu spüren. "Du bist jetzt also mit Chopper unterwegs?!" Erneut hält mich ihre Stimme auf. Erleichterung, aber auch gespannte Erwartung durchströmen mich, die mich für einen kurzen Augenblick die Augen schließen lassen. Verspürt sie ebenfalls den Wunsch die alleinige Begegnung zwischen uns zu verlängern? "Ja. Ja, das sind wir. Er wollte unbedingt mit mir mit." "Es wundert mich nicht. In dir hat er immer sein Vorbild gesehen." Obwohl sie noch immer mit dem Rücken zu mir sitzt, weiß ich, dass sie bei diesen Worten lächelt. Ich kann es in ihrer Stimme hören, genau wie auch den Hauch von Wehmut. "Vielleicht war ich das einmal." Zögernd wendet sie ihren Kopf, bevor sie sich dann mit ihrem ganzen Oberkörper zu mir dreht. Fast schon kann ich sehen, wie es in ihrem Verstand arbeitet, um den Sinn meiner rätselhaften Äußerung zu entschlüsseln. Doch ich bin nicht bereit ihr davon zu erzählen. Sie soll nie erfahren, was ich getan habe! "Und ihr seid also die Shadow Devils. Ihr habt euch da einen ziemlichen Ruf gemacht." Wie zwei Fremde unterhalten wir uns. Zögernd und schleppend kommen die Worte über unsere Lippen. Die Vertrautheit ... diese Unbeschwertheit ... die einst geherrscht hatte, will sich einfach nicht einstellen. Noch nie zuvor habe ich den Bruch zwischen uns so stark gefühlt, wie jetzt in diesem Moment. "Das war gar nicht unsere Absicht." Noch immer sieht sie mich fragend an, während sie mir antwortet. Aber ich weiß, dass sie nicht hinter meine Fassade blicken kann. Nicht mehr! Ich habe gelernt, wie sie zu werden. Meine Gefühle hinter eine undurchdringliche Mauer zu verstecken. Ihre Augen wandern wieder auf das Meer hinaus, dessen Oberfläche das Mondlicht und die hellleuchtenden Sterne wie Kristalle widerspiegelt. "Wir wollten einfach nur ein bisschen Geld verdienen." Schlicht und einfach kommen ihr diese Worte über die Lippen. Es ist keine Entschuldigung ... keine Rechtfertigung ... einfach nur eine sachliche Erklärung. Und dennoch dringen sie wie Nadelstiche in mein Herz ein. Ich kann es nicht verhindern! Spüre, wie die Frage in meiner Kehle hochsteigt ... sich auf meine Zunge legt. Ich weiß, wieder einmal werde ich alles zwischen uns zerstören. "Schläfst du mit ihm?" Lange bleibt es zwischen uns still, während ihre Augen unverwandt auf mich gerichtet sind. Ich kann nicht erkennen, was in ihr vorgeht ... was meine Frage in ihr ausgelöst hat. Aber ich glaube so etwas wie Trauer in dem Dunkel ihrer Augen zu sehen. Gespannt beobachte ich, wie sich ihre Lippen ein wenig teilen. Doch kein Laut entweicht ihnen, als fürchte sie sich davor, mir die Antwort zu geben. Unbewusst halte ich den Atem an, als Robin sie mir dann doch gibt. Ein zögerndes, schwaches Kopfnicken und ein leises, dahingehauchtes Wort. "Ja." Schmerz explodiert in mir ... reißt mich fast in Stücke. Wie ein roter Blitz durchfährt es mich. Nur mit Mühe gelingt es mir meine Gefühle nicht zu zeigen ... die Pein vor ihr zu verbergen. Und trotzdem habe ich den Eindruck, als würde mein Inneres offen wie ein Buch vor ihr liegen. "Seit wann?" Ich muss es einfach wissen! Auch wenn ich mich selbst dafür hasse, sie das zu fragen. Ich brauche die Gewissheit! "Hör auf damit, Zorro!" Obwohl ihre Stimme nur ganz leise ist, kommt es mir fast so vor, als hätte sie die Worte laut herausgeschrieen. Wie ein Vorhang, der sich geöffnet hat, offenbaren sich mir ihre Gefühle, die wie ein Messer durch mich hindurchfahren. Bittend ... flehend ... beschwörend ... blicken mich ihre Augen an, in denen ich den Schmerz erkenne, den ich ihr wieder einmal zugefügt habe. "Hör auf damit! Fang nicht wieder mit dem Thema an. Lass es gut sein. Lass es einfach gut sein!" Flüsternd und gebrochen dringt ihre Stimme in mein Bewusstsein ... lässt meine Brust sich verengen ... gibt mir das Gefühl nicht mehr atmen zu können. Ich will auf sie zugehen ... sie in meine Arme schließen ... sie ganz fest an mich halten ... ihr den Schmerz nehmen ... sie zum Lächeln bringen. Doch ich bin zu keiner Bewegung fähig. Ich kann sie nur ansehen. Zusehen, wie die Qual sich über ihr Gesicht zieht. Zuhören, wie sie zitternd die Luft einatmet. Langsam steht sie von dem kalten Sand auf, ohne mich anzusehen. Wenige Sekunden nur starrt sie auf das Meer hinaus, bevor sie dann mit hängendem Kopf an mir vorbeigeht. Panik überfällt mich. So darf es nicht zwischen uns ausgehen! "Ich weiß, wo du ein Porneglyph finden kannst." Ich habe gehofft, dass ein hoffnungsvoller Schimmer in ihre Augen treten würde, der die Qual daraus vertreibt. Doch nur ein trostloser Ausdruck blickt mir entgegen. "Und wird mich diese Information etwas kosten?" "Nur eine Nacht mit dir." Kapitel 15: Robin: Temptation ----------------------------- Kräftige Arme umschlingen mich von hinten und raue Hände legen sich auf meine kalten Finger. Mein Körper versteift sich ... wehrt sich gegen das Vorhaben. Langsam ... quälend langsam ... ziehen seine Hände mit mir zusammen den Reißverschluss meiner Jacke auf. Eine stoppelige Wange drückt sich gegen die Seite meines Kopfes und sanfte Lippen fahren meine Wange hinab. Ich lehne mich an die feste Brust hinter mir, während die anfängliche Erstarrung meines Körpers allmählich von mir abfällt. Seine Hände weisen meinen den Weg unter meinen Pullover und fahren gemeinsam mit mir über die warme Haut meines Bauches hinauf. Ich neige meinen Kopf etwas zur Seite, um ihm ein besseres Herankommen an meinem Hals zu ermöglichen. Genießerisch schließe ich meine Augen, als unsere Hände meinen Busen leicht umfassen und seine Zähne spielerisch an meinem Ohrläppchen knabbern. Ein flüssiges Feuer breitet sich von meiner Körpermitte aus, als ich seinen warmen Atem spüre und er immer wieder sanft meinen Namen haucht. "Robin!" Die dunkle, verheißungsvolle Stimme klingt anders, wird heller ... ungeduldiger ... drängender. Ich will mich zu ihm umdrehen ... sein Gesicht sehen ... aber er ist weg! Alles ist weg ... die Wärme seines Körpers ... die Geborgenheit seiner Arme ... die Zärtlichkeit seiner Stimme. Nur noch das lustvolle Ziehen meines Unterleibs, das nach Befriedigung schreit, ist mir geblieben, das jedoch schnell schwindet. "Robin!" Ich rufe nach ihm ... versuche ihn zu finden ... will zu ihm gelangen. Er darf nicht gehen! Doch eine tiefe Schwärze hüllt mich ein, macht es mir unmöglich etwas zu sehen. Allein ... verloren! Kalte Fänge der Einsamkeit greifen nach mir ... erdrücken mich. Blind ... panisch ... taste ich mich vor, folge seiner Stimme, die doch nicht seine ist! Etwas berührt mich an der Schulter, umfasst sie. Ich drehe mich um ... die Furcht verschwindet ... und weißes Licht explodiert hinter meinen Augenlidern. "Robin!" Langsam wird mir bewusst, dass die Stimme, die ich die ganze Zeit höre, Sanji gehört. Mit wildklopfendem Herzen reiße ich mich aus dem Traum, während ich für einen kurzen Moment einen Stich durch meinen ganzen Körper verspüre, ausgelöst durch Frust und Enttäuschung, dass nicht er es ist. "Robin, jetzt wach schon endlich auf!" Sanjis raue Hand liegt auf meiner nackten Schulter und rüttelt mich immer wieder sanft an. Zu mehr als nur zu einem fragenden Stöhnen bin ich nicht in der Lage. Zu deutlich haftet der Traum noch in meinem Gedächtnis fest. Das Gefühl der Einsamkeit ... der Verlorenheit ... des Alleinseins! Etwas ... jemanden ... IHN ... verloren zu haben! "Du scheinst dich die Nacht mehr als nur prächtig amüsiert zu haben." Die leichte Bitterkeit in diesen Worten lässt mich meine Augen einen Spalt weit öffnen. Doch das unglaublich strahlendhelle Licht der Morgensonne fährt wie Messerstiche durch mich hindurch und sofort vergrabe ich mein Gesicht wieder in das weiche Kissen unter mir. Auch werde ich mir der bleiernen Schwere meines Körpers bewusst, obwohl ich in meinem Bett liege, während ich das Gefühl habe, dass mir jemand mit einem Hammer gegen die Schädeldecke klopft. "Wie viel hast du eigentlich getrunken?" Getrunken? Mühsam stütze ich mich auf die Unterarme auf, um mich dann schwerfällig umzudrehen und mich aufzusetzen. Ein schmerzhaftes Stöhnen kann ich dabei jedoch nicht unterdrücken, da trotz der langsamen Bewegungen das Hämmern in meinem Kopf zu einem Crescendo heranwächst. Mit einer Hand die Bettdecke vor meinem nackten Busen haltend, um nicht ganz in der Kühle zu sitzen, stütze ich meinen pochenden Kopf mit der anderen ab. Ich habe das Gefühl, dass meine Augen in der Nacht zu doppelter Größe angewachsen sind, während ich gleichzeitig versuche meinen Blick auf Sanji zu festigen, der irgendwie hin- und herzuschwanken scheint. Oder bin ich das? "Anscheinend sogar eine ganze Menge." Immer wieder fallen mir die Augen zu, so dass mir fast sein missbilligender Blick entgeht, mit dem er mich mustert. Verwirrt versuche ich den Nebel, der sich über meinem Verstand gelegt hat, zu durchdringen, auf der Suche nach dem Grund für sein abweisendes Verhalten. Aber die Müdigkeit und noch etwas anderes - vielleicht die Nachwirkungen des Traums? - machen es mir unmöglich. "Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst." Liegt es an der Müdigkeit, die meine Stimme so heiser und kraftlos klingen lässt? "Den Eindruck habe ich auch. Ich werde dir schnell eine Brühe zubereiten. Warte hier." Als wenn ich in der Lage wäre irgendwohin zu gehen. Ich habe ja schon Probleme damit meine Augen offen zu halten, während ich ihm nachblicke. Kurz frage ich mich, ob ich mich vielleicht erkältet habe. Mein Verstand funktioniert viel zu langsam und mein Körper protestiert gegen jede noch so kleine Bewegung. Und trotzdem wirbeln so viele Gedanken durch meinen Kopf. Sanjis merkwürdige Äußerungen, die für mich keinen Sinn ergeben ... sein abweisendes Verhalten, für das ich keine Erklärung habe ... der Traum, der mir noch deutlich vor Augen steht. Aber noch etwas anderes ... ein Gefühl, dass etwas passiert ist ... gegen das mein Verstand rebelliert. Während ich versuche meine Gedanken zu klären, lasse ich meinen Blick unbewusst durch das Zimmer schweifen. Nur am Rande meines Bewusstseins nehme ich meine Kleidung wahr, die überall verstreut herumliegt, sowie auch die Flaschen auf dem Boden. Überrascht hebe ich meine Augenbrauen und es dauert eine Weile, bis mein Verstand diesen Anblick verarbeitet hat. Aber auch, bis ich sie gezählt habe. Acht Flaschen! Habe ich die etwa alle alleine getrunken? Langsam schiebe ich meine Beine über den Rand des Bettes und vergrabe meinen Kopf in meinen Händen, angesichts des Schwindels, der mich erfasst. Bittere Galle steigt in mir hoch, während mein Magen wilde Purzelbäume schlägt. Was hat mich bloß dazu getrieben, so dermaßen über die Strenge zu schlagen? Konzentriert rufe ich mir die Erinnerung der letzten Nacht ins Gedächtnis. Da war das Gespräch mit Nami. Sie ist mir so hilflos erschienen, als sie Sanji beobachtet hatte. Keine Ahnung, was mich zu der Annahme geführt hat, dass sie mir ihre Gefühle verraten würde. Irgendwie wollte ich ihr einfach bloß helfen. Und auch Sanji. Ganz besonders Sanji! Ich habe gehofft, dass ich ihm etwas geben könnte, das ihm die Hoffnung wiedergibt. Etwas, das ihm zeigt, dass es zwischen ihm und Nami noch längst nicht vorbei ist. Aber stattdessen war da nur eine Mauer, gegen die ich gerannt bin. Eine Mauer aus Wut ... Enttäuschung ... Bitterkeit ... verletzten Gefühlen. Und was geschah dann? Das Bild einer dunklen Gestalt, deren harte Gesichtszüge der Mond nicht in ein helles Licht tauchen konnte, erscheint vor meinem inneren Auge. Zorro! Mein Inneres zieht sich qualvoll zusammen und erneut fällt mir der Traum wieder ein. Obwohl ich das Gesicht nicht gesehen habe, weiß ich dennoch instinktiv, dass es seine Hände waren ... seine Lippen ... sein Körper ... die ich gespürt habe. Als er da war ... als ich seine Nähe fühlte ... war es wie Balsam auf meiner Seele. Wie gerne hätte ich seine Arme um mich gefühlt, die mich trösten ... die mir das Gefühl geben, dass alles in Ordnung ist. Ich wollte nicht, dass er ging ... mir ausweicht ... mich meidet. Ich wollte eine Ebene finden, auf der wir uns ganz normal unterhalten können. Ohne Hindernisse ... ohne etwas, das zwischen uns steht. Und dann fing er wieder an! Dieselbe Sache ... dieselben Worte ... dasselbe Misstrauen! Seine Worte ... seine Schrift ... seine Bekenntnisse ... sind nichts weiter als leere Hüllen. Und dabei haben sie mich hoffen lassen! Hoffen, dass er sich geändert hat ... dass er es eingesehen hat. Nur eine Nacht mit dir. Das ist es! Dagegen hat sich mein Verstand gewehrt! Gegen die Scham ... gegen die Erniedrigung! Deswegen habe ich soviel getrunken! Um meinen Stolz ... meine Würde ... meine Ehre ... zum Schweigen zu bringen. Es war kein Traum! Es ist wirklich geschehen. Ich habe meinen Körper verkauft! Nicht wegen des Porneglyphs. Ich bin schon lange nicht mehr auf der Suche danach. Doch ich konnte trotzdem nicht anders ... konnte der Versuchung nicht widerstehen. Eine Nacht mit ihm ... es war wie die Erfüllung meiner Träume. Aber es schmeckt bitter. So sollte es nicht passieren. So hätte es nicht passieren dürfen. Nicht auf diese Art ... nicht aus diesen Gründen! Auch wenn es nicht dasselbe ist ... die Gefühle nicht mehr dieselben sind ... ich bereue es trotzdem nicht. Mögen die Gründe falsch sein ... mag mein Körper sich beschmutzt fühlen ... mag mein Verstand sich erniedrigt sehen ... das war es wert für mich! Und ich weiß, ich würde wieder so handeln. Jetzt habe ich etwas, woran ich lange zehren kann. Habe eine neue Erinnerung an ihn. Lange sehe ich auf meine Hände hinab. Es war anders ... so vollkommen anders. So viel habe ich mit ihnen gefühlt. Haben mich die Unterschiede zwischen uns spüren lassen. Er hat mich die Unterschiede spüren lassen! Es war, als hätten wir unsere Körper das erste Mal erkundet. Allein, aber doch gemeinsam. Gemeinsam, aber auch wieder allein. Meine Haut ... weich, straff, makellos. Seine Haut ... fest, muskulös, vernarbt. Ich habe sie gefühlt ... die Unebenheiten auf seinem Rücken ... die Muskeln, die sich darunter angespannt haben. Ich habe sie auch gesehen. Aber ich habe nicht gefragt ... nichts gesagt. Ich habe sie nur geküsst ... jeden einzelnen Zentimeter von der Brandnarbe ... während mir die Tränen in den Augen gestiegen sind. Was muss er für Schmerzen gehabt haben? Kapitel 16: Sanji: Break ------------------------ Noch bevor die Schlacht so richtig begonnen hat, habe ich den Kampf bereits verloren. Schon von dem Augenblick an, als Robin und Zorro sich gegenüberstanden, war es schon längst entschieden. Ihre zusammenverbrachte Nacht war unvermeidlich, habe ich die verzehrende Sehnsucht nach dem jeweils anderen bemerkt. Doch habe ich nicht damit gerechnet, dass es so schnell geschehen würde. Nicht bereits in der ersten Nacht! Aber stört es mich wirklich? Sicher, ich bin enttäuscht und auch verletzt, aber wütend? Nein ... eigentlich nicht! Ich weiß ja, dass ihr Herz noch immer an ihm hängt, und sie Zorro wahrscheinlich auch immer lieben wird. In dieser Hinsicht mache ich mir nichts vor! Robin wird mir gegenüber nie dieselben Gefühle ... nie die gleiche Intensität ... entgegenbringen wie ihm. Seltsamerweise jedoch ist mir das irgendwo im Herzen egal. Gehen meine Gefühle also doch nicht so tief, wie ich gedacht habe? Ich müsste doch eigentlich so etwas wie Eifersucht verspüren, wenn ich Robin wirklich lieben würde, oder? Doch stattdessen mache ich mir Sorgen. Sorgen um sie! Zu groß sind die Auswirkungen und Veränderungen, die ihre Trennung herbeigeführt hat. Zu viel ist zwischen ihnen beiden noch unausgesprochen geblieben, das noch geklärt werden muss. Eine einzige Nacht reicht nicht aus, um alles zwischen ihnen zu bereinigen. Und ich glaube nicht, dass sie geredet haben. Jedenfalls nicht über sich und ihre Beziehung, wenn diese überhaupt zwischen ihnen existieren sollte. Vielleicht deshalb auch der viele Alkohol? Ich habe noch nie erlebt, dass Robin jemals mehr als zwei Gläser Wein, Sake oder Bier getrunken hat. Sie ist sonst immer so darauf bedacht einen kühlen Verstand zu behalten. Dass sie es diesmal nicht getan und gegen ihren Prinzipien verstoßen hat, ist für mich ein deutlicher Hinweis darauf, dass ihre Gefühle in einem ziemlichen Chaos stecken. Doch was wird jetzt sein? Wie wird es zwischen ihnen beiden nun weitergehen? Und wo werde ich am Ende bleiben? Sofort taucht das Bild von Nami vor meinem geistigen Auge auf und ich muss automatisch an die Gefühle denken, als mein Blick auf ihre von Stolz gestraffte Gestalt getroffen war. Neugier und Unsicherheit habe ich in ihren Augen gesehen. Und auch noch etwas anderes, als sie mich gemustert hatte, das mich an Faszination denken lässt. Dieses Etwas hat mein Herz rasen lassen und meine Hände zum Zittern gebracht. Etwa vor Freude? Vor Aufregung? Die ganze Zeit über, in der ich mich mit Chopper, Shanks und Ace unterhalten habe, habe ich ihre Augen auf mir gespürt ... und ihre Nähe. Doch geredet haben wir nicht miteinander. Nein! Ich werde den ersten Schritt nicht machen ... diesmal nicht. Bereits schon in der Vergangenheit war ich derjenige, der ihr jedes Mal hinterher gerannt ist. Wenn sie eine Versöhnung haben will, was ich nach der kurzen Auseinandersetzung mit Robin bezweifle, dann soll sie diejenige sein, die auf mich zugeht ... und nicht andersherum. So soll es nie wieder sein! Während ich noch so darüber nachdenke, wird mir das zischende Geräusch bewusst, mit dem das überkochende Wasser durch die kleine Herdflamme verdampft. Schnell nehme ich den Topf von der Platte herunter und schalte den Gasherd ab. Ich kann mich nicht erinnern meine Konzentration schon mal auf etwas anderes gerichtet zu haben und dabei das zu bereitende Gericht vergaß. Dass es mir jetzt passiert ist, zeigt mir, dass wir Ruffy und Lysop so schnell wie möglich befreien müssen, damit Robin und ich wieder zu einem normalen Tagesablauf zurückkehren können ... wenn dies überhaupt noch möglich ist. Nicht nur, dass unsere Gefühlswelt außer Kontrolle geraten ist, herrscht zwischen uns noch immer ein angespanntes Verhältnis. Doch um das zu klären, muss ich mir vorher erst über meine Gefühle für sie im Klaren werden. Und selbst dann weiß ich nicht, ob es zwischen uns wieder so werden wird, wie es noch vor wenigen Wochen gewesen war. Eine Vorahnung sagt mir jedoch, dass wir jetzt nicht mehr zu der innigen Vertrautheit zurückfinden werden. Vorsichtig die kleine Schale mit der Hühnerbrühe in einer Hand balancierend, steige ich erneut den Niedergang hinab und betrete das Zimmer, wo Robin vollkommen nackt auf der Bettkante sitzt. An einigen Stellen ist ihre Haut noch ein wenig gerötet, deren Anblick mir einen kurzen Stich ins Herz versetzt, und mir darüber hinaus auch noch einen kleinen Einblick darüber gibt, was in diesem Zimmer vorgefallen ist. "Du solltest dir etwas überziehen", sage ich zu ihr und trete ganz in den Raum ein. Schnell hebt sie ihren Kopf, als hätte ich sie aus den Gedanken gerissen, was ich sicher auch getan habe. Doch sofort nach der heftigen Bewegung verzieht Robin gequält das Gesicht. Ein schadenfreudiges Lächeln legt sich um meinen Mund. Aber auch Mitleid überkommt mich, da mir die Nachwirkungen übermäßigen Alkoholgenusses bestens vertraut sind. Ohne Absicht muss ich dabei an die vielen Abende denken, an denen wir, die Strohhutbande, die Wirtshäuser unsicher gemacht haben. Wie haben wir uns immer volllaufen lassen, wobei Nami stets diejenige von uns war, die uns alle unter den Tisch getrunken hatte. Dass wir trotz der zahlreich geleerten Krüge immer den Weg zur Flying Lamb zurückgefunden haben, haben wir eigentlich Robin und Chopper zu verdanken gehabt, die als einzige von uns immer nüchtern geblieben waren. "Ist das immer so?" Nachdem ich die Suppe auf den Schreibtisch abgestellt habe, blicke ich zu ihr. Schwankend erhebt sie sich auf die Beine, wobei sie sich mit einer Hand auf der Matratze abstützt. "Du meinst die Kopfschmerzen, die Übelkeit und den Schwindel? Das ist völlig normal. Ganz besonders bei dir, da du nicht an solch eine Menge gewöhnt bist. Lass dir das für die Zukunft eine Lehre sein." "Das musst du mir nicht erst sagen." Trotz ihrer deutlich sichtbaren Pein kann ich mir ein leises Auflachen nicht verkneifen, das mir auch gleich darauf einen bitterbösen Blick einhandelt. "In zwei Stunden will Shanks aufbrechen", spreche ich weiter, ohne auf ihren stummen Kommentar weiter einzugehen. "Wohin?" Die Gedanken ganz auf unser Vorhaben gerichtet, sehe ich Robin dabei zu, wie sie sich vorsichtig und mit langsamen Bewegungen vor einer kleinen Truhe niederkniet und einige Kleidungsstücke daraus hervorholt. Für ihre Nacktheit, mit der sie mir gegenüber ganz ungezwungen umgeht, habe ich ausnahmsweise mal keinen Blick übrig. Und selbst wenn ich auch nur einen Anflug von Lust verspüren würde, würde er bei dem Gedanken an zwei ineinanderverschlungene und verschwitzte Körper, die sich lustvoll und begierig dem Liebesspiel hingeben, sofort wieder verfliegen, da einer dieser Körper in meiner Vorstellung nicht der meine ist. "Es geht nach Winters Island. Dort werden wir dann auch auf Whitebeard treffen, der dort so lange die Stellung hält und Informationen sammelt." Während ich ihr die wesentlichen Punkte erkläre, wende ich mich wieder dem Schreibtisch zu und schiebe die Bücher und die Schreibutensilien ein wenig zur Seite, damit Robin genügend Platz hat, um essen zu können. Dabei fällt mein Blick auf ein ledergebundenes und unbeschriftetes Buch. "Hat er das gesehen?" Mit einem milden Interesse dreht sich Robin halb zu mir um. Doch wächst es zusehends, als ihr Blick auf das Buch in meinen Händen fällt. Ihre Augen weiten sich, während sich ihre Muskeln anspannen. Scheinbar hat sie ganz vergessen, dass das Tagebuch die ganze Zeit über gut sichtbar auf dem Tisch gelegen hat. "Ich weiß nicht, vielleicht." Achselzuckend und mit ausdrucksloser Stimme wendet sie sich nach einer Weile von mir ab und schenkt ihre Aufmerksamkeit dem blauen Hemd in ihren Fingern. Doch sie kann mir nichts vormachen. Die Möglichkeit, dass Zorro sein Tagebuch hier bei ihr vorgefunden haben könnte, beunruhigt sie. Nur zu gerne würde ich erfahren, was genau zwischen ihnen vorgefallen ist. Gerade als ich das Buch wieder an seinen Platz zurücklegen will, bemerke ich einen Zettel mit einer Notiz darauf, der unter dem Tagebuch gelegen hat. Die Schrift ist viel zu eckig, als dass sie von Robin oder Nami stammen würde. Mit einer gewissen Neugier will ich die Nachricht darauf lesen. Doch weiter als bis zum zweiten Satz komme ich gar nicht erst, da mich eine maßlose und abgrundtiefe Wut erfasst. Blind und rasend fege ich in der nächsten Sekunde und mit einer heftigen Armbewegung sämtliche Gegenstände vom Tisch. "Was ...?" Ihre Stimme dringt nur dumpf in mein Bewusstsein ein. Dennoch reicht es aus, um meine Aufmerksamkeit auf sie zu lenken. Verwirrt wandert ihr Blick über die Bücher am Boden, die in der Lache der verschütteten Hühnersuppe liegen, bis sich ihre blauen Augen dann auf mich richten. In einer hilflosen Geste fordert sie mich stumm zu einer Erklärung auf. "Kannst du mir mal verraten, was das jetzt sollte?" "Er hat dich bezahlt, als wärst du eine ganz gewöhnliche Hure!" Nur mühsam kann ich meine Stimme ruhig halten, wobei ich jedoch am liebsten losgebrüllt hätte. Das Zittern in meiner Stimme kann ich leider nicht verhindern, doch das ist mir im Moment sowieso egal. Ich kann nur noch daran denken, was ich mit Zorro mache, wenn ich ihn in die Finger bekomme. "Ich weiß. So war es auch abgemacht." Widerstrebend und tief aufseufzend bekomme ich eine Antwort, mit der ich nie gerechnet hätte ... die ich mir nicht einmal in meinen kühnsten Träumen vorgestellt hätte. Trotz des roten Schleiers vor meinen Augen erkenne ich dennoch, dass ihr die Situation unangenehm ist, da sie meinen fragenden Blicken ausweicht. "Abgemacht? Soll das etwa heißen, du hast dich freiwillig darauf eingelassen? Hast du jetzt vollkommen den Verstand verloren?" Obwohl ich mir bewusst darüber bin, dass meine Stimme weit über der normalen Zimmerlautstärke liegt, kann ich mich trotzdem nicht länger zügeln. Mein Verstand kann es einfach nicht fassen, dass Robin sich auf einen so respektlosen Handel eingelassen hat. "Ich hatte meine Gründe, okay?" "Das müssen dann aber ganz bescheuerte Gründe gewesen sein, dass du dich so tief erniedrigen lässt." "Lass das mal meine Sorge sein. Ich muss damit fertig werden und nicht du!" Auch sie hat die Wut jetzt gepackt und ihre Stimme klingt kalt und unpersönlich. Fest beißt sie die Zähne zusammen, wodurch sich die Muskeln um ihre Wangenknochen herum anspannen und diese hervorheben. Ein gefährliches Glitzern ist in ihre Augen getreten, dass jeden anderen zur Vorsicht gemahnt hätte und mich davor warnt, noch weiter auf dem Thema herumzureiten. Doch ich habe nicht die Absicht die Sache jetzt fallen zu lassen. "Ich lasse es aber nicht deine Sorge sein! Ich will den Grund für diese hirnrissige Aktion erfahren." "Das geht dich gar nichts an! Und jetzt lass mich damit in Ruhe!" Mit einem heftigen Ruck dreht sie mir ihren gestrafften Rücken zu. Ein deutliches Zeichen dafür, dass die Unterhaltung für sie damit beendet ist. Doch wenn sie wirklich glaubt, dass ich jetzt aufhöre, dann kennt sie mich aber schlecht. "Nein, das werde ich sicher nicht. Wir beide gegen den Rest der Welt, schon vergessen?" Aufmerksam beobachte ich sie, während ich auf ihre Antwort warte. Eine Minute, vielleicht auch zwei, vergehen, bis sie dann nach einem tiefen Atemzug einen betrübten Seufzer ausstößt. "Vielleicht wäre es besser für uns, wenn es kein Wir mehr gibt." Mit diesen leisen Worten und gesenktem Kopf geht Robin an mir vorbei, während ich nur tatenlos zusehe, wie sie das Zimmer verlässt. Nur langsam kann mein Verstand die Bedeutung ihrer Worte verarbeiten. Kapitel 17: Chopper: Guilt -------------------------- Mit halbem Interesse schaue ich den Männern dabei zu, wie sie schnell und sorgfältig das Lager Stück für Stück abbauen. Auf den ersten Blick hat man den Eindruck, dass sie alle wild durcheinander laufen, während sie mal hierhin, mal dorthin gehen ... da etwas zusammenpacken, dort etwas verstauen. Aber wenn man genauer hinsieht, erkennt man, dass jeder Einzelne eine ganz bestimmte Aufgabe erfüllt. Und zwischen diesem scheinbaren Chaos sehe ich immer wieder einen grünen Haarschopf aufblitzen, der sich mir langsam nähert. Aufmerksam blicke ich Zorro entgegen, da ich ihn seit dem gestrigen Abend nicht mehr gesehen habe. Er muss sich die Dunkelheit und die Schatten der Bäume zu nutze gemacht haben, um unbemerkt verschwinden zu können. Schon die ganze Zeit über frage ich mich, ob Zorro einen ruhigen Platz gesucht hat, an dem er in aller Stille nachdenken konnte, oder ob er nicht vielleicht sogar Robin gesucht hat. Ich kann mir keine Vorstellung davon machen, was er bei ihrem Anblick gefühlt haben muss. Aber ich bin mir ganz sicher, dass es Zorro nicht kalt gelassen hat. Dass er ihre Kette stets bei sich trägt, ist für mich schon allein Beweis genug, dass sie ihm noch immer viel bedeutet. "Wir brechen also bald auf." Geschmeidig wie immer und mit einem leisen, müden Seufzer setzt er sich neben mich. Dabei fallen ihm einige feuchte Strähnchen in die Stirn, die mir verraten, dass er schwimmen war. Mit einiger Besorgnis nehme ich die rotgeränderten, blutunterlaufenen Augen sowie die Blässe in seinem Gesicht zur Kenntnis. "Hast du die Nacht überhaupt geschlafen?" "Ein wenig." Seine Worte werden von einem unbekümmert wirkenden Schulterzucken begleitet, während er mit einem ungewohnten Interesse das Geschehen vor uns beobachtet. Da ich von ihm normalerweise nichts anderes erwarte, vermute ich sofort, dass er die Nacht irgendwo wachgelegen hat, um sich dann in seine selbst geschaffene Welt zurückzuziehen. Obwohl es mich freut zu sehen, dass Zorro scheinbar einen Weg gefunden hat, wie er seine Erinnerungen dazu nutzen kann, um mit dem Leben fertig zu werden, missfällt es mir trotzdem. Er hat schon einmal am Abgrund gestanden, ohne dass ich die Möglichkeit hatte ihm helfen zu können. Und ich habe die Befürchtung, dass es wieder so weit kommen wird, wenn er sich noch länger in die Vergangenheit vergräbt. "Du denkst einfach zu viel nach." Trotz des Wissens, dass ich ihm noch so oft ins Gewissen reden kann, ohne auch nur den kleinsten Erfolg zu erzielen, habe ich keine andere Wahl, als mich ständig zu wiederholen. Außer mir ist ja auch sonst niemand für ihn da, der sich um ihn sorgt. "Ich weiß, Chopper. Ich war wohl keine sehr gute Gesellschaft für dich, was?" "Na ja, irgendjemand musste ja auf dich aufpassen." Seine Bemerkung lässt mich ihn wieder besorgt mustern. Nicht nur sein überraschendes Eingeständnis wundert mich, sondern auch die Einfühlsamkeit in seinen Worten und auch in seiner Stimme. Es beunruhigt mich zutiefst, erinnert es mich an die Zeit, als der Alkohol sein ständiger Begleiter war und die angestauten Gefühle an die Oberfläche drangen. Da hat er dann auch immer diesen Ton angeschlagen. Und je mehr er geredet hat ... von seinen Erinnerungen und seinen Träumen ... desto verzweifelter wurde er. Seine Kraft ... seine Stärke ... seine Verschlossenheit ... waren wie weggeblasen und ein gebrochener Mann lag vor meinen Füßen, dessen Anblick für mich immer wieder wie ein Dolchstoß war. "Ja, da hast du wohl Recht. Aber wer hat auf dich aufgepasst?" Trotz der unübersehbaren Müdigkeit in seinen Augen ist seine ganze Aufmerksamkeit auf mich gerichtet. Einige Zeit vergeht, ohne dass einer von uns etwas sagt, während ich ihn einfach nur anstarre, unfähig ihm eine Antwort zu geben. Stattdessen suche ich in seinen Augen nach einer Erklärung für sein beunruhigendes Verhalten. Doch nichts an ihm lässt mich darauf schließen, dass er auch nur einen kleinen Schluck Alkohol zu sich genommen haben könnte. "Weißt du, wenn diese Sache hier vorbei ist, solltest du dich wieder Ruffy anschließen." Die Überraschung nimmt für mich kein Ende und in einem hinteren Teil meines Verstandes, der von den zahlreichen Eröffnungen noch nicht verwirrt ist, frage ich mich, was Zorro noch so alles für mich bereithält. Währenddessen hat er seine Augen wieder auf die Männer gerichtet, wobei sein Blick anscheinend in die vor uns liegende Zukunft ... in die Zeit nach der Rettungsaktion ... sieht. "Willst du mich etwas loswerden?" "Nein, natürlich nicht", antwortet er mir mit einem leichten Kopfschütteln. "Aber wenn du bei mir bleibst, wirst du deinen Traum nie erfüllen können. Mit Ruffy aber kommst du viel mehr rum und wirst auch viel zu sehen bekommen. Und du hast ständig jemanden um dich, mit dem du reden kannst." "Doch dafür wärst du dann allein!" "Die ganze Zeit über war ich doch eine Last für dich. Du brauchst mir nicht zu widersprechen." Mit einer erhobenen Hand und einem nachdrücklichen Kopfschütteln hält er mich von einer heftigen Erwiderung meinerseits ab, so dass ich meinen Mund, den ich bereits geöffnet habe, wieder schließe. "Ich weiß, dass es so ist! Und eigentlich hätte ich auch schon viel eher was sagen müssen. Du hast dich für mich aufgeopfert, die ganze Zeit über. Es vergeht doch kaum eine Minute, in der du dir keine Gedanken um mich machst. Aber damit ist jetzt Schluss! Mir geht es gut und ich werde auch alleine klar kommen. Du brauchst dir um mich keine Sorgen mehr machen. Denk jetzt also einfach nur an dich und deine Träume." Überwältig und gerührt, aber auch geschockt über den Wahrheitsgehalt seiner Worte bleibe ich schweigend neben ihm sitzen. Ich habe wirklich nicht ein einziges Mal an mich gedacht, seit wir die Flying Lamb und unsere Freunde verlassen haben. Stattdessen habe ich, so gut es irgend ging, versucht für Zorro eine Stütze zu sein. Um alles habe ich mich gekümmert. Habe meine Arzneien und meine Dienste als Arzt angeboten, damit wir Geld hatten. Habe mich um Schlafplätze bemüht, wo er es bequem hatte. Habe für Essen gesorgt, damit er bei Kräften blieb. Mein ganzes Bestreben war immer nur auf ihn gerichtet. Und doch habe ich ihm nicht helfen können. Tatenlos musste ich mit ansehen, wie er am Abgrund balancierte. Mit jedem Krug Bier ... mit jeder Partie Poker ... mit jeder Hure ... hat er ein Stück von sich selbst verloren. Am Ende fast sogar seinen Lebenswillen. Aber er hat es geschafft! Er hat es geschafft aus der Trostlosigkeit herauszufinden ... aus der Schwärze, die ihn umgeben hat. Doch mein Verdienst ist es nicht, musste er wegen mir einen harten Preis dafür zahlen. Ausgerechnet an diesem Abend musste es geschehen! Ich hatte es satt. Ich war wütend ... verzweifelt ... kam mir so hilflos vor. Der Mann vor mir war ein Fremder! Er war nicht länger der starke, unbeugsame Kämpfer, den ich kannte. Nicht mehr der Freund, zu dem ich aufgesehen und bewundert habe. Er unterschied sich nicht länger mehr von dem anderen Gesindel, das wir überall in den Wirtshäusern angetroffen haben. Nur sein persönliches Vergnügen war ihm noch wichtig. Ich wollte es nicht mehr länger mitmachen ... wollte nicht mehr länger zusehen. Und ich bin gegangen! Aber ich konnte ihn nicht allein lassen, denn irgendwo war er schließlich immer noch mein Freund. Doch ich kam zu spät! Dieses Mal habe ich nicht auf ihn aufgepasst. Und ich weiß genau, dass der Geruch seines verbrannten Fleisches mich bis an mein Lebensende verfolgen wird. "Und wer soll sich dann um deine Verletzungen kümmern?" "Stimmt, das ist natürlich ein Problem. Ich werde dann wohl besser aufpassen müssen." Sprachlos beobachte ich ihn dabei, wie er gespielt nachdenklich sein Gesicht verzieht und sich dabei noch zusätzlich das Kinn reibt. Ich habe das Gefühl, dass der alte Zorro neben mir sitzen würde, während zugleich eine Entspanntheit von ihm ausgeht, die ich schon seit sehr langer Zeit nicht mehr an ihm bemerkt habe. Stets ist er immer auf dem Sprung, bereit, jederzeit zu handeln. Doch jetzt, in diesem Augenblick, kommt es mir so vor, als wäre er frei von jeglichen Sorgen. Nach vielleicht einer Minute dann fange ich an zu lachen. Ich kann nicht anders! Locker und mit einem breiten Grinsen sitzt er neben mir und macht Scherze, während sich mein Herz vor unermesslicher Freude erwärmt. Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, als wenn er wirklich alleine zu Recht kommen kann ... dass er mich nicht mehr braucht. "Nein, ich werde weiterhin mit dir mitgehen. Wer weiß, in welchen Ärger du sonst noch hineinstolperst." "Bis es so weit ist, hast du noch genug Zeit darüber nachzudenken. Und vielleicht meint das Schicksal es am Ende sogar gut mit mir." Seine letzten Worte dringen nur leise an meine Ohren und sind mehr an sich selbst gerichtet, so, als hätte er laut gedacht. Doch bevor ich näher auf die Bedeutung eingehen kann, taucht zwischen uns ein langer, schwarzer Schatten auf. Mit einem kurzen Blick und einem steifen Kopfnicken begrüßt mich Sanji, als sich seine Augen im nächsten Moment auch schon auf Zorro richten. In sekundenschnelle ist die Atmosphäre zwischen uns angespannt und beinahe kommt es mir so vor, als könnte ich die Luft knistern hören. "Kann ich mit dir reden?" Sanjis kalte Stimme lässt meinen Magen vor Nervosität erzittern, während ich gleichzeitig gespannt auf Zorros Reaktion warte. Dies ist das erste Mal, dass sie miteinander reden, haben die beiden sich bislang nur abschätzende Blicke zugeworfen. Ich habe keine Ahnung, was in ihren Köpfen vor sich geht. "Sicher." Achselzuckend und noch immer völlig entspannt sitzt Zorro neben mir, während er mit einem eher gelangweilten Blick zu Sanji aufsieht. Doch im Geheimen frage ich mich, ob er wirklich so ruhig ist, oder ob er uns nur den Anschein geben will. "Aber nicht hier." Kaum, dass er die Worte ausgesprochen hat, wendet sich Sanji entschlossenen Schritts von uns ab. Mir ist überhaupt nicht wohl bei dem Gedanken, dass die beiden sich irgendwo allein unterhalten wollen. Schon früher ist es zwischen ihnen sehr schnell zu Handgreiflichkeiten gekommen, die zu einigen Blessuren geführt haben. Doch wie solch eine Konfrontation heute ausgehen würde, vermag ich nicht zu sagen, da beide ihre Gefühle besser unter Kontrolle haben als noch vor einem Jahr. Zumindest kann ich das von Zorro behaupten. Aber sollte ihr Gespräch doch in Gewalt ausarten, das ist mir bewusst, wird mehr als nur Blut fließen. Denn jetzt gibt es keine Freundschaft mehr zwischen ihnen, die die beiden davon abhalten kann, sich gegenseitig umzubringen. "Dann mal auf in die Höhle des Löwen." Kurz bevor Zorro sich erhebt, wirft er mir noch ein breites Grinsen zu, über das ich jedoch nur mit dem Kopf schütteln kann. Kapitel 18: Nami: Avowals ------------------------- Was ist hier nur passiert? Die Frage stelle ich mir mit Sicherheit schon seit einigen Minuten, während mein Blick zum wiederholten Male über die Flaschen bis hin zu den Büchern am Boden und dem verschütteten Essen wandert. Die einzig logische Antwort, die mir dazu einfällt, ist, dass Zorro die Nacht hier verbracht hat. Doch glauben kann ich es irgendwie nicht. Seit wir wieder zusammen unterwegs sind, habe ich ihn nie etwas anderes als Wasser oder Kaffee trinken sehen. Und abgesehen davon, dass die herumliegenden Kleidungsstücke mit Sicherheit nicht seine sind, wüsste ich keinen Grund, warum er ausgerechnet in meinem Zimmer eine Party veranstalten sollte. Was, also, war hier los? "Entschuldige bitte das Chaos. Ich werde es noch aufräumen." Während mein Verstand noch mit der Überraschung kämpft, dass es Robin ist, die mit unpersönlichklingender Stimme zu mir gesprochen hat, geht sie energischen Schritts an mir vorbei. Dabei zieht sie den frischen Duft nach Frühling mit sich hinterher, der von dem Shampoo stammt, das ich in Falling City gekauft habe. Wenn man bedenkt, wie viel Zeit seitdem vergangen ist, dann müsste sich der Vorrat jetzt normalerweise schon längst dem Ende neigen. Aber ich weiß, dass noch zwei Flaschen in der Vorratskammer stehen. Doch das ist kein Wunder, schließlich wurden Ruffy und Lysop noch am selben Abend von der Marine geschnappt, während sie sich in der Stadt vergnügt haben. Eigentlich bin ich nur aufs Schiff gekommen, um mir ein paar Klamotten zu schnappen und dann selber zu duschen. Doch anstatt meinem ursprünglichen Vorhaben zu folgen, beobachte ich Robin unsicheren Blicks dabei, wie sie die Flaschen einsammelt. Das Bild, das sich mir vor meinen Augen bietet, passt so überhaupt nicht zu ihr. Was alkoholische Getränke angeht, war sie stets sehr zurückhaltend. Und auch die Unordnung ... die Klamotten, die überall herumliegen ... die Bücher in den Überresten des Essens, vermutlich Suppe ... kann ich nicht mit Robin in einem Einklang bringen. Besonders nicht die Tatsache, dass sie die Bücher da einfach so liegen lässt. Sie hat sonst immer so viel Wert darauf gelegt, dass sie unversehrt bleiben. "Ich bin ganz froh darüber, dass ich dich hier antreffe", versuche ich schließlich ein Gespräch anzufangen. Das Schweigen zwischen uns ist mir unangenehm, während ihre Worte, die gefühlloser nicht hätten sein können, mir noch immer in den Ohren nachhallen. Aber ich weiß, dass ich an dieser gespannten Situation nicht gerade unschuldig bin. Und ich könnte mich selbst dafür ohrfeigen, dass ich gestern so mit dem Kopf durch Wand gelaufen bin, zumal wir in unserer jetzigen Lage eine gute Zusammenarbeit brauchen werden. Während ich noch verzweifelt überlege, wie ich das angefangene Gespräch weiterführen kann, kniet sich Robin auf den Boden und hebt eines von den Büchern auf. Mit dem Ärmel ihres Hemdes wischt sie einige Nudeln und Fleischstücke vom Buchdeckel. Für einen Moment habe ich den Eindruck, dass sich so etwas wie Schmerz in ihrem Gesicht zeigt, während sie einfach nur starr auf den roten Deckel blickt. "Na ja, weißt du ... also, wegen gestern, das ... tut mir Leid. Es war nicht meine Absicht dich so anzufahren. Eigentlich habe ich mir dieses Treffen ein wenig anders vorgestellt." Vor Nervosität ziehe ich meine Unterlippe zwischen meine Zähne und versuche geduldig auf eine Antwort, oder zumindest auf eine Reaktion von Robin zu warten. Als sie ihren Blick dann auf mich richtet, zwinge ich mich zu einem unsicheren Lächeln, während ich mit meinen Händen eine hilflose Geste bedeute. "Vergiss es einfach. Es war ein unglücklicher Vorfall, mehr nicht." "Vielleicht." Zu mehr, als zu diesem einen einzigen Wort, bin ich nicht fähig. Was hätte ich auch sonst sagen sollen? Wir sind keine Freunde mehr! Das macht es einem schwierig einen Weg zu finden, auf dem wir einigermaßen kommunizieren können. Früher war das kein Problem. Ein Lächeln, eine abwerfende Handbewegung oder auch eine Umarmung haben ausgereicht, damit alles wieder in Ordnung war. "Ist sonst noch etwas?" Ruhig und geduldig blickt sie mich mit ihren dunklen Augen an, so, als wollte sie direkt in mein Herz sehen. Und vielleicht tut sie das sogar! Denn es gibt tatsächlich etwas, das mich schon die ganze Zeit über beschäftigt und mich nicht mehr loslässt. Aber wie soll ich anfangen? Ich habe eigentlich nicht vorgehabt mit ihr darüber zu reden, da ich ihr immer noch misstraue. Doch Robin ist die Einzige, die mir eine Antwort geben kann. "Warum wolltest du wissen, ob ich Sanji liebe?", platze ich schließlich mit meiner Frage heraus, nachdem ich mich auf das Bett gesetzt habe, in dem, nach den zerwühlten Laken zu urteilen, sie geschlafen hat. Aufmerksam beobachte ich Robins Gesicht, auf dem sich ein kleines Lächeln zeigt. Es ärgert mich ein wenig, dass sie scheinbar mit dieser Frage gerechnet hat. Aber ich versuche es mir nicht anmerken zu lassen und blicke ihr stattdessen dabei zu, wie sie beinah schon sanft mit einem Finger über das Buch in ihren Händen streicht, bevor sie dann nach einer Weile einen leisen Seufzer ausstößt. "Weil ich glaube, dass du ihm etwas bedeutest." "Wie meinst du das?" Ich habe das Gefühl, dass mein Gesicht in sich zusammenfällt, da ich mit dieser Antwort nun wirklich nicht gerechnet habe. Und schon gar nicht in solch einer Offenheit gesprochen. "Er hat dich damals geliebt." "Ja, klar! Genau, wie auch all die anderen Frauen." "Du verstehst nicht, Nami. Sie waren bedeutungslos, genauso, wie auch seine Flirterei. Sanji hat immer gehofft, dass du irgendwann für ihn dasselbe empfinden würdest, wie er für dich. Aber du hast ihm scheinbar nie ein Zeichen des Interesses gegeben." Was sie sagt, lässt mich für eine Weile überlegen. Die Ironie, mit der ich ihre vorherige Bemerkung aufgenommen habe, ist gänzlich verschwunden. Stattdessen fühle ich Zweifel in mir aufkommen. Ob ich ihr glauben kann? Sanji war zu mir immer sehr zuvorkommend und aufmerksam, aber das war er zu jeder anderen Frau auch. Daher habe ich ihn für wankelmütig gehalten, weshalb ich auch meine Gefühle für ihn verborgen habe, während die Eifersucht mich innerlich aufgefressen hat. Hat die Eifersucht mich vielleicht blind gemacht? Misstrauisch mustere ich Robin, die scheinbar seelenruhig noch immer auf dem Boden kniet und mich abwartend ansieht. Nachdenklich knabbere ich an meiner Unterlippe, ohne sie dabei aus den Augen zu lassen, während ich mir die bisherigen Äußerungen noch einmal durch den Kopf gehen lasse. Ich kann nicht sagen, ob ich auf der Suche nach einem Hinweis bin, der mir besagt, dass sie mich reinlegen will. Ich weiß nur, dass mein Herz verzweifelt nach der Hoffnung verlangt. "Du sagst, du glaubst, dass ich ihm etwas bedeute. Du bist dir aber nicht sicher, richtig?" "Seit Ace aufgetaucht ist und uns um Hilfe gebeten hat, ist Sanjis Gefühlswelt nur noch ein einziges Chaos. Ich kann dir nicht sagen, was er jetzt für dich fühlt. Aber ich weiß, dass er dich damals geliebt hat." Wieder verfalle ich in Schweigen, während ich über ihre Aussage nachdenke. Gleichzeitig jedoch frage ich mich, was Robin mit ihrer Offenheit bezweckt. Und auch, ob ihre Worte der Wahrheit entsprechen. Es hat sie sehr verletzt, als ich ihr mitten ins Gesicht gesagt habe, dass ich an ihre Ehrlichkeit zweifle. Erneut meldet sich mein schlechtes Gewissen bei dem Gedanken an den gestrigen Vorfall, von dem ich mir wünschte, dass er nie passiert sei. "Nur mal angenommen, ich hätte Interesse an Sanji, was wäre dann?" "Dann solltest du es ihm zeigen." Schnell und ohne großartig vorher darüber nachzudenken, gibt sie mir die Antwort. Doch sie stürzt mich nur noch mehr in Verwirrung. Unsere Unterhaltung hat eine Wendung genommen, deren Verlauf ich kaum noch nachkommen kann. Und ich weiß auch nicht mehr, was ich glauben soll. Anstatt, dass ich Antworten erhalte, wie ich es anfangs irgendwie gehofft habe, stellen sich mir nur noch mehr Fragen. Auch fange ich langsam an, an dem Bild zu zweifeln, dass ich von Sanji und Robin habe. Ganz besonders von Robin! Und trotzdem spüre ich in meinem Herzen immer noch den Hauch von Misstrauen. "Soll das heißen, dass du mir freiwillig den Weg freimachen würdest?" "Ja." "Warum? Ich meine, ihr beide seid doch ein Paar! Oder etwa nicht?" Voller Erwartung auf die Antwort spannt sich mein ganzer Körper an, während mein Herz wie verrückt zu rasen anfängt. Bislang weiß ich über ihre Beziehung nur das, was in den Zeitungen berichtet wird. Aber ich weiß nicht, ob es auch der Wahrheit entspricht. Als sich ein bedauerndes Lächeln auf ihr Gesicht legt, spüre ich wieder den Stachel der Eifersucht in meinem Herzen und die Hoffnung zerfällt in sich, dass die Zeitungsartikel Unrecht haben. "Ich will dir nichts vormachen, Nami. Sanji und ich waren ein Paar. Aber wir haben eine eigentümliche Beziehung geführt, in der niemand von dem anderen etwas erwartet hat. Wir haben uns keine Versprechungen gemacht auf ewig vereint zu sein. Haben uns keine Liebesbezeugungen gegeben. Wir haben nicht einmal Treue von uns verlangt." In einer ruhigen und sachlichen Stimme erklärt sie mir nur mit wenigen Worten ihre Beziehung, die ich mir in dieser Form überhaupt nicht vorstellen kann. Ist solch eine Beziehung möglich, in der überhaupt keine Liebe vorhanden ist? So richtig kann ich nicht daran glauben und es verstärkt mein Misstauen ihr gegenüber nur noch mehr. "Drei Monate, nachdem ihr die Flying Lamb verlassen habt, wurden die Shadow Devils das erste Mal in den Zeitungen erwähnt. Wart ihr da schon bereits ein Paar?" "Man könnte es als Anfangsstadium bezeichnen." "Du bist ja schnell über Zorro hinweggekommen." Innerlich verfluche ich mich für meine gehässigen Worte, aber ihr Geständnis hat die Bitterkeit in mir wieder geweckt, die ich ihr bereits schon gestern gezeigt habe. Und dennoch sind ihre Worte doch der Beweis dafür, dass alles eine Lüge ist. Ein Gefühl des Triumphs macht sich in mir breit, während ich Robin dabei zusehe, wie sie sich mit dem Rücken gegen den Schreibtisch lehnt. Irgendwie macht sie jetzt auf mich den Eindruck, als wenn sie seelisch erschöpft sei. Lange blickt sie mir in die Augen, bevor sie einmal tief einatmet und dann mit leiser Stimme anfängt zu sprechen. "Es war ungefähr einen Monat später. Sanji und ich kamen in eine Stadt namens Pleasure Town, wo wir uns von dem wenigen Geld, das wir noch besaßen, ein Zimmer mieteten. Zu dem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, wie unser Leben weitergehen soll. Daher durften wir auch nicht wählerisch sein ... konnten es auch nicht. Wir mussten uns entscheiden die Nacht entweder in dem Zimmer zu verbringen oder irgendwo auf der Straße zu schlafen. Das Gasthaus, in dem wir untergekommen waren, war wirklich im wahrsten Sinne des Wortes eine billige Absteige. Es war ein Wunder, dass das Haus überhaupt noch stand. Der Zement war rissig und an einigen Stellen sogar spröde und das Holz war morsch und verfault. Der Boden knarrte bei jedem Schritt und bog sich unter unserem Gewicht. Jederzeit hatte ich die Befürchtung im nächsten Moment einzubrechen. Aber der Anblick des Zimmers war das Schlimmste. Das einzige Möbelstück war das Bett, das auf mich den Eindruck gemacht hatte, dass man es nur einmal schief ansehen müsste, damit es in sich zusammenfällt. Die Laken darauf waren vergilbt und die Decke war dünn und zerschlissen. Und wohin man auch blickte, überall lag Staub und die Wände waren grau und kahl. Und in einer Ecke haben sich Mäuse getummelt, die bei unserem Eintreten durch die Löcher in den Wänden verschwanden. Als ich dann so in dem Zimmer gestanden habe, habe ich mich gefragt, ob unser Leben so aussehen würde: leer, grau, trostlos. Plötzlich legten sich Sanjis Arme um mich und er drückte meinen Kopf an seine Schulter. Es war eine tröstende Umarmung, die wir beide gebraucht haben. Ich kann dir nicht sagen, wie es dazu gekommen ist, da ich selber keine Erklärung dafür habe, aber irgendwann - mir kam es wie eine Ewigkeit vor - schlug die Trauer dann in Begierde um. Keiner von uns dachte an das Gestern oder Morgen, nur das Hier und Jetzt zählte für uns. Und dann, als ich am nächsten Morgen erwachte und feststellte, dass der Körper neben mir nicht der ist, an dem ich sonst immer gelegen habe, habe ich mich angezogen und das Zimmer fluchtartig verlassen. Ziellos wanderte ich durch die Stadt, hinaus auf die Felder und Wiesen der Bauern, bis ich dann in einem Wäldchen an einen kleinen See ankam. Dieser sonnige Tag und die friedliche, ruhige Stille waren wie Hohn, der mir ins Gesicht lachte. Ich ging in die Knie und habe geschrieen ... einfach nur geschrieen. Ich habe mit Sanji geschlafen, obwohl meine Liebe Zorro gilt. Das ist die einzige Form von Betrug, den man mir vorwerfen kann." Es tut weh ihr zuzuhören ... sich der Wahrheit zu stellen ... während ihr Blick auf diesen einen Tag in der Vergangenheit gerichtet ist. Und dennoch tut es gut ... und ich bin ihr dankbar für die schmerzhaften Worte. Es war Absicht von ihr mir das Zimmer so detailgetreu zu beschreiben, damit ich es mir bildlich vorstelle und einen Eindruck davon bekomme, was sie beide in diesem Moment gefühlt haben mussten. "Hat Sanji genauso empfunden?" "Er war genauso entsetzt darüber, was wir getan haben. Hat die gleiche Schuld gefühlt wie ich. Wir konnten uns nicht mehr in die Augen sehen. Und bei jeder zufälligen Berührung sind wir erschreckt auseinander gesprungen. Davor waren wir Freunde ... gute Freunde. Und auf einmal stand diese Nacht zwischen uns. Nach einigen Tagen haben wir darüber geredet. Die Nacht war für uns beide bedeutungslos. Es war zwar schön, so wie auch die vielen anderen Male, aber es waren Augenblicke des Vergessens. Und nur darum ging es uns. Momente zu genießen, in denen wir alles vergessen konnten, was geschehen ist." "Hast du dann jetzt vor die Beziehung zu beenden?" Gequält verziehen sich ihre Lippen zu einem verrutschten Lächeln, während sie ihre Augen schließt. Gleichzeitig festigt sich ihr Griff um das Buch, das sie die ganze Zeit über nicht einmal losgelassen hat. "Das ist sie schon. Deshalb werde ich auch gleich meine Sachen zusammenpacken und bei Shanks mitfahren." Automatisch wandern meine Augen an ihre Seite zu der Lache der verschütteten Suppe und den Büchern, um sich danach auf die Flaschen zu richten, die Robin alle auf den Boden zusammengestellt hat. Bedauern und Mitleid lässt mein Herz sich zusammenziehen. Wieder hat es einen Streit gegeben und anscheinend erneut eine Kluft gerissen. Wird es uns allen so ergehen ... irgendwann? Dabei habe ich mir das bei den Beiden nie vorstellen können. Sie gingen immer so vertraut miteinander um, das ja schlussendlich der Grund für unseren Streit war. "Und was ist mit Zorro? Vielleicht hat er auch noch Gefühle für dich", frage ich Robin, als sie vom Boden aufsteht. Sie sieht so niedergeschlagen aus, als sie auf das Buch in ihren Händen blickt, dass in mir der Wunsch heranwächst, ihr Hoffnung zu geben, so, wie sie es bei mir getan hat. "Kann sein. Aber es gibt so viel, über das ich nachdenken muss." "In diesem Punkt hast du dich nicht geändert. Du musst immer noch über alles nachdenken, was du tun willst. Lass doch mal dein Herz handeln." "Das habe ich. Und was hat es mir eingebracht? Nur noch mehr unbeantwortete Fragen, Zweifel, Unsicherheit, Selbstverachtung und wahnsinnige Kopfschmerzen." Nach diesen rätselhaften Worten, aus denen ich nicht schlau werde, legt sie das Buch auf den Schreibtisch und wendet sich der Tür zu. "Robin!", halte ich sie auf, bevor sie auf den Gang hinaus aus meinem Blickfeld verschwinden kann. Am Türrahmen dreht sie sich zu mir um und sieht mich fragend an. "Danke." Langsam verziehen sich ihre Lippen zu einem traurigen Lächeln, das mir mehr sagt, als all die unausgesprochenen Worte zwischen uns. "Du solltest die Zeit nutzen. Wer weiß, ob du noch einmal solch eine Chance bekommst." Nach einem letzten nachdrücklichen Nicken verlässt Robin das Zimmer, während ich vom Bett aufstehe. Ich muss sie nicht erst fragen, was ihre Worte zu bedeuten haben. Die Frage ist nur, ob ich auch den Mut dazu habe. Wie sie selbst gesagt hat, sind Sanjis Gefühle ungewiss. Und ich habe mir damals das Versprechen gegeben, ihn nicht mehr in mein Herz zu lassen, auch wenn es sich dagegen wehrt. Ein belustigtes Lächeln schleicht sich in mein Gesicht, als ich hinauf an Deck gehe. Robin ist nicht die Einzige, die über so einiges nachdenken muss. Unsere Beziehung hat sich ein wenig entspannt durch das Gespräch. Am Ende habe ich sogar das Gefühl gehabt, dass wir wieder Freunde sind. Doch das ist nur ein Trugbild, da mache ich mir nichts vor. Bis dahin ist es noch weiter Weg. Es gibt noch so einiges, das geklärt werden muss. Aber wie Robin schon angemerkt hat, sollte ich die Zeit nutzen, die mir bleibt. Und vielleicht sollte ich damit bei Sanji anfangen ... versuchen mich ihm ein wenig zu nähern. Während ich den Weg zum Lager zurückgehe, überlege ich mir, wie ich am Besten auf ihn zugehen kann. Ich weiß, dass es nicht einfach werden wird, wenn ich so an den kalten Blick denke, mit dem er mich gestern Abend angesehen hatte. Aber ich denke, dass Chopper mir eine große Hilfe sein wird. Als ich mir mit neuer Entschlossenheit einen Plan in meinem Kopf zu Recht lege, bemerke ich, wie mir Zorro entgegenkommt. Dass er alleine ist, erscheint mir fast schon wie ein Wink des Schicksals, bietet sich mir so die Möglichkeit Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Doch als er näher kommt, vergesse ich für einen Moment, was ich ihm sagen wollte. Stattdessen reiße ich meine Augen vor Entsetzen ganz weit auf, während sich in meinen Gedanken alle möglichen Bilder abspielen. "Was ist passiert?" "Nichts", antwortet Zorro mir mit einem unbekümmerten Achselzucken, als er vor mir stehen bleibt. Der altbewährte Ärger steigt in mir auf, den ich immer gefühlt habe, wenn einer der Jungs etwas angestellt hatte. Die Situation erscheint mir fast schon wie in alten Zeiten. "Nichts, na klar. Und als nächstes willst du mir noch weiß machen, dass die schillernde Färbung um dein Auge durch einen Zusammenprall mit einem Baum kommt. Also, von wem hast du das Veilchen?" "Von Sanji." "Ihr habt euch geprügelt?" Im ersten Moment male ich mir die schlimmsten Vorstellungen aus, in der die Beiden sich gegenseitig an die Gurgel gehen. Ohne Streitereien kamen die Beiden noch nie aus. Doch angesichts dessen, dass Zorro nur ein blaues Auge hat und sonst keine weiteren Verletzungen, kann ihre Auseinandersetzung nicht so schlimm gewesen sein. Aber vielleicht ist auch Chopper oder einer von Shanks Männern dazwischen gegangen? "Nein, er hat mir nur eine Warnung verpasst." Verständnislos blicke ich ihn eine Weile an, während ich versuche aus seinen Worten schlau zu werden. Doch sowohl seine Stimme als auch sein Gesicht sind undurchdringlich, so dass ich es schnell wieder aufgebe, ihn verstehen zu wollen. "Weißt du was, ich will gar nicht wissen, um was es ging. Und mein Gefühl sagt mir, dass es auch besser so ist. Aber ich habe da etwas, das dich interessieren könnte. Es geht dabei um Robin." Kapitel 19: Robin: Beginning ---------------------------- Alles ist so anders hier. Die Sicht ist verschwommen und trübe durch die dunklen Lichtverhältnisse, während die Geräusche nur dumpf an meine Ohren dringen. Obwohl ich durch mein Gewicht schnell in die Tiefe gezogen werde, habe ich das Gefühl zu schweben. Meine Haare scheinen um meinen Kopf herum zu fliegen und auch meine Jacke und der untere Saum meines Hemdes erheben sich in die Lüfte. Kleine Luftbläschen steigen vor meinen Augen an die Oberfläche auf, deren Helligkeit sich grell auf dem Wasser spiegelt. Rau und kratzend reibt das schwere Tau an meinem Handgelenk, das sich durch die Nässe eng zusammengezogen hat und mir fast die Blutzufuhr abschneidet, während ich mich suchend umsehe. Eine neue Welt eröffnet sich mir, die ich nie erforschen konnte ... und auch nie werden kann. Doch hält sich meine Faszination in Grenzen, da mein Verstand nur von einem Gedanken beseelt ist. Lass doch mal dein Herz handeln. Auch wenn Nami einen gänzlich anderen Sinn im Kopf hatte, habe ich ihren Rat dennoch befolgt, als mir das Buch aus den Händen fiel und ins Wasser stürzte, nachdem der Rumpf von einer harten Welle getroffen wurde und ein Ruck durch das ganze Schiff ging. Während um mich herum das Leben einfach weiterging, so, als wenn nichts geschehen wäre, blieb für mich die Zeit stehen und Bilder tauchten vor meinem geistigen Auge auf. Ein wenig fasziniert sehe ich der roten Konsistenz des Weines dabei zu, wie sie langsam in dem bauchigen Glas umherschwankt, das ich in meiner Hand halte. Wenn die anderen mich jetzt so sehen könnten, würden sie mich mit Sicherheit mit besorgten Fragen bombardieren. Wann kommt es auch schon mal vor, dass ich zu dieser frühen Stunde ein Glas Wein trinke? Aber heute ist ja auch ein besonderer Tag, an dem man ruhig von seinen Gewohnheiten abweichen kann. Ein kurzes, humorloses Lachen steigt in meiner Kehle auf. Was ist heute schon so besonders? Es macht mir nichts aus, dass ich alleine auf der Flying Lamb bin, während die anderen die Insel erkunden, an deren Küste wir seit dem gestrigen Abend ankern. Sie wissen ja auch nicht, was für ein Tag heute ist. Sie müssen es auch nicht unbedingt erfahren. Außerdem bin ich daran gewohnt, dass mir niemand gratuliert ... gewohnt, keine Geschenke zu erhalten ... gewohnt, diesen einen Tag allein zu verbringen. Doch etwas anderes macht mir viel mehr zu schaffen, als die Tatsache, dass ich wieder ein Jahr älter geworden bin. Etwas, von dem ich nicht gedacht hätte, dass es so lange dauern würde ... dass es so schwierig wäre. "Herzlichen Glückwunsch, Robin. Und wieder ist ein Jahr vergangen, ohne dass du das Porneglyph gefunden hast." Zusammen mit einem ironischen Lächeln proste ich mir selbst zu, um das halbvolle Glas dann anschließend in einem einzigen Zug zu leeren, während sich eine tiefe Verbitterung in meinem Herzen ausbreitet. So lange schon suche ich danach ... viel zu lange ... nach der Wahrheit. Seit einundzwanzig Jahren und immer noch kein Ende in Sicht. Allmählich fange ich an zu glauben, dass es das Rio-Porneglyph gar nicht mehr gibt ... dass die Marine es gefunden und irgendwie vernichtet hat. Erneut fülle ich mein Glas mit dem Rotwein auf, während mir der Gedanke durch den Kopf geht, dass es so vielleicht am Besten ist. Schließlich hält mich die Suche ... die Hoffnung ... am Leben. Ich wollte schon einmal sterben ... war bereit für den Tod ... als ich geglaubt habe, dass es hoffnungslos ist weiter nach dem Porneglyph zu suchen. Ich sah keinen Grund noch länger leben zu wollen. Warum auch? Mein ganzes Bestreben ... alles, was ich erreicht habe ... alles, was ich getan habe ... diente nur dem einen Zweck: die Wahrheit herauszufinden. Doch Ruffy hat mir gezeigt, dass noch nicht alles vergeben ist ... dass es noch einen anderen Weg gibt. Ein Weg, der mir viel Neues offenbart hat. Plötzlich fällt ein dunkler Schatten auf mich und lenkt mich von der Betrachtung des Weins ab. Mein Blick fällt sofort auf eine schwarze Hose, die eng auf einer äußerst männlichen Taille sitzt, fast wie eine zweite Haut. Es ist eigentlich unnötig meine Augen über den muskelgestählten Körper weiter zum markanten Gesicht hinauffahren zu lassen, verraten mir die drei Schwerter an der Seite die Identität des Mannes. Lange sieht mich Zorro über den Tisch hinweg an, die Lippen dabei fest zusammengepresst, so dass sein Mund aus einem schmalen Strich besteht. Trotz des klaren, hellen Glanzes in seinen Augen, kann ich seinen undurchdringlichen Blick nicht entschlüsseln. Innerlich frage ich mich, ob ich irgendwie seinen Unmut erregt habe ... ob ich etwas getan habe, dass ihn noch mehr gegen mich aufbringt. Er misstraut mir immer noch und ich habe das Gefühl, nichts dagegen tun zu können, so sehr ich mich auch anstrengen mag. Abwartend blicke ich zu ihm auf, neugierig auf die Dinge, die kommen werden, als sich auf einmal ein leichter Rotschimmer auf seine Wangen legt. Ein ungutes Gefühl lässt mein Herz schwer werden, da er anscheinend nicht nur ungehalten über mich ist, sondern auch noch wütend. Doch warum behalten seine Augen weiterhin den klaren Glanz bei? Warum sehe ich in ihnen nicht den feurigen Ausdruck, den sie sonst annehmen, wenn er in Rage ist? Eine Bewegung an seiner Seite lenkt meine Aufmerksamkeit darauf, als er seinen linken Arm hebt. Überrascht reiße ich die Augen weit auf, als meine Sicht auf seine Hand frei wird, die mir bislang von der Tischkante verwehrt war. Zwischen seinen langgliedrigen Fingern hält er einen dünnen, grünbräunlichen Stiel, an dessen oberen Ende sich drei roséfarbene Blütenköpfe einer Orchidee befinden. Nur die Innenseite der unteren Blüten, die den Stempel umgeben, weisen ein dunkles Rot auf. Fragend blicke ich zu Zorro auf, als er mir mit einer steifen Bewegung die Orchidee hinhält. Doch sein Gesicht ist von mir abgewandt, während das Rot auf seinen Wangen sich noch vertieft. Langsam strecke ich meine Finger nach dem Stiel aus, wobei sich unsere Hände für einen kurzen Moment berühren. Wie ein Stromstoß durchfährt mich die fast schon verbrennende Hitze seiner Haut. Oder kommt es mir nur so vor? "Du solltest es nachher den anderen sagen", brummt er mir mit seiner so typisch mürrischen Stimme zu, nachdem er seine Hand wieder zurückgezogen hat und sie in seiner Hosentasche vergräbt. "Sagen?" Meiner Stimme ist deutlich die Verwirrung anzuhören, aus der ich mich einfach nicht reißen kann. Was hat das alles zu bedeuten? Die Antwort darauf erhalte ich im nächsten Moment, als Zorro nur einen kurzen Blick auf die Flasche neben mir wirft, bevor er sich dann vollends von mir abwendet und nach draußen aufs Deck verschwindet. Doch meine Verwirrung bleibt. Hat er meine Worte etwa gehört? Eine Weile blicke ich auf die Blume zwischen meinen Finger, von der ein süßlicher Duft ausgeht, der mich ein wenig an Vanille erinnert. Von den anderen hätte ich eher so etwas erwartet, aber nicht von Zorro. Warum hat er das getan? Bin ich ihm doch nicht so gleichgültig, wie er immer tut? Verzweiflung hat mich dazu getrieben das Tau um den Großmast zu knoten. Angst hat mich über die Reling springen lassen. Entsetzen schnürt mir die Kehle zu. Hoffnungslosigkeit treibt mir die Tränen in die Augen. Wild blicke ich um mich, da die Luft in meinen Lungen allmählich knapp wird, während ich tiefer sinke und das Licht immer dunkler wird. Doch ich kann nicht zurück ... noch nicht. Dafür bedeutet es mir zuviel! Und dann sehe ich das Buch! Die unendliche Freude, die bei diesem Anblick meinen ganzen Körper erfüllt, lässt mich beinahe vergessen, wo ich bin, so dass ich mich noch im letzten Moment zurückhalten kann einen erleichterten Seufzer von mir zu geben. Stattdessen versuche ich die wenigen Meter, die mich von dem Buch trennen, zu überwinden. Doch meine linkischen und holprigen Schwimmzüge bringen mich kein Stück näher heran, sondern lassen mich nur an Ort und Stelle wild herumtanzen. Ein Schluchzen, bestehend aus der peinigenden Qual der Hoffnungslosigkeit, steigt in meiner Kehle auf, den ich nur mit Mühe unterdrücken kann, während ich versuche die Bewegungen nachzuahmen, die Zorro und Sanji beim Schwimmen immer machen ... aber vergebens. Meine Teufelskräfte machen es mir einfach unmöglich! Plötzlich taucht eine dunkle Gestalt neben mir auf und legt einen kräftigen Arm um meine Taille, wodurch ich an einen festen Oberkörper gedrückt werde. Ich bin nicht allzu überrascht darüber, dass der Körper Zorro gehört. Nicht nur, weil in der Vergangenheit meistens er es war, der Chopper, Ruffy oder mich aus dem Meer fischen musste, wenn wir mal über Bord gegangen sind, sondern auch, weil meine Aufmerksamkeit nach wie vor auf das Buch gerichtet ist. Für etwas anderes habe ich keinen Platz in meinen Gedanken. Gerade, als er sich mit einem kräftigen Zug nach oben zur Oberfläche abstoßen will, bedeute ich ihm mit einem Kopfschütteln, das durch den Druck des Wassers nicht so heftig ausfällt, wie ich es eigentlich wollte, noch nicht zurückzukehren. Ich ignoriere seine erbost zu Schlitzen verengten Augen, in denen der wilde Ausdruck von unermesslicher Wut steht und zeige stattdessen auf das Buch, von dem nur noch ein dunkler Schemen zu erkennen ist. Ungehalten presst er die Lippen zusammen, doch etwas in meinem Gesicht scheint ihn dazu zu bewegen meiner stummen Bitte zu folgen. Während ich ihm dabei zusehe, wie er sich mit fließenden Bewegungen einen Weg durch das Wasser bahnt, muss ich unwillkürlich an das Meer denken. Es war für mich schon immer ein faszinierendes Element. Es kann dein Freund sein und dich überall dorthin bringen, wo du willst. Es kann dich erfreuen mit seiner Vielzahl an Bewohnern und seinen wechselnden Farben, die von einem hellen Jadegrün bis hin zu einem nachtfarbenen Blau reichen. Doch es kann auch dein Feind sein und dich an Felsen oder Riffen zerschellen lassen. Es kann dich auf Sandbänke auflaufen lassen oder dich mit seinen alles verschlingenden Wellen in die Tiefe reißen. Das Meer ist stark und temperamentvoll ... unberechenbar und geheimnisvoll ... eigenwillig und unbeugsam. Wenn ihre zerstörerische Gewalt einmal entfesselt ist, gibt es nichts, was sie noch aufhalten kann. So, wie Zorro! Er ist für mich die Verkörperung des weiten und tiefen Ozeans. Er übt auf mich dieselbe Faszination aus wie das Meer. Er ist die menschlichgewordene Versuchung, deren Welt ich für einige Zeit erforschen und erliegen konnte! Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, seit ich ins Wasser gesprungen bin, aber alles in mir krampft sich auf einmal zusammen. Mein Körper drängt nach Luft und mein Herz verdoppelt seine Schläge. Mein Verstand will meinen Mund öffnen ... die Lungen mit Leben füllen, doch ich wehre mich gegen den Impuls. Ein Anflug von Panik breitet sich in mir aus, während ich versuche mich schnell an dem Tau hochzuziehen ... an die rettende Oberfläche, die mir scheinbar spöttisch entgegenblinzelt. Wild strample ich dabei mit den Beinen, in der vergeblichen Hoffnung, dadurch noch schneller voranzukommen. Allmählich trübt sich meine Sicht aufgrund des Sauerstoffmangels, während meine Arme immer schwerer werden. Erneut legt sich ein Arm um mich und ich spüre eine harte Kante in der Seite, die mir besagt, dass Zorro das Buch hat. Erstaunt öffne ich den Mund, als er mit einem sanften Druck meinen Kopf zu sich dreht und seine Lippen sich auf meine legen. Unentwegt blicken wir uns in die Augen, während er mir seinen Atem einhaucht. Schwindel erfasst mich und etwas in meinem Inneren explodiert, so dass ich für einen kurzen Moment einen weißen Blitz vor meinen Augen sehe. Der harmlosgedachte Kuss intensiviert sich ... wird drängender ... entfacht ein warmes, undefinierbares Gefühl in mir, während ich meine Arme um seinen Hals lege und alles um mich herum vergesse. Ich habe das Gefühl, dass sich unsere Seelen in diesem Moment zu einem Ganzen vereinen und unsere Herzen im gleichen schnellen Rhythmus schlagen. Noch nie habe ich so gefühlt ... noch nie so deutlich seine Nähe gespürt. Dieser Kuss stellt alles bisher da gewesene in den Schatten. Tief nach Luft schnappend, durchbrechen wir die Oberfläche und die nach allen Seiten hinspritzenden Wassertropfen glitzern in der strahlenden Sonne wie Perlen, aber ich sehe sie nicht. Auch die Männer auf dem Schiff, die uns besorgte Fragen zuwerfen, beachte ich nicht. Meine ganze Aufmerksamkeit ist auf den Mann gerichtet, der mich fest in seinen Armen hält, und eine leise Verwunderung über das, was unter Wasser geschehen ist, füllt mein Herz aus. Ob er auch so gefühlt hat? Zärtlich streiche ich mit einem Finger über die bläulichrote Verfärbung unter seinem linken Auge ... eine Gefühlsregung, der ich seit dem Moment nachgehen wollte, als ich ihn auf der Suche nach Shanks am Lager gesehen habe. Mein erster Impuls hat darin bestanden auf ihn zugehen zu wollen und besorgt nach weiteren Verletzungen zu suchen. Aber ich habe der Versuchung widerstanden, ebenso auch dem Drang herausfinden zu wollen, was passiert ist. Zu viele eigene Gedanken beschäftigen und quälen mich, da kann ich weitere Probleme nicht gebrauchen, reicht mir auch schon die Tatsache, dass Zorro ebenfalls Quartier auf Shanks´ Schiff bezogen hat, das ich sicherlich Nami zu verdanken habe. "Ich schwöre dir, machst du noch einmal so etwas Dummes, wie dein Leben für ein unbedeutendes Buch aufs Spiel zu setzen, dann drehe ich dir eigenhändig den Hals um." Seine Stirn an meine gelehnt, blickt er mich mit einem eindringlichen Ausdruck an, während wieder die Wut in seinen Augen tritt, die auch seine Stimme rau klingen lässt. Seine Worte erinnern mich daran, warum ich eigentlich ins Wasser gesprungen bin. Und weiterhin einen Arm um seinen Hals gelegt, taste ich mit der anderen Hand nach dem Buch. Mein Herz klopft wie wild in meiner Brust, als ich es aufschlage. Es interessiert mich nicht, dass bei meinen hastigen Bewegungen die nassen Seiten einreißen und sogar gänzlich herausgerissen werden. Das Buch ist sowieso hinüber. "Sie ist noch drin!" Erleichtert und überglücklich kommen mir die Worte nur leise, wie ein Hauch, über die Lippen, während ich auf die aufgeschlagene Seite hinabblicke, auf der die Blütenköpfe der Orchidee liegen. Mit einem breiten, freudigen Lächeln blicke ich Zorro an, dessen Gesicht ich nur sehr verschwommen erkennen kann. Und trotz der aufsteigenden Tränen kann ich die Wärme in seinen Augen erkennen, mit der er mich ansieht. Und instinktiv weiß ich, dass er an den Tag denkt, als er mir die Orchidee geschenkt hatte. Kapitel 20: Zorro: Comprehension -------------------------------- Mit dem Rücken am Türrahmen gelehnt, sehe ich gedankenvoll zu Robin, die unruhig auf der schmalen Liege in Shanks´ Kajüte schläft. Aus ihrem halbgeöffneten Mund, dessen weichen Lippen ich noch immer auf meinen spüren kann, dringt ein leises, unwilliges Stöhnen und ihre Augen bewegen sich wild unter den geschlossenen Lidern. Die wollene Decke muss sie sich irgendwann bis zu den Knien hinabgestrampelt haben und mein Blick fällt auf ihre rechte Hand, die ruhig und entspannt auf ihrem flachen Bauch ruht, während die schlanken Finger ihrer anderen Hand neben ihrem Kopf leicht zucken. Bereits beim Eintreten habe ich bemerkt, dass das Zimmer kein Bullauge hat, durch das ein wenig Licht hätte dringen können. Ich weiß, dass es für Robin unerträglich ist allein in einem Raum zu sein, in dem völlige Finsternis herrscht. Zumindest war dies noch der Fall, als sie noch ein Teil meines Lebens war. Immer, wenn ich an die Zeit in Andalia zurückdenke ... an den Scheich, der sich an Robin für ein Vergehen aus ihrer Vergangenheit rächen wollte, als sie ihm schon einmal begegnet war ... überkommt mich eine maßlose Wut. Noch heute weiß ich nicht, was sie in dem stockfinsteren Verlies unter dem Palast erdulden musste, in dem sie ganze drei Tage eingesperrt war, bevor sie dann von Ruffy und Chopper befreit wurde. In diesem Punkt hat sie sich mir nie ganz geöffnet, und ich habe auch nicht weiter in sie gedrängt. Schläft sie deshalb jetzt so schlecht, weil sie von dieser Zeit träumt? Aber vielleicht beschäftigt sie auch etwas anderes in ihrem Schlaf? Nur eine Nacht mit dir. Bereits in dem Augenblick, als mir die Worte über die Lippen gekommen sind, habe ich sie auch schon bereut. Ich möchte Robin wieder zurückhaben! Ich möchte sie in jeder Sekunde des Tages sehen und spüren. Nur mit ihr an meiner Seite kann ich meinen inneren Frieden wiederbekommen. Doch ich habe es ganz falsch angefangen. Was mag sie jetzt wohl von mir denken? Ich habe mit einer satten Abfuhr gerechnet ... mit einem eisigen Schweigen ... mit einem vernichtenden Blick. Aber selbst in meinen schlimmsten Träumen hätte ich es nie gewagt mir auszumalen, dass sie darauf eingehen würde. Kaltes Entsetzen hatte von meinem Körper Besitz ergriffen, als sie mir schließlich nach einer scheinbar endlosen Zeit mit einem bedächtigen Kopfnicken ihr Einverständnis gegeben hatte. Für mich war sie in diesem Augenblick eine Fremde und meine Hoffnung auf eine zweite Chance zerschlug sich in alle Winde. Doch viel schlimmer war die Enttäuschung, die mein Herz schmerzvoll zusammenpresste. Obwohl ich weiß, wie viel ihr das Auffinden des Porneglyphs bedeutet, hätte ich trotzdem nie gedacht, dass sie dafür sogar ihren Körper opfern würde. Hast du jeglichen Respekt vor ihr verloren, dass du sie wie eine billige Hure behandelst? Wie nah die mit vor ungezügelter Wut gesprochenen Worte Sanjis der Wahrheit gekommen sind, hat den spitzen Stachel in meinem Herzen noch weiter hineingetrieben, der sich von dem Augenblick darin festgesetzt hatte, als Robin auf mein Angebot eingegangen war. Für einen Moment habe ich wirklich den Respekt und meine Bewunderung für sie verloren. Stattdessen konnte ich nur noch daran denken, dass sie nicht mehr die Frau ist, der mein Herz für alle Zeiten gehört. Auf einmal war sie in meinen Augen eine Frau, wie jede andere auch ... ohne Bedeutung ... ohne Gefühle. Genauso wollte ich sie auch behandeln ... mich ihr gegenüber so verhalten. Aber es ging nicht! Ich konnte es einfach nicht! Der erste Hautkontakt ... die erste enge Berührung ... war wie ein Stromschlag. Die Erinnerungen an unsere vielen vertrauten Zweisamkeiten wurden lebendig ... nahmen Form und Gestalt an. Ich habe die Warnungen meines Verstandes ignoriert und mich mit Herz und Seele in ihr verloren, auch auf die Gefahr hin am Ende als gebrochener Mann dazustehen. Jede einzelne Sekunde habe ich mit ihr genossen und ihr mehr als einmal zum höchsten Glück verholfen. Diese eine Nacht sollte für sie genauso unvergesslich werden wie für mich. Ich wollte sie mit allen Mitteln an unsere gemeinsame Zeit erinnern ... an das Glück ... an die Freude ... an die Liebe! Es war niederschmetternd an ihrer Seite aufzuwachen und festzustellen, dass die Nacht vorbei war. Ich wollte mich nicht von ihrem weichen, samtenen Körper lösen ... wollte nicht in die leere, unbarmherzige Realität zurückkehren. Zwischen uns hatte sich nichts geändert. Sie war für mich noch immer eine Fremde, trotz dass sie bereitwillig auf mich zugegangen ist ... meine Küsse und Berührungen erwidert hat ... sie mir in zweifacher Ausführung wiedergegeben hat. Wir haben geredet ... zwischenzeitlich. Doch sobald die Gespräche ... die Themen ... intimer wurden ... sich mit uns befassten ... verloren wir uns entweder in einem neuen Liebesspiel oder griffen zur Flasche. Noch ein Punkt, der mich an ihr irritiert hat. Ein kleines Lächeln huscht über mein Gesicht, als ich versuche mir vorzustellen, mit was für einem Kater Robin aufgewacht sein muss. Ob es wohl für sie das erste Mal war? Wahrscheinlich. Sie hat sich nicht viel verändert, wie ich in der Nacht noch gedacht habe. Sie ist immer noch meine Robin ... meine geheimnisvolle Schönheit ... meine Black Lady! Sie empfindet immer noch etwas für mich, denn sonst wäre sie nie an die Truhe gegangen ... hätte nie das Buch daraus hervorgeholt ... hätte es nie gelesen. Nicht der Ort des Porneglyphs hat sie dazu veranlasst die Nacht mit mir zu verbringen. Und Sanji hat meinen Verdacht noch bestätigt, auch wenn es unbewusst geschehen ist. "Ich werde nicht zulassen, dass du ihr das Herz noch einmal brichst", hatte er mir zugezischt, während sein wutverzerrtes Gesicht nur wenige Zentimeter von meinem entfernt war. Seine Einmischung hat mich geärgert und es fiel mir schwer mich zurückzuhalten, obwohl ich seine Reaktion verstehen konnte. Ich an seiner Stelle hätte nicht anders gehandelt, wobei ich wohl vielmehr meine Fäuste hätte sprechen lassen. Aber ich habe mich geirrt! In so manchen Sachen habe ich mich geirrt. Ich habe immer geglaubt, dass ich Robin verstehen würde ... ihr Handeln und Tun ... die Verarbeitung ihrer Vergangenheit. Doch dem ist nicht so! Erst der Anblick der Orchidee hat es mir verdeutlicht. Als ich sie ihr damals geschenkt habe, war es für mich irgendeine Blume ohne jegliche Bedeutung, die irgendwann verwelken würde. Robin hatte mir Leid getan, als sie so in der Kombüse gesessen hatte und ihren Geburtstag ganz allein feiern wollte. Sie hatte sich damals noch nicht zugehörig gefühlt und eine Gemeinschaft ... der Zusammenhalt ... waren für sie fremd. Aber die Orchidee HAT eine Bedeutung, wie ich später herausgefunden habe: Freundschaft! Und damit hat auch alles angefangen. Ich habe angefangen sie mit anderen Augen zu sehen ... mehr für sie zu empfinden als bloße Freundschaft. Ich habe Zeit gehabt darüber nachzudenken, als wir wieder zurück auf dem Schiff waren. Freundschaft ... das ist für Robin lebenswichtig geworden. Es wurde mit zu ihrem Lebensinhalt, nachdem sie einmal davon gekostet hatte ... nachdem sie gespürt hatte, wie stark dieses Gefühl ist. Und obwohl ich das gewusst habe, habe ich es nie richtig verstanden. Nicht verstanden, dass Freundschaft sie vor der Einsamkeit bewahrt. Das war der Grund, warum sie alles getan hat ... warum sie soviel gegeben hat ... damit nichts und niemand ihr die Freundschaft zu Sanji zerstören kann. Mit derselben Energie ... mit derselben Entschlossenheit ... mit derselben Leidenschaft ... hat sie auch an unserer Beziehung gearbeitet. Aber ich war blind dem gegenüber und habe sie quasi vor die Wahl gestellt. Und nach allem, was mir Nami erzählt hat und der Unterhaltung mit Sanji, bin ich wahrscheinlich der Grund dafür, dass Robin jetzt auch noch Streit mit ihm hat. Ob sie wohl weiß, dass er aber nicht bereit dazu ist die Freundschaft als beendet anzusehen? Was geht nur in deinem hübschen Kopf vor? Was hat dich bloß dazu veranlasst einen Schritt der Einsamkeit entgegen zu wagen? Ein leiser Seufzer dringt zwischen ihren Lippen hervor, als sich Robin auf die Seite dreht. Während ich die Verwundbarkeit an ihr wahrnehme, die ihr Körper ausstrahlt, frage ich mich, ob dies der Grund dafür ist, dass sie nach dem Erlebnis unter Wasser wieder zu mir auf Distanz gegangen ist. Für eine kurze Zeit hat nichts zwischen uns gestanden und wir waren wieder die zwei Liebenden von früher. Doch etwas war diesmal anders. Da war noch mehr ... viel mehr. Das warme Gefühl in meinem Inneren, als sie mir dieses strahlende, glückliche Lächeln gezeigt hatte, war so berauschend wie eine Droge. Ich kam mir wie ihr unbesiegbarer Held vor. Aber als wir dann wieder im Trockenen auf dem Deck waren, hat sie sich von mir zurückgezogen. Hat sie Angst erneut verletzt zu werden? Das war dafür, dass du sie so niederträchtig behandelt hast. Aber sei versichert, dass ich noch mehr tun werde, solltest du ihr auf irgendeine Art oder Weise wehtun. Geistesabwesend reibe ich mir über die Prellung unter meinem Auge, wobei ich an Sanjis warnende Worte zurückdenke, die er mir zum Abschluss zugeworfen hatte, nachdem er mir ohne Vorwarnung seine Faust ins Gesicht gerammt hatte. Für mich selbst ist der Schlag noch eine zu milde Strafe, angesichts dessen, wie ehrlos ich Robin gegenüber war. Während ich leise die Tür hinter mir zuziehe, ohne sie dabei aus den Augen zu lassen, gebe ich mir selbst das Versprechen sie nie wieder zu verletzen. Schwärze hüllt mich ein, als die einzige Lichtquelle, die aus dem Gang vor der Tür stammt, nun ausgesperrt ist. In leicht gebückter Haltung taste ich mich leise zu der Liege hin, wo ich mich dann behutsam neben sie lege. Erneut ist ein unwilliges Stöhnen von ihr zu hören, als ich vorsichtig meinen linken Arm unter ihrem Kopf hindurch schiebe, während ich mit meinem anderen Arm ihren Körper näher an meinen presse. Automatisch verschränkt Robin ihre rechte Hand mit meiner, als wüsste sie selbst im Schlaf, dass ich bei ihr bin. Kapitel 21: Ruffy: Torture -------------------------- Kahle, rissige Wände fließen wie ein Band an mir vorbei, unterbrochen von kalten, grauen Türen, an denen meine beiden Bewacher und ich vorbeigehen. Unnatürlich laut hallen dabei die schweren Schritte der beiden Soldaten von den Wänden wider, in denen das leise Klacken meiner gepolsterten Stiefel untergeht. Sonst ist in dem langen, weiten Flur nichts zu hören, so dass man beinahe schon annehmen könnte, dass der Ort völlig ausgestorben sei. Und fast stimmt das sogar, denn die meisten Räume in diesem Teil des Gebäudekomplexes werden gar nicht benutzt und sind leer geräumt, weshalb man auch davon abgesehen hat Soldaten auf den verzweigten Gängen zu positionieren. Ein leises Kribbeln, das sich von Sekunde zu Sekunde verstärkt, breitet sich von meinen Handgelenken bis hin zu den Fingerspitzen aus. In gleichmäßigen Bewegungen krümme ich meine Finger, um die Blutzirkulation wieder anzuregen, die durch die zu eng angelegten Handschellen stark eingeschränkt ist. Ich kann wirklich nicht gerade behaupten, dass die Soldaten mit den Gefangenen hier zimperlich umgehen würden. Im Gegenteil! Sie nutzen jede noch so winzige Möglichkeit aus, um uns zu terrorisieren. Anders kann man die Zustände gar nicht beschreiben, die hier herrschen. Schon mehr als einmal habe ich Schläge für nichts erhalten, so, wie jeder andere Gefangene auch. Es wundert mich schon lange nicht mehr, dass noch nie einer aus diesem Gefängnis ausgebrochen ist. Jeder wird hier gefügig gemacht ... durch Schläge ... durch Nahrungs- und Lichtentzug ... durch seelische Folterung ... bis am Ende der Wille gebrochen ist. Und wer es dennoch versuchen sollte von diesem Ort der Qualen zu fliehen, der wird gebrandmarkt, bei dem er unter höllischen Schmerzen eines seiner Körperteile, manchmal sogar mehrere, verliert. Daher vegetieren die meisten Gefangenen nur noch vor sich hin ... die Gesichter mit tiefen Furchen der Verzweiflung und Trostlosigkeit gezeichnet ... die Augen stumpf und leer ... die Körper ausgehöhlt und kraftlos. Selbst vor den Frauen, die getrennt von den Männern gehalten werden, machen sie nicht halt. Manchmal, mitten in der Nacht, werden wir von schrillen und angsterfüllten Schreien aufgeschreckt, die durch die Fluren und Gängen weithin zu hören sind. Die unendliche Pein, die in den Schreien steckt, lässt jeden von uns kalte Schauer der Furcht über den Rücken laufen. Mit einer strammen, zackigen Drehung und einem quietschenden Geräusch der Schuhsohlen auf dem bläulichweißen Linoleumboden wenden sich meine Bewacher einer metallenen Tür zu, an der ein schmales, weißes Schild hängt, das mit schwarzen, geschwungenen Lettern den Namen preisgibt, wessen Büro dahinter liegt: Käpt´n Morgan Ironwhip! Der Mann, der nicht nur das Sagen über das Gefängnis hat, sondern auch über die gesamte Insel. Trotz seines gockelhaften Auftretens, mit dem er ständig über den Gefängnisplatz stolziert, ist er ein gefährlicher Gegner, den man besser nicht unterschätzen sollte. Ohne zu Zögern schlägt der Soldat links neben mir seine Fingerknöchel dreimal gegen die Tür, wobei das kräftige Klopfen durch das Metall dumpf und hohl klingt. Doch anstatt sofort danach die Klinke hinunterzudrücken, bleiben meine Begleiter weiterhin mit stoischen Mienen stehen, bis nach wenigen Sekunden eine tiefe Stimme uns hereinruft. Zwei kräftige Hände umfassen grob meine Oberarme, so dass ich mir sicher bin, dass ich blaue Flecken zurückbehalten werde, die sich dann spätestens morgen zeigen werden. Doch mit keinem Wimpernschlag gebe ich den ziehenden Schmerz zu erkennen, wofür ich mit einem noch festerem Druck und einem Schlag in den Rücken bestraft werde. Dadurch trete ich stolpernd in das Büro ein, das in helles Tageslicht gehüllt ist, und ich muss wegen der plötzlich veränderten Lichtverhältnisse erst einmal mehrmals blinzeln, bevor ich meine Umgebung genauer in Augenschein nehmen kann. Doch alles worauf mein Blick fällt, sind mehrere Aktenschränke, die sich an den Wänden aneinanderreihen, und graue Fotos in verschiedenen Größen, auf denen überall Käpt´n Ironwhip abgebildet ist, zusammen mit irgendwelchen Leuten, die nach den Uniformen zu urteilen selbst zur Marine gehören. Die hochgewachsene Gestalt des Käpt´n selbst steht vor dem breiten Fenster auf meiner rechten Seite mit dem Rücken zu mir. Seine gesamte Körperhaltung strahlt eine pure Entspanntheit aus und nichts an ihm lässt erkennen, dass er unser Eintreten bemerkt hat. "Laut den unzähligen Zeugenaussagen ist Monkey D. Ruffy nichts weiter als ein strohdummer, naiver Bengel mit einer gehörigen Portion Glück." Ironwhips Stimme ist wie seine ganze Erscheinung, so, wie ich es irgendwie erwartet habe: samtweich, kultiviert, fast schon ein wenig gelangweilt. Und dennoch wird sein Ton von einer gewissen Gefährlichkeit begleitet. "Und trotzdem habt Ihr es weit gebracht! Ihr seid ein störender Dorn im Auge der Marine ... und auch der Weltregierung. Doch sehr bald schon wird dies nicht mehr der Fall sein." Bei seinen letzten Worten dreht sich Ironwhip zu mir um, noch immer völlig entspannt und locker, während er mich mit seinen schmalen Augen von Kopf bis Fuß mustert. Seine abfällig verkniffenen Lippen sagen mir, dass das, was er sieht, ihm nicht besonders gefällt. Doch das stört mich nicht. Ich habe noch nie viel darum gegeben, was die Leute von mir halten. Vielmehr interessiert es mich zu erfahren, warum er mich in sein Büro hat bringen lassen. Allein schon die Tatsache, dass wir uns zum ersten Mal gegenüberstehen, lässt mich vermuten, dass etwas Bedeutendes eingetreten ist. Zumal er sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte bei meiner Inhaftierung anwesend zu sein. "Ich muss zugeben, dass ich ähnlich gedacht habe, wie die Bauern, als ich Euren Steckbrief gesehen habe." Neugierig beobachte ich ihn dabei, wie er langsam auf seinen Schreibtisch zugeht und eine braune Mappe in die für meinen Geschmack viel zu schlanken Hände nimmt, um ein wenig darin zu blättern, so, als wollte er seine Erinnerungen auffrischen. Doch instinktiv weiß ich, dass sein Getue und sein mildes Interesse nur geheuchelt sind. Er ist wie ein Tiger, der seine Beute belauert und auf den richtigen Moment wartet, um zuzuschlagen. "Aber als ich mir diese Berichte hier durchgelesen habe, bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass Ihr nicht so dumm und naiv seid, wie alle glauben. Und alles hat mit Käpt´n Morgan angefangen. Erinnert Ihr euch noch an ihn?" Ausdruckslos und stumm blicke ich Ironwhip an, der sich mir bei seiner Frage wieder zugewendet hat. Ich erinnere mich noch sehr gut an Käpt´n Morgan, habe ich doch damals Zorro kennen gelernt. Gleichzeitig sehe ich seine abgehärmte Gestalt vor meinem inneren Auge, als ich ihm das erste Mal begegnet bin, wie er mit hängendem Kopf und halbverhungert am Pranger gefesselt war. Ich habe ihn von Anfang an gemocht, obwohl wir nicht verschiedener hätten sein können. Und trotzdem waren wir auf eine Art und Weise gleich! Denn wir beide hatten einen Traum, der uns miteinander verbunden hat. Es fällt mir schwer meine Trauer darüber, dass er nicht mehr Teil meiner Bande ist, nicht zu zeigen. Dass ich vier meiner Freunde verloren habe, zieht mich immer in eine bodenlose Tiefe der Trostlosigkeit, aus der ich mich jedes Mal nur mühevoll herausziehen kann. Der Verlust darüber wiegt schwer auf meiner Seele und droht meine Hoffnungen und meinen Glauben zu begraben. Doch jetzt, in diesem Moment, darf ich mich auf keinen Fall von der Vergangenheit überwältigen lassen, brauche ich doch meine ganze Kraft und meine Aufmerksamkeit für Ironwhip. Nachdem ich mein Augenmerk wieder auf ihn gerichtet und die quälenden Erinnerungen rigoros von mir geschoben habe, bemerke ich sein leises Lächeln, das seine Lippen umspielt und mich wachsam werden lässt. Von den anderen Mithäftlingen und aus eigenen Beobachtungen weiß ich, dass er ebenfalls so viel Spaß daran hat, die Gefangenen zu quälen und ihnen Schmerzen zuzufügen, wie die übrigen Soldaten. Jedoch mit einem Unterschied! Ironwhip sucht nach den Schwachpunkten seiner Opfer, um diese dann gnadenlos auszunutzen. "Die Sache mit Käpt´n Morgan war aber nicht das einzige Scharmützel mit der Marine, das Ihr bestritten habt." Ohne seinen scharfen Blick von mir zu nehmen, mit dem er jede Regung von mir wahrnimmt, begibt er sich hinter seinen Schreibtisch, wo er sich mit einer anmutigen Bewegung in seinen Stuhl setzt, der unter seinem Gewicht ein wenig knarrt. "Je weiter Ihr gekommen seid, desto schlimmer wurden Eure Vergehen. Gleichzeitig nahm auch die Anzahl Eurer Mannschaft zu. Lorenor Zorro! Ein beachtlicher Schwertkämpfer mit einer außergewöhnlichen Kampftechnik. Auf dem East Blue war er ein gefürchteter Kopfgeldjäger, bevor er sich Euch angeschlossen hat. Mittlerweile beträgt sein Kopfgeld 142 Millionen Berry. Sein letzter Aufenthaltsort, von dem uns bekannt ist, war Cherry Point. Wusstet Ihr, dass er zusammen mit Tony Chopper unterwegs ist? Eine seltsame Kreatur! Wenn ich mich recht entsinne, hat er von der Mensch-Mensch-Frucht gegessen. Wie so manch ein Kopfgeldjäger, aber auch ein Soldat auf höchst schmerzhafte Weise feststellen musste, sollte man ihn auf keinen Fall unterschätzen. Im Übrigen ist durch Lorenor Zorro auf ihn ein Kopfgeld in Höhe von stolzen 91 Berrys ausgesetzt." Das diebische Funkeln in seinen Augen verrät mir, dass er seinen Spaß dabei hat, mir einige Einzelheiten über meine Freunde zu erzählen. Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass er genau weiß, was in meinem Inneren vor sich geht ... dass er mit seinen Worten Erinnerungen hervorruft, die weitaus mehr schmerzen, als eine Stichwunde es je tun könnte. Erinnerungen an das erste Zusammentreffen mit Chopper ... an meine Überraschung einem sprechenden Tier gegenüberzustehen ... an die Traurigkeit, die mich überfiel, als ich von seiner Vergangenheit erfuhr. "Als zweites Mitglied kam Lysop hinzu. Nach allem, was ich so über ihn gehört habe, soll er ein sehr guter Schütze sein. So gut wie sein Vater, wenn nicht sogar noch besser. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, wie man doch so schön sagt. Aber anders als sein Vater sitzt er jetzt im Gefängnis und wird bis an sein Lebensende nichts weiter mehr zu sehen bekommen, als die weißen Mauern, die uns umgeben. Auf ihn war übrigens ein Kopfgeld in Höhe von 87 Millionen Berrys ausgesetzt, mehr als auf eure kleine Freundin, die uns leider entwischt ist. Wie war doch gleich noch mal ihr Name? Ach ja, richtig, Nami! Die 63 Millionen Kopfgeld hat sie nur Euch zu verdanken, da sie selbst eigentlich nichts weiter ist als eine gemeine Diebin. Doch zugleich ist das auch ihr Glück, denn sie stellt für uns keine Gefahr dar, wodurch die Marine davon absieht sie zu suchen. Wahrscheinlich ist sie eh schon längst mit dem Kahn, das Ihr Schiff nennt, untergegangen." Immer deutlicher wird mir bewusst, dass Ironwhip darauf abgesehen hat mich aus der Reserve zu locken ... mich zu einer Regung zu bewegen, die ihm zeigt, dass er Erfolg hat, damit er sich dann daran weiden kann. Und mein Wille ihm diese Genugtuung nicht zu geben, hängt nur noch an einem seidenen Faden, während ich das Gefühl habe, dass der Eisenkragen um meinen Hals, der mit Seestein behaftet ist, immer enger wird und mir die Luft abschneidet. Der Mann vor mir spielt mit einer absoluten Perfektion mit den Gefühlen der Menschen wie mit den Saiten einer Harfe. In meiner Vorstellung sehe ich Lysop in einem Jahr, der sich von den anderen Gefangenen nicht mehr unterscheidet. Sein Körper ... ausgezehrt ... seine Seele ... abgestumpft ... sein Herz ... hoffnungslos. Gleichzeitig muss ich auch an Nami denken, nährt Ironwhips Bemerkung meine Sorgen um sie nur noch mehr. Die Grandline steckt voller Gefahren, wie wir nur zu gut wissen, und nicht alle gehen von Menschen aus. Ich mag mir nicht vorstellen, was sie so ganz allein alles durchmachen muss. Von ganzem Herzen wünsche ich mir, dass sie irgendwo in Sicherheit ist ... dass sie Menschen gefunden hat, die ihr helfen. "Und damit kommen wir zu den letzten beiden Personen, die für die Marine ein einziges, großes Rätsel sind. Zum einen wäre da Sanji, der Koch auf dem Meeresrestaurant Baratie gewesen war, bevor er sich Euch angeschlossen hat. Er ist ebenfalls ein hervorragender Kämpfer, der sehr ausgefeilte Kampftritte auf Lager hat. Sein Kopfgeld beträgt mittlerweile 137 Millionen Berrys. Und zum anderen haben wir da Nico Robin, vor der man sich auch in Acht nehmen muss. Nicht nur, weil sie die Kraft der Flora-Flora-Frucht besitzt, mit der sich ihr unzählige Angriffsmöglichkeiten bietet, sondern auch wegen ihres klugen Kopfs, dem sie es sicherlich zu verdanken hat, dass wir, die Marine, sie bislang nicht schnappen konnte. Ihr Kopfgeld wurde auf ganze 158 Millionen Berrys erhöht. Aber wie ich bereits sagte, geben sie uns ein Rätsel auf, da sie spurlos verschwunden sind." Während Ironwhip seine Ellenbogen auf die Schreibtischplatte stützt, wobei er seine Fingerkuppen aneinanderlegt, blickt er mich abwartend an, so, als erwarte er von mir, dass ich ihm die Antwort auf die unterschwellige Frage geben würde. Doch alles, was er von mir bekommt, ist ein breites, triumphierendes Grinsen angesichts der Ankündigung, dass wenigstens zwei meiner Freunde in Sicherheit zu sein scheinen. Aber etwas anderes habe ich auch gar nicht erwartet, da Robin lange genug auf der Flucht vor der Marine ist, um zu wissen, wie man unbemerkt untertaucht. Für einen Moment verfinstert sich Ironwhips Gesicht und ein bedrohliches Funkeln blitzt in seinen grauen Augen auf. Eine leise Vorahnung beschleicht mich, dass meine Reaktion noch Konsequenzen haben wird, die für mich alles andere als angenehm sein dürften. "Wie dem auch sei", meint er nach einer scheinbar endlosen Zeit und stützt sich mit seinen Handflächen auf dem Tisch ab, während er sich von seinem Platz erhebt und langsam wieder an das Fenster herantritt. "Der Grund für Ihre Anwesenheit hier in meinem Büro ist der, dass sie nur noch für eine kurze Zeit Gast in diesem Gefängnis sein werden. Ich habe heute die Nachricht erhalten, dass ein Schiff hierher unterwegs ist, das Sie nach Mary Joa bringen soll, wo Ihnen dann der Prozess gemacht wird. Und jetzt, nachdem ich Ihnen dies mitgeteilt habe, dürfen Sie wieder zurück in Ihre Zelle." Sein letzter Blick, bevor er sich der weißen Pracht draußen im Freien wieder zuwendet, gilt nicht mir, sondern meinen beiden Bewachern. Eine Eiseskälte breitet sich in meinem Körper aus, befürchte ich, dass der Rückweg zu dem Gebäudeteil mit den Zellen mit einigen Schmerzen verbunden sein wird. Kapitel 22: Robin: Devotion --------------------------- Langsam und in einem gleichmäßigen Rhythmus atme ich ein und aus, während ich mit offenen Augen in die Dunkelheit starre. Meine Gedanken versuche ich dabei ganz auf meine Atmung zu konzentrieren. Doch der herbe, moschusartige Duft nach ungezügelter Wildheit, der mir in die Nase steigt ... mich umgibt ... meine Nasenflügel weiten und meine Sinne erbeben lässt ... rüttelt mit aller Kraft an der Tür, hinter der ich meine Erinnerungen gesperrt habe. Aber ich versuche mich dagegen zu wehren ... versuche die Tür geschlossen zu halten ... will ich nicht in die erbarmungslose Realität zurückkehren, die erfüllt ist mit Kälte und Leere. Ich möchte einfach nur den Moment genießen und mich dem Traum hingeben, dass es weder eine Vergangenheit noch eine Zukunft gibt. Ich spüre, wie mir Tränen der Enttäuschung und des Schmerzes in die Augen steigen, ob des erfolglosen Versuches mich selbst zu täuschen, hängt die bittere Wahrheit wie ein Damoklesschwert über mir. Für wenige Sekunden halten meine Wimpern eine Träne zurück, bis sie mir dann langsam aus dem Augenwinkel herausrinnt. Ich fühle die feuchte Wärme, die eine Spur auf meiner Haut hinterlässt und in meinem Haaransatz versickert. Um der hervorquellenden Flut an Tränen vorzeitig Einhalt zu gebieten, kneife ich meine Augen fest zusammen, während ich zugleich nach der kräftigen Hand taste, die zu dem muskelgestählten Oberarm gehört, auf dem mein Kopf liegt. Die andere Hand ruht warm und auf eine besitzergreifende Art auf der nackten Haut meines Bauches. Fest umschließe ich die rauen Finger, die einmal kurz unter meiner Berührung zucken, und lege mir seinen Arm vorne um die Schultern herum. Der warme Hauch seines Atems in meinem Nacken gerät für einen Moment ins Stocken und eines seiner strammen Beine, das zwischen meinen liegt, streckt sich lang aus. Seine Finger, die ich noch immer halte, schließen sich sanft um meine, während seine Brust sich enger an meinen Rücken presst. Bewegungslos bleibe ich still in seinen Armen liegen und warte darauf, dass seine Atemzüge wieder ruhig und gleichmäßig gehen. Erst danach kann ich mich entspannt dem schützenden Kokon ergeben, den ich mir durch die Umarmung geschaffen habe. Wie gerne würde ich mich der Verlockung hingeben, die mir die undurchdringliche Schwärze bietet, die uns umgibt. Die Verlockung nach Anonymität, in der ich einfach nur eine Frau ohne Namen und Vergangenheit sein könnte. Vielleicht, wenn ich auch nur ein wenig wie Nami wäre, könnte ich dies auch tun ... den Wünschen meines Herzens folgen ... nicht an das Morgen und den Folgen denken. Doch ich bin nicht wie sie! Mein Handeln wird ganz von meinem Denken beherrscht. Ich kann es nicht einfach abschalten, ist es mir doch bis ins Blut übergegangen. Nur so konnte ich all die Jahre über, in denen ich auf mich allein gestellt war, überleben. Ich bin meinem Herzen gefolgt ... habe meiner Sehnsucht nachgegeben! Und alles, was ich dafür bekommen habe, ist das Gefühl der Erniedrigung, gegen das meine Würde schmerzvoll aufschreit, und Fragen. Fragen, wie es weitergehen soll ... was ich tun soll. Dass er hier bei mir ist ... wahrscheinlich schon die ganze Nacht über ... lindert den Schmerz meines unüberlegten Handelns ein wenig, der mich dazu getrieben hat meine Prinzipien über Bord zu werfen. Es ging ihm nicht um meinen Körper. Er verlangt genauso sehr nach meiner Seele, wie ich nach seiner. Aber kann ich es wagen? Wir sind schon einmal gescheitert! Und ihn zu verlieren, hätte beinahe mein Selbst zerstört. Ein zweites Mal könnte ich es nicht ertragen. Aber ohne ihn bin ich nur ein halber Mensch ... zerrissen von Sehnsucht und Trauer. Bei ihm finde ich eine andere Art des Zuhauses. Die Sicherheit ... der Zusammenhalt ... die Geborgenheit ... sie sind weitaus stärker, als ich sie unter der Freundschaft zu den anderen gespürt habe. Sie sind viel inniger. "Du denkst wieder zuviel nach", hat Sanji zu mir gesagt, am Tag, als wir Ace getroffen haben. Und auch Nami hat es mir zum Vorwurf gemacht. Aber ist das denn so falsch von mir? Ich habe mir damals keine Gedanken gemacht über das "Was wäre, wenn ...?". So verliebt und glücklich, wie ich war, habe ich angenommen, dass uns nichts trennen würde. Doch das kann ich jetzt nicht mehr! Ich kann nicht mehr daran glauben, dass etwas auf ewig halten wird. Und das macht mir Angst! Es lässt mich davor zurückschrecken, das Wagnis einer Beziehung wieder einzugehen. "Weißt du eigentlich, wessen Hand du da streichelst?" Wohl eben erst erwacht, ist seine leise, grummelnde Stimme noch rauer als sonst und zaubert ein kleines Lächeln auf meine Lippen, während sie mir gleichzeitig einen prickelnden Schauer über den Rücken rieseln lässt. Dass ich mit meinem Daumen immer wieder über seinen Handrücken fahre, war mir gar nicht bewusst, so vertieft war ich in meine Gedanken. "Ich kenne nur eine Person, die so dreist ist, dass sie des Nachts ungebeten in mein Bett steigt." "Ungebeten? Soweit ich mich erinnern kann, hast du immer bereitwillig deine Decke mit mir geteilt." "Aber auch nur, weil ich verhindern wollte einen schlotternden Schwertkämpfer neben mir liegen zu haben." Kaum dass ich geendet habe, liege ich plötzlich auf dem Rücken, während Zorros Knie meine Hüfte fest umschließen. Gleichzeitig wandern seine Hände wissend zu den empfindlichen Stellen meines Bauches, die unter seinen federleichten Berührungen zucken und einen Strahl des kitzelnden Gefühls bis zu den Enden meiner Nervenbahnen schicken. Obwohl ich mich dagegen wehre ... mich unter seinen unnachgiebigen Berührungen winde ... steigen mir dennoch wieder Tränen in die Augen. Sein Gewicht auf mir, das er zum größten Teil auf seine Beine stützt, und der verspielte Angriff lösen eine wahre Flut an Bildern aus, die vor meinem geistigen Auge vorbeiziehen und denen ich keinen Einhalt gebieten kann. Bilder aus einer glücklichen und sorgenfreien Zeit. Schmerzhaft schlägt mein Herz wild in meiner Brust ... ziehend ... stechend ... schreit danach, diese Zeit wieder zu erleben. Zusammen mit einem zittrigen Atemzug greife ich nach seinen Händen und halte sie von einer weiteren Kitzelattacke ab, während ich ihm mit einem kurzen Heben meiner Hüfte bedeute von mir herunter zu gehen. Sofort kommt er meiner Aufforderung nach und legt sich wieder lang ausgestreckt an meine Seite. Vorsichtig setze ich mich rittlings auf ihn und beuge mich ein wenig vor, damit ich nach der Streichholzpackung tasten kann, um die kleine Laterne anzuzünden, die ich auf das Tischchen neben der Liege gestellt habe. Als das Zimmer dann in ein dunkles, gelbes Licht getaucht ist, blicke ich wie gebannt auf die helle Flamme, die vergeblich versucht sich durch den Docht der Laterne zu fressen. Auch als Zorro sich langsam aufsetzt, wodurch ich unweigerlich ein Stück nach hinten rutschen muss, sehe ich nicht auf. Entschlossen nimmt er mir die Laterne aus den Händen und stellt sie wieder zurück auf das Tischchen, bevor er dann mit einem sanften Druck seiner Finger mein Kinn anhebt. Fragend schauen seine Augen mich an, in denen ich eine leichte Besorgnis erkennen kann. Mein Blick wandert hinauf zu seinem grünen Haar, durch das ich zwei-, dreimal mit einer Hand streiche. Mit einem Finger dann fahre ich die Kontur seiner linken Augenbraue nach entlang zu seiner Schläfe hinab über die markanten Züge seiner Wange. Unentwegt folgen meine Augen den Weg meines Zeigefingers, bis dieser schließlich auf seinen Lippen zum Halten kommt und ich ihm wieder in die Augen sehe. Langsam öffne ich den Mund, aber kein Ton kommt mir über die Lippen, obwohl mir so viele Gedanken und Gefühle auf dem Herzen liegen. Es gibt so vieles, das ich ihm sagen muss und will. Gequält ... verzweifelt ... auf der Suche nach den richtigen Worten, schließe ich die Augen, in denen sich erneut Tränen ansammeln. "Ich habe Angst." Mehr kann ich nicht sagen, beherrscht das Gefühl meinen ganzen Körper ... lässt ihn von innen her erkalten. Behutsam lehnt Zorro seine Stirn an meine, während sein Daumen eine Träne abfängt, die mir an der Wange hinabrinnt. "Die habe ich auch", raunt er mir leise zu. Vorsichtig legt er sich wieder zurück auf die Liege, wobei er mich, fest und beschützend in seinen Armen eingeschlossen, mit sich zieht. Still, in einem stummen Einverständnis, bleiben wir so liegen und genießen die Nähe des jeweils anderen. Unter dem starken, gleichmäßigen Schlagen seines Herzens schlafe ich dann irgendwann ein ... zusammen mit dem Gefühl der Befreiung. Kapitel 23: Sanji: Game ----------------------- Zwei Siebener und zwei Dreier, nicht schlecht! Und ich darf noch meine Karten wechseln. Vielleicht habe ich Glück und diese Runde geht an mich, obwohl es mir eigentlich egal ist. Die richtige Stimmung für eine Partie Poker will bei keinem so recht aufkommen. Doch wen wundert´s? Abschätzend werfe ich einen Blick auf Chopper, dessen buschige Augenbrauen konzentriert zusammengezogen sind. Seine Miene zeigt keinerlei Regung, die mir hätte verraten können, was für ein Blatt er in den Händen hält. Aber mittlerweile bin ich nicht mehr über sein sprichwörtliches Pokerface überrascht. Ich habe auch aufgehört mitzuzählen, wie viele Runden er bereits gewonnen hat. Was ich anfangs noch für pures Anfängerglück gehalten habe, hat sich als spielerisches Können entpuppt, wie die verbliebene Anzahl meiner Streichhölzer verraten. Weiter wandert mein Blick hinüber zu Nami, die mir gegenüber sitzt. Noch immer hadere ich mit mir selbst darüber, wie ich mich bei ihr verhalten soll. Eine Seite von mir, die tief in meinem Herzen verwurzelt ist, drängt mich dazu sich ihrer Nähe zu ergeben ... ihr Herz und ihre Seele zu umgarnen. Doch mein Stolz erhebt sich gegen den Wunsch in mein altes Selbst zu verfallen. Zu lange habe ich Nami umworben, ohne ein Zeichen von inniger Zuneigung von ihr erhalten zu haben. Der Schmerz der unerfüllten Liebe ist in all der Zeit zu einem ständigen Begleiter meiner Seele geworden, so dass ich ihn kaum noch wahrnehme ... ihn eine zeitlang sogar nicht als diesen erkannt habe. Zu viel ist auf mich eingestürmt, hat meine Sinne in tiefste Verwirrung gestürzt und mich zu einem heillosen Handeln und Tun geführt. Und obwohl die friedliche Seligkeit in meinem Inneren noch nicht wieder hergestellt ist, scheinen meine Gefühle dennoch wieder in geordneten Bahnen zu verlaufen und meinem Verstand klar und deutlich ihre Bedeutung mitzuteilen. Zum ersten Mal gibt sich Nami in meiner Anwesenheit ganz entspannt und völlig ungezwungen. Selbst ihre Stimme zeigt von dieser Lockerheit und ist nicht mehr so angespannt wie eine Bogensehne. Ihre Unterlippe hat sie zwischen ihre Zähne gezogen, während sie überlegt ihre Karten auf der Hand sortiert. Aber im Gegensatz zu Chopper kann sie eine gewisse Zufriedenheit nicht verbergen über das, was sie erblickt. Ich muss also Vorsicht walten lassen, wenn ich diese Runde gewinnen will. Weiter gehen meine Augen hinüber zu Zorro, dessen Gesicht ausdruckslos ist, so, wie bei dem kurzen Gespräch, das wir am gestrigen Tage auf der Insel geführt haben. Der Beweis für mein unüberlegtes Handeln, als ich meinen ganzen Zorn in nur einen einzigen Schlag gelegt habe, hat sich zu einem tiefen Blau und Violet verfärbt. Es war nicht meine Absicht! Ich wollte nur reden ... dafür sorgen, dass Robin nicht noch mehr Leid und Qual erleiden muss. Aber die Wut ... Wut auf Zorro, wegen seines respektlosen Verhaltens ... Wut auf Robin, die mich von sich gestoßen hat ... sie hat mich übermannt. Wie das Dunkel der Nacht hat sie meinen Verstand bedeckt und nichts als die geschriebenen Worte Zorros sah ich vor meinem geistigen Auge, die von der herabwürdigen Tat zeugten, auf die Robin sich eingelassen hatte. Im Nachhinein war ich mehr als erstaunt darüber, dass Zorro sich während der ganzen Zeit über kein einziges Mal gewehrt hat ... weder mit Worten noch mit Gewalt. Früher hätte er nicht so reagiert. Ohne zu zögern wäre er auf mich losgegangen. Es versetzt mir einen Stich von Wehmut, muss ich erkennen, dass auch er sich verändert hat. Nur in einem Punkt hat er sich nicht geändert! Leider musste ich dies zu spät erkennen. Nein, das ist nicht richtig! Ich habe es gewusst und auch in der glühenden, sanften Wärme seiner Augen gesehen, mit der er Robin immer ansieht. Aber ich ließ mich von seiner Botschaft blenden, die ich nur zu einem Teil gelesen habe. Für die Nacht mit dir, hier der Ort, wo du das Porneglyph findest: Caldarian. Aber glaube nicht, dass es zwischen uns vorbei ist. Zorro Es ist nicht richtig, dass die Nachricht noch immer in meinem Besitz ist, die völlig zerknittert in meiner Hosentasche steckt. Ich hätte sie Robin schon längst wieder zurückgeben müssen. Doch wer hätte schon damit rechnen können, dass sie bei Shanks mitfahren würde? Erneut meldet sich mein Gewissen, angetrieben von den Fehlern, die ich begangen habe, während mein Blick automatisch auf Robin fällt. Ein spürbarer Frieden geht von ihr aus, der sie scheinbar von innen heraus leuchten lässt. Die letzten Tage und Wochen waren für uns eine wahre Achterbahnfahrt der Gefühle. Unsicherheit ... Furcht ... Sehnsucht ... Zweifel ... Hoffnung ... sie alle haben sich abgewechselt ... haben uns in ihren schmerzenden Fängen gehalten. Auch wenn sie es nicht deutlich zum Ausdruck bringt, scheint sie jetzt endlich das Glück zurückerhalten zu haben, was mich von tiefstem Herzen freut und mir zugleich meine Hoffnung stärkt, dass auch ich meinen Frieden wiederbekomme. Langsam sehen ihre Augen auf und blicken mich an. Es wundert mich kein bisschen, dass sie meinen Blick auf sich gefühlt hat, besitzt sie doch ein unglaubliches Gespür dafür immer zu wissen, wann sie beobachtet wird. Ein schwaches, unsicheres Lächeln erscheint auf ihrem Gesicht und für mich ist es, als würde die Sonne in meinem Herzen aufgehen, die die bedrohlichen Schatten der Angst darauf vertreiben. Angst davor, dass unsere Freundschaft unwiderruflich zerstört sei. "Karten?" Choppers tiefe Stimme holt mich in die Gegenwart zurück und ich blicke kurz hinab auf meine Karten, jedoch nicht ohne vorher noch Robins Lächeln zu erwidern. "Ich nehme nur eine", antworte ich schließlich und tausche meine Kreuz Zehn aus. Die Enttäuschung darüber, dass es bei dem Pärchen auf meiner Hand bleibt, schlucke ich hinunter, ohne dabei mit der Wimper zu zucken, obwohl ich viel lieber aufgeseufzt hätte. Wie ein Fieber überrollt mich der Wunsch zu siegen und auch die Spiellust hat mich ebenfalls gepackt. Für diesen Augenblick ist die Welt für mich wieder in Ordnung. Entschlossen werfe ich daher zwei Streichhölzer in die Mitte. Ein angenehmes Prickeln breitet sich unter meiner Haut aus, nähern wir uns in schnellen Zügen dem spannungsgeladenen und alles enthüllenden Augenblick. Aufmerksam versuche ich jede noch so kleine Reaktion meiner Mitspieler zu erkennen. Mit einem betrübten Seufzer steigt Robin aus, was mich allerdings zufrieden stellt, habe ich so einen Gegner weniger. Zorro jedoch erhöht den Einsatz noch um ein Streichholz. Ein aufgeregtes Glitzern tritt in Namis Augen, scheint sie ein gutes Blatt zu haben. Aber es ist Chopper, der mir meine Zuversicht auf einen Sieg nimmt und mich zum Aufgeben bewegt, behält er seine fünf Karten auf der Hand, ohne auch nur eine einzige davon auszutauschen. Dennoch ist es interessant dem Spiel weiter zuzuschauen, macht Zorro unbeirrt weiter, während Nami ebenfalls aufgibt. Scheinbar unbeeindruckt taxieren sich die letzten verbliebenen Kontrahenten mit festen Blicken und ziehen den entscheidenden Moment in die Länge, in dem Robin, Nami und ich gespannt den Atem anhalten. Dann endlich legt Chopper, mit einem breiten Lächeln im Gesicht, seine Karten offen auf den Tisch: drei Buben. Sofort wandern meine Augen zu Zorro hinüber. Seine Miene lässt weder Zufriedenheit noch Enttäuschung erkennen, während er langsam sein Blatt ausbreitet: ein Full House. "Der Punkt geht wohl an dich", seufzt Chopper enttäuscht, aber immer noch mit dem breiten Grinsen auf seinen Lippen. Als Antwort darauf erhält er von Zorro lediglich ein unbekümmertes Schulterzucken, während dieser seinen Gewinn neben sich auf dem Tisch anordnet. "Ich werde mal schnell für neuen Nachschub an Getränken sorgen. Soll ich eine Flasche Rotwein für dich mit raufholen, Robin?" Nami ist schon längst in Richtung Tür gelaufen, als sie sich fragend an Robin wendet. Von der Spannung, die noch an dem Abend unseres Eintreffens zwischen den Beiden geherrscht hatte, ist nichts mehr zu spüren. Stattdessen gehen sie richtig freundschaftlich miteinander um, was mich mehr als überrascht. Wann ist nur diese Veränderung bei ihnen eingetreten? "Danke, Nami, aber ich bleibe beim Wasser." "Ist alles in Ordnung, Robin? Du bist auf einmal so blass." Mühsam versuche ich mir das Lachen in meiner Kehle zu unterdrücken, das bei Choppers besorgter Frage noch an Stärke zunimmt, während meine Mundwinkel unkontrolliert zucken. Doch als Zorro in einen erstickten Hustenanfall verfällt, mit dem er seine Amüsiertheit kaschiert, kann ich einfach nicht mehr an mich halten. Robins zuvor erbleichte Wangen überziehen sich mit einem zarten Rotton, der sich noch weiter vertieft, als auch Nami zu kichern anfängt, bevor sie dann eiligst die Kombüse verlässt. Nur Chopper sitzt ein wenig betröppelt an seinem Platz und lässt seinen verwirrten Blick fragend über uns wandern. "Ich werde noch mal Mitleid mit euch haben, wenn ihr einen über den Durst getrunken habt", kommt es leicht säuerlich von Robin, die mit verkniffenen Lippen stur auf das Holz des Tisches blickt, während ihre Finger mit einem Streichholz spielen. "Worum geht es, Leute?" "Ach, es ist nichts weiter, Chopper. Robin hat nur zum ersten Mal die Wirkungen eines ausgereiften Katers erlebt." Erneut kriecht ein Lachen meinen Hals hinauf und schnell beiße ich mir auf die Lippen. "Du warst betrunken? Warum? Und wann?" Kurz tauschen sie und Zorro einen Blickwechsel aus, bevor Robin schließlich nichts sagend die Schultern anhebt. Mit einer gewissen Befriedigung nehme ich den unangenehmen Ausdruck in Zorros Augen wahr, der mich erkennen lässt, dass er wohl nicht so gerne an die Nacht erinnert werden will. "Du hast also doch getrunken." Die amüsierte Stimmung ist schlagartig verschwunden, als die tonlose, beinah schon niedergeschlagene Stimme Choppers durch den Raum hallt. Prüfend mustere ich ihn, ist mir der Vorwurf in seinen Worten nicht entgangen. Den Kopf gesenkt und die Schultern herabhängend, sitzt er da. Nur seine Hände, die zu Fäusten geballt sind, lassen seine innere Anspannung erkennen. "Es war vorgestern, nicht wahr? Als du plötzlich von der Lichtung verschwunden bist, ohne ein Wort zu sagen?!" "Komm schon, Chopper, es ist nichts weiter passiert." "Und wenn die Umstände andere gewesen wären?" Choppers Augen haben sich verengt, während er sich ein wenig vorbeugt und Zorro unablässig mustert. Ein grimmiger Zug hat sich über sein Gesicht gelegt, der durch die fest aufeinander gebissenen Zähne noch verstärkt wird. Zorros Miene bleibt aber weiterhin ausdruckslos, als würde ihn das alles gar nicht berühren. Auch seine Stimme ist weiter ungezwungen und locker. Mir ist bewusst, dass die Unterhaltung auf einen Punkt zuläuft, in dem ich einen Einblick in ihr Leben bekomme, der, anhand von Choppers Reaktion, alles andere als gut verlaufen zu sein scheint. Und obwohl es mir nicht behagt, als unfreiwilliger Zuhörer bei dem Gespräch mit dabei zu sein, kann ich nicht anders als sitzen zu bleiben. "Dann hätte ich keinen Tropfen angerührt." "Bist du dir da sicher? Hast du eigentlich schon vergessen, was beim letzten Mal passiert ist? Du hättest jetzt tot sein können!" Wie ein Donnerhall schallen Choppers letzte Worte über uns hinweg und für eine kurze Zeit herrscht Stille, in der mein Verstand die Bedeutung der Äußerung verarbeitet. Zorro hätte tot sein können? Diese Vorstellung ist für mich genauso unwirklich, wie die, dass ein Mensch zum Mond fliegen könnte. Unzählige Emotionen geistern durch meine Gedanken und legen sich kalt über mein Herz ... zeigen mir, wie vergänglich unser Leben ist ... weisen mich darauf hin, dass ich noch mehr hätte verlieren können als nur die Freundschaft. "Das weiß ich! Aber lass uns woanders darüber reden." Zorros Stimme ist leise und bedrückt, während die Hülle der Gefühllosigkeit von ihm abfällt. Haltlos blicken seine Augen überallhin, nur nicht in das starre Gesicht Choppers. "Warum? Weil du nicht zeigen willst, dass auch du schwach sein kannst? Weil du nicht willst, dass die anderen erfahren, wie tief du gesunken bist?" Für einen Moment habe ich die Befürchtung, dass Zorro sich auf Chopper stürzen würde. Ich vermag nicht zu sagen, ob das wildlodernde Feuer in seinen Augen durch den Vorwurf schwach zu sein hervorgerufen wurde oder durch die Erinnerungen, die damit einhergehen, wie auch immer sie aussehen mögen. Robin scheint meine Befürchtung zu teilen, legt sie in einer beschwichtigenden Geste eine Hand auf Zorros Arm. Unwirsch und mit angespannten Kiefernmuskeln schüttelt er diese jedoch ab und steht hastig von der Bank auf, die mit kratzenden und quietschenden Geräuschen ein wenig nach hinten rutscht, bevor er dann mit weit ausholenden Schritten die Kombüse verlässt, wobei er an der Tür fast mit Nami zusammenprallt. "Hey, Zorro, wo willst ...? Was ist passiert?" Fragend und die Arme voll mit einigen Flaschen blickt sie uns an. Doch niemand von uns sagt ein Wort. Kapitel 24: Nami: Bleakness --------------------------- Neben dem leisen Plätschern des Wassers hallt ein tiefer Seufzer durch die nun leere Kombüse, in der ich schnell und lustlos die fünf Gläser abwasche, die wir benutzt haben. Obwohl diese Tätigkeit so gut wie keine Mühe macht und auch schnell erledigt sein wird, habe ich gehofft mich dadurch ablenken zu können. Aber meine Bewegungen erfolgen ganz automatisch und ohne jegliche Konzentration, wodurch sich meine Gedanken ganz dem Abend widmen, der sich nur allzu schnell dem Ende geneigt hat. Es war so schön ... so friedlich. Beinahe hatte ich das Gefühl, als wenn das Band der Freundschaft zwischen uns allen unberührt sei. Dieses gemütliche Beisammensein war wie die vielen anderen Abende, als die Kluft zwischen uns noch nicht vorhanden war, obwohl wir nur wenig miteinander geredet haben. Doch die sämtliche Anspannung, die in und zwischen uns herrschte, war weg, bis sie sich am Ende wieder aufgebaut hat. Ein Schwall kalter Luft streicht über meine entblößten Unterarme und hinterlässt eine Gänsehaut, als sich die Tür öffnet und Sanji hereinkommt. Kurz werfe ich ihm einen Blick über meine Schulter zu, den er jedoch nicht erwidert, bevor ich mich dann den letzten beiden Gläsern zuwende. Sein Ausdruck ist entrückt, was mir besagt, dass er mit seinen Gedanken ganz woanders ist. Ohne sich umzusehen, setzt er sich sofort wieder an den Tisch, nachdem er die Tür langsam hinter sich geschlossen hat. Nach der kurzen Zeit zu urteilen, die er fort war, scheint seine Unterredung mit Chopper nicht sehr gut verlaufen zu sein. An allen Ecken und Fronten scheint es zwischen uns allen zu kriseln. Genau das, was wir brauchen ... noch mehr Probleme! Noch immer weiß ich nicht genau, was in den paar Minuten vorgefallen ist, in denen ich die Kombüse verlassen hatte. Doch was es auch ist, es hat Chopper auf jeden Fall sehr mitgenommen und Zorro zu einer sichtbaren Reaktion gebracht, in der er ausnahmsweise mal seine Ausdruckslosigkeit hat fallen lassen. Eine drückende Stille legt sich über den Raum, in der nur das leise Klirren des Glases in meiner Hand und ein ratschendes Geräusch zu hören sind. Neugierig werfe ich einen unauffälligen Seitenblick zu Sanji, der dabei ist sich eine Zigarette anzuzünden. Wenige Sekunden später zieht ein gräulicher Faden zu mir rüber und die Luft um mich herum nimmt das Aroma der herben, rauchigen Zigarette auf. Es ist nicht mehr dieselbe Marke, die er sonst immer geraucht hatte, war ihr Geruch viel stärker und dunkler. Schnell sehe ich auf das trübe Wasser hinab, als er seinen Kopf in meine Richtung dreht. Mich innerlich als Feigling scheltend, überlege ich fieberhaft, wie ich das Schweigen zwischen uns brechen könnte, das allmählich an meinen Nerven zerrt. Überrascht hebe ich den Kopf, als plötzlich ein schwarzer Schatten neben mir auftaucht und Sanji nach eines der sauberen Gläser greift, um es mit einem grünweißgestreiften Handtuch abzutrocknen. Ein kaltes Frösteln überläuft meinem Rücken angesichts seiner Lautlosigkeit, mit der er neben mich getreten ist. Und wie nahe er mir ist! Gerade mal ein handbreiter Platz ist noch zwischen uns, so dass ich mir nervös auf die Unterlippe beiße. So nah standen wir schon lange nicht mehr beisammen. Auch ist es das erste Mal, dass wir ganz alleine sind. "Weißt du etwas über Zorros und Choppers Vergangenheit?" Konzentriert und mit höchster Aufmerksamkeit beschäftigt er sich mit dem Polieren des Glases, während ich versuche meine Gedanken zu sammeln und auf das Hier und Jetzt zu lenken, bin ich doch mehr als erstaunt darüber, dass er derjenige von uns ist, der als Erster das Wort ergreift. Jedes Mal, wenn ich in seine Nähe kam, habe ich so eine unsichtbare Barriere an ihm gespürt, die mich auf Abstand hielt und es mir unmöglich machte Mut zu schöpfen, um auf ihn zuzugehen. Fast schon war ich sogar bereit dazu zu glauben, dass Robin sich geirrt hätte. Doch was hatte sie zu mir gesagt? Dass Sanji sich momentan über seine Gefühle selbst nicht im Klaren ist? Ob das wohl stimmt? "Ähm ... nein! Nein, ich weiß nichts darüber." Mich von seinem Anblick losreißend, ziehe ich entschlossen den Stöpsel aus dem Spülbecken. Jedoch fällt meine Bewegung viel zu heftig aus, so dass mir der Gummipfropfen in einem schnellen Ruck entgegenfliegt und Wasser meinen Pulli durchnässt. Mit einem stummen Fluch auf den Lippen reibe ich mehrfach über die kalten Wasserflecke, dabei eine kleine Stimme in meinem Kopf ignorierend, die mir sagt, dass das Reiben nicht viel nützt. "Mache ich dich nervös?" Seufzend gebe ich mein vergebliches Bemühen auf, während mein Verstand fieberhaft nach einer Antwort sucht. Währenddessen stellt Sanji das Glas auf die Anrichte und lehnt sich anschließend mit dem Rücken dagegen. Aus den Augenwinkeln nehme ich die weiße Rauchwolke wahr, die er zuvor noch inhaliert hat. Für einen Moment habe ich die aberwitzige Vorstellung, wie es wohl sein würde, wäre ich dieser Rauch. "Warum?" "Was?" Verwirrt blicke ich auf, scheine ich irgendwie den Faden verloren zu haben. "Du hast doch sonst nie Hemmungen mir gegenüber gehabt." "Du warst ja auch nie abweisend zu mir." Wieder einmal ist meine Zunge schneller als mein Verstand, war es doch überhaupt nicht meine Absicht ihm meine Enttäuschung über sein Verhalten zu zeigen. Aber auch er scheint nicht mit solch einer offenen Antwort gerechnet zu haben, wenn ich das leichte Heben seiner Augenbraue richtig deute. Er hat sich wirklich sehr verändert, schaffe ich es einfach nicht mehr in seinem Gesicht zu lesen, das genauso ausdruckslos ist, wie das von Zorro. "Habe ich nicht auch allen Grund dazu?" Wie aus weiter Ferne dringt seine leise Stimme zu mir, während ich ihn aufmerksam mustere. Ich vermag nicht zu sagen, ob die Frage nun an mich gerichtet ist oder an sich selbst. Doch sein abwesender Blick, mit dem er auf einen Punkt auf dem Boden starrt, lässt mich eher Letzteres vermuten. Das Gefühl von Schuld engt mein Herz ein, muss ich unweigerlich an die harten Worte denken, die ich ihm damals vor den Kopf geknallt habe. Erst in diesem Augenblick wird mir bewusst, wie sehr ich ihn damit verletzt habe ... beweist es allein schon seine Frage. Und es gibt nichts auf der Welt, womit ich den Schaden wieder gutmachen könnte. Nicht einmal ein einfaches, aus tiefstem Herzen kommendes "Es tut mir Leid" würde dafür auch nur annähernd ausreichen. "Sanji ..." Was soll ich sagen? Was KANN ich sagen? Nicht weiter wissend, hebe ich in einer hilflosen Geste meine Hände, die nichts lieber getan hätten, als die niedergeschlagenen Furchen aus seinem Gesicht zu streichen. Doch stattdessen bleibe ich weiterhin an Ort und Stelle stehen, bin ich mir sicher, dass er mich von sich stoßen würde, würde ich meinem Wunsch nachgeben. "Wir sehen uns dann morgen, Nami." Nur ein kurzes Heben seiner Hand hat er für mich übrig, bevor er hinaus in die Nacht verschwindet. Nur dünne Rauchschwaden seiner Zigarette sowie die Trostlosigkeit, die mich innerlich erkalten lässt, bleiben zurück. Kapitel 25: Zorro: Truth ------------------------ Ein blasses Gesicht blickt mir entgegen ... müde und hager ... die Augen glanzlos und leer. Schwer stütze ich mich auf den Rand des Waschbeckens ... stehe kraftlos auf meinen Beinen. Taube Hände wärmen das kalte Porzellan unter ihrer Haut, aber nicht die hohle Kälte in meinem Inneren. Selbst eine heiße Dusche konnte sie nicht vertreiben. Die Schuld lässt meine Glieder schwer werden, habe ich wieder einmal Chopper enttäuscht. Meinem einzigen Gefährten in all der Zeit, der soviel für mich geopfert hat und noch immer nicht bereit ist loszulassen. Vieles habe ich in meinen Alkoholexzessen getan und gesagt, für die es keine Entschuldigungen gibt ... besonders ihm gegenüber nicht. Die Angst, dass es erneut so weit mit mir kommt, sitzt ihm tief im Nacken ... ist ein ständiger Begleiter seiner Sorgen. So lange schon habe ich keinen Alkohol mehr angerührt, um ihm die Befürchtungen zu nehmen ... ihn wieder auf eigenen Beinen stehen zu lassen. Doch irgendwie scheine ich es nicht zu schaffen ... komme gegen seinen Willen, die Verantwortung für uns beide zu übernehmen, nicht an. Eine federleichte Berührung an meinem Rücken lässt mich wieder in den fahlen Spiegel sehen, in dem mich zwei meergleiche Augen besorgt mustern. "Lass das bitte." Obwohl es nicht meine Absicht ist meine Worte schroff klingen zu lassen, ist es mir im Moment egal, während ich einen kurzen Schritt zur Seite mache, um der sanften Berührung von Robins Fingern zu entgehen, die sich langsam der juckenden Narbe nähern. In der Hoffnung einer Befragung aus dem Weg gehen zu können, drehe ich entschlossen den Wasserhahn auf und spritze mir eiskaltes Wasser ins Gesicht. "Erzählst du mir, was passiert ist?" Soviel also zu dem Thema Glück! Aber etwas anderes habe ich von ihr auch gar nicht erwartet. Doch zum Reden habe ich keine Lust ... nicht darüber ... nicht über die Zeit, nachdem ich die Flying Lamb verlassen habe. "Das geht dich nichts an." "Aber vielleicht hilft es dir, wenn du darüber redest. Und ich würde auch gerne verstehen, was mit dir geschehen ist." Zorn überzieht meinen Körper und meinen Verstand, lässt mich den Griff um das Waschbecken festigen, bevor ich mich in einer schnellen Drehung zu ihr umwende, so dass Robin erschreckt einen Schritt zurücktritt. Doch der Zorn gilt nicht ihr, sondern mir, genauso wie auch der Selbsthass auf das, was ich getan habe. Dennoch kann ich ein humorloses Auflachen nicht verkneifen. Auch nicht den unterschwelligen Vorwurf in meiner Stimme, der ein kurzes Aufblitzen der Enttäuschung in ihren Augen hervorruft. "Du willst wohl immer alles verstehen und analysieren, was? Aber gut, bitte, dann mach dir eine Vorstellung davon, wie ich Tag für Tag an irgendeinem Spieltisch sitze, wo ich fast ständig das verdammte Geld verloren habe, das Chopper mühsam mit dem Verkauf seiner Medizin verdient hat." Langsam, Wort für Wort, dränge ich Robin zurück, bis sie die kalte Wand an ihrem Rücken spürt und ich meine Arme zu beiden Seiten ihres Kopfes abstütze, um ihr jegliche Fluchtmöglichkeit zu nehmen. Ich weiß nicht, was mich dazu bringt ihr die harte, unverblümte Wahrheit ins Gesicht zu schleudern. Doch kann ich nicht damit aufhören, obwohl ein Anflug von Pein ihr Gesicht überzieht und mir womöglich jede Chance auf einen Neuanfang nimmt, verliere ich wahrscheinlich ihre Achtung. "Ich habe mir den Verstand mit Alkohol zugedröhnt, um nicht über mein Tun und mein Leben nachdenken zu müssen. In jeder Nacht, in der ich noch in der Lage war zu laufen, habe ich in den Armen von Huren verbracht und deren Körper bis zum geht nicht mehr erkundet und geschmeckt, um dich zu vergessen. Aber dann, eines Abends, ist das Glück für einen kurzen Moment zu mir zurückgekehrt und hat mich ein Kartenspiel nach dem anderen gewinnen lassen. Doch weißt du, wie meine Mitspieler darauf reagiert haben? Sie haben mich des Falschspiels beschuldigt. Aber glaubst du, sie haben sich damit zufrieden gegeben?" Ich gebe ihr erst gar nicht die Möglichkeit zu einer Antwort, sondern rede einfach weiter ... zischend ... leise ... ohne das verräterische Glitzern in ihren Augen zu beachten. Wie versteinert und mit bleichem Gesicht steht Robin vor mir, ihr Gesicht nur wenige Zentimeter von meinem entfernt. "Nein! Und soll ich dir verraten, was sie getan haben? Zuerst haben sie mich windelweich geprügelt. Es war auch gar nicht so schwer, da ich so dermaßen betrunken war, dass ich nicht einmal die Schmerzen wahrnahm, als mir diese dreckigen Kerle drei Rippen brachen. Aber die Schläge waren für sie nicht genug, musste die Strafe für mein angebliches Vergehen doch härter ausfallen, woraufhin sie mich auf den Rücken drehten, nachdem sie mir mein Hemd vom Körper gerissen haben. Für diese Männer war es ein regelrechter Spaß, als sie heißes Wachs auf meinem Rücken träufelten. Doch auch das hat ihnen nicht gereicht, so dass sie mir danach immer wieder und wieder eine brennende Kerze an die Haut hielten. Erst ab diesen Zeitpunkt, in der der Schmerz meinen Körper zu zerreißen drohte und der Geruch MEINES verbrannten Fleisches in die Nase stieg, erst dann wurde der ganze Alkohol mit einem Schlag aus meinem Verstand getrieben. Hast du jetzt genug Stoff zum Verstehen?" Angewidert von mir selbst, aber auch aus Furcht vor dem, was ich in Robins Augen erblicken könnte, wende ich mich mit einem heftigen Ruck von ihr ab ... befreie sie aus dem engen Gefängnis, das ich mit meinem Körper geschaffen habe. Neben meinem schweren Atmen höre ich hinter mir, wie sie mit einem zittrigen Zug tief Luft holt, derweil meine Anspannung und mein Zorn langsam von mir abfallen und einem Gefühl der Schwerelosigkeit Platz machen. "Du hast Recht! Ich hätte mich euch damals nie anschließen dürfen." "Was?" Verwirrt drehe ich mich wieder zu ihr um, kann ich den Sinn ihrer geflüsterten Worte nicht verstehen. "Es ist meine Schuld, dass es so zwischen uns allen gekommen ist. Wenn ich nicht gewesen wäre, wäre das alles auch gar nicht passiert." Mit einem gequälten Lächeln sieht sie mich mit tränennassen Augen an, die die Farbe der sturmgepeitschten See angenommen haben und Zeugnis von ihrem aufgewühlten Inneren geben, bevor sie ihren Blick dann senkt und Anstalten macht das Badezimmer zu verlassen. Laut fällt die bereits zu einem Spaltweit geöffnete Tür zurück ins Schloss, als ich mit schnellen Schritten hinter Robin trete und eine Hand schwer gegen das Holz drücke. "Du kannst nicht erwarten, mir erst so was an den Kopf zu knallen, um dann einfach klanglos verschwinden zu können." "An der Wahrheit lässt sich aber nichts verändern." Ungewollt muss ich grinsen, kommt bei ihr mal wieder ihr unnachgiebiger Sturkopf zum Vorschein, den sie eigentlich nur sehr selten zeigt. Kopfschüttelnd über ihre verdrehte Sichtweise lege ich meinen freien Arm um ihre Taille und ziehe sie näher an meinen Körper heran, der von nichts weiterem bedeckt wird als von dem Handtuch um meine Hüften. Einen kurzen Augenblick lang versteift sie sich in meiner Umarmung, scheint sie damit nicht gerechnet zu haben. "An der Wahrheit will ich auch nichts ändern. Doch sehe ich sie ganz anders als du." "Und wie siehst du sie?" Es dauert einen Moment bis die Frage in mein Bewusstsein dringt, lenkt mich der süßliche Duft ihres Haars ab, den ich tief einatme und tausend Vorstellungen in meinem Kopf entstehen, die alle nicht sehr jugendfrei sind. Am Stärksten jedoch wächst in mir der Wunsch heran sie nie wieder loszulassen. "Dass es mit dir zusammen eine schöne Zeit war. Eine sehr schöne Zeit, die ich nie erlebt hätte, wenn du dich uns nicht angeschlossen hättest. Außerdem habe ich auch meinen Teil dazu beigetragen, dass es mit uns nicht geklappt hat. Glaube mir, ich wollte bei dir sicher nicht den Eindruck erwecken, dass ich dir die Schuld daran gebe, was ich getan habe. Dafür trage ich ganz allein die Verantwortung." "Es hat wohl keinen Sinn mit dir darüber zu diskutieren, oder?" "Nein, denn mein Dickkopf ist weitaus ausgeprägter als deiner." Sanft streichen ihre pechschwarzen Haare über mein Gesicht, als sie in einer ergebenen Geste ihren Kopf leicht schüttelt und dabei leise aufseufzt. "Hast du es geschafft?", fragt sie mich dann mit einem leicht unbehaglichen Unterton in der Stimme. "Was denn?" "Mich zu vergessen." Schweigend löse ich meine Umarmung und wende mich dem kleinen Hocker neben der Badewanne zu, auf dem in einem unordentlichen Haufen meine Klamotten liegen. Mit dem gebührenden Respekt und dem gewohntem Anflug von Ehrfurcht in meinem Herzen nehme ich das Wado-Ichi-Monji in die Hand. Sofort spüre ich die Aura Kuinas durch meinen Körper fluten, die mich schon so manches Mal in einem Kampf gestärkt hatte. Doch seine ursprüngliche Bedeutung, als ich das Schwert damals nach ihrem Tode erhalten habe, hat es verloren, steht es nicht mehr länger nur für die Erfüllung meines Traums, sondern auch für die Hoffnung eines Neubeginns. Entschlossen wende ich mich wieder Robin zu, die mich abwartend und mit einem neugierigen Funkeln in den Augen betrachtet. Wenige Schritte vor ihr bleibe ich stehen und halte ihr stumm mein Schwert entgegen. Mit leicht gekräuselter Stirn blickt sie mich an, bevor sie die Scheide mit ihren schlanken, weichen Händen umfasst. Den Atem anhaltend, sehe ich ihr dabei zu, wie ihre dunklen Augen über das Schwert gleiten, bis sie an den silbernen Gliedern der Kette haften bleiben, an denen die schwarze Rose herabhängt. Kapitel 26: Robin: Desire ------------------------- Unscheinbar, schlicht und billig … Eigenschaften, mit denen man den einfach gehaltenen Anhänger, der an den zierlichen, dünnen Gliedern der Kette hängt, beschreiben kann. Und dennoch hat die liebevoll gestaltete Rose in meinen Augen einen unbezahlbaren Wert, steckt in ihr soviel von meiner Liebe. Es ist, als würde ich eine weite Reise in die Vergangenheit machen. Die Wände links und rechts von mir verwandeln sich in weißen Mörtel und strecken sich weit dem strahlendblauen Himmel entgegen, während vor mir eine lange, enge Gasse liegt. Ich stehe wieder vor dem kleinen Laden mit seiner buntgemischten Auslage, in der allerlei Sachen, von einer edelaussehenden Pfeife aus hellem Braun bis hin zu einem farbenfrohen kleinen Modell eines Kinderkarussells, ordentlich zur Schau gestellt werden. Doch das alles rückt in weiter Ferne, wird mein Blick von der schwarzen Rose, gebettet auf weißem Tuch, wie magisch angezogen. Ich wusste, dass ich sie haben musste! Sie war, und ist es immer noch, perfekt, trotz ihrer Schlichtheit. Von uns beiden ist die Rose die einzig wahre „Geheimnisvolle Schöne“, wie Zorro mich immer genannt hat, wenn wir alleine waren. Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren, während meine Gedanken langsam aus der Vergangenheit zurückkehren und den Geruch von Pinienholz und den leisen Hauch von Lavendel, die mich in dem Geschäft umfangen haben, hinter sich lassen, so dass ich nicht sagen kann, wie lange wir bereits regungslos an Ort und Stelle stehen, ohne einen Muskel zu rühren oder auch nur einen Ton von uns zu geben. Dass ich die Kette noch einmal sehen würde … und dann noch ausgerechnet an der Scheide seines geliebten Schwertes … stürzt mich in ein tiefes Loch, in dem weder Gedanken noch Worte herrschen. Nur Gefühle existieren in meinem Verstand, wärmen mein Blut und lassen mein Herz schneller schlagen. Noch immer spüre ich die Wirkungen seiner erregten Offenheit, mit der er mich zuvor gegen die Wand gedrängt hatte. Zu dem Schmerz über das, was er erlitten hat, und der noch vorhandenen Schuld, die seine Worte nicht besänftigen konnte, gesellt sich Verwirrung und Freude über diese bedeutungsstarke Geste. Selbst Worte hätten die angenehme Erschütterung meines Selbst nicht auslösen können, die meine Hände zittern lassen. Langsam, noch immer unwissend darüber, was ich tun soll oder was Zorro von mir jetzt eigentlich erwartet, blicke ich auf und begegne seinen dunklen, eindringlichen Augen, die geduldig auf mich gerichtet sind und jede Regung von mir wahrnehmen. Seine Gedanken sind dabei völlig von der Außenwelt abgeschottet, so dass ich es nicht vermag hinter seiner scheinbar ruhigen Fassade blicken zu können. Doch instinktiv weiß ich, dass er nicht so teilnahmslos tut … dass sein Inneres auf meine Reaktion gespannt ist. Daher lege ich behutsam das Wado-Ichi-Monji neben die beiden anderen Schwertern, bevor ich es Zorro gleichtue und mein Handeln für mich sprechen lasse, da jedes Wort, das mir in den Sinn kommt, plump und nichts sagend in meinen Ohren nachhallt. Ohne den Blick von seinen Augen abzuwenden, in denen kurz ein helles Flackern aufblitzt, komme ich seinem Gesicht Zentimeter für Zentimeter näher, bis ich seinen Mund mit einem sanften Kuss umfange. Wie ein Fels in der Brandung bleibt er weiterhin vor mir stehen, und nur die Weichheit seiner Lippen sowie das dunkle, knurrende Brummen, das tief aus seiner Kehle aufsteigt, verraten mir sein Wohlgefallen. Allzu schnell jedoch intensiviert sich der Kuss und begierig erforschen sich unsere Lippen. Stahlharte Arme legen sich um mich, streichen verlangend an meinem Rücken entlang, während ich, von der nackten Brust bedrängt, deren angespannte Muskeln ich unter meinen Fingerspitzen fühle, Schritt für Schritt nach hinten zurückweiche, mehr stolpernd als gehend. Erneut spüre ich die kalte Wand an meinem Rücken. Doch dieses Mal ist das Gefühl nicht beengend … komme mir nicht wie ein wildes Tier vor, das vor der Flinte des Jägers steht und auf das unvermeintliche Ende wartet. Vielmehr gibt sie mir Halt, genau wie auch der starke Körper vor mir, raubt mir das stürmische Verlangen in mir fast sämtliche Kraft. Bereitwillig und mit freudiger Erwartung öffne ich meinen Mund, um seiner gierig vorstoßenden Zunge Einlass zu gewähren, die sich auch sofort auf meine stürzt und sie in einem leidenschaftlichen Tanz umschlingt. Gleichzeitig wandern seine rauen Hände zielstrebig an meinen Schultern hinab zum Saum meines Pullovers, unter dem sie sich sogleich auch schieben, um über die nackte Haut meines Bauches zu streicheln, die unter seinen fordernden Berührungen zu glühen scheint. Nicht weniger entflammt von der Begierde, komme ich ihm entgegen. Lustvoll schlinge ich ein Bein um seine Hüfte und presse ihn fest an meine Mitte … lasse ihn mein ungehemmtes Verlangen spüren, das verzweifelt nach der Befriedigung sucht, die nur er mir geben kann. Versunken in dem sinnlichen Spiel unserer Zungen, eine Hand dabei in seinem noch leicht feuchten Nackenhaar vergraben, werfe ich einen Blick über seine Schulter zur gegenüberliegenden Wand, wo ich uns beide im Spiegel erblicke. Der Anblick unserer leidenschaftlichen Umarmung schürt das Verlangen in mir zu ungeahnte Höhen. Flüssiges Feuer, gleich einer kochenden Lava, rauscht in schnellen Strömen durch meine Blutbahnen, um sich dann im Zentrum meiner Lust anzusammeln. Verzweifelt auf der Suche nach der Erlösung aus diesem sinnestreibenden Delirium reibe ich mich unkontrolliert wie eine rollige Katze an seinem Körper, dessen Verlangen sich deutlich gegen meinen Schoß drängt. „Warte, Robin! Warte!“ Völlig berauscht von dem lustvollen Taumel, der meinen Körper unter dieser Wucht erzittern lässt, nehme ich nur langsam wahr, dass Zorro seine Hände unter meinen Pullover hervorgenommen hat und sich jetzt schwer atmend an der Wand abstützt. Auch braucht es eine Weile, bis der Sinn seiner Worte die Begierde in mir durchdringt, die mein Bewusstsein völlig benebelt hat. Selbst wenn man mir einen Schwall kaltes Wasser über den Kopf geschüttet hätte, wäre das Entsetzen gleich geblieben, das mir in diesem Moment meine Brust zuschnürt und mir das Atmen erschwert. Mein Gesicht, bar jeglicher Farbe, in dem meine Augen unnatürlich groß wirken, blickt mir im Spiegel entgegen, während ich auf eine Erklärung für das abrupte Ende warte, das jegliche Spur des Verlangens aus meinem Körper getrieben hat. „Wenn du noch auf deine Kosten kommen willst, solltest du einen Gang zurückschalten.“ Schwer lehnt seine Stirn auf meiner Schulter und seine Stimme dringt leise zu mir heran, unterdrückt von dem weichen Stoff meines Pullis, so dass ich mich anstrengen muss, um seine Worte verstehen zu können. Unglauben breitet sich in mir aus. „Einen Gang zurückschalten?“ „So unglaublich erregend deine feurige Seite auch ist, überfordert sie dennoch meine Selbstbeherrschung.“ Mit einem diabolischen Grinsen auf den Lippen blickt er zu mir auf, weiß er ganz genau, was mir vor wenigen Sekunden noch durch den Kopf ging. Mein Lächeln, das nicht minder hinterhältiger als seines ist, bewegt ihn zur Vorsicht, schreit sein gemeines Unterbrechen unserer Zweisamkeit förmlich nach Vergeltung, weshalb ich ihn kraftvoll von mir stoße. Kurz blitzt die Überraschung in seinen Augen auf, bevor sich der warme Glanz dann in erwartungsvolle Neugier verwandelt, als ich damit beginne ihn mehrmals zu umkreisen, wobei mein Blick seine gesamte Erscheinung in sich aufnimmt. Genüsslich streife ich dabei mit einem Finger über seine nackte Haut, während das glühende Feuer der Leidenschaft wieder in seinen Augen auflodert. „Ich frage mich, ob du dich besser beherrschen kannst, wenn wir es langsamer angehen“, raune ich ihm leise und verheißungsvoll zu, was bei ihm eine Gänsehaut und ein nervöses Auf- und Abhüpfen seines Adamsapfels auslöst. Einige Schritte von ihm entfernt bleibe ich stehen und blicke ihm fest in die Augen, während meine Hände den Saum meines Pullis umfassen. Quälend langsam ziehe ich das Kleidungsstück hoch, wobei sich sein heißer Blick an jeden Zentimeter Haut richtet, der frei wird. Immer wieder zucken dabei seine Finger, so, als würden sie im Geiste über meinen Bauch gleiten. Das wiederentflammte Verlangen pulsiert kochend durch meinen Körper angesichts dieser Vorstellung, während ich mein Oberteil über den Kopf streife. Diesen kurzen Augenblick, in dem mein Blick von ihm abgewendet ist, nutzt Zorro schamlos aus, um die wenigen Schritte zwischen uns zu überwinden und meine Arme auf dem Rücken einzufangen. „Dieses Spiel kann man auch zu zweit spielen.“ Bevor mir auch nur ansatzweise klar wird, was seine rätselhaften Worte zu bedeuten haben, spüre ich den weichen Stoff des Pullis um meine Handgelenke und auf seinen Lippen zeigt sich wieder dieses diabolische Grinsen. Verzehrende Erregung lässt meine Beine zittern, verstärkt durch die eingeschränkte Bewegungsfreiheit meiner gefesselten Hände, während seine vorwitzige Zunge an meiner Kehle hinab über das Brustbein zu meinem Bauch fährt. Spielerisch umkreist sie mehrmals meinen Bauchnabel, das ein kitzelndes Zucken der Muskeln auslöst. Gleichzeitig streifen seine Hände am Bund meiner Hose entlang, bevor sie sich dann entschlossen am Verschluss zu schaffen machen. Unlängst habe ich die Kontrolle über meinen Körper verloren, überlagert die süße Folter vollkommen meinen Verstand. In diesem Augenblick nehme ich nichts anderes mehr wahr als das zu stillende Verlangen und den Mann zu meinen Füßen, der seinen sinnlichen Angriff auf meinen Körper, meine Seele und mein Herz unbarmherzig fortsetzt. Langsam streift er mir Hose und Slip von den Beinen, wobei seine warmen Hände elektrische Stromstöße auf meiner bereits schon übermäßig sensibilisierte Haut hinterlässt, die mich noch weiter in die Lüfte empor zu den Sternen tragen. Und als er dann anfängt von meinem süßen Nektar zu kosten, kann ich mich nicht mehr länger auf den Beinen halten und sacke kraftlos zu Boden, wobei mich seine Arme im Fall auffangen. „Alles in Ordnung?“ Lächelnd blickt er mich an, wobei mich ein gewisser Stolz in seinen Augen anblitzt, während er zugleich meine Hände vom Pulli befreit. „Frag mich das noch mal, wenn mein Körper wieder zur Ruhe gekommen ist.“ „Bis dahin wird es wohl noch ein wenig dauern.“ Er hat kaum seinen Satz beendet, als seine Lippen auch schon meine umschließen. Langsam lasse ich mich zurück auf den Rücken sinken und ziehe Zorro, die Arme um seinen Hals gelegt, mit mir, so dass sein gesamtes Gewicht auf mir zu liegen kommt. Sofort spüre ich sein sanftes Eindringen, als ich meine Beine verlangend um seine Hüften schlinge. Begierig dränge ich mich seinen schnellen, harten Stößen entgegen und beende den alles verschlingenden Kuss, um wieder Atem zu schöpfen. Unzusammenhängende Laute dringen dabei aus meiner Kehle, während ich, angestachelt durch das raue, abgehakte Stöhnen dicht an meinem Ohr, bereits die ersten Anzeichen des herannahenden Höhepunkts spüre, der mich schließlich in explosionsartigen Wellen überrollt. Gleichzeitig spannen sich die Schultermuskeln unter meinen Fingern an, während sich der Körper über mir nach einem letzten kraftvollen Stoß versteift. „War es schon immer so heftig zwischen uns?“ Ich habe keine Ahnung wie viel Zeit vergangen ist, als er sich von uns beiden als erster regt und sich auf seine Arme stützt, um zufrieden lächelnd auf mich hinabzublicken. Dass er noch Kraft für eine derartige Anstrengung aufbringen kann, ist mir unbegreiflich, während ich selbst das Gefühl habe keinen Muskel mehr rühren zu können. Doch im nächsten Augenblick werde ich eines Besseren beleert, muss ich mir schnell auf die Lippen beißen, als mein Blick auf einen bläulichroten Flecken an seiner Halsbeuge fällt, an dem noch einige Abdrücke meiner Zähne zu sehen sind. „Was ist?“ „Nichts“, antworte ich ihm mit einem unterdrückten Lachen in der Stimme. Kapitel 27: Ruffy: Punishment ----------------------------- Schnaufend stemmt sich der Wärter gegen die schwere Metalltür, die sich langsam öffnet und strahlendes Licht in den fahlbeleuchteten Gang einlässt. Die ungewohnte Helligkeit blendet mich so stark, dass ich den Kopf abwende und die Hände abwehrend hochreiße. Im nächsten Augenblick spüre ich einen harten Schlag im Rücken, der mich vorwärts taumeln lässt. „Hey! Immer mit der Ruhe, okay.“ Wutentbrannt funkle ich den Soldaten hinter mir an, der seinen Schlagstock geradezu provozierend immer wieder leicht in seine offene Handfläche schlägt. Dass meine Reaktion ein Fehler war, fällt mir im selben Moment auf, als er mir mit seinen Stock einen nicht minderheftigeren Schlag als zuvor in die Rippen verpasst. Sterne explodieren vor meinen Augen, als der Schmerz mich in die Knie sinken lässt und ich ein wehleidiges Stöhnen nicht vermeiden kann. Mit viel Feingefühl betaste ich mit den Fingerspitzen meine Rippen, während ich versuchsweise tief einatme. Aber es scheint, als wenn es nur bei einer Prellung bleibt. Eine gebrochene Rippe wäre in diesem Gefängnis eine fatale Folge, wobei ich wirklich mehr als erleichtert sein darf, dass es bislang nur bei einigen Blessuren geblieben ist. Mühsam rapple ich mich wieder auf die Beine, da mir die Eisenketten um Hände und Füße nur wenig Bewegungsfreiheit erlauben. Auch wenn es mich einige Verrenkungen kostet, versuche ich mich zu beeilen, um dem Soldaten keinen weiteren Grund für einen weiteren brutalen Schlag zu liefern. In diesem Falle sollte ich wohl eher sagen, dass ich ihm keinen triftigen Grund liefern sollte. Schon lange weiß ich, dass die Soldaten jede Gelegenheit nutzen, um die Häftlinge auf jedwede Weise zu quälen. Und dabei ist es egal, ob sie die Wärter dazu provoziert haben oder einfach nur zu laut gehustet haben. Doch kaum, dass ich wieder auf den Beinen stehe, versetzt mir der Soldat wieder einen Stoß zwischen den Schulterblätter, so dass ich nun im Freien stehe. Diesmal jedoch verkneife ich mir jegliche Reaktion, sondern starre ihn nur mit unbeweglichen Gesichtsmuskeln an. Das Feixen auf seinem Gesicht schwindet und ein bedrohlicher Glanz tritt in seine Augen, nachdem er feststellen muss, dass ich ihm nicht den verhofften Ärger einbringe. Mit einem undefinierbaren Knurren dreht er sich schließlich um, ohne mich noch eines Blickes zu würdigen. Ich warte, bis sich die Metalltür hinter ihm geschlossen hat, bevor ich mich dem kleinen eingezäunten Hof zuwende. Weiße Atemwölkchen steigen vor meinem Gesicht auf und schnell klemme ich mir meine Hände unter die Achselhöhlen und stampfe ein paar Mal mit den Füßen auf, um mich wenigstens ein bisschen zu wärmen. Die spärliche Kleidung, die bei jedem Häftling gleich ist, hält einen zwar in der Nacht warm, aber nicht an der frischen Luft. Neugierig lasse ich meinen Blick über den gesamten Innenhof schweifen, der durch die dreimeterhohen Zäune in drei Partitionen aufgeteilt ist: der Freigangshof der Männer, der Freigangshof der Frauen und dazwischen die breit angelegte Straße, die vom großen eisengeschmiedeten Tor zum Eingang des Gefängniskomplexes führt. Ein kurzer Blick verrät mir, dass diese völlig von Schnee befreit ist im Gegensatz zum Hof. Jedoch wundert es mich kaum, schließlich müssen die Gefangenentransporte ungehindert rein und raus fahren können. Aber wenn ich mir die schlammige Straße mit den matschigen Furchen so ansehe, kann ich es mir nicht so wirklich vorstellen, dass die Wagen jetzt besser durchkommen, als wenn noch immer Schnee liegen würde. Kurz wird meine Aufmerksamkeit auf eine kleine Gruppe am Ende des Zaunes gelenkt, wo ein kleiner Mann von zwei Soldaten flankiert wird. Was genau sie dort tun, kann ich nicht genau erkennen. Aber auf mich macht es den Eindruck, als wenn der Mann irgendwas direkt am Zaun macht. Hat sich Ironwhip eine neue Gemeinheit einfallen lassen, womit er die Häftlinge triezen kann? Wundern würde es mich nicht bei seinem sadistischen Charakter. Mein Interesse an dem Geschehen verfliegt jedoch schnell, so dass ich meinen Blick weiter über den Hof lenke. Zehn weitere Häftlinge haben mit mir zusammen den Luxus eines einstündigen Freigangs erhalten. Wobei, von Luxus kann nicht die Rede sein, angesichts der eisigen Temperaturen und unserer luftigen Kleidung. Hinzu kommt noch, dass es überhaupt keine Beschäftigungsmöglichkeiten gibt. Es befinden sich noch nicht einmal Bänke oder Tische hier draußen, an denen man sich hätte hinsetzen können. So gesehen könnte man den Freigang auch als Strafe bezeichnen. In meiner kleinen Zelle hätte ich es zumindest bequemer – und wärmer. Schließlich bleiben meine Augen an eine kleine zusammengekrümmte Gestalt hängen, die auf der anderen Seite an der Mauer sitzt, die das komplette Gefängnis umzäunt. Mein Herz vollführt einen kleinen, freudigen Hüpfer, da ich Lysop seit unserer Ankunft nicht mehr gesehen habe. So schnell wie es meine Fußfesseln erlauben, gehe ich zu ihm, da ich gespannt bin, wie es ihm in der ganzen Zeit ergangen ist. Ein wenig wundert es mich, dass er nicht aufschaut, als ich vor ihm stehen bleibe, da er meine Schritte doch sicherlich gehört haben muss. „Lysop“, spreche ich ihn schließlich an. Es bleibt mir nicht verborgen, dass er beim Klang meiner Stimme zusammenzuckt. Als er dann doch noch aufschaut, bleibt mir im wahrsten Sinne des Wortes die Spucke weg. Entsetzt wandern meine Augen über das grotesk entstellte Gesicht. Mehrere kleine Platzwunden zieren die sonst so oft gerunzelte Stirn. Das linke Auge ist völlig zu geschwollen und hat sich tiefblau verfärbt, während sich unter dem Rechten nur eine leichte Verfärbung zeigt. Darunter befindet sich eine weitere Platzwunde, die von geronnenem Blut umrandet ist. Obwohl ich kein Fachmann bin, erkenne ich sofort, dass die Nase an mindestens zwei Stellen gebrochen ist. Die Lippen sind an mehreren Stellen aufgeplatzt und unter dem getrockneten Blut kaum zu erkennen. Sein Gesicht sieht wirklich so aus, als hätten jemand oder mehrere seinen Kopf als Punchingball benutzt. Einen flüchtigen Moment lang frage ich mich, wie der Rest seines Körpers aussieht. „Sieht wohl nicht gerade hübsch aus, was?“, krächzt Lysop mit schwacher Stimme. Ich sehe, wie er seine Lippen zu einem Lächeln verziehen möchte. Doch sein Versuch scheitert lediglich in einer schmerzverzerrten Grimasse, wodurch die Wunden an seiner Unterlippe wieder aufplatzen. Ungeachtet des nasskalten Schnees setze ich mich umständlich neben ihm. Noch immer befinden sich mein Körper und Geist in einer bodenlosen Fassungslosigkeit, in der ich unfähig bin auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. „Was ist passiert?“, frage ich ihn schließlich mit einer Stimme, die meine Ungläubigkeit widerspiegelt. Ein kurzes, hartes Auflachen von Seiten Lysops folgt prompt auf meine Frage. „Kannst du dir das denn nicht denken?“ Er schaut mich mit einem langen, intensiven Blick an, bis ein seltsamer Ausdruck in seinem einigermaßen heilgebliebenen Auge tritt, den ich nicht zu benennen weiß. Dann schüttelt er in einer sachten Bewegung seinen Kopf. „Nein, natürlich nicht! Wie solltest du das auch wissen.“ „Was meinst du?“, frage ich völlig verwirrt. Nicht nur seine Worte, auch seine Stimme klingt anklagend, als wären die Verletzungen meine Schuld. Währenddessen wirft er mir wieder diesen undefinierbaren Blick zu, in dem ich jetzt einen feurigen Glanz erkenne. Und mit einem Male trifft mich die Erkenntnis. Lysop ist voller Wut … Wut auf mich! Aber warum? Ich weiß ja nicht einmal, was passiert ist. „Sieh dich doch an!“ Seine Stimme ist jetzt lauter und kräftiger, während sein Körper so dermaßen angespannt ist, dass ich den Eindruck habe, er wolle jeden Moment auf mich losgehen. Gleichzeitig untermalt er mit einer harschen Handbewegung seine Worte, wobei er mich geradezu auffordert mich einmal selber zu betrachten. Im selben Augenblick jedoch verzieht sich sein Mund wieder vor Schmerzen, an dessen Winkeln ein paar Blutstropfen herab rinnen. Ich kann noch einen kurzen Blick auf seine Hand werfen, bevor Lysop seinen Arm wieder um sich schlingt. Dennoch konnte ich erkennen, dass zwei seiner Finger in einem merkwürdigen Winkel standen. Eine Eiseskälte greift nach meinem Herzen, als ich allmählich begreife, dass man Lysop nicht einfach nur verprügelt hat. Er wurde gefoltert! „Du bist Monkey D. Ruffy! Du bist der Strohhutbengel! Du bist der Gummimensch!“ Pure Verachtung spricht aus Lysop heraus. Und jeder Satz tut mir in der Seele weh … aber ich lasse ihn reden. „Du bist derjenige, der Sir Crocodile besiegt hat – einen von den sieben Samurai der Meere! Sie werden sich schön hüten dich anzugreifen. Also nehmen sie mich! Ich bin ein Niemand! Ich bin schwach! Mit mir können sie ja machen, was sie wollen.“ Als hätte er seine gesamte Energie verbraucht, sacken seine Schultern herab. Und wahrscheinlich hat er das auch. Wenn man von den ganzen Verletzungen absieht, so macht Lysop dennoch keinen guten Eindruck. Seine Wangen sind eingefallen, seine Haut ist blass und unter den Augen zeichnen sich blaue Ringe ab. Er ist kaum noch von den anderen Häftlingen zu unterscheiden. Und diese Tatsache macht mir Angst! „Es tut mir Leid.“ Kurz lacht Lysop auf … hart … humorlos … bevor er dann zu einem Konter ausholt. „Ein Tut mir Leid reicht nicht. Oder hilft es mir hier heraus?“ Herausfordernd schaut er mich an, doch ich kann den Kopf nur verneinend schütteln. Als hätte Lysop nichts anderes erwartet, zuckt er mit den Schultern. „Von Anfang an hast du uns in Schwierigkeiten gebracht. Immer wieder. Aber hast du uns jemals nach unserer Meinung gefragt? Nicht ein einziges Mal! Du bist immer davon ausgegangen, dass wir mit deiner Entscheidung einverstanden sind. Aber du warst ja auch unser Kapitän! Und einem Vorgesetzten hat man nicht zu widersprechen. Jetzt siehst du ja, was wir davon haben! Nami ist bestimmt schon längst tot. Und wir beide werden es auch bald sein. Soll ich dir mal was sagen? Zorro, Sanji und die anderen haben es genau richtig gemacht, in dem sie dich verlassen haben. Wahrscheinlich war nicht einmal der Streit der Auslöser für die Trennung, sondern die Erkenntnis darüber, dass du unser Untergang bist!“ Ungeachtet seiner Verletzungen springt Lysop nach seinen letzten Worten wutentbrannt auf. Und ohne mir die Gelegenheit zur Verteidigung zu geben, stapft er über den Hof. An der Tür hebt er die Hand und klopft ein paar Mal an, bis sich die Metalltür schwerfällig öffnet. Indes starre ich vor mir hin, während die winterliche Kälte längst durch meine Kleidung gedrungen ist. Doch ich spüre sie nicht. Ich spüre gar nichts … bis auf den tiefen Schmerz, den Lysops Worte in meinem Inneren verursacht haben. Die neugierigen Blicke der anderen Häftlinge bemerke ich nur aus den Augenwinkeln heraus, doch sind sie für mich nicht weiter beachtenswert. Die Lethargie, die meinen Geist umhüllt, lässt mich einfach alles ignorieren. Nur Lysops anklagende Worte hallen in meinem Inneren nach. In mir haben sie tiefe Wunden gerissen und lassen mich an mein vergangenes Verhalten als Kapitän der Strohhutbande zweifeln. Während ich gedanklich unsere Abenteuer Revue passieren lasse, muss ich zu meinem eigenen Schrecken feststellen, dass Lysop gar nicht so Unrecht hat. Tatsächlich habe ich mich stets voller Elan in ein Abenteuer gestürzt, ohne überhaupt an die möglichen Konsequenzen zu denken. Auch kann ich mich an einige Momente erinnern, in denen Lysop und Chopper ihre Bedenken geäußert haben. Aber in meiner voreingenommenen Überheblichkeit habe ich den Einwendungen wenig Beachtung geschenkt, da die beiden immer ein wenig ängstlich waren und sich kaum etwas zugetraut hatten. Ein trockenes Husten lässt mich zu den anderen Häftlingen aufblicken. Alle stehen mit angespannten Muskeln eng in einer Gruppe zusammen, während sie ihre Hände aneinander reiben und ihren Atem in die gepressten Hände hauchen oder von einem Bein aufs andere wechseln. Irgendwo habe ich mal gehört, dass es möglich ist anhand der eigenen Körpertemperatur sich gegenseitig zu wärmen. Wenn das wirklich stimmen soll, dann wundert es mich nicht, dass die Männer so nah beieinander stehen. Insgeheim frage ich mich, wie lange sie schon hier im Gefängnis sind – und auch, wie lange sie noch durchhalten können. Nachdenklich mustere ich jeden von ihnen. Für mich sind sie alle nur namenlose Gesichter. Doch auch wenn ich ihre Namen wüsste, wer weiß, ob ich sie dann überhaupt auseinander halten könnte, denn sie sehen alle gleich aus. Sie haben den gleichen ausgezehrten Körper … den gleichen trostlosen Blick in den Augen … die gleichen eingefallenen Wangen … die gleiche fahle Haut. Mir fällt nur eine Bezeichnung ein, die ihre äußerliche Erscheinung passend umschreibt: lebende Leichen. Wer sie auch früher einmal waren, von ihrer damaligen Identität ist heute nichts mehr zu sehen. Heute sind sie willenlose Sklaven, die sich von den Soldaten alles widerstandslos gefallen lassen. Und in ihnen sehe ich Lysops Zukunft! Er ist bereits auf dem besten Wege dorthin. Ich habe seinen äußerlichen Schein gesehen … und ich habe einen Blick in sein Inneres gesehen. Er ist verzweifelt und ohne Mut. Er hat keine Hoffnung auf Rettung. Seine Worte beweisen, dass für ihn das Gefängnis sein Grab ist. Und auch damit hat er Recht! Betrübt blicke ich an dem riesigen Gebäudekomplex mit seinen kahlen, glatten Wänden und den vergitterten Fenstern hinauf. Wir können wirklich nicht entkommen! Selbst wenn ich es schaffen würde irgendwie an den Schlüssel für meine Fesseln zu kommen und aus meiner Zelle zu flüchten, wie soll ich dann einen Weg aus dem Gefängnis finden, geschweige denn Lysop? Da ich allmählich beginne die Kälte des Bodens zu spüren, stehe ich schwerfällig von meinem unbequemen Platz auf und schlurfe über den Hof. Vielleicht habe ich Glück und der Wärter hinter der Tür hat ein Einsehen mit mir und bringt mich zurück zu meiner Zelle. Und hoffentlich ohne Schmerzen. „Okay, Leute. Ich wäre dann jetzt fertig mit dem Zaun.“ Desinteressiert blicke ich zu der kleinen Gruppe am Zaun hinüber. Von meiner Position aus kann ich jetzt besser erkennen, dass der kleine Mann den typisch braunen Overall anhat, den jeder Handwerker trägt. Und wenn ich seine Worte richtig verstanden habe, so hat er wohl den Zaun repariert. Ein wenig bin ich überrascht darüber, da ich mir keinen Grund vorstellen kann, wie es dazu gekommen sein soll. Es sei denn, einer der Häftlinge hat versucht zu flüchten. Wenn das wirklich zutrifft, dann möchte ich gar nicht wissen, was die Soldaten mit dem armen Kerl gemacht haben – oder Ironwhip. Plötzlich bemerke ich, dass der kahlköpfige Mann mich ansieht. „Wisst ihr, Jungs, ich bin mit meiner Arbeit so zufrieden, als hätte ich beim Pokerspiel zwei Aces“, sagt er laut und mit einem breiten Grinsen. Doch seine Augen sind nach wie vor auf mich gerichtet, wobei ich den Eindruck habe, dass sich sein Blick sogar noch intensiviert hat. Ohne den Blickkontakt zu unterbrechen, bückt er sich hinab zu seinem Werkzeugkasten. Was anschließend passiert, verwirrt mich umso mehr. Immer wieder blickt er mit den Augen zwischen mir und dem Werkzeugkasten hin und her, so, als wenn er mir irgendetwas sagen möchte. Schließlich tue ich ihm diesen Gefallen und beobachte, wie eine seiner Hände einen kleinen, handlichen Gegenstand umfasst. Völlig verwirrt frage ich mich, was er von mir will. Innerlich spüre ich, dass er mir etwas Wichtiges mitteilen will. Aber was? Seltsamerweise liegt dieses Etwas am Rande meines Bewusstseins, aber ich bekomme es einfach nicht zu fassen. Fast scheint es so, dass ich was übersehen habe. „So, meinetwegen können wir nun das Finanzielle regeln. Also, wollen wir?“ Fragend wendet sich der kleine Mann an die beiden Soldaten, die sich lediglich stumm umwenden und auf den Eingang zugehen. Der Kahlköpfige jedoch bleibt noch einen kurzen Moment mit dem Rücken zu mir stehen, eine Hand dabei ins Kreuz gedrückt. Zu meiner perplexen Überraschung steckt er ebendiese Hand durch eine der Zaunmaschen und wirft einen kleinen Gegenstand in den Hof, der ein paar Mal über den Boden hüpft, bis er nahe einer matschigen Pfütze liegen bleibt. Dass der kleine Mann eiligst seinen Bewachern folgt, bekomme ich überhaupt nicht mit, da mein Blick von diesem weißen Etwas wie gebannt ist. Nach einem ewig erscheinenden Augenblick erst schaffe ich es meine Augen davon abzuwenden. Es ist fast so, als wäre ich wie verzaubert, da es mich einige Mühe kostet wieder einen klaren Gedanken zu fassen. Aber vielleicht liegt es auch nur an den Minustemperaturen und die Kälte macht einen schwerfällig. Tief atme ich ein paar Male ein, um mich einerseits ein wenig zu beruhigen, andererseits um meinem Adrenalinspiegel wieder herunterzuschrauben. Komischerweise sind meine Handflächen feucht, was ich auf meine Aufregung zurückführe, und wische sie mir an der Hose ab. Dann blicke ich hinüber zu den Häftlingen, die nach wie vor mit gesenkten Köpfen beieinander stehen. Auch die patrouillierenden Soldaten scheinen nichts von dem Vorfall mitbekommen zu haben, die immer wieder gelangweilt ihre Runden auf der Straße drehen. Als ich mir sicher bin, dass niemand mich beachtet, hebe ich den kleinen Gegenstand auf. Erst jetzt erkenne ich, dass es sich dabei um ein Stück zerknülltes Papier handelt. Neugierig und mit zittrigen Händen streiche ich das Papier glatt, auf das in krummer Schrift nur wenige Worte geschrieben stehen: Rettung ist unterwegs. Pure Erleichterung durchflutet meinen Körper und mit einem breiten Grinsen schließe ich die Augen. Kurz lache ich leise auf, während ich mir innerlich einen festen Tritt in den Hintern verpassen könnte. Und auf einmal fällt es mir wie Schuppen von den Augen! Die Bemerkung des kahlköpfigen Mannes bezüglich eines Pokerspiels war eine Nachricht an mich. Damit wollte er mir sagen, dass Ace auf den Weg hierher ist. Ein schriller Schrei reißt mich jäh in die Realität zurück. Sämtliche Sinne in Alarmbereitschaft blicke ich zum Eingang des Gefängnisses. Als hätte man mir einen Eimer kalten Wassers über den Kopf ausgeschüttet, zerspringt in mir sämtliche Freude, als ich Ironwhip vor den Stufen des Portals erblicke. Zu meinem großen Entsetzen blickt er genau zu mir herüber. In diesem Moment wird mir klar, dass die Tarnung des kleinen Mannes aufgeflogen ist. Gleichzeitig öffnet sich wieder die Metalltür und drei Soldaten treten auf mich zu. Als ihre schweren Schläge und Tritte auf mich einprasseln, wird mir eine weitere Tatsache bewusst. Es war alles geplant! Das überhebliche und arrogante Lächeln Ironwhips hat es mir verraten. Lysops Verletzungen … das Wiedersehen mit ihm … die Auseinandersetzung. Er hat alles bis ins kleinste Detail geplant, nur um mich zu bestrafen … mich zu quälen … mich zu foltern. Und das Ace einen Informanten eingeschleust hat, hat ihm noch zusätzlich in die Hände gespielt. Vorausgesetzt, dass die Nachricht kein Fake ist. Kapitel 28: Sanji: Stray ------------------------ Die Arme über den Kopf gestreckt, um die verspannten Muskeln aufzulockern, trete ich langsam aus der Kombüse, in der ich aufgrund des Geschnarche von Chopper und Ace geschlafen habe. Die lange Zeit mit Robin hat mich einfach zu sehr an Nächte gewöhnen lassen, in denen nichts weiter als unser beider Atem zu hören war, weshalb es mir jetzt recht schwer fällt bei dem nervenzerreibenden Gerazze auch nur ein Auge zuzumachen. Doch weitere Nächte, in der mein Kopf auf der harten Tischplatte gebettet ist, werden meine Muskeln nicht aushalten, protestieren sie schon jetzt gegen jede Bewegung. Eine raue Wolldecke zum Schutz vor der winterlichen Kälte fest um die Schultern geschlungen, gehe ich langsam zur Brüstung, während die dünne Schicht Schnee unter meinen Schritten leise knirscht und sich kleine, weiße Wölkchen bei jedem Atemzug vor meinem Gesicht bilden. Bereits vor einigen Tagen ist die Temperatur unter Null gefallen und immer wieder kommt es zu Schneefällen und Nebelbildungen, weshalb wir auch die Flying Lamb mit Shanks´ Schiff verbunden haben. Auch jetzt sind wir wieder von einer dichten Nebelwand eingehüllt, die mir gerade mal eine Sichtweite von einen Meter, wenn überhaupt, erlaubt, so dass ich von meinem Standpunkt aus nicht einmal mehr den Mast erkennen kann. Während ich mir genüsslich eine Zigarette anstecke, nach deren Nikotingehalt mein Körper gierig verlangt, werde ich mir auf einmal eines kratzenden Geräusches bewusst, das nicht zu den typischen Lauten eines Schiffes passt. Aufmerksam konzentriere ich meine Sinne nur auf das seltsame Geräusch, um herauszufinden, von wo genau es herkommt. Langsam gehe ich daher auf die Reling zu, von wo aus es viel deutlicher zu hören ist. Fast scheint es mir so, als würde etwas gegen den Rumpf kratzen, aber ein Blick über die Reling bringt mich nicht zu des Rätsels Lösung. Jedoch fällt mir auf, dass das Schlagen des Wassers gegen das Holz viel zu gedämpft ist. Entschlossen der Sache auf den Grund zu gehen, kehre ich in die Kombüse zurück und krame in einer Truhe, die mit sämtlichen nicht benutzten Decken verstaut ist, nach einem dünnen Seil und schnappe mir beim erneuten Verlassen des Raums die kleine Sturmlaterne neben der Tür. Schnell zünde ich den Docht an, bevor ich dann ein Ende des Seils am Henkel verknüpfe. Vorgebeugt über der Reling lasse ich die Laterne vorsichtig hinab, wobei ihre Umrisse schon bald vom Nebel verschluckt werden, so dass nur noch ein gelber Lichtpunkt von ihr ausgeht und ich wieder nichts erkennen kann. Dennoch lasse ich die Laterne weiter langsam hinab, bis das Seil dann plötzlich locker zwischen meinen Händen liegt. Verwirrt lege ich meine Stirn kraus, während ich auf den schwachen Lichtschein unter mir blicke, der sich kein Stückchen weit bewegt, was mir verraten hätte, dass die Laterne, trotz des fehlenden Plätscherns beim Eintauchen, auf dem Wasser schwimmen würde. Ein mulmiges Gefühl breitet sich in mir aus, wird mir dabei klar, dass auch wir uns nicht bewegen. Hastig ziehe ich die Laterne wieder rauf und stelle sie auf den Boden neben die Reling, bevor ich dann schnell die Treppe hinabsteige und zum Bug laufe. „Hey, Leute! Hey! Ist schon jemand bei euch wach?“ Das ungute Gefühl, das etwas nicht in Ordnung ist, verstärkt sich zunehmend, als ich nach ein, zwei Minuten immer noch keine Antwort erhalten habe. Klopfenden Herzen greife ich nach dem dicken Tau, das um den Hals der Galionsfigur geschlungen ist, nur um dann feststellen zu müssen, dass das andere Ende nicht wie erwartet am Heck von Shanks´ Schiff befestigt ist. Noch während ich das Tau achtlos aus meinen Händen gleiten lasse, habe ich mich auch schon umgedreht und renne fliegenden Schritts zum Niedergang. Stürmisch reiße ich die Tür zu Namis Zimmer auf, wo sie noch seelenruhig und ahnungslos in ihrem warmen Bett schläft. Für einige Sekunden bleibe ich daneben stehen und blicke gebannt auf die schlafende Schönheit hinab, während ich alles andere um mich herum vergesse. Eine nie gekannte Zärtlichkeit wächst in mir heran, ebenso auch der Wunsch über die sanfte Haut an der Wange zu streichen und Nami mit einem zarten Kuss auf den Lippen zu wecken. Nur zu gerne möchte ich unter ihre Decke schlüpfen, in die sie sich eingewickelt hat, und mich an ihren weichen Körper schmiegen. In den letzten zwei Wochen haben wir es geschafft eine Art Normalität zwischen uns zu schaffen, in der wir uns ganz ungezwungen unterhalten können, aber heikle Themen wie unsere Vergangenheit dennoch meiden. Wir benehmen uns wie zwei Bekannte, die nichts miteinander verbindet … die keine Gemeinsamkeiten haben. Und trotzdem ist da etwas, was von ihr ausgeht und ich nicht in Worte zu fassen vermag. Etwas, was sie dazu bewegt mich mit unsicheren Blicken zu mustern, wenn sie meint, ich bemerke es nicht. Doch was ist es? Was hat dieses merkwürdige Funkeln in ihren Augen zu bedeuten? Ein leiser Seufzer entringt sich ihrer Kehle und reißt mich aus ihrer Betrachtung, wobei mir auch wieder der Grund für meine Anwesenheit einfällt. Entschlossen verdränge ich alle zärtlichen Anwandlungen meines Herzens und richte meine gesamte Konzentration auf das vorliegende Problem. „Nami, wach auf!“ Vorsichtig schüttele ich sie an der Schulter, wobei ein unwilliges Stöhnen von ihr zu hören ist. Mehrmals gegen das helle Licht im Zimmer anblinzelnd, öffnet sie ihre dunklen Augen, bevor sie mir ihr Gesicht zuwendet. An ihrem verhangenen Blick erkenne ich, dass sie noch nicht ganz wach ist. „Sanji? Was ist los?“ Müde reibt sie sich den Schlaf aus den Augen, womit sie mich an ein kleines Kind erinnert. Aber auch ihre benommenwirkende Stimme macht es mir schwer mich nicht ablenken zu lassen, weshalb ich mich kurz räuspern muss, um den dicken Kloß in meinem Hals loszuwerden. „Wir stecken in Schwierigkeiten.“ „Das ist nichts Neues“, antwortet sie mir trockenen Tons, während Nami sich langsam in ihrem Bett aufsetzt und ihre Beine umschlingt, bevor sie mich dann erwartungsvoll anblickt. „Ich rede hier von erheblichen Schwierigkeiten. Wir haben die anderen verloren.“ „Was soll das heißen?“ „Das Seil ist irgendwann in der Nacht gerissen.“ Die Müdigkeit ist vollkommen von ihr abgefallen und hat einer Angespanntheit, die meine Nachricht ausgelöst hat, Platz gemacht, während sie stöhnend ihr Gesicht in ihren Händen vergräbt. „Auch das noch! Ist das Schiff wenigstens noch irgendwo zu sehen?“ „Keine Ahnung. Da draußen herrscht dichter Nebel. Außerdem scheinen wir uns auch nicht von der Stelle zu rühren. Wahrscheinlich sind wir auf eine Sandbank oder so aufgelaufen.“ „Nein, das kann nicht sein, denn das hätten wir gemerkt.“ Kopfschüttelnd steigt sie schwungvoll aus dem Bett, bevor sie barfüßig auf den Schreibtisch zugeht, auf dem sich einige Bücher und aufgerollte Karten befinden. Ihr knappes Nachthemd, das mehr enthüllt als verbirgt, da es sich eng an ihre Kurven schmiegt, lässt meinen Mund staubtrocken werden, während ich meinen Blick kaum von dem weiten Ausschnitt an ihrem Rücken abwenden kann. Heiß läuft es mir durch den Körper, als ich mir vorstelle, wie ich meinen Mund über diese makellose Haut wandern lasse. „Hier ist sie ja.“ „Äh … was?“, frage ich, als ihre Stimme durch meinen Tagtraum dringt. Oh, Mann, Junge, reiß dich zusammen. Es gibt wichtigeres als deine Libido. Den Mund bereits zu einer Erklärung geöffnet, hält Nami inne, nachdem sie sich mir zugewendet hat. Ihr forscher Blick wird zunehmend unsicherer, während sie mich aus weit aufgerissenen Augen mustert. Heiße Wärme schießt mir in die Wangen, erkenne ich, dass ihr meine leichte Erregung nicht entgangen ist, was mir auch ihr eiliges Überziehen ihrer Jacke beweist. „Was meintest du vorhin?“ „Ich … ähm … habe nach einer … ähm … Karte gesucht.“ Unstet wandert ihr Blick durch das Zimmer, scheinbar bemüht darum mir nicht in die Augen sehen zu müssen, bevor sie schließlich geschäftig eine auf Pergament gezeichnete Karte auf dem Schreibtisch ausbreitet. Ein kurzer Seitenblick trifft mich, als ich mich neben sie stelle, um besser die Karte sehen zu können. „Also … unsere … unsere augenblickliche Position ist wahrscheinlich hier, wo diese Schraffuren eingezeichnet sind. Sie weisen auf Gletscher und Eisschollen hin.“ „Soll das heißen, dass die Flying Lamb jetzt von Eis eingeschlossen ist?“ „Wahrscheinlich. Doch das werden wir erst wissen, wenn die Sicht aufklart.“ Obwohl wir unsere Aufmerksamkeit wieder auf das vornehmliche Problem gerichtet haben, sind Namis Muskeln dennoch immer noch angespannt. Meine offensichtliche Begierde scheint sie unangenehm zu berühren, weshalb sie wohl auch bestrebt ist einen gewissen Abstand zu mir zu halten, ohne Gefahr einer unbeabsichtigten Berührung zu laufen. „Gut, aber wie kommen wir jetzt nach Winters Island? Hast du einen Eternal Port dafür?“ „Nein, den hat Shanks, deshalb sollten wir ihm ja auch folgen. Verdammt!“ Lange blickt Nami stumm auf die Karte hinab, während sie eher nachdenklich an ihrer Unterlippe knabbert, bevor sie nach einigen Minuten schließlich eine Schublade öffnet und daraus ihren Lockport hervorholt. Beide bemerken wir, dass die dünne, blaue Nadel in die entgegen dem Bug gerichtete Richtung zeigt. Im stummen Einvernehmen blicken wir uns dann in die Augen, als sie laut seufzend zum Sprechen ansetzt. „Also, so wie ich das sehe, bleiben uns nur zwei Möglichkeiten. Entweder wir schippern orientierungslos einfach so weiter und hoffen, dass wir mit viel Glück nach Winters Island kommen. Oder aber wir folgen dem Kurs des Lockports.“ „Aber der wird uns auch nicht nach Winters Island bringen, oder?“ „Die Chance dafür ist verdammt gering, angesichts der vielen Inseln hier. Aber wo auch immer wir dann landen würden, könnten wir eventuell einen entsprechenden Eternal Port besorgen.“ Zwei Möglichkeiten, die beide nicht viel versprechend klingen, kosten sie doch wertvolle Zeit. Doch was bleibt uns anderes übrig? „Ich werde Chopper und Ace wecken. Sie sollten mitentscheiden, was wir jetzt tun sollen.“ Nach einem letzten Blick auf die Karte wende ich mich der Tür zu, ohne Nami noch einmal anzusehen, brennt mir ihr Bildnis eh schon die ganze Zeit über im Gedächtnis. Ihre Jacke hat auch nicht viel geholfen ihren Körper vor meinen Blicken zu entziehen, verhüllt sie nur ihren Oberkörper. Der untere Saum ihres himmelblauen Nachthemds reicht ihr nicht einmal bis zur Mitte ihrer Oberschenkel, wodurch ihre Beine eine unglaubliche Länge erhalten. „Sanji?“ Im Begriff die Tür hinter mir zu schließen, hält mich ihre Stimme zurück, wodurch ich mich ihr wieder zuwende. Unsicher wechselt sie von einem Bein aufs andere, während sie ihre Arme fest um ihren Oberkörper schlingt. Erneut weicht sie meinen Blicken aus und starrt stattdessen auf einen Punkt irgendwo hinter mir. „Ach, vergiss es. Wir treffen uns dann gleich oben.“ Irritiert über ihr seltsames Verhalten nicke ich nur und schließe schließlich die Tür, an die ich mich leise seufzend entgegenlehne. Wie gerne hätte ich jetzt Robin bei mir, die mir in dieser Situation sicher hätte weiterhelfen können. Das wird noch eine harte Zeit, bis ich wieder Land unter den Füßen spüre und ein wenig Abstand zu allem bekomme. Kapitel 29: Nami: Confession ---------------------------- Leise schließe ich die Tür zur Kombüse, bevor ich mit einiger Erleichterung meinen Mantel ausziehe, von dem einige Schneeflocken zu Boden fallen. Kurz schaue ich aus dem Bullauge hinaus in das dichte Schneetreiben. Nicht nur, dass das Wetter ständig kälter wird, auch die Verhältnisse werden scheinbar von Tag zu Tag immer schlimmer. „Hauptsache, wir geraten nicht noch in einen Schneesturm“, reißen Aces Worte mich aus der Betrachtung der gnadenlosen Winterpracht heraus. „Sag das mal lieber nicht“, funkle ich ihn böse an, während ich langsam zur Küchenzeile gehe und mir eine Tasse heißen Kaffees genehmige. „Bei den ganzen Eisschollen gestaltet sich ein Sturm für uns zu einem riesengroßen Problem. Ich will mir gar nicht ausmalen, was passiert, wenn die Lamb dann gegen eine dieser zentimeterdicken Schicht knallt.“ Ein lockeres Achselzucken ist die einzige Antwort, die ich von Ace erhalte, als ich mich zu ihm an den Tisch geselle – was mich im Moment nur noch mehr gegen ihn aufbringt. Diese Unbekümmertheit, die er in den meisten Situationen an den Tag legt, nervt mich ganz gehörig, da ich immer das Gefühl habe, dass er die Situation nicht mit dem nötigen Ernst betrachtet. Angesäuert werfe ich einen Blick auf die Zeitung vor ihm, in der er bei meinem Eintreten herumgeschmökert hatte. Ich lege den Kopf ein wenig schräg, um die Wörter besser lesen zu können, wodurch ich dann auch erkennen kann, dass es sich schon um eine ältere Ausgabe handelt. Vermutlich hat Ruffys Bruder die Zeitung irgendwo unten im Jungenzimmer gefunden. Tatsächlich haben wir im Augenblick keine großen Möglichkeiten, uns die Zeit mit irgendwas zu vertreiben. Ein gemütliches Beisammensein aller ist zurzeit überhaupt nicht möglich, da zwei von uns stets draußen sind, um das Deck von dem Schnee freizuräumen und die Tagelage von dem ganzen Eis zu befreien. Nur die Nächte verbringen wir alle zusammen in ein- und demselben Raum, nämlich der Kombüse. Seitdem die Temperatur in den zweistelligen Minusbereich gesunken ist, läuft der Ofen rund um die Uhr, wodurch die Kombüse auch der einzige Raum ist, in der eine heimelige Wärme herrscht. „Wie lange wollt ihr eigentlich noch dieses Spielchen spielen?“ „Was?“ Verwirrt blicke ich auf und muss feststellen, dass Ace mich aus dunklen Augen eingehend mustert. Langsam setze ich mich aufrecht hin, während ich überlege, was er mit der Frage meint. Irgendwie haben wir plötzlich das Thema gewechselt, ohne dass ich es mitbekommen habe. „Du und Sanji“, fügt er schließlich erklärend hinzu und in meinem Inneren breitet sich ein mulmiges Gefühl aus. Aber ich merke auch die aufkeimende Gereiztheit, die in den letzten Tagen zu einem ständigen Begleiter geworden ist. „Ihr beiden schleicht wie zwei Katzen umeinander herum, ohne dass mal einer von euch den ersten Schritt tut.“ Es passt mir überhaupt nicht, dass Ace seine Nase in meine Angelegenheiten mischt. Fest presse ich meine Lippen daher aufeinander, um ihm irgendwie zu signalisieren, seine Klappe zu halten, während ich hoffe, dass er die Blitze in meinen Augen sieht. Stattdessen aber lehnt er sich auf der Bank zurück und lächelt mich mit verschränkten Armen wissend an. „Du hast ja keine Ahnung“, fauche ich schließlich zurück, in der Erwartung, das Thema damit beendet zu haben. Insgeheim jedoch muss ich ihm Recht geben. Die Wetterverhältnisse haben dazu geführt, dass wir uns die meiste Zeit aus dem Weg gehen können. Aber wenn wir dann mal aufeinander treffen, so gestaltet sich die Kommunikation zwischen uns als sehr schwierig. Keiner weiß, was er zu dem anderen sagen soll. Wir haben uns in unserer lethargischen Beziehung festgefahren. Und keiner von uns beiden scheint auch nur den Versuch unternehmen zu wollen etwas an der Situation zu ändern. „Vielleicht“, murmelt Ace leise und widmet sich wieder einem Zeitungsartikel zu. Eigentlich hätte ich jetzt zufrieden sein können, da das Thema damit abgehakt wäre. Doch sein nichts sagender Tonfall zerrt an meinen Nerven, obwohl ich zwanghaft versuche, es zu ignorieren. „Das ist nun mal nicht so einfach, wie du denkst“, versuche ich schließlich näher zu erklären, in dem Bewusstsein meinen inneren Kampf damit verloren zu haben. „Warum nicht?“ Ace scheint wirklich über meine Worte überrascht zu sein, als er von der Zeitung aufschaut. Seltsamerweise fühle ich mich dadurch wie ein kleines, naives Mädchen, dass von der Welt draußen keinen blassen Schimmer hat. „Zorro und Robin scheinen es doch auch geschafft zu haben.“ Diesmal bin ich es, die überrascht ist. Zorro und Robin – das ist ja wohl eine ganz andere Geschichte. Wie kommt er bloß dazu, deren Situation mit der von Sanji und mir zu vergleichen? „Das ist etwas anderes“, antworte ich schließlich schnippisch und wende meinen Blick von ihm ab. Innerlich verfluche ich mich dafür, dass ich vorhin meine Klappe aufgerissen habe, anstatt das Thema einfach ruhen zu lassen. Mittlerweile bin ich auch an einen Punkt angelangt, an dem ich überlege, in die winterliche Kälte zu flüchten, nur um den bohrenden Fragen zu entgehen. „Warum soll das was anderes sein?“ Unter meinen dichten Wimpern hervor mustere ich Ace, dessen stechenden Augen mich herausfordernd anblicken. Seine lockere Körperhaltung ist verschwunden. Stattdessen habe ich das Gefühl, dass er wie ein Tiger ist, der zuvor mit seiner Beute gespielt hat und jetzt kurz davor steht, den tödlichen Prankenhieb auszuführen. Irritiert bemühe ich mich um eine plausible Erklärung, doch sein eindringlicher Blick lenkt mich zu sehr ab. „Na, weil … weil die beiden noch nie Probleme hatten, sich ihre Gefühle zu gestehen.“ Ein hartes Auflachen seinerseits lässt mich erschreckt zusammenzucken. Die Erheiterung auf meine Antwort ist ihm sichtlich anzusehen. „Reden wir hier über dieselben Personen?“ „Wir reden über Robin und Zorro, ja.“ „Richtig … wenn man bedenkt, dass wir dich und Sanji mal außen vor lassen.“ Erbost verenge ich meine Augen zu Schlitzen, was ihn jedoch noch mehr amüsiert. Am Liebsten würde ich ihm den heißen Inhalt meiner Tasse ins Gesicht schütten, nur, um dieses belustigte Funkeln in seinen Augen zu löschen. „Aber mal ganz ehrlich“, beginnt Ace plötzlich mit ernster Stimme, während er sich ein bisschen über den Tisch beugt. „Zorro ist nicht gerade der Typ, der sein Herz auf der Zunge trägt. Ich habe ihn wütend gesehen; ich habe gesehen, wenn er Spaß oder Freude hat – aber noch nie – wirklich noch nie! – habe ich ihn dabei beobachten können, dass er mal tiefere Gefühl gezeigt hätte. Aber gut, bei Robin ist er vielleicht anders – aber das sei erstmal dahin gestellt. Und was Robin selber betrifft – sie ist ja noch schlimmer als Zorro. Einen so verschlossenen Menschen habe ich in meinem ganzen Leben noch nie getroffen.“ Nicht wissend, was ich auf diesen Vortrag erwidern soll, tritt für einen Moment eine – in meinen Augen – bedrückende Stille ein, währenddessen sich Ace zufrieden auf seinem Platz zurücklehnt. Intensiv denke ich über seine Worte nach und deren versteckte Bedeutung, als es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen fällt. Augenblicklich reiße ich meine Augen schreckgeweitet auf und blicke Ace sprachlos an. „Du hast es also verstanden“, nickt er mir anerkennend zu. „Ich habe jetzt verstanden, warum es zum Streit kam“, antworte ich langsam, während meine Gedanken sich noch immer mit der Erkenntnis beschäftigen. „Aber nicht, wie es erst dazu kommen konnte.“ „Das ist doch ganz einfach – mangelndes Vertrauen. Dadurch konnte bei Zorro auch die Eifersucht auf Sanji immer weiter wachsen.“ „Aber sie lieben sich doch“, entgegne ich mit einem leicht fragenden Unterton, woraufhin Ace eine schwarzgeschwungene Augenbraue hochzieht, als wolle er mich fragen, ob ich das ernst meine. „Deiner Meinung nach reicht Liebe also völlig aus, um eine Beziehung zu führen und zu erhalten, ja? Dann frage ich mich aber, warum du dann nicht mit Sanji zusammen bist?“ „Na ja, das … das liegt daran, … dass … weil …“ Hilflos gestikuliere ich wild mit den Händen, bis ich schließlich meinen gestammelten Satz unvollendet im Raum stehen lasse. Ja, warum eigentlich nicht? Weil Sanji ein Macho war … weil er jedem Frauenrock hinterher gelaufen ist … weil er mir gegenüber nie Andeutungen gemacht hat. All das könnte ich Ace sagen, aber die Wahrheit sieht am Ende ganz anders aus. Immer habe ich erwartet, dass Sanji derjenige sein soll, der den ersten Schritt wagt. Aber von meiner Seite her kam nie etwas. Habe ich ihm jemals signalisiert, dass ich mehr zwischen uns gewollt habe als Freundschaft? „Du solltest endlich anfangen mit ihm zu reden.“ Ein wenig benommen schaue ich zu Ace auf. Er hat sich mittlerweile von seinem Platz erhoben und schenkt mir ein verständnisvolles Lächeln, bevor er sich von mir abwendet. Als er leise die Tür öffnet, fegt ein eisiger Wind durch den Raum, der ein wenig Schnee mit hereinweht. Fröstelnd umschlinge ich meine Schultern, ohne meinen Blick von der nun wieder geschlossenen Tür abzuwenden, hinter der Ruffys Bruder verschwunden ist. Ich soll mit Sanji reden! Aber kann ich das auch? Seit dem Streit ist viel Zeit vergangen, und wir haben uns beide verändert – er ganz besonders. Und trotzdem sind meine Gefühle immer noch dieselben. Doch wie steht es mit Sanji? Ich kann dir nicht sagen, was er jetzt für dich fühlt. Aber ich weiß, dass er dich damals geliebt hat. Damals … damals hat er mich geliebt. Aber was ist mit heute? Liebt Sanji mich immer noch? Oder ist seine Liebe zu mir mit der Zeit verblasst? Verlangen, ja … und Lust … diese Regungen hegt er für mich. Immer, wenn er glaubt, ich bemerke seine eindringlichen Musterungen nicht, sehe ich das Begehren in seinen Augen aufflackern. Aber würde mir das reichen? Könnte ich mich damit zufrieden geben, wenn ich nur sein Betthäschen werden würde? Hin und her gerissen zwischen meinen Wünschen, vergrabe ich stöhnend meinen Kopf in den Händen. Was soll ich nur tun? Wie soll ich mich entscheiden? Fakt ist jedenfalls, dass es zwischen uns ein klärendes Gespräch geben muss. Aber wie soll ich das gestalten? Nur ein Gespräch, in dem alles offen gelegt wird, was zwischen uns steht, kann für klare Verhältnisse sorgen. Aber das bedeutet dann auch Ehrlichkeit – und davor habe ich Angst! Angst, zu erfahren, dass seine Liebe zu mir erloschen ist … Angst, dass ich in seiner Achtung gefallen bin … Angst, dass ich nicht mehr die Frau bin, die er immer in mir gesehen hat. Was soll ich nur tun? Kapitel 30: Zorro: Daemons -------------------------- Untätigkeit! Ein Wort, das ich mittlerweile verfluche. Denn nichts anderes kann ich auf dem Schiff tun, als irgendwo rum zu sitzen oder zu schlafen. Auf der Lamb hätte ich wenigstens meine Gewichte, mit denen ich meinen Körper hätte beschäftigen können. So aber muss ich mich mit meinen Gedanken auseinandersetzen. Und diese gehen seit einigen Tagen in eine Richtung, die mir alles andere als behagen. Sie sind wie Dämonen, die sich lautlos in den Schatten bewegen und auf den geeigneten Zeitpunkt warten hervorzuspringen. Ich kenne diese Dämonen. Sie haben mir damals meinen Untergang geebnet. Damals hatte ich nicht das Wissen und Vertrauen von heute, oder? Musternd betrachte ich die leicht gebeugte Gestalt Robins, die an dem kleinen Schreibtisch von Shanks sitzt. Schon seit einer geschlagenen Stunde brütet sie über den Informationen über Winters Island, die Shanks ihr bereitwillig gegeben hat. Hin und wieder ertönt das leise Kratzen des Federkiels, mit dem sie sich irgendwelche Notizen macht, sowie das Rascheln von Papier, sobald sie die Schriftstücke miteinander vergleicht oder die Inselkarte zu Rate zieht. Irgendwo in meinem Inneren bin ich mir sicher, dass dieser Neuanfang klappen wird. Dass wir es diesmal schaffen werden, jede noch so kleine Unstimmigkeit aus dem Weg räumen zu können. Und dennoch habe ich Zweifel. Zweifel, was mein Vertrauen in ihre Gefühle betrifft. Und je mehr ich über sie und ihre Beziehung zu Sanji nachdenke, desto tiefer spüre ich wieder den Stachel der Eifersucht, obwohl es eigentlich eine völlig schwachsinnige Reaktion ist. Denn nur ein Blinder würde das strahlende Funkeln in ihren Augen übersehen, wenn sie mich ansieht oder die Wärme ihres sonst so kühlen Lächelns, dass sie mir immer schenkt. Und schließlich kann es doch auch kein Zufall sein, dass Robin stets meine Nähe sucht, oder? Also, wie viele Beweise ihrer Zuneigung braucht mein Herz also noch, bis es endlich verstanden hat, dass die Eifersucht völlig unbegründet ist? Müde, angesichts der sich ständig im Kreis drehenden Gedanken, streiche ich mir über das Gesicht. Ich weiß selber nicht, wie dieser Beweis aussehen soll. Und das war bereits in der Vergangenheit genauso. Egal, was Robin gesagt oder getan hatte, nie hat es ausgereicht, um meine Eifersucht einzudämmen. Im Gegenteil, am Ende habe ich in jedem ihrer Worte versteckte Andeutungen herausgehört, die im Grunde genommen nie da waren. „Shanks wird sicher eine Beschäftigung für dich haben, wenn du ihn fragst.“ Mit einem leisen, belustigten Lächeln blickt Robin mich an. Irgendwie muss ich ihre Aufmerksamkeit geweckt haben. Doch ich war wohl mit meinen Gedanken so beschäftigt, dass ich es nicht einmal gemerkt habe. Innerlich kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Sie scheint immer zu wissen, was mich beschäftigt. Langsam setze ich mich auf der schmalen Liege auf, die ich mittlerweile mit Robin teile, während ich sie abschätzend mustere. Ruhig blickt sie mir entgegen und wartet mit einer erstaunlichen Geduld auf meine Antwort. Tatsächlich könnte ich ihr sagen, dass ich bereits Shanks nach Arbeit gefragt habe. Aber bis auf die üblichen Schiffsarbeiten, die überwiegend aus Wartungsarbeiten besteht, hat er nichts für mich zu tun. Doch das sage ich Robin nicht. Wenn es auch wirklich mit einem Neuanfang klappen soll, so muss ich mit ihr darüber reden, was mich beschäftigt. Und diese Gelegenheit dazu ist genauso gut wie jede andere auch. „Liebst du Sanji?“ Ein ungeübter Beobachter, der zudem Robin nicht kennen würde, hätte in diesem Augenblick nichts anderes bemerkt als ihre hochgezogene Augenbraue, die man als Zeichen der Überraschung hätte interpretieren können. Doch mir entgeht nicht, dass sich ihre Augen ein klein wenig schmälern und ihre Schultern sich straffen. Wortlos lasse ich ihre abschätzende Musterung über mich ergehen, als wollte sie meine wahren Beweggründe in meinem Gesicht ablesen. „Wenn du damit die Liebe zwischen Mann und Frau meinst“, antwortet sie schließlich langsam, als würde sie ihre Worte genau abwägen, „dann lautet meine Antwort: Nein.“ „Dann liebst du ihn also auf eine andere Art?“, kontere ich sofort, um ihr keine Gelegenheit zu geben die Unterhaltung in eine andere Richtung zu lenken. Soll sie sich ruhig ihren hübschen Kopf darüber zerbrechen, wohin die Unterhaltung führen soll. „Sicher.“ Auf ihrem Stuhl dreht sich Robin nun ganz mit ihrem Körper zu mir herum. Selbstbewusst, beinahe schon arrogant, schlägt sie ihre Beine übereinander und lehnt sich mit dem Rücken an die Lehne, während sie mir abwartend ein leises Lächeln schenkt. Ich hingegen antworte lediglich mit einem Hochziehen einer Augenbraue, sozusagen ein Zeichen dafür, dass sie weiter sprechen soll. „Ich liebe ihn so, wie man einen Freund eben lieben kann. Bei dir ist es doch genauso. Und erzähl mir nicht, dass es nicht so ist.“ Was soll ich darauf antworten? Sie hat ja Recht, auch wenn ich es nie zugeben würde. Selbst für Sanji empfinde ich Freundschaft – trotz der ständigen Zwistigkeiten zwischen uns. Ich bin sogar eher geneigt zu sagen, dass es gerade diese Meinungsverschiedenheiten sind, die uns auf eine eher skurrile Art zu Freunden macht. Doch das ist nicht Sinn und Zweck ihrer Bemerkung mich zum Nachdenken anzuregen. Ihre Antwort ist schlicht und einfach eine Provokation. Während ich auf Umwegen meine Fragen beantwortet haben möchte, um meine Dämonen zum Stillschweigen zu bringen, so versucht Robin mich mit leisen Provokationen herauszufordern, damit ich meine Fassung verliere und ihr auf den Kopf zusage, was ich wissen will. „Aber ich habe nicht mit Nami geschlafen.“ Innerlich zucke ich zusammen, als mir bewusst wird, wie hart die Worte klingen. Doch wie hätte ich sie anders formulieren können? Der Vorwurf, der dahinter steckt, ist doch das Kernstück meiner Dämonen … die Nahrung für ihr Wachsen. „Worauf willst du hinaus?“ Die Wärme ist aus Robins Stimme verschwunden, ebenso auch das Funkeln in ihren Augen. Stattdessen beobachtet sie mich jetzt mit einem wachsamen Blick. Auch zeugt ihre Körperhaltung von einer inneren Anspannung. Ihre Reaktion kommt für mich nicht überraschend, denn, wenn man es genau betrachtet, so haben unsere Streitereien immer angefangen. Sobald ich eine Bemerkung über ihr Verhältnis zu Sanji fallen ließ, endete diese Unterhaltung damit, dass ich wutentbrannt das Zimmer verlassen habe. Doch diesmal habe ich aber nicht vor, es zu einem Streit kommen zu lassen. Und allein die Tatsache, dass ich ruhig und gefasst bin, bestätigt doch mein Vorhaben. Langsam schwinge ich die Beine über den Rand der Liege und setze mich auf. Ich habe das Gefühl, dass ich so noch zusätzlich die Anspannung im Raum ein wenig lösen kann. Ich will Robin zeigen, dass ich mich unter Kontrolle habe und nur eine ganz normale Unterhaltung mit ihr führen will – auch wenn wir nicht gerade über das Wetter reden. Keinesfalls soll sie den Eindruck bekommen, dass ich sie in die Enge treiben will. „Du sagst, du liebst ihn nicht.“ „So ist es auch.“ „Wie konntest du dann mit ihm schlafen?“ Es ist ersichtlich, dass ihr die Frage nicht behagt, denn zum ersten Mal weicht sie meinen Blicken aus. Sie, die sonst unbeirrt ihren eigenen Weg folgt. Was ihr aber gerade durch den Kopf geht, vermag ich nicht zu sagen. Ihr Gesicht ist verschlossen. Nur die Blässe und die zu einem schmalen Strich gepressten Lippen sind die einzige Reaktion. „Ich möchte gerne verstehen, wie es dazu kam.“ Meine bittende Stimme hört sich so ungewohnt an, da ich es eigentlich gewohnt bin Dinge einzufordern. Doch ich weiß, dass ich bei Robin nicht weit komme, wenn ich auf Biegen und Brechen eine Antwort von ihr verlange. Seufzend schließt sie die Augen und befeuchtet mit der Zungenspitze die Lippen, bevor sie dann ihren Kopf ein wenig anhebt und mich mit einem unendlich traurigen Ausdruck in den Augen ansieht. „Wie soll ich dir was erklären, was ich selber nicht verstehe? Ich kann dir nur sagen, dass es einfach passiert ist, so banal es sich auch anhört. Für mich war damals eine Welt zusammengebrochen und ich hatte das Gefühl, dass ich mich im freien Fall befinden würde. Vielleicht wollte ich einfach nur wieder Boden unter den Füßen spüren oder das Gefühl des Alleinseins loswerden. Doch was auch immer der Grund dafür war, eines weiß ich: Es hatte nichts mit Liebe oder Zuneigung zu tun.“ Eine Weile blicke ich hinab auf den Boden, während ich in Gedanken das Gesagte wiederhole. Ich glaube Robin. Nicht nur, weil keine Falschheit in ihren Worten liegt, sondern auch, weil ich es zu verstehen beginne. „Wenn ein Mann nichts mehr zu essen hat“, murmle ich leise, um meine Gedanken in geordnete Bahnen zu lenken, „so geht er auf die Jagd. Dabei ist es egal, ob er Tiere jagt oder eher die Geldbeutel anderer Leute stiehlt. Ebenso wenig sind ihm auch die möglichen Konsequenzen egal. Denn in diesem einen Augenblick geht es ihm nur darum, dass er ein Mittel findet, wie er an Essen kommt. Oder nehmen wir einen kleinen Jungen, der vor einem bösartigen Hund steht. Es gibt keinen Fluchtweg für ihn … nur einen Ast, mit dem der Junge den Hund erschlägt. Zwei völlig verschiedene Fälle, aber dennoch haben der Mann und der Junge eines gemeinsam … Selbsterhaltung. Und das ist die Erklärung. Aus einem reinen Selbsterhaltungstrieb heraus hast du mit Sanji geschlafen, weil du dich einfach nicht mehr als Mensch gefühlt hast. Du fingst an dich zu verlieren.“ „Eine schöne Erklärung“, antwortet Robin zwar anerkennend, aber mit einem traurigen Lächeln. „Aber ich hätte trotzdem ‚Nein’ sagen können … was ich aber nicht tat.“ „Aber du bereust es doch, oder?“ „Das ist die große Frage, nicht wahr?“ Für einen Moment flackert ein tiefer Schmerz in ihren Augen auf, als sie sich langsam von ihrem Platz erhebt. Ziellos wandert sie durch das Zimmer und streicht mit der Fingerspitze über die Rücken der Buchbänder im Regal. Mein Herz schnürt sich bei diesem Anblick eng zusammen. Eine bisher noch nie gekannte Angst breitet sich in mir aus. Ich beiße mir fest auf die Unterlippe und wappne mich für die kommende Antwort. Man muss kein Genie sein, um zu wissen, dass sie mir nicht gefallen wird. Gleichzeitig spüre ich, wie die Dämonen an ihren Käfigen rütteln. „Egal, was ich auch sage, entweder belüge ich mich selbst … oder tue dir weh.“ Bei ihren letzten Worten blickt Robin zu mir herüber. In ihren Augen kann ich lesen, dass sie weiß, dass ich verstanden habe und sie nicht mehr dazu sagen muss. Diesmal bin ich es, der den Blick abwendet. „Also hattest du nicht einmal ein schlechtes Gewissen wegen mir!?“ „Es war vorbei … und es hat auch keine Zeichen der Versöhnung gegeben. Was erwartest du also von mir, dass ich sage? Dass es mir Leid tut? Dass ich es bereue?“ Ruhig und gefasst steht sie wenige Meter von mir entfernt, während sie mit schlichten Worten nach einer Antwort verlangt. Wütend funkle ich sie an. „Zumindest wäre das ein Anfang. Oder glaubst du, dass es mir in dieser Zeit besser ergangen ist als dir? Weißt du, ich hab mich auch beschissen gefühlt. Hab mich mit Selbstvorwürfen herumgeplagt und Schuldgefühlen wegen unserer Trennung. Aber wenigstens hatte ich mich soweit unter Kontrolle, dass ich mich nicht Nami an den Hals geworfen habe, um sie zu vögeln.“ „Nein, das hast du nicht getan“, entgegnet Robin mir mit einem freudlosen Lachen. „Dafür hast du lieber dein Geld in den Rachen von irgendwelchen Dirnen gestopft.“ „Aber dabei hatte ich immer nur dich vor Augen gehabt. Kannst du das auch von dir behaupten?“ Zufrieden bemerke ich die Blässe, mit der sich ihr verkniffenes Gesicht überzieht. Kurioserweise verspüre ich das Verlangen ihr wehzutun … sie genauso mit Worten zu verletzten, wie sie es bei mir tut. „Etwas anderes habe ich auch nicht erwartet“, meine ich nach einiger Zeit, in der wir uns nur stumm gemustert haben, und langsam nicke ich mit dem Kopf zur Bestätigung. „Willst du mir jetzt einen Vorwurf daraus machen?“ Die Arme vor der Brust verschränkt, blickt Robin mich herausfordernd an. „Ja!“, brülle ich ihr entgegen, jegliche Selbstkontrolle fallen lassend und von dem Wunsch beseelt ihr selbstgerechtes Verhalten zu nehmen. „Ja, verdammt, genau das will ich. Denn du gehörst mir, verdammt noch mal! Mir, hast du verstanden?“ Eine unheilvolle Stille legt sich über das Zimmer, während ich nach diesem kurzen Ausbruch schwer atmend meine Hände immer wieder zu Fäusten balle, um meine Selbstkontrolle wiederzuerlangen. Indes bemerke ich jedoch, dass Robin wie zu einer Salzsäure erstarrt ist. Und plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen, als mir bewusst wird, was ich überhaupt gesagt habe. Schuldbewusst seufze ich laut auf, während ich gleichzeitig meine Schultern sacken lasse. In einer entschuldigenden Geste hebe ich meine Hände und gehe einen Schritt auf sie zu. „Robin …“ „Fahr zur Hölle!“, zischt Robin mir zu. Obwohl es ein völlig falscher Zeitpunkt ist, so kann ich nicht anders als von ihrem Anblick fasziniert zu sein. Beinahe habe ich das Gefühl, dass die Sturmgöttin persönlich vor mir steht. Ihre sonst so strahlendblauen Augen haben nun die dunkle Farbe des aufgewühlten Meeres angenommen, in denen unaufhörlich Blitze funkeln. Ihre Wangen sind gerötet, als hätte jemand ihnen Leben eingehaucht, und ihre Lippen scheinen noch voller zu sein, trotz dass sie zu einem schmalen Strich gepresst sind. Kerzengerade, den Rücken durchgebogen und die Schultern gestrafft, hat sie die Haltung einer Königin. Dennoch lasse ich nicht außer Acht, dass Robin wütend ist. So wütend, wie ich sie noch nie zuvor erlebt habe. Überraschung, aber auch Achtsamkeit, lassen mich einen Schritt zurückweichen, während ich fieberhaft überlege, wie ich sie wieder beruhigen kann. „So habe ich das nicht gemeint, Robin“, versuche ich schließlich die Situation zu entschärfen. „Meinst du etwa, ich hätte nicht verstanden, dass ich für jeden nur ein dummer, billiger Gegenstand bin, den man bei Nichtgefallen wieder loswerden kann?“ Ihre sich überschlagende Stimme hallt durch das ganze Zimmer und überrascht zwinkere ich mehrmals mit den Augen. Still, ruhig, besonnen … alles Eigenschaften, mit denen man Robin beschreiben kann. Doch in diesem Augenblick ähnelt sie eher einer Furie. Völlig überfordert mit dieser Situation bin ich zu keiner Regung fähig. Wie soll ich mich denn auch verhalten? Ich kenne diese Frau vor mir nicht. Ich weiß nicht, was ich sagen oder tun soll. Ich kann ja nicht einmal ihr Verhalten einschätzen. Schwer atmend blickt sie mich eine halbe Ewigkeit an, wie mir scheint, bevor sie sich schließlich mit Tränen in den Augen abwendet. Ihre Arme umschlingen ihren Oberkörper, als wollte sie sich selbst Halt geben. Hilflos blicke ich auf ihren Rücken. So habe ich mir das nicht vorgestellt. So sollte das Gespräch nicht verlaufen, denn jetzt sind wir wieder genau da, wo wir in der Vergangenheit immer gelandet sind. „Du bist kein Besitz …“, versuche ich schließlich die Situation noch zu retten. Doch Robin lässt mich gar nicht erst zu Ende reden. „Hau ab!“, meint sie mit leiser, tonloser Stimme, ohne sich mir dabei zuzuwenden. Als wäre sie jeglicher Kraft beraubt, sacken ihre Schultern nur noch mehr in sich zusammen. „Verschwinde einfach.“ Gerade als ich mit hängenden Schultern ein paar Schritte zur Tür gemacht habe, bleibe ich wie angewurzelt stehen. Was tue ich hier eigentlich? Warum bin ich im Begriff wieder einmal denselben Fehler zu begehen? Ich kann jetzt gehen, ja … ich kann sie jetzt in Ruhe lassen, ja … aber was dann? In ein paar Stunden haben wir uns wieder versöhnt … aber morgen fängt das Spiel wieder von vorne an. Soll das etwa ständig so weitergehen? „Eigentlich will ich nur wissen, wem deine Liebe gilt“, sage ich schließlich mit leiser und gefestigter Stimme. „Ich habe ein Recht darauf. Entweder stehst du zu mir oder zu Sanji. Die Entscheidung liegt bei dir. Und solange du dich nicht entschieden hast, wird es auch kein ‚Uns’ geben. Aber du sollst auch wissen, dass ich nicht ewig warten werde.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, eile ich forschen Schrittes zur Tür. Den kalten Griff in der Hand zögere ich einen Moment, da mich das Verlangen überkommt, einen Blick zurückzuwerfen. Doch ich weiß, dass, wenn ich das tue, werde ich meine Entscheidung bereuen, und die Dämonen werden weiterhin ihren Unheil in meinem Herzen fortführen. Kapitel 31: Chopper: Melancholy ------------------------------- Nach einem kurzen Umsehen weise ich Sanji mit einem Fingerzeig zu den zwei Truhen, die zwischen den beiden Betten stehen. „Dort müssten noch weitere Decken drin sein“, meine ich überflüssigerweise, als er auch schon an mir vorbeigegangen ist. Anschließend lasse ich meinen Blick erneut durch das Zimmer wandern, in dem ich früher so viel Zeit verbracht habe. Nichts scheint sich verändert zu haben. Auf dem großen Schreibtisch befinden sich immer noch all meine Utensilien: das Mikroskop mit seinen beiden Okularen, der Ständer mit den Reagenzgläsern, die Zentrifuge zum Mischen von diversen Reagenzien, die drei Mörser und der Bunsenbrenner. Langsam gehe ich näher und blicke voller Stolz hinauf zu dem einzelnen Regalbrett, das über dem Tisch hängt. Nach Themen angeordnet stehen dort in Reih und Glied meine Fachbücher über Medizin, Botanik, Dendrologie und Mykologie(*). In Gedanken sehe ich die vergilbten, teils fleckigen Seiten vor mir, in denen ich so oft herumgeblättert habe, und ein Stich der Wehmut überkommt mich. „Sind das alles Heilpflanzen?“ Aus den Gedanken herausgerissen, blicke ich ein wenig verwirrt zu Sanji. Nachdem er aus den Truhen ein paar Decken entnommen hat, hat er sich der gegenüberliegenden Wandseite zugewandt. Diese wird komplett von einem einzigen riesigen Schrank mit Glastüren eingenommen, in dessen unteren Böden große Schubläden stecken. Darin habe ich immer Gläser und Präpariersalz für meine Forschungsexemplare aufbewahrt. „Ein Teil von ihnen“, antworte ich leise, als ich neben Sanji trete, und traurig die vielen unbeschrifteten Gläser betrachte, zu deren Erforschung ich nicht mehr gekommen bin. „Die, die beschriftet sind, habe ich bereits alle erforscht.“ „Und was kann man mit ihnen machen?“ Aus ernsten Augen blickt Sanji zu mir herab, und ich kann erkennen, dass er wirklich an meinen Forschungsarbeiten interessiert ist. Mein Herz vollführt dabei einen kleinen Freudensprung, und ich kann mich nur mit großer Mühe zurückhalten, nicht in einen sprudelnden Redefluss zu verfallen. „Na ja, einige eignen sich für einen Tee – zur Beruhigung oder als Schlaftrunk. Andere wiederum kann man viel eher zu einer Salbe verarbeiten – als schmerzlindernd, entzündungshemmend oder für eine bessere Wundheilung.“ „Und was ist mit den Pilzen?“ Sanji nimmt eines der Gläser aus dem Schrank heraus und begutachtet einen langstieligen Pilz darin, dessen gelbe Kappe mit weißen und roten Pusteln übersät ist. Ich weiß noch genau, dass ich diesen Pilz auf Little Garden gefunden habe. Woogey, einer der Riesen, hatte mich nachdrücklich darauf hingewiesen, ihn ja nicht zu essen, da er fürchterliche Magenschmerzen hervorruft. „An die habe ich mich, ehrlich gesagt, noch nicht wirklich herangewagt“, druckse ich herum. „Warum denn nicht?“ Überrascht blickt Sanji mich an, bevor er das Glas wieder zurück an seinen Platz stellt und die Tür schließt. „Die meisten Pilze haben eine hohe Anzahl an Halluzinogenen.“ „Du meinst, man bekommt Wahnvorstellungen?“ „So in etwa“, erkläre ich und nicke zugleich ein paar Mal mit dem Kopf, während ich an die vielen Artikel über die Wirkungen von Pilzen denke. „Aber viele Ärzte sind der Meinung, dass man solche Pilze gut als Narkotikum benuten kann.“ „Aber du siehst das anders?“, hakt Sanji nach, da ihm mein geringschätziger Tonfall wohl nicht entgangen ist. „Mir ist ein Patient lieber, wenn er bei einem chirurgischen Eingriff tief und fest schläft. Weißt du, wie viele Ärzte schon schwer verletzt wurden, weil ihre Patienten unter solchen Halluzinogenen gestanden haben? In solch einem Zustand sind sie unberechenbar, weil ihr Verstand ihnen Bilder suggeriert, die in Wahrheit gar nicht vorhanden sind. Laut einer Studie, die ich vor einigen Jahren gelesen habe, soll sich die Wirklichkeit völlig verzerren. Die Menschen um einen herum nehmen ganz andere Formen und Farben an. Sie … sie haben plötzlich grauenvolle Fratzen und ihre Körper … dehnen sich, weiten sich aus. Und solche Ereignisse lösen in einem Angst, Hysterie und Panik aus, woraufhin der Patient zu der logischsten Waffe greift, die ihm zur Verfügung steht – nämlich Gegenwehr.“ Überrascht über mich selbst, schüttle ich den Kopf, während sich meine Rage allmählich wieder legt, in die ich mich reingeredet habe. Und dennoch könnte mir schon wieder die Hutschnur hochgehen, wenn ich nur daran denke, wie sorglos so manche Ärzte mit ihren Patienten umgehen. Profit und medizinischer Erfolg ist ihnen wichtiger, als das Wohlergehen ihrer Schützlinge. „Arbeitest du noch an deinen Forschungen?“, fragt Sanji leise in die Stille hinein. Niedergeschlagen blicke ich zu Boden, während ich an das vergangene Jahr zurückdenke. Jede Woche waren Zorro und ich in einer anderen Stadt, in einem anderen Dorf. Wir sind nie lange an einem Ort geblieben. Im Höchstfall waren es mal drei Tage. Ansonsten waren wir immer unterwegs. „Dafür habe ich nie die Zeit gehabt“, antworte ich schließlich nach einer Weile. „Das ist schade, denn du bist ein guter Arzt“, meint Sanji und kniet sich vor mir hin. Gleichzeitig umfasst er mit seinen Händen meine Schultern. Ob diese Geste als Trost gedacht ist, oder ob er so verhindern will, dass ich seinem beschwörenden Blick ausweiche, vermag ich nicht zu sagen. „Und das sage ich nicht, weil ich dein Freund bin. Ich meine, welcher Arzt setzt sich schon so dafür ein und umreist die Welt, nur um ein Heilmittel für Krankheiten zu finden? Und das ist eine gute Tat, denn du tust es nicht für dich. Du willst den Menschen damit helfen. Warum schließt du dich Ruffy also nicht wieder an? Dann kannst du auch deine Forschungen wieder aufnehmen?“ Stumm erforsche ich Sanjis Gesicht und suche nach irgendeinem Anzeichen, dass er seine Worte nicht ernst meint. Aber wie ich es nicht anders erwartet habe, so finde ich keinerlei Unsicherheiten in den verständnisvollen Augen aufflackern. Insgeheim gebe ich ihm ja Recht. Meine Arbeit ist wichtig. Nur in dem man alle Pflanzen, Bäume und Pilze erforscht, so hat man eines Tages vielleicht die Chance ihre Wirkungen miteinander zu kombinieren, um ein Allheilmittel zu entwickeln. „Das hat Zorro auch gesagt“, gebe ich ihm schließlich nichts sagend als Antwort. Für einen Moment wendet er seine Augen von mir ab und sein Mund verzieht sich zu einem verkniffenen Lächeln. „Dann hat er ausnahmsweise mal was Vernünftiges gesagt“, ringt sich Sanji hörbar aufseufzend die Worte ab. Unwillkürlich muss ich dabei breit grinsen. Es ist ein so typisches Verhalten. Ob bei Sanji oder Zorro, beide hassen es wie die Pest, wenn sie mal einer Meinung sind, und geben es daher auch nur ungern zu. Als Sanji mich dann wieder anblickt, kann auch er sich das Lächeln nicht verkneifen, das jedoch schnell wieder schwindet. „Hör zu, Chopper. Wie auch immer es mit Nami, Robin, Zorro und mir weitergehen wird, du solltest in erster Linie an dich und deine Forschungen denken. Ich weiß ja, dass du gerne uns alle um dich herum haben möchtest, aber das alles hier …“ – mit einer ausholenden Handbewegung weist er auf das Regal mit all seinen Exponaten – „das ist so eine große und wichtige Sache. Die sollte man nicht so ohne weiteres vernachlässigen.“ Geduldig abwartend, gibt Sanji mir die Zeit über das Gesagte nachzudenken, bevor er sich dann langsam von seiner knienden Position erhebt. Gerne würde ich meinem ersten Impuls nachgeben und ihm zustimmen. Ich vermisse die Arbeit … das Mischen von Reagenzien … das Beobachten der verschiedenen Reaktionen. Die Vorfreude … der Spaß … die Spannung … aber auch die Enttäuschung, wenn mir ein Experiment nicht gelingt … all diese Gefühle fehlen mir. Doch auf der anderen Seite sind da meine Freunde und die ungewisse Zukunft – und das Versprechen, dass ich Zorro gegeben habe. Zwar hat Zorro ebenfalls gemeint, dass ich mich Ruffy wieder anschließen soll. Aber ich habe ihm doch mein Wort gegeben, das ich bei ihm bleibe, egal, wie er sich letzten Endes entscheidet. Ich kann doch jetzt nicht einfach so mein Versprechen brechen! „Du musst dich nicht sofort entscheiden, aber …“ „Sanji!“ Was auch immer Sanji mir noch sagen wollte, der schrille Schrei Namis unterbricht ihn augenblicklich. Und plötzlich durchfährt ein heftiger Ruck die Flying Lamb und ich stolpere ein paar Schritte hin und her, bevor ich schlussendlich unsanft auf meinem Hinterteil plumpse. Die Gläser im Schrank klirren leise und ein paar Utensilien rutschen mit einem leisen Schaben über den Schreibtisch. Aus schreckgeweiteten Augen blicke ich zu Sanji auf, der keine Minute verliert und in einem Sprint, der eines Marathonläufers würdig ist, aus dem Zimmer rennt. In Sekundenschnelle hat sich die ruhige Atmosphäre, in der Verständnis und Mitgefühl die vorherrschenden Gefühle waren, in Luft aufgelöst. Stattdessen pulsiert das Adrenalin durch meinen Körper. Mein Puls ist vor Aufregung und Angst gestiegen und mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Es dauert eine Weile, bis ich mich schließlich aus meiner Erstarrung löse, und folge Sanji mit trippelnden Schritten. In Gedanken versuche ich zu verstehen, was gerade passiert ist. Haben wir einen Eisberg gerammt? Als ich in den Gang hinaustrete, ist von seiner hochgewachsenen Gestalt längst nichts mehr zu sehen. Zwischen meinen hastigen Atemzügen lausche ich nach irgendwelchen Geräuschen. Und tatsächlich, vom Deck her dringt dumpfes Geschrei zu mir herunter, und hin und wieder ein explosionsartiges Knallen, als würde jemand schießen. „Wir werden angegriffen“, flüstere ich voller Schrecken. Die Gedanken rasen förmlich durch meinen Kopf, während ich fieberhaft überlege, was ich nun tun soll. Einer Eingebung folgend, kehre ich rasch noch mal ins Sanitätszimmer zurück und steuere zielsicher den Schreibtisch an. In hastiger Verzweiflung ziehe ich sämtliche Schubläden raus, bis ich schließlich in der Untersten einen letzten verbliebenen Rumbleball finde – ein Überbleibsel der vergangenen Tage, als es die Strohhutbande noch gegeben hatte. Schnell verstaue ich diesen in meiner Hosentasche, bevor ich mich dann in meine Mensch-Form verwandle. Eng an die Wand gepresst, schleiche ich langsam zur Treppe und blicke durch die Öffnung ins Freie. Der Lärm ist hier zwar ein wenig lauter, aber dennoch hört er sich noch immer so weit entfernt an. Wie kann das sein? Vorsichtig steige ich die wenigen Stufen hinauf, während meine Muskeln zum Zerreißen gespannt sind. Innerlich bereite ich mich darauf vor, meine Freunde in einem wildentbrannten Kampf vorzufinden, in den ich mich dann tatkräftig hineinstürzen würde. Stattdessen jedoch sehe ich … nichts. Eine weiße, undurchdringliche Nebelwand, gepaart mit dem beißenden Gestank verbrannten Schießpulvers, lässt mich rein gar nichts erkennen, was um mich herum geschieht. Nur das Gebrüll und die Schreie lassen mich in etwa vermuten, wo sich einige Leute befinden. Immer noch wachsam, verlasse ich langsam den Niedergang, als plötzlich ein graues Schemen auf mich zugestolpert kommt. Instinktiv stelle ich mich in Angriffsposition – die Beine ein wenig gespreizt, um einen festen Stand zu haben, und die halb zu Fäusten geballten Hände erhoben, um einen Angriff abzuwehren oder um einen auszuführen. Und dann, als würde sich in der Nebelwand eine Tür öffnen, steht unmittelbar vor mir ein junger Mann. Sein Gesicht ist zwar ein bisschen geschwärzt und ein, zwei Kratzer zieren seine rechte Wangenhälfte, dennoch entgehen mir nicht die jugendliche Reinheit mit dem bisschen Bartflaum, weshalb ich ihn auf 15-16 Jahren einschätze. Zu meinem eigenen Schrecken entgeht mir auch nicht, dass er die blauweiße Uniform der Marine trägt. Keuchend bleibt der Junge vor mir stehen und blickt mit verwirrten Augen zu mir empor. Dann aber reißt er seine Augen schreckgeweitet auf und seine Hände umschließen den Lauf seines Gewehres noch fester, wodurch seine Fingerknöchel weiß hervortreten. Im nächsten Moment aber hat sich sein Schrecken auch schon wieder gelegt und ein gefährliches Funkeln tritt in seine Augen. Gerade, als er im Begriff ist, den Lauf seines Gewehres auf mich zu richten, reiße ich ihm die Flinte mit einem kräftigen Ruck aus den Händen. Gleichzeitig verpasse ich ihm einen harten Faustschlag gegen die rechte Schläfenseite. Augenblicklich knicken seine Beine unter ihm ein und der Junge fällt bewusstlos vor mir zu Boden. Für einen Moment knie ich mich neben dem Jungen auf den Boden und lege zwei Finger auf seine Halsschlagader. Zufrieden stelle ich fest, dass der Puls unter der zarten Haut in einem regelmäßigen Rhythmus schlägt. Erleichtert nehme ich zur Kenntnis, dass er, abgesehen von einem dröhnenden Schädel und einer beachtlichen Beule, keine weiteren Schäden davongetragen hat. Danach erhebe ich mich wieder und werfe das Gewehr, das ich noch immer in der Hand halte, achtlos in den Niedergang, wo es klappernd die Stufen herunterfällt. Mein Gewissen beruhige ich damit, dass es dort jedenfalls keiner so schnell findet. Langsam wandele ich anschließend über das Deck, wobei ich mich immer wieder nach allen Seiten umdrehe. Eine gespenstische Atmosphäre liegt in der Luft. Der Lärm, der mittlerweile zu einem großen Teil abgenommen hat, scheint irgendwie wie aus dem Nichts zu kommen. Es ist beängstigend, wenn man nicht weiß, was vor einem geschieht. Und jederzeit kann ein dunkler Schatten vor dir auftauchen, bei dem man nicht weiß, ob er Freund oder Feind ist, so wie es bei dem jungen Soldaten der Fall war. Schließlich erreiche ich völlig unbeschadet die Reling, und vor mir türmt sich eine massive Holzwand auf. Durch die sanften Bewegungen des Meeres reibt das Holz knirschend und knarrend an die Backbordseite der Lamb. Innerlich mache ich mir einen Vermerk, dass wir nachher, sobald es wieder ruhiger ist, einen Kontrollgang im Unterdeck machen müssen, für den Fall, dass bei dem Zusammenprall ein Leck geschlagen wurde. Plötzlich fahre ich erschreckt zurück, als sich etwas Schweres auf meine Schulter legt, so dass ich mit einem Mal mit dem Rücken an der Reling stehe, während ich instinktiv die Fäuste kampfbereit hebe. „Ganz ruhig, Chopper“, beschwichtigt mich Sanji mit erhobenen Händen. „Ich bin es nur.“ „Verdammt, Sanji!“, brülle ich lautstark, während mein Herz nur schwer in seinen normalen Rhythmus zurückfindet. „Mach das nie wieder!“ „Ist bei dir alles in Ordnung?“, fragt mich Nami mit besorgter Stimme, die hinter Sanji aus dem Nebel tritt. In ihren Händen hält sie ihren Klimataktstock, aus dessen oberen Öffnung noch ein wenig Rauch aufsteigt. Nickend beantworte ich ihre Frage, was sie mit einiger Erleichterung zur Kenntnis nimmt. „Ich glaube, das waren alle“, ertönt von irgendwo über mir die Stimme von Ace. Gerade blicke ich fragend hinauf, als er auch schon neben mir zu Boden springt und dabei federnd in die Knie geht, um den Sprung in seiner Kraft abzumildern. „Bist du sicher?“, hakt Sanji zweifelnd nach und zieht dabei die Augenbraue hoch. „Das waren nämlich nicht gerade viele Soldaten.“ „Vielleicht waren sie vorher schon in einen Kampf verwickelt“, wendet Nami ein und blickt uns fragend an. „Das könnte gut möglich sein“, antwortet Ace unbekümmert und zuckt mit den Schultern. Ich dagegen blicke hinter mir hinauf zum Marineschiff. Der Gedanke, dass irgendwo noch ein bewaffneter Soldat rumlaufen könnte, behagt mir nicht sonderlich. Denn schließlich könnte er jetzt dort oben an der Reling stehen und mit einem Gewehr auf uns zielen. Aufgrund unseres Geredes würden wir trotz des Nebels immer noch eine gute Zielscheibe abgeben. „Meinst du wirklich?“ Die Überraschung ist Nami deutlich anzusehen, da sie wohl selbst nicht so wirklich an ihrer Aussage geglaubt hat. „Ja, denn bei dem Schiff handelt es sich um einen Gefangenentransporter.“ „Woher weißt du das?“, frage ich ihn. „Das Schiff ist zu leicht bewaffnet. Gerade mal zwei Kanonen stehen auf dem Deck.“ „Ein Gefangenentransporter“, wiederholt Nami langsam Ace´ Worte und für einen Moment blitzt in ihren Augen etwas Undefinierbares auf. „Vielleicht sind sie ja auf dem Weg nach Winters Island?“ „Und wenn schon“, meint Sanji wegwerfend, der wohl allmählich das Interesse an dem Geschehen verliert. In aller Ruhe, als hätte er alle Zeit der Welt, zündet er sich eine seiner Zigaretten an und behält den inhalierten Rauch für eine Weile in seinen Lungen, bevor er diesen wieder aushaucht. Fasziniert beobachte ich die leichten Rauchschwaden, wie sie sich mit den weißen Nebelschwaden vereinen, wo sie nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind. „Nein, du verstehst nicht“, meint Nami mit aufgeregter Stimme und legt eine Hand auf Sanjis Arm, um ihn davon abzuhalten sich von dem Geschehen abzuwenden. Es entgeht mir nicht, dass er bei der Berührung kurz zusammenzuckt. Nami muss es auch gemerkt haben, da sie ihre Hand schnell wieder zurückzieht. „Wenn sie wirklich nach Winters Island wollen, dann werden sie auch einen Eternal Port haben“, erklärt sie, als wäre nichts geschehen. Jedoch vermeidet sie jeden Blickkontakt zu Sanji. „Der Kapitän liegt oben auf dem Deck“, meint Ace, der verstanden hat, was Nami uns damit zu sagen versucht. Und mit einem Blick zu Sanji, scheint auch er verstanden zu haben, da er gerade dabei ist auf die Reling zu klettern. Wir anderen tun es ihm gleich, und zu viert kraxeln wir auf das Marineschiff. „Wir sollten uns zur Vorsicht einmal auf dem Schiff umsehen“, wendet sich Sanji leise an mich, als wir das Deck erreicht haben. Eine Hand hat er mir dabei auf die Schulter gelegt, um mich daran zu hindern, dass ich Nami und Ace in den dichten Nebel folge. „Ich bin noch nicht wirklich davon überzeugt, dass wir alle Soldaten erledigt haben.“ Wieder muss ich an den ominösen Soldaten aus meiner Vorstellung denken und ein kalter Schauer rieselt mir den Rücken hinab. Bei diesem Nebel würde es mich zumindest nicht wundern, wenn sich irgendwo noch ein paar Soldaten versteckt haben. Selbst Geräusche scheinen von den wabernden Schwaden verschluckt zu werden. Mit grimmiger Mimik nicke ich und zeige Sanji, dass ich verstanden habe. Gemeinsam wenden wir uns leisen Schrittes nach links, in der Annahme, dass sich dort irgendwo der Decksaufbau befindet. Nach wenigen Metern verfängt sich mein Fuß in irgendwas am Boden und stolpernd stürze ich nach vorne. Aus einem blitzschnellen Reflex heraus packt Sanji mich am Arm und stemmt sich mit seinem Körper nach hinten, um zu verhindern, dass ich mich auf den Decksplanken wieder finde. Dankbar blicke ich ihn an und nicke ihm kurz zu, nachdem ich mein Gleichgewicht zurückerhalten habe. Danach blicke ich zurück, um zu sehen, über was ich gestolpert bin. Ein wenig erschreckt, erkenne ich am Boden einen ausgestreckten Arm liegen. Im ersten Augenblick habe ich die grauenhafte Vorstellung, dass es sich dabei um einen abgetrennten Armstummel handelt. Doch als ich genauer hinsehe, bemerke ich, dass sich der restliche Körper wie ein dunkler Schatten in den Nebelschwaden abhebt. Erleichtert atme ich auf und ernte ein belustigtes Schmunzeln von Seiten Sanjis, als hätte er meine Gedanken gelesen, was sogar wahrscheinlich ist. So gut, wie Sanji, Zorro oder Robin kann ich meine Gedanken und Emotionen nicht hinter einer versteinerten Maske verstecken. Schließlich gehen wir weiter und erreichen nach einigen Schritten den Decksaufbau, der unter anderem die Kommandobrücke und das Ruderhaus beinhaltet. Mit einem Fingerzeig gibt Sanji mir zu verstehen, dass ich mich im Unterdeck umsehen soll, wobei er auf eine offen stehende Tür weist, die eindeutig nach unten führt. Ohne meine Antwort abzuwarten, steigt er auch schon die wenigen Stufen zur Brücke hinauf, und ist im nächsten Augenblick in der weißen Nebelwand verschwunden. Seufzend luge ich die schmale Treppenstiege hinab. Das untere Ende wird von einer kleinen Laterne beleuchtet, was ich mit einiger Erleichterung zur Kenntnis nehme, da ich so gut wie keine Lust verspüre mich im Dunkeln vorantasten zu müssen. Innerlich gebe ich mir schließlich einen Ruck und setze einen Fuß auf die oberste Stufe. Danach steige ich langsam die Treppe hinab, wobei ich auf jedes noch so kleine Geräusch achte, und das untere Ende nicht aus den Augen lasse. Nach und nach eröffnet sich vor mir ein langer, schmaler Gang. Auch dort hängen in einigen Abständen Laternen, so dass ich gut erkennen kann, dass ab und zu Türen vom Gang abzweigen. Am unteren Treppenabsatz bleibe ich jedoch erst Mal unschlüssig stehen, da direkt neben mir ein kurzer Durchgang ist, an dessen Ende sich eine offene Luke befindet, die scheinbar noch ein Deck tiefer führt. Aber hatte Ace nicht auch gesagt, dass es sich bei diesem Marineschiff um einen Gefangenentransporter handelt? Es wäre also nur logisch, dass sich dort die Zellen befinden würden. Eine Weile lasse ich meinen Blick abschätzend zwischen der Luke und dem Gang wandern. Insgeheim wäre es mir lieber, wenn Sanji mit mir zusammen hier heruntergekommen wäre, denn dann müsste ich jetzt nicht abwägen, welches Deck ich zuerst untersuchen soll. Zumal beide Möglichkeiten ein- und dieselbe Gefahr beinhalten, wie ich nach einiger Zeit zu meinem eigenen Unmut feststellen muss. Angenommen, dass sich hier irgendwo einer oder mehrere Soldaten versteckt halten, so könnten sie mir heimlich folgen und mich überwältigen. Zumindest hätten sie es dann nicht weit, um mich in eine Zelle zu sperren, bemerke ich in einem Anflug von Selbstironie. Energisch verdränge ich solche Gedanken mit einem heftigen Kopfschütteln, und spreche mir selbst Mut zu. Meine derzeitige Situation ist auch nicht besser, als die von Sanji. Schließlich muss er sich da oben genauso vorsehen. Entschlossen wende ich mich daher von der Luke ab und schleiche den Gang entlang. Besser gesagt, versuche ich zu schleichen, da das Holz unter meinen Füßen bei jedem Schritt knarzende und knackende Geräusche von sich gibt. Zähneknirschend füge ich mich in mein Schicksal und versuche die verräterischen Laute zu ignorieren. Doch plötzlich meine ich von irgendwoher eine Stimme rufen zu hören. Sekundenlang bleibe ich wie angewurzelt stehen, ohne fähig zu sein auch nur einen einzigen Muskel zu rühren, als dann auch noch ein kalter Windzug meine Wange streift. Sämtliche Haare zu Berge stehend, springe ich mit dem Rücken gegen die Wand und blicke mit panikerfüllten Augen nach allen Seiten. Mein Atem geht nur stoßweise und entweicht mir mit einem zischenden Laut, während mein Herz mit rasendem Tempo bis zum Halse schlägt und das Blut nach diesem Adrenalinschub überdeutlich in den Ohren rauscht. Minuten – oder doch nur Sekunden – verstreichen, ohne dass noch etwas zu hören wäre, so dass sich allmählich mein Gemütszustand wieder beruhigt. Nach und nach entspannen sich meine Muskeln und lösen sich von der Wand, während mir fast schwarz vor Augen wird, so erleichtert bin ich. Gleichzeitig jedoch schelte ich mich selbst als Hasenfuß für meine paranoiden Wahnvorstellungen. Mit zitternder Hand streiche ich mir übers Gesicht und atme ein paar Mal tief ein, bevor ich mich wieder meiner Aufgabe zuwende. Doch zu meinem Leidwesen komme ich gar nicht erst dazu, das Deck weiter zu inspizieren. „Oben ist alles in Ordnung“, höre ich es plötzlich hinter mir sagen. Wie von der Tarantel gestochen, schreie ich laut auf und drehe mich zu der Stimme um. Doch bei meinen hastigen Bewegungen stolpere ich über meine eigenen Füße und falle rücklings auf den Boden. Auf den Ellenbogen aufgestützt, blicke ich mit schreckgeweiteten Augen zu einem völlig überraschten Sanji auf. „Habe ich dich erschreckt?“, stellt er mir die völlig überflüssige Frage und streckt mir eine hilfsbereite Hand entgegen. Zwar hält sich meine Dankbarkeit für seine Hilfe in Grenzen, dennoch ergreife ich seine Hand und ziehe mich mit einiger Anstrengung vom Boden hoch. In diesem Augenblick kann ich gut nachvollziehen, was Zorro zu der einen oder anderen Behauptung bewegt hatte, sobald er sich mit Sanji in die Wolle bekam – was damals so gut wie jeden Tag vorgekommen ist. Denn für den Moment habe ich die Schnauze von der Sache ganz gehörig voll, und am Liebsten würde ich meine Faust in Sanjis breit grinsendes Gesicht schlagen. „Wie weit bist du?“, fragte er mich nach einem kurzen Räuspern und mit einem unterdrückten Lächeln – was ich ihm insgeheim zu Gute halten muss. Doch den Schalk in seinen Augen kann er nicht verstecken, weshalb ich mich mit einem tiefen Grummeln von ihm abwende. Stattdessen öffne ich mit schwelender Wut im Bauch eine der Türen. Mit Hilfe des Lichts vom Gang her erkenne ich, dass ich mich in einer Abstellkammer befinde. Langsam lasse ich meinen Blick über die aufgereihten Putzutensilien und den sorgfältig aufgehängten Werkzeugen an der Wand bis hin zu den ordentlich gestapelten Kartons an der rückläufigen Wandseite schweifen. Bewundernd muss ich zugeben, dass die Ordnungsdisziplin an Bord streng eingehalten wird, anders, als es bei der Lamb der Fall war. Bis auf die Lebensmittelkammer, für die Sanji damals Sorge getragen hatte, sah unsere Abstellkammer wie eine riesengroße Rumpelkammer aus – und das ist sie noch immer, wie ich auf der Suche nach einigen Kehrbesen feststellen musste. Plötzlich höre ich wieder diese unheimliche Stimme und zucke kurz zusammen. Mein Herz verfällt dabei wieder in ein rasendes Tempo. Aber anstatt herauszufinden, woher es kommt, blicke ich eisern auf die Gegenstände in der Kammer. „Hast du das auch gehört?“ Überrascht blicke ich hinter mir zu Sanji, doch seine Aufmerksamkeit ist ganz auf die Stimme gerichtet. Bald schon ist er aus meinem Blickfeld verschwunden und neugierig trete ich auf den Gang hinaus. Dort beobachte ich ihn dabei, wie er langsam auf den Durchgang zugeht, wobei er nach ein paar Schritten immer wieder kurz innehält und nach der Stimme lauscht. „Sie kommt von unten“, antwortet Sanji dann erklärend und gibt mir mit einem Wink zu verstehen, dass ich ihm folgen soll. Schnell komme ich seiner Aufforderung nach und kann gerade noch seinen blonden Schopf erkennen, der in der Tiefe der Luke verschwindet. Vorsichtig nähere ich mich der Bodenöffnung und blicke hinab. Als Sanji unten ankommt, klettere ich auf die Leiter. „Hal-lo!“, höre ich jetzt deutlicher die Stimme rufen, als ich hinter Sanji die Füße auf den Boden aufsetze und die geschlossene Tür vor uns mustere. Zum ersten Mal verspüre ich beim Klang der Stimme keinerlei Angst. Stattdessen zögere ich in meinen Bewegungen und blicke Sanji verwirrt an. Auch er hält kurz inne und zieht die Stirn kraus, bevor er schließlich die Klinke herunterdrückt und die Tür weit aufstößt. Kapitel 32: Ruffy: Bitter Freedom --------------------------------- Ich habe meine Augen geschlossen und atme die frische, salzige Luft tief ein. Ein kalter Wind streicht mir durchs Haar und einzelne Strähnen kitzeln mich an der Wange. Schlussendlich kann ich nicht anders und strecke meine Arme zu beiden Seiten lang aus. Laut und überschwänglich lache ich meine Freude heraus, wobei ich mich gleichzeitig schnell im Kreis drehe. Es ist ein so befreiendes und zugleich erleichterndes Gefühl, die elenden Hand- und Fußfesseln nicht mehr zu spüren, obwohl noch rote Striemen von der tragenden Tortur zeugen. Doch in ein paar Tagen werden diese Wunden verheilt sein und nur meine gepeinigte Seele wird von dem erlittenen Martyrium berichten können. Aber auch dies wird mit der Zeit verheilen, da bin ich mir sicher. Lachend lasse ich mich auf den Boden plumpsen, was einen ziehenden Schmerz in meiner Steißgegend hervorruft. Aber den Schmerz ignoriere ich geflissentlich, da ich ihn mir ja selbst beigebracht habe. Stattdessen blicke ich in die Gesichter meiner Freunde. Noch immer kann ich nicht glauben, dass sie hier bei mir sind und um mich herum stehen. Mein Gehirn hält diese Tatsache für einen Traum. Doch selbst wenn dies der Fall wäre, so würde ich mir wünschen, nie wieder aufzuwachen. Denn zu schön ist das Gefühl der Freiheit, dass es eine quälende Folterei meines Verstandes wäre, sollte sich diese Wirklichkeit nur in meinen Gedanken abspielen. Laut aufseufzend lege ich mich – alle viere von mir gestreckt – auf den Rücken und blicke hinauf. Kurz verspüre ich einen Stich der Enttäuschung, als ich über mir nirgends unsere Piratenflagge sehen kann – das Zeichen der Strohhutbande. Der Nebel – so dicht, wie ich ihn noch nie erlebt habe – versperrt mir leider die Sicht darauf. In meinen Gedanken aber sehe ich sie dort oben hängen, wie sie sich ganz leicht flatternd im Wind bewegt. Plötzlich sehe ich Sanji vor mir, der leise neben mich getreten war und mit einem kleinen Lächeln zu mir herunter blickt. Langsam geht er in die Hocke und legt die Arme locker über seine Knie. Stumm mustere ich sein Gesicht. Trotz seiner freundlichblickenden Augen entgeht mir nicht, dass sich in seinen Augenwinkeln und um seinen Mund herum ein harter Zug gelegt hat. Die straffe Haut an seinen Wangenknochen lässt sein Gesicht schmaler und maskuliner wirken, als es früher der Fall war. Eine leise Genugtuung kann ich mir daher nicht verkneifen, dass die Zeit auch an ihm nicht spurlos vorüber gezogen ist. „Wollen wir nicht lieber ins Warme gehen? Ich kann mir gut vorstellen, dass du dich auch gerne umziehen möchtest.“ Allmählich verspüre ich die Kälte, die sowohl in der Luft als auch im Holz liegt, und meine Kleidung längst durchdrungen hat. Mit steifen, ungelenken Knochen erhebe ich mich langsam aus meiner liegenden Position, und ergreife die ausgestreckte Hand Sanjis. Gemeinsam ziehen wir uns hoch. „Geht ihr schon mal vor“, meint Nami lächelnd und wischt sich die letzten übrig gebliebenen Tränen aus den Augenwinkeln. Sie ist mir im wahrsten Sinne des Wortes um den Hals gefallen, als ich zusammen mit Sanji und Chopper das Deck des Marineschiffes betreten hatte. In allen Gesichtern hatte ich ungläubiges Staunen erkennen können, da sie – ebenso wenig wie ich – damit gerechnet haben, dass ich mich an Bord befinden würde. Umso größer war die Freude dann auch, als die Erkenntnis uns traf, welch ein Zufall uns das Schicksal geschickt hatte. Denn schließlich hätte es auch anders kommen können! „Chopper, Ace und ich kümmern uns erst Mal darum, dass wir wieder Fahrt aufnehmen und den richtigen Kurs einschlagen.“ Mit diesen Worten blickt Nami auf den Gegenstand in ihrer Hand. Trotz der Entfernung vermute ich, dass es sich entweder um einen Lock-Port oder um einen Eternal-Port handelt. Ace und Chopper verschwinden derweil im Nebel, und ich gehe davon aus, dass sie Namis Worten folgen und sich um das Segel und das Steuer kümmern. Mit einem sanften Stups gegen die Schulter lenkt Sanji meine Aufmerksamkeit auf sich, und zu zweit begeben wir uns in die Kombüse. Eine wohlige Wärme empfängt mich, als ich durch die Tür schreite. Dankbar stelle ich mich vor dem kleinen Wärmeofen und reibe mir die klammen Hände vor dem offenen Feuer. Neugierig blicke ich mich dabei im Raum um. Obwohl sich nichts verändert hat, komme ich nicht umhin zu bemerken, dass in der Nähe des Ofens vier Schlafplätze auf dem Boden aufgeschlagen wurden. Fragend blicke ich Sanji an, als er mir eine Decke überreicht. „In den Zimmern unten ist es mittlerweile zu kalt geworden“, antwortet er auf meine stumme Frage hin, während ich mir die Decke um die Schultern lege. Nach einer Weile, in der nur das Knacken und Prasseln des Feuers zu hören ist, spüre ich deutlich das Blut wieder in meinen Fingern zirkulieren. Wie kleine spitze Nadelstiche pulsiert die rote Flüssigkeit durch die hauchdünnen Blutgefäße. Kurioserweise genieße ich dieses Gefühl, da es mir zeigt, dass ich lebe … und zwar wirklich lebe. Nicht so, wie es in den vergangenen Tagen und Wochen der Fall war, die neben einer gewissen Monotonie von Wachsamkeit und Unterwürfigkeit begleitet wurden. Im Gefängnis habe ich schnell begriffen, dass man auf Winters Island zu einem Geist wird. Jegliches Leben wird dort einem rausgeprügelt, bis man nichts mehr spürt und die eigene Seele wie eine Blume ohne Wasser verdörrt. „Danke!“, kommt es aus der Tiefe meines Herzens laut heraus. Während vereinzelte Tränen an meinen Wangen herabperlen, blicke ich Sanji mit einem glücklichen Lächeln an. Verständnisvolle Augen erwidern meinen Blick, und ernst nickt er mir zu. Langsam setze ich mich daraufhin an den großen, langen Tisch und schaue Sanji dabei zu, wie er heiße Schokolade in zwei Tassen füllt. Meine Geschmacksnerven ziehen sich bei diesem Anblick zusammen. Als hätte ich den Geschmack bereits im Mund, fahre ich mehrmals mit der Zunge über die trockenen Lippen. „Soll ich dir auch was zu essen machen?“, fragt Sanji mich, als er eine der beiden Tassen vor mir auf den Tisch stellt. Sofort greife ich mit beiden Händen nach der Tasse, von der ich im nächsten Moment auch schon einen Schluck abtrinke. Ungeachtet der heißen Flüssigkeit schließe ich genießerisch die Augen, als der süße schokoladige Geschmack meine Kehle hinab rinnt. Trotz der wochenlangen Entbehrungen von süßen, leckeren und nahrhaften Essen zwinge ich mich schließlich dazu, die Tasse wieder zurück auf den Tisch zu stellen. Daraufhin ernte ich einen erstaunten Blick von Sanji, der normalerweise ganz anderes von mir gewohnt ist. Auch mein verneinendes Kopfschütteln auf seine Frage scheint ihn zu irritieren, da seine ernsten Augen mich jetzt genau mustern. Was er aber wirklich denkt, vermag ich nicht zu sagen. „Du hast dich verändert“, meine ich schließlich, woraufhin ich ein kurzes Auflachen ernte, das mehr Sarkasmus beinhaltet als Erheiterung. „Das haben wir alle“, meint er leise, wobei ich mir nicht sicher bin, ob die Worte wirklich an mich gerichtet sind. Doch die leise Enttäuschung in seiner Stimme entgeht mir nicht, weshalb ich mich innerlich frage, was – oder wer? – diese Regung in ihm hervorgerufen hat. „Wo ist Robin?“, frage ich dann, womit ich Sanji zugleich auch zu verstehen gebe, dass mir die Anzahl der Schlafstätten in der Kombüse aufgefallen sind. „Irgendwo zwischen uns und Winters Island“, antwortet er mir bereitwillig, aber auch nichts sagend zugleich, so dass ich mich dazu genötigt fühle, die Augenbrauen fragend hochzuziehen. „Nami hat zusammen mit Shanks einen großen Rettungstrupp zusammengestellt. Tja, und zurzeit ist Robin bei ihm auf dem Schiff.“ Mit nur wenigen Worten hat Sanji eine wahre Gefühlswelle in mir ausgelöst. Da sind zum einen Freude und Überraschung über die Nachricht, dass Shanks sich an der Rettung beteiligt, da ich die ganze Zeit über angenommen habe, er würde sich irgendwo im West Blue aufhalten. Zudem stellt sich mir auch die Frage, wie Nami ihn finden konnte beziehungsweise überhaupt auf den Gedanken gekommen ist, sich Hilfe suchend an ihn zu wenden. Aber zum anderen bin ich verwirrt und erstaunt über die Tatsache, dass Robin bei Shanks ist. Vorausgesetzt, dass es ihre Entscheidung war, wollte sie mit ihrem Fernbleiben vielleicht erreichen, dass sich Sanji und Nami wieder versöhnen? Und was ist mit Chopper? Was macht er alleine hier an Bord der Flying Lamb? Von Zorro habe ich bisher keine Spur entdecken können. „Er fährt ebenfalls bei Shanks mit“, antwortet mir Sanji, als wüsste er genau, was gerade in meinem Kopf vor sich geht. „Oh, Mann, ich glaube, du musst mir alles der Reihe nach erzählen“, meine ich ein wenig gequält. In meinem Kopf dreht sich alles, während ich versuche, die Geschehnisse, die Emotionen und das Gesagte der letzten Stunde zu verarbeiten. „Es gibt eigentlich nicht viel zu erzählen. Nachdem Nami und Shanks uns – also Chopper, Zorro, Robin und mich – aufgespürt hatten, haben wir uns sofort auf den Weg nach Winters Island gemacht. Dabei hat Robin sich dazu entschlossen ihr Quartier bei Shanks zu beziehen. Und Zorro tat es ihr nach.“ „Freiwillig?“ Ein verkniffener Zug legt sich um Sanjis Mund und irgendetwas sagt mir, dass etwas Bedeutendes vorgefallen ist. Zu gerne wäre ich bei dem Wiedersehen zwischen den Vieren dabei gewesen. Nach allem, was vorgefallen ist, ist es ihnen bestimmt nicht leicht gefallen. „Ich schätze mal, ja“, spricht Sanji schließlich weiter, wobei er allerdings auf die Tischplatte blickt. Geistesabwesend greift er nach einer Zigarettenpackung. Anstatt aber eine dieser Glimmstängel herauszunehmen und sie sich anzuzünden, dreht er die Packung immer wieder in seinen Fingern, als müssten sie irgendwas zu tun bekommen. „Und das gefällt dir nicht?“, frage ich weiter, in der Hoffnung, so endlich einen Einblick zu bekommen, wie die Gefühlswelt meiner Freunde wirklich aussieht. Bei Robin und Zorro steht es für mich außer Frage, dass die beiden sich damals geliebt haben – und vielleicht immer noch lieben. Doch bei Nami und Sanji bin ich mir heute noch nicht sicher, welche Gefühle sie damals füreinander gehegt haben. „Was … nein“, stammelt Sanji völlig überrascht, womit ich im ersten Augenblick nicht gerechnet habe. „Das geht schon in Ordnung. Ich meine, Robin ist eh nicht über Zorro hinweggekommen. Wenn die Beiden wieder zueinander finden, würde es mich für Robin freuen. Aber es ist nur so …“ Tief in Gedanken versunken, hört Sanji mitten im Satz auf, als müsste er nach den richtigen Worten suchen. Abwartend verschränke ich meine Arme auf der Tischplatte und bette meinen Kopf darin. Die ganzen Gefühlsaufwallungen haben sehr an meinen letzten Kraftreserven gezehrt, so dass mich mittlerweile eine große Müdigkeit überkommt. Dennoch zwinge ich mich, die Augen weiterhin offen zu halten. „Es herrscht so ein Chaos zwischen uns“, erzählt Sanji nach einiger Zeit mit langsamen Worten weiter. „Und allmählich habe ich das Gefühl, dass ich keinen Durchblick mehr bei dem ganzen Durcheinander habe.“ „Was meinst du mit ‚Chaos’?“ „Streit auf allen Seiten … Fehlinterpretationen von Gefühlen … verzweifelte Taten. Was du dir auch aussuchst, es trifft in jedem Fall auf uns zu.“ „Dann wird es vielleicht an der Zeit euch vier mal in einen Raum zu sperren“, grinse ich und versuche damit die gespannte Atmosphäre ein wenig wieder aufzulockern. Aber insgeheim kann ich mir keine Vorstellung davon machen, was meine Freunde gerade durchmachen. Nicht nur, weil ich nicht bei all den Ereignissen zugegen war, sondern auch, weil ich keine Ahnung habe, wie sich diese Art von Liebe anfühlt. „Ja, vielleicht solltest du das wirklich tun“, sinniert Sanji mit einem verrutschten Lächeln, während er seinen Kopf auf eine geballte Faust stützt. Im gleichen Augenblick geht die Tür auf und ein Schwall kalter Luft weht herein. Fröstelnd betritt Nami die Kombüse und reibt sich begierig ob der Wärme ihre Hände. Für einen kurzen Moment funkelt es sehnsüchtig in Sanjis Augen auf, bevor wieder die stahlblaue Härte in ihnen zurückkehrt, und ich erkenne, dass die Beiden wahrscheinlich wirklich Hilfe brauchen. „Der Wind nimmt wieder zu“, erklärt Nami, als sie ihre Jacke neben der Tür aufhängt und sich anschließend zu uns an den Tisch setzt. Sanji war bereits aufgestanden, um auch ihr eine Tasse heißer Schokolade zu bringen. Ich komme nicht umhin wieder einmal zu bemerken, wie zurückhaltend er sich Nami gegenüber benimmt, als er wieder an den Tisch zurückkehrt und besagte Tasse vor ihr abstellt. „Danke“, murmelt sie leise, ohne den Blick dabei auf Sanji zu richten. Stattdessen wendet sie sich mir zu, als ich gerade verständnislos den Kopf leicht schüttle, da die Beiden scheinbar nichts aus der Vergangenheit gelernt habe. Kommentarlos begegne ich ihren fragenden Blick, ohne ihr meine Gedanken ersichtlich zu machen. „Vielleicht sollten wir später weiter reden, wenn du dich ausgeruht und was gegessen hast?“, schlug Sanji vor, der unseren Blickaustausch interessiert beobachtet. „Nein, ist schon in Ordnung“, antworte ich ihm und setze mich aufrechter hin. „Es ist schön, mal nicht einfach nur dazusitzen und vor sich hinzustarren.“ „Weißt du, wie es Lysop geht?“, fragt mich Nami begierig und mit sorgenvollen Augen. Innerlich erstarre ich bei ihrer Frage zu Eis, da ich wieder Lysops vorwurfsvolle Worte in meinem Kopf höre. „Konntest du mit ihm reden? Geht es ihm gut? Ist er auch auf einem Schiff? … So sag doch was!“ „Halt die Klappe, Nami!“ Genau wie Nami, zucke ich bei den harten Worten zusammen. Doch während sie aus erschrockenen Augen zu Sanji blickt, sehe ich ihn einen Augenblick verwirrt an. Noch nie habe ich ihn ihr gegenüber so kalt erlebt – auch nicht, als sie sich damals so heftig gestritten haben. „Ist schon okay“, beschwichtige ich ihn schließlich, da ich nicht anders weiß, wie ich mich in diesem Fall verhalten soll. Du hast dich verändert. Das haben wir alle. In diesem Augenblick erst wird mir so richtig bewusst, was Sanji mit dieser Bemerkung gemeint hat. Und mit einer erschreckenden Klarheit frage ich mich, wie sehr wir uns alle verändert haben. Lange Zeit habe ich gehofft, dass man die Freundschaft irgendwie wieder kitten könnte. Aber angesichts der neuen Erkenntnisse dürfte sich diese Aufgabe als schwer, wenn nicht sogar als unmöglich gestalten. Und dieser Gedanke jagt mir eine Heidenangst ein! „Entschuldige, Ruffy“, meint Nami nach einer Weile der Stille und reißt mich so aus meinen Gedanken. Ihr Mund verzieht sich zu einem betretenen Lächeln, während sie eine zierliche Hand auf meine legt. „Das brauchst du nicht“, antworte ich ihr und drücke aufmunternd ihre Hand. „Ehrlich gesagt, Lysop geht es gar nicht gut.“ „Was meinst du damit?“, ruft sie erschrocken auf und reißt ihre sorgenvollen Augen weit auf. „Was ist denn mit ihm?“ Kurz blicke ich zu Sanji. In seinem versteinerten Gesicht ist keine Regung zu lesen. Nur ein unmerkliches Heben seiner Augenbraue bekundet seine Aufmerksamkeit. Laut seufze ich auf, bevor ich mich wieder Nami zuwende. „Das letzte Mal, als ich Lysop sah“, beginne ich zu erklären, wobei ich mühsam die aufkeimenden Emotionen verdränge, die ich damals bei seinem Anblick und seinen Worten empfunden habe, „da … da hatte man ihn aufs Übelste verprügelt. Dieses Gefängnis … es ist die Hölle! Anders kann ich es gar nicht beschreiben. Selbst meinen ärgsten Feind wünsche ich nicht dorthin. Die Soldaten schlagen, quälen und foltern dort jeden, einfach nur, weil sie Spaß daran haben und sich an den Schmerzen anderer erfreuen.“ „Aber das muss der Oberbefehlshaber, oder wer auch immer, doch merken!?“, wendet Nami verzweifelt ein, während ihr Gesicht bei jeden meiner Worte immer blasser geworden ist. Dringend nach einer Antwort verlangend, blickt sie abwechselnd zwischen mir und Sanji hin und her, bis sie vor Schmerzen leise aufschreit. Erschrocken reiße ich meine Hand zurück, mit der ich die ganze Zeit über ihre gehalten habe. Mit den Gedanken ganz bei Ironwhip und seinem überheblichen Grinsen, habe ich nicht bemerkt, wie ich immer fester zugedrückt habe, als hätte sein Hals darin gelegen. „Anscheinend hat er das nicht“, beantwortet Sanji lakonisch Namis Frage und blickt mich aufmerksam musternd an. Verneinend schüttle ich langsam den Kopf. „Und wie er das hat! Lysop wurde auf seinen Befehl hin halbtot geprügelt. Und das nur wegen mir … und Lysop weiß das.“ Die letzten Worte ringe ich mir nur noch mit leiser Stimme ab. Und mit ihnen legt sich eine bedrückte Stille über die Kombüse, in der jeder das Gehörte verarbeitet. Doch plötzlich wird diese gestört, als das Schnappen von Sanjis Feuerzeug ähnlich eines Kanonenschusses durch den Raum hallt. Im nächsten Augenblick durchzieht auch schon der herbe Geruch seiner Zigarette die Kombüse und weckt in mir einige Erinnerungen aus der Vergangenheit. „Lysop weiß es also, ja?“ hakt Sanji in einem eigenartigen Ton nach, den ich nicht zu deuten vermag. Gleichzeitig legt er einen Arm auf den Tisch und spielt mit dem Feuerzeug, das er bisher nicht aus der Hand gelegt hat. Immer wieder dreht er es zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger, wobei es in regelmäßigen Abständen mal mit der Oberseite, dann wieder mit der Unterseite auf der Tischplatte aufkommt und damit ein klapperndes Geräusch verursacht. „Und, hat er sich beschwert oder so was?“ Alles in mir verkrampft sich, ob vor Wut oder Gewissensbissen kann ich nicht beantworten. Innerlich aber frage ich mich, was Sanji mit seinem Gerede bezweckt, als ich plötzlich Verstehen in seinen Augen aufblitzen sehe. Sofort hört das klappernde Geräusch auf, als er das Feuerzeug in seinen Händen zum Stillstand bringt und bar jeden Humors laut auflacht. „Natürlich hat er das, was denn auch sonst? Mann, Ruffy, vergiss es! Wann hat es mal eine Situation gegeben, in der er sich nicht lautstark beschwert hat?“ „Du hast ihn aber nicht gesehen … oder gehört“, entgegne ich mit leiser Wut im Bauch. Doch Sanji scheint es wenig zu stören, da er nur kurz mit den Schultern zuckt. „Du willst also sagen, dass es deine Schuld ist, dass ihr von der Marine geschnappt wurdet? Oder dass ihr ausgerechnet nach Winters Island gebracht wurdet? Oder dass die Soldaten dort so brutal ihrem Tagewerk nachgehen?“ „Nein, aber …“ „Kein ‚aber’! Was auch immer Lysop dir gesagt hat, dich trifft überhaupt keine Schuld daran. Du darfst auch nicht vergessen, dass es ihm jederzeit frei stand seinen eigenen Weg zu gehen. Stattdessen aber ist er die ganze Zeit bei dir geblieben, also muss er sich im Klaren über die möglichen Folgen gewesen sein … zumal er ja auch steckbrieflich gesucht wird, so wie wir auch.“ Erneut fängt das Klappern des Feuerzeuges an, während Sanji kurz an seiner Zigarette zieht und einen Punkt hinter meiner Schulter fixiert. Mit seinen ehrlichen Worten hat er mich entwaffnet. Was kann ich auch schon dagegen einwenden? Ich habe Lysop wirklich nicht dazu gezwungen, bei mir zu bleiben. Und uns allen war es immer bewusst, dass die Marine uns eines Tages schnappen könnte. Aber hätte ich nicht vielleicht irgendwas anders machen können? Hätte sich nicht nur Nami, sondern auch Lysop irgendwie retten können? „Versteh mich nicht falsch“, spricht Sanji unvermittelt weiter, der nach wie vor zur Wand hinter mir blickt. „Natürlich tut es mir Leid, was Lysop zurzeit durchmachen muss. Und ich kann auch verstehen, dass er dir Vorwürfe macht. Er befindet sich im Moment in einer aussichtslosen Lage, in der er ohne Ende schikaniert wird, ohne sich überhaupt wehren zu können … Diese Hilflosigkeit macht einen rasend. Man möchte gerne etwas an der Situation ändern, aber man weiß nicht, wie. Es ist, als wären dir die Hände gebunden, und man kann nur noch tatenlos zusehen, wie alles seinen Lauf nimmt, ob es dir nun passt oder nicht. Am Ende sucht man dann nach Antworten … nach irgendwelchen Erklärungen für das ganze Geschehen, und man meint auch diese gefunden zu haben. Aber in Wirklichkeit bleibt am Ende nichts anderes als die Frage: Wie konnte das alles nur geschehen? Es würde mich also nicht wundern, wenn Lysop seine Worte längst bereut. Und wenn nicht heute, dann spätestens, wenn wir ihn dort herausgeholt haben.“ Mein Herz ist mir bei seinen Worten schwer geworden, während ich ihn die ganze Zeit aufmerksam beobachtet habe. Seine Stimme ist zwar in der Gegenwart geblieben, aber sein entrückter Blick ist auf die Vergangenheit gerichtet. Und daran erkenne ich, dass er genau weiß, wovon er spricht. Er hat selbst eine solche Zeit durchgemacht, in der er sich so hilflos vorkam. Neugierig blicke ich zu Nami, während ich mich insgeheim frage, ob sie damit zu tun hatte. Ihre Hände liegen vor ihr auf dem Tisch ineinander gefaltet und wirken ein wenig verkrampft, ebenso auch ihre Schultern, als hätte sie Angst auch nur einen Muskel zu rühren. Und ihre Augen, in der sich eine tiefe Traurigkeit widerspiegelt, sind wie bei Sanji auf einen Punkt in der Vergangenheit gerichtet. Plötzlich beugt sich Sanji ein wenig über den Tisch, als hätte er sich gewaltsam zurück in die Realität zwingen müssen, und drückt den kurzen Stummel seiner Zigarette im Aschenbecher aus. Nami war bei der unvorhergesehenen Bewegung kurz zusammen gezuckt und blinzelt mehrmals verwirrt mit den Augen. Auf mich macht sie in diesem Moment den Eindruck, als sei sie eben erst aus einem Traum erwacht, und versucht nun sich mit teils fragenden, teils neugierigen Blicken ihre Orientierung wiederzubekommen. „Ich werde mal sehen, ob die anderen Hilfe brauchen“, murmelt Sanji mit leiser Stimme, ohne sich wirklich an jemand bestimmtes von uns zu wenden. Die Tatsache, dass er meinen Augen dabei ausweicht, sagt mir, dass er einfach nur nach einer Ausrede gesucht hat, um die Kombüse verlassen zu können. Anscheinend hat ihn das Gespräch schwerer mitgenommen, als er uns glauben machen will. „Lass ihn“, wende ich mich Nami zu, nachdem Sanji die Tür leise hinter sich zugezogen hat und sie Anstalten macht ihm zu folgen. Mit hängenden Schultern setzt sie sich wieder auf ihren Platz. Mit einem Male wird ihr Gesicht leichenblass, als würde ihr eine Erkenntnis durch den Kopf gehen, und ungeweinte Tränen sammeln sich in ihre Augen. Sanft lege ich eine Hand auf ihren Arm, das einzig Mögliche, um ihr wenigstens ein bisschen Trost zu spenden. Kapitel 33: Robin: Discussion ----------------------------- Blinzelnd trete ich aus dem dämmrigen Unterdeck hinaus ins Freie, während meine Augen sich langsam an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnen. Ein leises Lächeln legt sich auf meine Lippen, als ich über mir den wolkenlosen Himmel sehe, und freudig halte ich mein Gesicht der warmen Sonne entgegen. Seltsamerweise habe ich das Gefühl, dass ihre Strahlen auch mein Herz mit Licht erfüllen. Und mit einem Mal sehe ich alles mit völlig sorgenfreien Augen, als würde die Sonne prophezeien wollen, dass das Schicksal am Ende noch alles zum Guten wenden wird. „Für die Weiterfahrt reicht das Bramsegel aus. Die anderen sollen die Männer einholen. Und sag Smittie, er soll längsseits zur Insel beidrehen.“ Die geschäftige Stimme des Kapitäns reißt mich aus meiner leisen Verzückung heraus, und lässt mich zu der Dreiergruppe an der Reling blicken. Der schwarze Umhang, der im Rhythmus des Windes flattert, ist wie ein magischer Blickfang, da er das Gesamtbild mit seiner dunklen Farbe zu dominieren scheint. Ansonsten ist bis auf den roten Haarschopf nichts weiter von dem Kapitän zu erkennen, der in seinem Profil zu mir steht. Demonstrativ lehnt zu seiner rechten Seite sein Vizekommandeur mit dem Rücken an der Reling in lässiger Haltung, wobei die Arme vor der Brust verschränkt und die Füße gekreuzt sind. Obwohl der Kopf leicht gesenkt ist, sehe ich, dass Ben Beckman seine Augen geschlossen hat. Auf den ersten Blick hätte man meinen können, er sei eingeschlafen. Doch beim genaueren Hinsehen erkenne ich, dass der Zigarillo in seinem Mundwinkel auf- und abwippt. Der Dritte im Bunde ist ein schmächtiger Seemann, dessen vernarbter Körper trotz allem von einigen Schlachten zu berichten weiß. Obwohl ich bisher keinen direkten Kontakt zu ihm hatte, wofür ich auch keinen Grund gesehen habe, vermute ich, dass er die Position des Bootsmannes besetzt. Seit ich mich auf dem Schiff befinde, habe ich ihn nie etwas anderes tun sehen, als Befehle des Kapitäns an die Mannschaft weiterzugeben und für die Instandhaltung der Schiffsausrüstung zu sorgen. Und sein Wort scheint auch einiges an Gewicht unter der Besatzung zu haben, als er in diesem Augenblick mit kräftiger Stimme, die man ihm nicht zutrauen würde, die Befehle des Kapitäns über das ganze Deck brüllt. Mit einem Mal ist das ganze Schiff von einer regen Betriebsamkeit erfüllt, als ein Dutzend Männer sofort alles stehen und liegen lassen. Jeder ist mit seiner ihm eigenen Aufgabe bestens vertraut, wodurch sie wie in einem eingespielten Team ihrer Arbeit nachgehen. Einige klettern auf die Masten, um die Segel dort zu befestigen, während die Anderen zugleich diese erst an Tauen hochziehen. Als ich gemächlichen Schrittes auf Shanks und seinen Vize zugehe, merke ich, wie das Schiff sich langsam neigt und sich gegen den Druck der Wellen drängt. An solch einem plötzlichen Schaukeln und ruckartigen Winkelneigungen gewohnt, passe ich augenblicklich meine Bewegungen dem Schiff an. „Guten Morgen“, begrüßt mich Shanks mit einem zufriedenen Unterton in der Stimme, als ich mich zu ihnen an die Reling geselle, und ich antworte ihm nur mit einem Lächeln. Aus den Augenwinkeln heraus bemerke ich, dass Ben meinen Gruß lediglich mit einem kurzen Nicken erwidert. Ich vermag nicht zu sagen, ob er über meine Reserviertheit ein wenig pikiert ist, da seine steinerne Miene überhaupt keine Gefühlsregung preisgibt. Doch momentan ist meine Aufmerksamkeit auf die unförmigen und schemenhaften Umrisse einer Insel gerichtet, die sich weit am Horizont in hellen grauen Tönen vom blauen Hintergrund des Himmels abzeichnet. Musternd betrachte ich daraufhin Shanks´ Gesicht, dessen Augen unverwandt auf der Insel liegen. Seine angespannten Züge zeugen von einer hohen Konzentriertheit. Ich kann es förmlich vor mir sehen, wie die Gedanken voller unbeantworteter Fragen nur so durch seinen Kopf rasen. „Wie groß ist die Insel?“, frage ich ihn schließlich, da der Anblick auch mein Bewusstsein auf die vor uns liegenden Aufgaben lenkt. Obwohl uns das Ziel die ganze Zeit über klar vor Augen lag, waren die letzten Wochen an Bord eher von einer gewissen Unbeschwertheit geprägt. Jeder hatte versucht sich geistig und körperlich mit etwas Anderem zu beschäftigen, als sich mit Was-wäre-wenn-Fragen auseinanderzusetzen. Jeder weiß, dass solche Gedanken nur zu wilden Spekulationen führen, die die Moral der Männer in die Tiefe gerissen hätte. Doch jetzt, wo wir unser Reiseziel erreicht haben, ist die Zeit der Sorglosigkeit vorüber. Jetzt ist Sorgfalt gefragt. Denn jeder falsche Schritt kann nicht nur das Leben von Ruffy und Lysop gefährden, sondern auch unser eigenes. „Mit dem Schiff braucht man etwa drei oder vier Tage, bis man sie umrundet hat“, antwortet Shanks bereitwillig, nachdem er kurz über meine Frage nachgedacht hat. „Und wie verläuft die Kommunikation?“ „Über Teleschnecken, wie es bei den einzelnen Marinestützpunkten halt üblich ist. Wir können also davon ausgehen, dass das Gefängnis sofort Alarm schlägt, wenn wir erwischt werden. Aber bis die Unterstützung eintrifft – abgesehen von den Soldaten, die sich eventuell im Dorf befinden –, dürfte es wohl eine geraume Weile dauern.“ „Von was für eine Dauer reden wir hier genau?“ Sein Mund verzieht sich zu einem belustigten Lächeln, während er sich nachdenklich immer wieder über das Kinn streift. Dann aber spitzt er die Lippen, spreizt die Finger weit auseinander und zuckt mit den Achseln, als könnte er mir keine Antwort geben. „Na ja, es kommt darauf an, wie das Wetter ist und über welchen Weg die Unterstützung kommt. Ich meine, wird ein Trupp über die Straßen losgeschickt, oder bemannen sie doch eher ein Schiff? Zwar tendiere ich zum Letzteren, aber so wirklich kann ich die Frage nicht beantworten. Ich weiß nicht einmal, ob Schiffe um die Insel herum patrouillieren.“ „Also müssen wir derzeitig davon ausgehen, dass die angeforderte Hilfe nur wenige Augenblicke später eintreffen kann.“ Erheitert schaue ich dabei zu, wie Shanks einmal tief einatmet und seinen Mund zu einer Erwiderung öffnet. Aber nach einigen Sekunden atmet er hörbar aus, ohne ein Wort herauszubringen. Stattdessen sinken seine Schultern nieder und sein Gesicht verzieht sich zu einer zerknirschten Grimasse. „Eure Schiffe sind doch bestimmt gut bewaffnet, oder?“ Ein verständnisloser Blick trifft mich und ahnungslos nickt Shanks langsam mit dem Kopf, als ich plötzlich aus den Augenwinkeln eine Bewegung ausmache. Mit einem Male völlig abgelenkt durch das Geschehen und den knirschenden Geräuschen, schaue ich Zorro verwirrt dabei zu, wie er ein Wasserfass zwischen mir und Shanks schiebt, wodurch ich mich dazu genötigt fühle ein paar Schritte zurückzutreten. Sichtlich zufrieden mit seinem Ergebnis setzt er sich anschließend obenauf auf die geschlossene Öffnung und beginnt damit den schwarzen Lack von Yubashilis Klinge mit einem Tuch zu reinigen. Auch Shanks und Ben zeigen sich sichtlich irritiert über das kommentarlose Verhalten, während ich mich nur mit Mühe wieder ins Gespräch einfinden kann und dabei versuche den ihm eigenen herben Geruch zu ignorieren, den Zorro verströmt. „Also“, beginne ich mit leiser Stimme und suche in meinen Gedanken nach dem Plan, der mir seit einiger Zeit durch den Kopf geht, und diesen mit den neuen Informationen kombiniere. „Ich halte es eh für angebracht, wenn wir als kleine Gruppe auf die Insel gehen, sobald wir wissen, wie wir Ruffy und Lysop befreien können. Das bedeutet, dass der Großteil der Männer auf den Schiffen zurückbleibt. Wenn also Marineschiffe zur Unterstützung herbeieilen, können die Männer sie unter Beschuss nehmen.“ „Das klingt zwar gut, aber noch steht nicht fest, dass eine kleine Gruppe ausreicht“, mischt sich Ben zum ersten Mal ins Gespräch ein, wobei seine Stimme alles andere als unfreundlich klingt, wie es seine Worte vielleicht vermuten lassen würden. „Vielleicht sind wir am Ende doch gezwungen, einen Großangriff zu starten. Doch bevor wir uns darüber Gedanken machen können, müssen wir uns wohl oder übel noch ein wenig in Geduld üben, bis wir Whitebeard gefunden haben. Er kann uns vielleicht weitere Informationen geben, die für uns hilfreich sind.“ „Das steht selbstverständlich außer Frage. Aber ich empfinde es nicht als Falsch, wenn man sich vorab schon einmal Gedanken über einen möglichen Lösungsweg macht“, entgegne ich lächelnd. „Nur zu gerne würde ich mir euren Vorschlag anhören“, erwidert Shanks, dessen braune Augen interessiert auffunkeln, wodurch sein freundlicher Blick sich intensiviert. „Das Abwassersystem – vorausgesetzt, dass Gefängnis verfügt über ein solches System.“ „Eine Kanalisation?“, hakt Shanks mit angewiderter Miene nach, wobei sein Lächeln jetzt ein wenig gequält wirkt. „Zugegeben, ich kann mir auch einen angenehmeren Weg vorstellen. Aber ich glaube – oder zumindest könnte ich es mir gut vorstellen –, dass die Wachen diesem möglichen Fluchtweg weniger Beachtung schenken als den Anderen.“ „Klingt plausibel“, wendet sich Ben erklärend an seinen Kapitän, der mittlerweile seine Unterarme auf der Reling verschränkt hat und sich nun auf ihnen abstützt. Tief in Gedanken versunken blickt Shanks daraufhin nach Winters Island. Ich tue es ihm gleich. Doch anstatt sich weiterhin auf den Plan zu konzentrieren, drehen sich meine Gedanken jetzt vielmehr um Zorro. Während des ganzen Gespräches über hat er sich mit der Reinigung seines Katanas beschäftigt. Kein Stocken seiner Bewegungen und kein unkontrollierbares Zucken seiner Muskeln haben mir Aufschluss darüber gegeben, was in seinem Kopf vor sich geht. Denn du gehörst mir, verdammt noch mal! Mir, hast du verstanden? Noch immer werde ich wütend, wenn ich an diese herablassenden Worte zurückdenke. Aber auf der einen Seite verstehe ich ja seinen Ausbruch. Wir haben mit dem unerwarteten Wiedersehen die einmalige Chance erhalten, alle Missverständnisse aus dem Weg zu räumen, um damit einen zweiten, und somit auch letzten Versuch eines Neuanfangs zu starten. Und nach diesem Neuanfang sehnen wir beide uns, da sich unsere Gefühle füreinander in all der Zeit nicht geändert haben, sondern vielmehr stärker und größer geworden sind. Und umso größer ist nun auch die Angst vor einem erneuten Scheitern, zumal wir nach wie vor immer noch mit denselben Problemen zu kämpfen haben. Es war vorbei … und es hat auch keine Zeichen der Versöhnung gegeben. Was erwartest du also von mir, dass ich sage? Dass es mir Leid tut? Dass ich es bereue? Ich bin so dumm … so dumm! Warum habe ich die Diskussion nicht einfach beendet? Es hätte doch nur wenige Worte gebraucht, um es ihm zu erklären. Stattdessen aber habe ich es darauf ankommen lassen! Habe ihn provoziert … ihn herausgefordert! Warum war ich nur so stur? Warum wollte ich ihn mit allen Mitteln dazu bringen, dass er es mir sagt? Tief in meinem Inneren habe ich doch gewusst, wie er reagieren wird. „Käpt´n, ein Schiff auf neun Uhr!“ Seufzend kehre ich in die Wirklichkeit zurück und blicke fragend hinauf zum Krähennest. Obwohl das Gebrüll des Ausgucks über das ganze Deck schalt, sind seine Bewegungen ruhig und kontrolliert, woraus ich schließe, dass wir uns in keiner unmittelbaren Gefahr befinden. Auch Shanks scheint derselben Meinung zu sein, als er und sein Vize gemächlich auf die andere Seite des Decks schlendern. Lediglich Zorro und ich bleiben zurück. Desinteressiert von dem ganzen Geschehen um mich herum, wende ich mich wieder dem Meer zu. Es ist das erste Mal seit Tagen, dass ich es mal wieder so ruhig in der Sonne glitzernd dahin treiben sehe. Nur vereinzelt erblicke ich einige verlorenwirkende Eisschollen. „Irgendwas beschäftigt dich … und das hat nichts mit uns zu tun“, murmelt Zorro leise, ohne seine Arbeit dabei zu unterbrechen. Stattdessen streckt er demonstrativ sein Katana aus und betrachtet den schwarzen Stahl, in dessen Klinge sich die Sonnenstrahlen reflektieren. Obwohl es ebenfalls auch das erste Mal seit Tagen ist, dass er wieder mit mir spricht, so ruft seine Stimme keinerlei Überraschung oder Erstaunen in mir hervor. In der Vergangenheit ist es nicht gerade selten vorgekommen, dass wir des Öfteren die Gegenwart des anderen einfach nur still genossen haben. Und trotz des Streites und seinen letzten mahnenden Worten, wodurch wir die Nächte nicht mehr gemeinsam verbringen, hat Zorro sich immer in meiner Nähe aufgehalten. Egal, wo ich war … ob nun an Deck, in der Kombüse oder im Mannschaftsraum … ich brauchte mich nur umzudrehen, schon fiel mein Blick auf ihn. „Was macht dich so sicher?“, entgegne ich mit neutraler, aber ebenso leiser Stimme. Meinen Blick halte ich dabei weiterhin auf das Meer gerichtet und begnüge mich damit ihn nur aus den Augenwinkeln heraus zu beobachten. „Ich kenne dich. Du denkst nicht gerne über deine Gefühle nach, wenn jeder dich sehen kann.“ „So, wie du nicht gerne über deine Gefühle sprichst?“ Die Herausforderung in den Worten mildere ich mit einem leisen Lächeln ab, ungeachtet, ob er es bemerkt oder nicht. Aber meine Erheiterung ist jedoch ernst gemeint, da der Sinn hinter den Äußerungen zeigt, wie ähnlich wir beide uns sind. Wir verlassen uns lieber auf unseren Kopf, anstatt auf unsere Herzen zu hören. Logik und Verstand statt Gefühle. „Ich bin nicht Sanji“, antwortet Zorro mit einem tiefen Seufzer, woraufhin ich dann doch ein wenig mitleidig zu ihm schaue. Ruhig sitzt er da, während er nur vor sich hinstarrt und Yubashili gedankenverloren auf seinen Knien hält. Schmerz und Widerwillen sind aus seinen Worten deutlich herauszuhören, wodurch mir bewusst wird, wie schwer es ihm gefallen sein muss, sie auszusprechen. „Glaubst du wirklich, dass ich Sanji will?“ „Wie soll ich sonst dein Verhalten deuten?“ Nun endlich blickt er zu mir auf. Ein wenig überrascht nehme ich die Härte seiner Gesichtszüge wahr und die Entschlossenheit in seinen wachen Augen. Und mit einem Male verstehe ich, dass ich den Krieger in ihm vor mir sehe. Eine tiefe Traurigkeit überkommt mich, als ich mit unendlicher Klarheit erkennen muss, dass er meint, um mich kämpfen zu müssen. „Dann kennst du mich nicht so gut, wie du glaubst“, antworte ich ihm schließlich leise und mit einem traurigen Kopfschütteln. „Wenn ich wirklich Sanji wollte, glaubst du, dann wäre ich jetzt hier bei dir? Glaubst du, ich hätte dann mit dir geschlafen … nur wenige Stunden nach unserem Wiedersehen?“ „Was weiß ich?“, murmelt Zorro in Gegenwehr. Der Kampf mit seinen Gefühlen und seinem Verstand zeichnet sich deutlich in seinem Gesicht ab. In diesem Augenblick fühle ich mich in eine andere Zeit zurückversetzt. Ich sehe mich selbst, wie ich vor einigen Jahren nachts allein an Deck der Flying Lamb gestanden hatte. Damals war es mir genauso ergangen wie Zorro. Damals konnte ich nicht glauben, dass man mich … den Teufel von Ohara … lieben könnte. Ein Leben lang war ich allein gewesen. Es hatte niemanden gegeben, der mich getröstet hat … dem ich mich hatte anvertrauen können … den ich lieben konnte. Denn Liebe hatte es in meinen Augen nicht gegeben. Liebe war für mich ein Mythos … eine trügerische Hoffnung auf Glück und Geborgenheit … ein leeres Versprechen, das sich Mann und Frau gaben. Aber dann ist Ruffy in mein Leben getreten … und Zorro. Und auf einmal sehnte sich mein Herz nach dieser Nähe, von der die Liebe immer sprach, aber mein Verstand hatte sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt. Und nun sehe ich dasselbe Schauspiel bei Zorro. Auch er kann nicht so wirklich daran glauben, dass man ihn lieben könnte, obwohl sein Herz ihm etwas anderes sagt. „Vielleicht hast du es wegen der guten, alten Zeit getan? Oder weil du dich mit Sanji vorher gestritten hast? Vielleicht hast du es aber wirklich nur wegen des Porneglyphs getan?“ Die Herabwürdigung meines Charakters quittiere ich mit einem leisen Lächeln, obwohl ich einen kurzen Stich des Schmerzes verspüre. Aber insgeheim weiß ich, dass Zorro die Worte nicht ernst meint, da sie lediglich aus einem Bemühen heraus resultieren, eine Erkenntnis aus seinen widersprüchlichen Gefühlen zu finden. „Weißt du, was Sanji zu mir gesagt hat, als wir das letzte Mal miteinander geschlafen hatten?“, frage ich ihn mit fester Stimme und ignoriere dabei den Schmerz, der bei meinen Worten über sein Gesicht huscht. „’Ich glaube, ich liebe dich’. Genau das hat er zu mir gesagt. Wenn ich es darauf angelegt hätte … wenn ich ihn in seinen Worten bestärkt hätte … hätte ich ihn haben können. Aber stattdessen bin ich vor ihm weggelaufen. Zum einem, weil ich seine Gefühle nicht erwiderte, und zum anderen, weil ich Angst hatte, dass es unsere Freundschaft zerstören würde. Und um deine Frage endlich zu beantworten, ob ich es bereue, kann ich nur ‚Nein’ sagen. Nichts davon, was ich in diesem einen Jahr getan habe, bereue ich. Ich weiß, dass ich dich damit verletze – mehr als mich selbst –, aber ich kann es nicht. Ich war am Tiefpunkt meines Lebens angelangt, und die einzige Stütze, die ich hatte, war Sanji. Wir haben uns gegenseitig getröstet und uns Halt gegeben. Wenn wir das nicht getan hätten, wären wir elendig zugrunde gegangen. Selbst wenn du ihn als Ersatz für dich ansiehst, mit Liebe hatte es überhaupt nichts zu tun … rein gar nichts. Ich tat es aus eigenem Selbstschutz, weil ich nicht wieder diese Leere spüren wollte.“ Kraftlos stütze ich mich nach meinen letzten Worten an der Reling ab und blicke leeren Blickes über das Wasser. Im Moment gibt es für mich nichts weiter mehr zu sagen. Jetzt liegt es an Zorro, seine Schlüsse aus dem Gesagten zu ziehen und zu handeln. Obwohl die einzige Frage darin besteht, ob er die Vergangenheit akzeptieren kann, umso schwerer ist die Entscheidung. Innerlich sammle ich bereits langsam die nötige Kraft für den alles entscheidenden Moment – wann auch immer dieser kommen mag. Im Augenblick jedenfalls lasse ich ihn mit seinen Gedanken in Ruhe und beschäftige mich mit meinen eigenen, als ich nach Winters Island blicke. Kapitel 34: Nami: Clearness --------------------------- Wie lange noch? Wie lange noch halten wir dieses Versteckspiel unserer Gefühle aus? Tag für Tag sehe ich dich an, ohne den Mut zu haben dich anzusprechen. Und Tag für Tag bemerke ich, wie dein eiserner Blick mich mustert, wenn du glaubst, dass ich es nicht merke. Wie gerne würde ich wissen wollen, was du dann denkst und wie du fühlst. Einmal waren wir Freunde – und was sind wir heute? Ich wünsche mir die Zeit von früher zurück – die Freundschaft … das Miteinander … die Herzlichkeit, die zwischen uns geherrscht hatte. Doch all das scheint zerstört zu sein – unwiderruflich. Du lässt mich kein Stück an dich heran. Erstickst jedes freundliche Wort sofort im Keim. Hasst du mich sosehr? Habe ich dich so tief verletzt, dass es für uns beide kein Zurück mehr gibt? Du scherzt mit Chopper … tauscht Nettigkeiten mit Ace aus … erzählst Ruffy, was du im vergangenen Jahr erlebt hast … doch für mich hast du nur eine kalte Schulter übrig. Du schließt mich aus dem Kreis des Vertrauten aus. Du lässt mich nicht deine Wärme spüren, die du bei den anderen ausstrahlst. Ich sehe die Veränderung, die mit dir vorgeht, sobald wir beide zusammen in einem Raum sind … wie du zu einem kalten Klotz wirst. Und jedes Mal versetzt es mir ein Stich ins Herz. Wie lange also noch, bis ich an deiner Kälte zerbreche? „Durch Weinen wird es auch nicht besser.“ Verwirrt wende ich meinen Blick von dem beschlagenen Bullauge ab und blicke hinab zu Chopper, dessen verständnisvolle Augen seine scharfen Worte abmildern. Erst jetzt bemerke ich, wie eine warme Träne an meiner Wange herabkullert. Seufzend wische ich sie mir mit dem Handrücken ab und trockne meine Augen. „Kommt wahrscheinlich nur durch die Müdigkeit“, meine ich schließlich entschuldigend und lächle Chopper leicht an. Doch zu meiner Überraschung verengen sich seine Augen zu einem grimmigen Ausdruck, bis er sich mit einem ‚Hmpf’ von mir abwendet, aus dem leiser Spott herauszuhören ist. Musternd beobachte ich ihn dabei, wie er einen Hocker vor den Herd abstellt, auf den er dann ganz geschickt draufklettert. „Nur damit du es weißt“, wendet er sich wieder an mich, ohne dabei von seinem Tun abzulassen, als er Milch in einen Topf gießt, „ich bin nicht mehr so naiv wie früher – und dumm schon mal gar nicht. Und ich habe Augen im Kopf. Nur das scheint ihr nicht zu bemerken oder ihr vergesst es immer.“ Sprachlos blicke ich einige Zeit lang auf seinen Rücken. Noch nie habe ich Chopper so außer sich erlebt, obwohl seine Stimme völlig ruhig gewesen war. Doch der Schmerz, der darin gelegen hatte, habe ich dennoch sehr deutlich wahrgenommen. Und damit trifft mich die Erkenntnis wie ein Schlag ins Gesicht, und niedergeschlagen rutsche ich langsam an der Tür zu Boden. Die tiefe Schuld, die mich dabei überkommt, lässt meine Eingeweide sich eng zusammen ziehen. „Es tut mir alles so schrecklich Leid, Chopper.“ Trotz dass ich die Worte wirklich ernst meine, so hören sie sich in meinen Ohren dennoch falsch an, und lindern auch nicht weniger meine Gewissensbisse. Gequält atme ich tief ein, währenddessen sich meine Augen erneut mit ungeweinten Tränen füllen. Nur mit einem verschwommenen Blick sehe ich, wie sich Chopper langsam zu mir umdreht. „Ist schon gut“, brummt er schließlich mit leiser Stimme. „Nein, ist es nicht“, wende ich mit einem kurzen Aufbäumen meiner selbst ein. „Wegen dieses dämlichen Streites haben wir allen ums uns herum weh getan – nicht nur uns selbst. Und wir waren so mit uns beschäftigt, dass wir nicht einmal was davon mitbekommen haben. Jeder von uns – auch du, Ruffy und Lysop -, hat in dieser beschissenen Zeit sein Päckchen zu tragen gehabt. Aber ist uns einmal in den Sinn gekommen, wie ihr euch dabei fühlt? Was ihr von dieser ganzen Sache haltet?“ Ein harter Schluckauf lässt mich für einen Moment innehalten, während mein Körper von einem unkontrollierbaren Zittern erfüllt ist. Schuld und Gewissensbisse drücken meine Schultern herunter und lassen mein Herz sich schwer anfühlen. Wie egoistisch wir doch waren! In all dieser Zeit, in der ich mit Ruffy und Lysop alleine weitergereist bin, haben sie versucht mich zu trösten und mir Halt zu geben. Doch in keinem einzigen Augenblick habe ich ihnen meinen Dank dafür ausgesprochen. Genauso wenig habe ich auch nur einmal nach ihrer Gefühlslage gefragt. Trippelnde Schritte lassen mich aufblicken, als Chopper auch schon vor mir steht. In seinen kleinen schwarzen Knopfaugen erkenne ich deutlich die Traurigkeit geschrieben, die sich wohl in der ganzen Zeit bei ihm angesammelt hat. Aber auch Verständnis spricht aus ihnen heraus. „Niemand hat je gesagt, dass das Leben einfach sei“, meint er schließlich mit leiser Stimme, nachdem er mich eine Weile stumm gemustert hat. „Du und auch Zorro wart egoistisch in eurem Verhalten – aber auch nur, weil ihr euch selbst zu Gefangene eurer eigener Gefühle gemacht habt. Es war tatsächlich nicht leicht für mich. Ich habe hilflos mit ansehen müssen, wie Zorro sich mehr und mehr selbst zerstörte. Ich habe ständig auf ihn eingeredet, ohne was bei ihm bewirkt zu haben. Zusätzlich zu dieser Last musste ich auch ständig dafür sorgen, dass wir was zu Essen bekamen und eine Unterkunft fanden. Und jeden Tag sah ich dasselbe Bild: wie Zorro sein Leid in Alkohol ertränkte oder das Vergessen bei irgendwelchen zwielichtigen Frauen suchte. Und zwischen all dem habe ich euch schmerzlich vermisst und mir sehnlichst die alte Zeit zurückgewünscht, in der wir alle glücklich vereint waren. Ich habe nicht nur einige meiner Besitztümer hier auf der Lamb zurückgelassen, sondern auch ein Teil von mir selbst.“ „Ich wünschte, ich könnte irgendwas tun, um es wieder gutzumachen.“ Voller Inbrunst drängen sich die Worte aus mir heraus, während ich schluchzend vor ihm sitze. Obwohl seine Worte voller Verständnis und frei jedweder Anschuldigung waren, so haben sie meine Gewissensbisse nur noch mehr vertieft. Und allmählich habe ich das Gefühl, dass es auch nie wieder aufhören wird. Dass ich jeden Tag mit dieser undurchdringlichen Schwärze um mich herum aufstehen werde, in dem Bewusstsein einen Stein ins Rollen gebracht zu haben, der zu einem alles zerstörenden Steinschlag geworden ist. Wenn ich gedacht habe, dass durch den Streit Bindungen zerstört wurden, so muss ich jetzt unweigerlich erkennen, dass weit aus mehr passiert ist. Dass die Veränderungen, die mit uns allen vorgegangen ist, einzig und allein auf den Streit zurückzuführen sind. Veränderungen, die womöglich das endgültige Ende der Strohhutpiraten bedeuten. „Rede mit ihm!“ Damit wendet sich Chopper von mir ab, womit für ihn wohl alles gesagt ist. Mit ihm Reden – mit Reden hatte doch alles angefangen. Nur dass dadurch ein Wort zum andern geführt hatte. Seufzend stehe ich langsam vom Boden auf und wische mir mit meinen Handrücken die letzten verbliebenen Tränen von meinen Wangen. Allmählich muss ich anfangen einzusehen, dass ich um ein klärendes Gespräch mit Sanji nicht drumherum komme. Zum einem wird es wirklich langsam Zeit zu wissen, an was ich dran bin und ob es noch ein ‚Wir’ zwischen ihm und mir geben kann. Und zum anderen würde ich wohl sonst weitere 10 Jahre warten müssen, bis Sanji den ersten Schritt macht. Entschlossen gebe ich mir schließlich einen Ruck und schnappe mir meine Winterjacke, bevor ich dann in die eisige Kälte hinaustrete. Wie kleine Nadelstiche fühlt sich der schneidende Wind auf meinem Gesicht an, der mich hier draußen sofort empfängt. Hastig stelle ich den Kragen meiner Jacke auf, bevor ich dann schnell meine nackten Hände in den Seitentaschen stecke. Gleichzeitig wandern meine Augen suchend über das Deck, bis sie schließlich die hochgewachsene Gestalt Sanjis am Bug der Lamb entdecken. Mit jedem Schritt, den ich mich ihm nähere, spüre ich, wie der Klumpen der Angst in meinem Magen größer und größer wird, bis ich nur noch ganz zögerlich einen Schritt vor den anderen mache. Ich habe Angst – Angst vor dieser Konfrontation. Ich habe Angst davor, was ich in seinen Augen erblicken könnte. Angst davor, was er mir sagen könnte – oder was er mir nicht sagen könnte. Mühsam versuche ich den dicken Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken, als ich nur noch wenige Schritte hinter ihm stehe. Aufmerksam beobachte ich seine Rückenpartie auf ein Zeichen, dass er meine Nähe bemerkt hat. Doch kein Muskel rührt sich. Ungerührt – oder vielleicht auch tief in Gedanken versunken – blickt er hinaus auf das weite Meer. „Hi“, zwinge ich mich schließlich zu sagen, währenddessen ich mich langsam an seine Seite stelle. Quälend langsam vergeht die Zeit, in der ich auf irgendeine Reaktion seinerseits warte. Doch Sanji blickt weiterhin ungerührt vor sich hin. Nicht einmal einen kurzen Blick hat er für mich übrig, weshalb mir das Herz weiter in die Hose rutscht und der Mut mich allmählich verlassen will. „Könntest du vielleicht auch etwas sagen?“, frage ich ihn dann eher zögerlich, während die Minuten immer weiter verstrichen sind. Doch im nächsten Moment wünsche ich mir meinem Impuls zur Flucht gefolgt zu sein, als seine blauen Augen kalt zu mir herunter blicken. Unter seinem stahlharten und unnachgiebigen Blick fühle ich mich so klein wie eine Maus und völlig unbedeutend. Gerne hätte ich mich umgedreht und wäre gegangen, doch Choppers Worte hallen mir nach wie vor im Kopf herum, weshalb ich noch den kleinen Rest meines Mutes zusammenkratze und Sanji daraufhin fest in die Augen sehe. „Okay, mag ja sein, dass ich deine Missachtung verdient habe – ebenso wohl auch deine Wut. Aber ich glaube nicht, dass ich auch dein Schweigen verdient habe. Was passiert ist, tut mir wirklich wahnsinnig Leid. Und es war auch nie meine Absicht deine Gefühle zu verletzen.“ „Aber es war Absicht, sich in eine Sache einzumischen, die dich gar nichts anging?“ Herausfordernd zog er eine Augenbraue hoch, ohne dass sein Blick auch nur eine Spur weicher wurde. Er ist der Überlegene von uns beiden, und das lässt er mich mit seiner gelangweilt klingenden Stimme auch deutlich spüren. „Ich weiß, dass ich das nicht hätte tun sollen.“ „Tja, diese Erkenntnis kommt ein wenig zu spät, meinst du nicht auch?“ „Ich kann nicht mehr tun, als mich dafür zu entschuldigen.“ Ein kurzes, abgehacktes Schnauben entringt sich seiner Kehle. Sein Mund ist zu einem schmalen Strich zusammengepresst und zum ersten Mal seit Beginn dieser Unterhaltung zeigt sich leise Wut in seinen Augen. Innerlich befürchte ich bereits, dass dieses Gespräch ebenfalls nicht besser wird als die Vergangenen. „Und jetzt glaubst du, dass es damit getan sei? Dass du dich einmal kurz entschuldigen müsstest und alles wäre wieder in Ordnung?“ „Nein, das tue ich natürlich nicht. Ich …“ „Hast du auch nur die kleinste Ahnung davon, was du angerichtet hast?“ „Was ich …?“ Ein wenig verdattert blicke ich zu ihm. Seine ruhige Gelassenheit hat er jetzt abgelegt. Seine Stirn ist gefurcht und seine Augen geschmälert, in denen nun ein wahrer Gefühlssturm tobt. „Ja, du!“ Um seine energischen Worte noch zu unterstreichen, zeigt er mit einem Finger auf mich, was mich dazu veranlasst einen Schritt zurückzuweichen. Doch unnachgiebig kommt er auf mich zu, mit jedem Schritt und mit jedem Wort immer lauter und wütender werdend. „Du warst diejenige, die gemeint hat, es sei unnatürlich, dass Robin und ich so viel Zeit miteinander verbringen und sooft die Köpfe zusammenstecken, ohne das zwischen uns etwas laufen würde. Du warst diejenige, die die damals eh schon angespannte Situation erst zur Eskalation gebracht hat.“ Wie vor den Kopf geschlagen, halte ich in meinen Bewegungen inne. Habe ich gerade richtig gehört? Wo ich zuvor noch Furcht vor Sanji verspürt hatte, breitet sich nun Verständnislosigkeit aber auch leise Wut aus. „Moment mal“, erwidere ich mit erhobenen Händen. Die Kälte, die meine warmen Finger sofort einhüllen, spüre ich kaum, nimmt mich der Verlauf dieser Unterhaltung zu sehr in Anspruch. „Dass ich mit Schuld an dieser ganzen Sache trage, habe ich kein einziges Mal geleugnet. Aber ich werde mit Sicherheit nicht die ganze Schuld auf mich nehmen. Du und Robin habt genauso euren Teil dazu beigetragen.“ „Ach, vergiss´ es“, speit er mir mit einer wegwerfenden Handbewegung zu und geht, ohne mich noch eines Blickes zu würdigen, an mir vorbei. Wütend beiße ich die Zähne aufeinander und balle die Hände zu Fäusten. Am Liebsten würde ich ihn am Arm packen und ihm eine kleben. Stattdessen aber drehe ich mich zu ihm um und rufe ihm hinterher. „Ist das jetzt zu deiner neuen Masche geworden? Dass du wie ein feiger Hund wegläufst, sobald dir eine Unterhaltung zu unangenehm wird? Oder liegt es eher daran, dass du die Wahrheit nicht ertragen kannst?“ Erschreckt fahre ich zurück, als sich Sanji ruckartig umdreht und mit ausgreifenden Schritten auf mich zukommt. Eine kalte, fast schon panische Angst greift nach meinem Herzen. Eine solche alles verzehrende Wut habe ich bei ihm noch nie gesehen. Und fest rechne ich damit, dass er mir eine Ohrfeige verpassen würde. Doch stattdessen kommt er mir mit dem Gesicht so nahe, dass sich unsere Nasenspitzen beinahe schon berühren. „Du willst also die Wahrheit, ja?“, zischt er mir mit einer Stimme zu, die zu einem Fremden gehört. „Die Wahrheit ist, dass ich für dich doch nur ein Stück Dreck war. Ein Spielball, den du nach Lust und Laune hin und her schieben konntest.“ „Das ist nicht wahr! Du warst mehr für mich – viel mehr.“ „Wer´s glaubt.“ „Was hätte ich denn sonst tun sollen?“, schreie ich ihn plötzlich an; voller Verzweiflung, da ich bemerke, dass ich dabei bin ihn zu verlieren. „Ich hatte Angst davor, dass du mich zurückweist.“ „Du hast es ja noch nicht einmal versucht“, wirft er mir mit derselben Verzweiflung vor, die auch mich ergriffen hat. „Wie denn auch? Diese … diese Gefühle waren für mich neu. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte, oder wie ich es dir sagen sollte. Und jedes Mal, wenn ich dich mit Robin zusammen gesehen habe, wurde ich dann auch immer so wütend.“ „Und da musstest du natürlich auch gleich davon ausgehen, dass wir was miteinander hatten.“ Einen Moment lang zögere ich, während meine Schultern kraftlos herabsacken und ich meinen Blick auf die Decksplanken unter mir richte. Ich glaube, irgendwo im tiefsten Inneren habe ich gewusst, dass irgendwann dieser Augenblick kommen würde. Innerlich auf das Schlimmste vorbereitet, flüstere ich dann nach endlos erscheinenden Sekunden ein leises ‚Nein’. „Wie, bitte?“ Verständnislos blickt Sanji zu mir. Alle Wut, die sein Gesicht zuvor zu einer hässlichen Fratze verzogen hatte, ist verschwunden. Ich vermeide es, meine Antwort zu wiederholen, da ich weiß, dass seine Frage sich auf den Inhalt dessen bezieht, weshalb ich jetzt still und schweigend auf das Kommende warte. Währenddessen beobachte ich Sanji dabei, wie er wie ein ruheloser Tiger über das Deck hin und her wandert. „Verstehe ich das richtig?“, wendet er sich schließlich zu mir um. „Du hast ganz bewusst Zorros Eifersucht angestachelt, obwohl du wusstest, dass zwischen Robin und mir nichts gelaufen ist?“ „Gewusst habe ich es nicht … also, ich … ich … wollte es nicht wissen; ich wollte es nicht glauben. Ich … wollte einfach nur an Robins Stelle sein. Ich wollte wie sie sein, weil … weil … weil ich dich liebe.“ Die letzten Worte kommen nur noch als Flüstern aus meiner Kehle. Ich fühle mich schlecht … einfach nur schlecht. Die Schilderung aus seinem Munde zu hören, stellt sich tausendmal schlimmer dar, als ich sie in meiner Erinnerung habe. Dies macht mir erst recht bewusst, wie viel Schaden ich eigentlich wirklich mit meinem Handeln angerichtet habe. Und es lässt mich daran zweifeln, ob es jemals wieder so harmonisch zwischen uns werden kann, wie es einst mal war. Verzweifelt fährt sich Sanji durch seine blonden Haare, was mir einen Stich ins Herz versetzt. In diesem Augenblick habe ich das Gefühl, dass er um einige Jahre gealtert ist. Sein Gesicht ist fahl und blass, wodurch seine Wangenknochen auf eine unnatürliche Weise hervorstechen. In seinen Augen spiegelt sich Enttäuschung und Trauer wieder, was mir aufzeigt, wie tief die Wunde ist, die meine Worte bei ihm hinterlassen haben. Kraftlos hängen seine Arme zu beiden Seiten an ihm herab und der Rücken ist ein wenig gebeugt. „Ich werde erstmal eine Zeit brauchen, um das zu verarbeiten“, meint er schließlich mit tiefer, rauer Stimme, die bar jeglichen Gefühles ist. „Ich kann nur noch mal sagen, …“, versuche ich mich erneut bei ihm zu entschuldigen. Doch eine erhobene Hand hält mich davon ab weiter zu sprechen. „Ich will vorerst nichts mehr hören. Doch eines lass dir gesagt sein: Robins Platz in meinem Herzen wirst du niemals einnehmen können. Versuch also gar nicht erst mit ihr in Konkurrenz zu treten.“ Mit diesen Worten geht er an mir vorbei und ich bleibe alleine an Deck zurück – verzweifelt und ohne Hoffnung. Kapitel 35: Ruffy: Friendship ----------------------------- „Na ja, immerhin haben sie miteinander geredet“, räuspert sich Ace neben mir, dem ich einen eher etwas ungläubigen Blick zuwerfe. „Was ja schon wesentlich mehr ist, als das, was sie in den letzten Tagen getan haben.“ „Ja, aber ich befürchte, dass die Sache dadurch wohl nur noch schlimmer geworden ist.“ Ace und ich hatten uns unter den Orangenbäumen zurückgezogen, um ein wenig über Dieses und Jenes zu reden, als wir plötzlich und ungewollt Zeugen des Disputs zwischen Nami und Sanji wurden. Da der Wind schon die ganze Zeit über in unsere Richtung weht, wurden ihre Worte dabei unweigerlich zu uns herüber getragen. Obwohl es sicherlich sehr unhöflich von uns war, dass wir uns nicht bemerkbar gemacht haben, so war es doch sicherlich die richtige Entscheidung von uns gewesen. Eine Einmischung unsererseits hätte bestimmt zu einer Unterbrechung der Aussprache geführt, die zwischen den beiden schon längst überfällig war, - und die leider nicht gerade zum erhofften Erfolg geführt hat. Mit einem großen Unbehagen denke ich an das Gespräch zurück und es beschleicht mich das Gefühl, dass sich vieles unter ihnen ereignet hat, von dem wir anderen – Lysop, Chopper und ich – keine Ahnung hatten. Zu viel angestaute Wut … Enttäuschung … Hoffnung … Angst – so vieles scheint sich bei ihnen angesammelt zu haben, das nun ans Tageslicht drängt. „Nicht unbedingt“, spricht Ace mit einem leicht unbekümmerten Tonfall weiter. „Zumindest wissen die beiden jetzt, woran sie einander sind … mehr oder weniger, jedenfalls.“ Seine letzten Worte werden von einem nichts sagenden Achselzucken begleitet, beinahe so, als wüsste er nicht wirklich, was er von der ganzen Sache halten soll. Ich zumindest weiß es nicht, denn so wirklich scheint zwischen Sanji und Nami immer noch nichts geregelt zu sein. Bedenkt man den Gesprächsverlauf so hat es lediglich Anschuldigungen, Vorwürfe und halbherzige Erklärungsversuche gegeben. Ein klärendes Gespräch dagegen sieht in meinen Augen ganz anders aus. Ein jeder sagt, was einem an dem anderen nicht passt oder gefällt und man versucht am Ende eine Lösung oder zumindest einen Kompromiss für das Problem zu finden. In diesem Fall aber … stecken beide immer noch in der Wand fest, in die sich beide hineinmanövriert haben. Gefangen in der Vergangenheit … mit denselben Problemen … mit denselben Hindernissen … immer vor sich her schreitend, ohne auch nur einen Schritt nach vorn zu machen. „Dadurch wird es aber nicht besser, Ace“, antworte ich ihm schließlich mit einem leichten Kopfschütteln. „Nami hat ganz bewusst Zwietracht zwischen ihnen gesät. Ob sie jetzt wusste, dass zwischen Robin und Sanji nichts gelaufen ist oder nicht, ist dabei völlig egal.“ Leise Enttäuschung breitet sich in meinem Inneren aus, hätte ich so was von Nami nicht gedacht. Freunde gegeneinander auszuspielen – auch wenn man sich nichts Schlimmes dabei denkt – bedeutet einen großen Vertrauensbruch. Und gerade das ist es, was mir Sorgen bereitet und meinen Magen zu einem Knäuel Unbehagen zusammenwachsen lässt. Wie groß ist der Schaden, den sie damit angerichtet hat? Wie groß ist die Kluft jetzt zwischen ihr und Sanji? Vertrauen ist die Grundlage … die Basis … einer jeden Freundschaft, aber auch der Liebe. Hat Nami dies alles nun zunichte gemacht? Alles zerstört, was sie mit Sanji jemals miteinander verbunden hat? „Jetzt warte doch erst einmal ab, was noch kommt. Du musst den beiden schon ein wenig Zeit geben. So schnell lassen sich die Differenzen auch nicht aus der Welt schaffen.“ „Wie viel Zeit soll ich den beiden denn noch geben? Sie haben es in den letzten vergangenen Jahren schon nicht geschafft zueinander zu finden. Warum sollte es jetzt auf einmal anders sein?“ „Zorro und Robin haben sich doch schließlich auch wieder zusammengerauft. Und die beiden sind nicht gerade für ihre Redseligkeit bekannt.“ „Die beiden sind aber nicht hier“, wende ich energisch ein. Und man kann sie wohl kaum mit Nami und Sanji vergleichen, füge ich in Gedanken noch hinzu. Sie gehen ganz anders an die Dinge heran … vorsichtiger … bedächtiger … sich genau überlegend, was man sagt, ohne allzu viel von sich preis zu geben. Und darin hatte in der Vergangenheit wohl auch ihr Problem gelegen. Chopper hatte mich bereits darin eingeweiht, wie das Wiedersehen zwischen den Vieren verlaufen ist. Zumindest zwischen Zorro und Robin scheint es Hoffnung auf ein gutes Ende zu geben. Doch es sind bereits mehrere Wochen vergangen, seit man von den beiden zuletzt was gehört hatte. Vielleicht war es anfänglich die Freude über das Wiedersehen, dass die beiden wieder zueinander geführt hatte. Oder die Erinnerungen an die Vergangenheit. „Woher willst du wissen, dass dem heute immer noch so ist?“ „Mensch, Ruffy. Wo ist bloß das Vertrauen in deine Mannschaft geblieben?“ Kopfschüttelnd blickt Ace mich an und für einen kurzen Augenblick huscht eine Spur von Traurigkeit über sein Gesicht. Beschämt sehe ich zur Seite. „Auf Winters Island“, antworte ich ihm trocken, die Worte bereits aussprechend, kaum dass sie mir auf der Zunge liegen. Viel gebe ich damit von mir preis, öffne ihm mein Inneres … zeige ihm, was das Gefängnis mir angetan hat. Die ständigen Quälereien der Soldaten … die täglichen Prügeleien und Schläge, die ich immer und immer wieder von ihnen bekam … die Demütigungen und Foltereien, die ich tatenlos erdulden musste – sie alle haben meine Seele in Stücke gerissen … in tausend Einzelteile zerlegt … meine Träume und Ziele ins Wanken gebracht … mein Selbst aufs Tiefste erschüttert. „Aber willst du dich wirklich davon unterkriegen lassen?“, fragt er mich mit einem verstehenden Blick, als wüsste er genau, wovon er redet. „Du hast doch überhaupt keine Ahnung“, entgegne ich leise, wobei ich seinem stechenden Blick tunlichst ausweiche. Eine tiefe, grenzenlose Schuld drückt mir schwer auf die Schultern. Ich habe stets mein Vertrauen in die Fähigkeiten meiner Freunde gesetzt, alles zu meistern, was sich ihnen in den Weg stellt. Kämpfen … ja, das können sie … gegen einen Gegner, den sie auch sehen können. Doch gegen sich selbst sind sie machtlos … stehen sich dabei selbst im Weg. Aber ich bin nicht anders! Ich habe tatenlos mit angesehen, wie alles um mich herum den Bach runter ging. Habe nicht in die Probleme meiner Freunde eingegriffen … stand ihnen nicht zur Seite und reichte ihnen eine helfende Hand. Rücksichtslos habe ich mein Ding durchgezogen, ungeachtet dessen, was die Folgen und Konsequenzen waren … ungeachtet dessen, wie meine Freunde dazu standen. „Vielleicht habe ich die wirklich nicht. Aber ich weiß, dass ihr im Augenblick eine harte und schwierige Zeit durchmacht. Und gerade jetzt ist es umso wichtiger, dass du deine Freunde unterstützt und ihnen hilfst. Du bist nicht nur ihr Käpt´n, sondern auch ihr Freund - vergiss´ das nicht.“ Stumm lasse ich die Worte auf mich niederprasseln, während Ace mich aufmerksam beobachtet. Aus Augen, die deutlich besagen, das Thema endlich auf sich beruhen zu lassen, entgegne ich seinen Blick. „Willst du dich wirklich von ihnen abwenden?“, fragt er mich schließlich, wobei er seine Stirn zu einem missbilligenden Runzeln verzieht. „Sie sind alle – wirklich alle! – extra hierher gekommen, um deinen Arsch zu retten. Und du dankst es ihnen, indem du ihnen den Rücken zukehrst?“ Ich mache Anstalten aufzustehen, als Ace mit einem unnachgiebigen Griff mein Handgelenk umfasst. Fest beiße ich die Zähne aufeinander, und halte mich noch so gerade eben davon ab, ihm eine runterzuhauen. „Du enttäuscht mich, Ruffy!“, zischt er mir plötzlich zu, das Gesicht zu einer Maske der Wut verzogen. „Das bist nicht mehr du, der da redet. Nur Schwächlinge verhalten sich so wie du. Und genau das bist du – ein kleiner, feiger Schwächling, der es überhaupt nicht verdient der ‚König der Piraten’ zu werden!“ „Aber siehst du denn nicht, was um mich herum geschieht?“ Sämtliche Zurückhaltung fallen lassend, schreie ich ihn an … voller Wut und Verzweiflung in der Stimme. „Alles um mich herum zerfällt zu Staub. Lysop ist nur noch ein Phantom – ein Schatten seiner selbst – wenn er denn überhaupt noch am Leben ist. Nami und Sanji sind nicht in der Lage sich zu versöhnen. Sie sind ja nicht einmal in der Lage vernünftig miteinander zu reden. Und die Zukunft … die Zukunft sieht so aus, als wenn jeder wieder für sich allein seiner Wege gehen wird. Du redest die ganze Zeit von meiner Crew. Aber welche Crew, frage ich dich? Wo soll diese Crew sein, von der du da redest? Ich kann es dir sagen … ich kann dir sagen, wo sie ist – in der Vergangenheit! Genau dort wirst du sie finden – und nicht in der Gegenwart!“ „Das stimmt nicht, Ruffy. Wir sind nämlich hier – bei dir.“ Überrascht drehe ich mich um und sehe Chopper, Sanji und Nami vor mir stehen. Heiße Röte schießt mir ins Gesicht, als mir klar wird, dass sie alles mit angehört haben. Schuldbewusst blicke ich zur Seite, da ich dem traurigen Ausdruck in Choppers Augen nicht länger standhalten kann. Ich komme mir vor, als hätte ich ihm eigenhändig das Herz herausgerissen und wäre darauf herumgetrampelt. Und wahrscheinlich habe ich dies auch getan. „Du bist nicht der Einzige, der unter dieser Zerrissenheit leidet“, redet Chopper leise weiter, so dass ich mich anstrengen muss ihn zu verstehen. „Doch ich habe Vertrauen, dass sich alles noch zum Guten wenden wird. Und das solltest du auch tun!“ „Aber wie?“, frage ich ihn mut- und kraftlos. „Wie soll ich darauf vertrauen, wenn ich doch nur eine tiefe Schwärze vor mir sehe?“ „Indem du einfach nur uns vertraust“, antwortet Sanji an Choppers Stelle. Doch seine Augen ruhen nicht gedankenverloren auf mir, sondern liegen auf Nami, als wären die Worte nur an sie gerichtet. Und vielleicht sind sie das auch – ein Fünkchen Hoffnung … ein leises Versprechen … auf ein gutes Ende. Kapitel 36: Shanks: Hopeless ---------------------------- Mit einem lauten Platschen, so dass das kalte Wasser zu allen Seiten hinspritzt, fällt der schwere Messinganker ins Meer, während die Männer gleichzeitig das Bramsegel einholen und fest vertäuen. Geduldig bleibe ich mit dem Rücken an der Reling stehen und beobachte das geschäftige Treiben meiner Männer, bis das Anlegemanöver abgeschlossen ist. Dabei ignoriere ich geflissentlich das Stieren von Whitebeards Mannschaft, die Possenreißend an der Reling stehen und lediglich zuschauen. Auch Ben scheint sich nicht daran zu stören, der völlig gelassen neben mir steht. „Wo ist mein Sohn?“, dröhnt es mit einem Male über mich hinweg und ein tiefschwarzer Schatten taucht die Decksplanken vor mir in ein dunkles Braun. Aus den Augenwinkeln bemerke ich, wie einige meiner Männer bei der lauten Stimme zusammenzucken. Andere wiederum halten in ihrer Arbeit inne und blicken ehrfurchtsvoll auf. Kopfschüttelnd und mit einem Grinsen beobachte ich die Reaktionen, habe ich jedoch nichts anderes erwartet, obwohl es nicht die erste Begegnung meiner Männer mit Edward Newgate alias Whitebeard ist. Doch egal, wo man sich gerade befindet, sobald sein Name fällt, erstarrt die Welt in Ehrfurcht. Neugierig schaue ich deshalb zu Zorro und Robin hinüber, die geduldig abwartend etwas abseits zu meiner rechten Seite stehen. In ihren Blicken aber lese ich nichts anderes als mildes Interesse, als sie den Riesen hinter mir genau mustern. Als die Stille sich schließlich zu einer unangemessenen Länge hinzieht, drehe ich mich langsam um. Whitebeards Gestalt über mir ragt weit in den Himmel hinauf und nimmt fast mein gesamtes Sichtfeld ein. Die grauen Augenbrauen sind bedrohlich zusammen gekniffen, während er mich unablässig mustert und auf eine Antwort wartet. „Ace befindet sich auf der Flying Lamb, die irgendwo dort draußen ist“, antworte ich ihm mit einem Achselzucken und weise mit meiner Hand auf das Meer hinter mir. Grimmig verschränkt Whitebeard daraufhin seine Arme vor der Brust und fordert mich stumm zu weiteren Erklärungen auf. „Du weißt selbst, wie die Wetterverhältnisse hier draußen sind“, erwidere ich eher nichts sagend. Wenn es um seine Männer geht, kennt Whitebeard kein Erbarmen – besonders, wenn es dann auch noch um Ace geht. Aus diesem Grunde versuche ich auch tunlichst nichts zu den genaueren Umständen zu verraten, durch die wir die Flying Lamb aus den Augen verloren haben. „Habt ihr in der Zwischenzeit etwas über das Gefängnis herausbekommen können?“ Ein leises Schnauben wird vom Wind zu mir herüber getragen, bevor Whitebeard sich mit einem Handzeichen von mir abwendet. Kurz atme ich innerlich erleichtert auf, da für ihn damit wohl das Thema beendet ist – vorerst. Doch dann wird meine Aufmerksamkeit auf einige Männer gelenkt, die eine Planke über die Reling schieben. Schnell gebe ich meinen Männern mit einem Nicken zu verstehen mit anzupacken, um die Planke an unserer Reling zu befestigen. „Aufgeregt?“, wende ich mich anschließend an Zorro und Robin. „Er ist auch nur ein Mensch aus Fleisch und Blut“, antwortet Zorro mir schnaubend, was Robin lediglich mit einem belustigten Lächeln quittiert. Selbst über die Antwort amüsiert, schüttle ich nur den Kopf, während ich mich wieder umwende und über die Planke hinauf die Moby Dick betrete. Innerlich jedoch nicke ich anerkennend mit dem Kopf. Ruffy hat sich in der Zeit, in der er nun schon auf See ist, eine unglaubliche Mannschaft um sich herum aufgebaut. Sie alle sind verschiedene Charaktere mit verschiedenen Fertigkeiten, die sich aber so zu einer perfekt passenden Einheit ergänzt, wie ihre Taten in der Vergangenheit bezeugen. Unerschütterlich … willensstark … zielstrebig … mutig … waghalsig … abenteuerlustig … so ist die Strohhutbande zu beschreiben. Und genau das ist das richtige Rezept dafür, um auf der Grand Line zu überleben. In der Mitte des Schiffsdecks angekommen, blicke ich Whitebeard dann erwartungsvoll an. Mit einer Hand weist er zu seiner linken Seite, an der ein Tisch aufgestellt ist. Eine leise Neugier breitet sich in meinem Inneren aus, während ich langsam darauf zugehe. „Marco wird dir alles erzählen“, meint Whitebeard schließlich mit tiefer Stimme, als ich an den Tisch herantrete. Unter gesenkten Lidern werfe ich dem Kommandanten der 1. Division nur einen kurzen Blick zu, bevor ich die Landkarte auf der Tischfläche genauer betrachte. Aus den Augenwinkeln bemerke ich, wie auch Zorro und Robin sich zu mir gesellen und die Karte aufmerksam mustern. Es handelt sich dabei um eine topografische Karte von Winters Island, wie ich schnell feststelle. Auf ihr scheinen alle Wege und Straßen, alle Dörfer und Städte eingezeichnet zu sein. „Gut, fangen wir mit diesem kleinen Dorf hier an“, seufzt Marco leise auf und weist mit einem Zeigefinger auf einen Punkt an der westlichen Küste Winters Island. „Es handelt sich dabei um ein 40-Seelendorf, das über alles Notwendige verfügt: einem Lebensmittelgeschäft, einer Schneiderei, Metzgerei, einem Waffenschmied, einen Bäcker, einem Gasthaus und einem Arzt. Außerdem befinden sich dort zwei Quartiere der Marine sowie ein kleiner Hafen. Das eine Quartier befindet sich direkt im Dorf; das andere direkt am Hafen. Beide Quartiere sind jeweils mit 15 Mann besetzt. Des Weiteren ankert an jeweils fünf Tagen in der Woche immer ein Marineschiff am Hafen – mit einer 35-köpfigen Mannschaft an Bord.“ Schnell überschlage ich in Gedanken die Zahl der Menschen, gegen die wir womöglich kämpfen müssen, was zu einem unangenehmen Ziehen in der Magengegend führt. Geht man davon aus, dass die Hälfte der Dorfbewohner aus Frauen und Kindern besteht, so haben wir es mit 20 bis 25 Männern zu tun plus die Anzahl der Soldaten. Innerlich seufze ich laut auf, behagt es mir ganz und gar nicht unschuldige Menschen zu verletzen, die unweigerlich in den Kampf Marine gegen Piraten hineingezogen werden könnten. „Wie sieht es mit Handelsbeziehungen aus?“, wendet sich Robin an Marco, wodurch ich aus meinen Überlegungen rausgerissen werde. Offen und klar blickt sie dem Kommandanten entgegen. Kühl, vorausschauend und präzise … dies sind ihre Vorgehensweisen, wie ich nicht zum ersten Mal bemerken muss. Ein wenig Erleichterung breitet sich in mir aus, und es wird mir auch ein wenig leichter ums Herz, da wir einen solch klugen Kopf sehr gut gebrauchen können, angesichts dessen, was uns bevorsteht. „Alle Produkte, die benötigt werden, werden von den anderen Städten auf der Insel bezogen. Diese befinden sich hier … hier … und hier.“ Marco kommt ihrer Frage bereitwillig entgegen, was ein leichtes Grinsen bei mir hervorruft, während ich aufmerksam seinem Finger folge, als er die genannten Städte auf der Karte zeigt. Unsere letzte Begegnung vor einigen Jahren ist mir noch gut im Gedächtnis haften geblieben – und ihm anscheinend auch. Dass ich damals versucht habe ihn abzuwerben, scheint er mir immer noch nicht verziehen zu haben. Zumindest würde dies seine abfällige Haltung mir gegenüber erklären. „Jeweils an zwei Tagen in der Woche legt ein solches Schiff an. Ansonsten werden auch mal zwischenzeitlich Produkte auch über die Marineschiffe geliefert, wenn es mal zu einem Warenengpass kommt.“ „Sonst noch was?“, frage ich, nachdem ich mich endlich wieder auf die Aufgabe vor uns konzentriere. „Ja – wenn ihr durch das Gefängnistor hinein gelangen wollt, so werdet ihr vorher direkt durchs Dorf müssen. Das Gefängnis selber ist auf einer Klippenanhöhe erbaut, was bedeutet, dass es komplett von Fels und Gestein umgeben ist.“ Also doch eine direkte Konfrontation, denke ich so bei mir. Doch bevor ich noch weiter nachhaken kann, mischt sich zu meiner eigenen Überraschung Zorro in die Unterhaltung mit ein. Ihn habe ich eher als einen schweigsamen Zuhörer kennen gelernt, der ganz für sich allein sich so seine Gedanken macht. Obwohl er einen recht starken Charakter besitzt und auch einige Führungsqualitäten vorweisen kann, so ist er doch eher der agierende Part – einer, der eher Befehle annimmt als welche zu geben. Da ist Robin ganz anders. Mit ihrem klugen Kopf ist sie in der Lage in jeglicher Lage taktisch vorzugehen, wobei sie ebenfalls nicht davor zurückschreckt auch mal aktiv in einen Kampf einzugreifen. „Moment mal – wieso wir? Ich denke, ihr werdet uns helfen?“ Augenblicklich entbrennt ein lautes Gelächter von Seiten der Whitebeard Piraten, wovon Zorro sich aber nicht aus der Ruhe bringen lässt. Eine Augenbraue fragend in die Höhe gezogen, blickt er seelenruhig zwischen mir und Marco hin und her. „Ist es nicht schon Hilfe genug, dass wir für euch die Drecksarbeit getan und Informationen besorgt haben?“, meint schließlich Marco nach einiger Zeit, nachdem er ein wenig außer Atem nach Luft ringt. „Nur Ace zuliebe habe ich mich dazu bereit erklärt euch zu helfen“, lässt sich nun auch Whitebeard dazu herab sich an der Unterhaltung zu beteiligen. „Doch in einen Kampf mit der Marine werde ich mich nicht verwickeln lassen. Sollte die Marine erfahren, dass sich zwei Kaiser direkt vor Winters Island befinden, würde sie sofort in Alarmbereitschaft versetzt werden. Was glaubst du wohl wird passieren, wenn wir dann auch noch zusammen die Insel angreifen würden?“ „Die Marine respektiert und fürchtet uns zwar“, versuche ich Zorro ebenfalls zu erklären, „und wir genießen auch eine gewisse Immunität. Aber die Befreiung von Strafgefangenen würde selbst für einem Kaiser Konsequenzen nach sich ziehen.“ „Dann machst du also auch nicht mit?“ „Denkst du, ich lasse Ruffy im Stich – oder Yasopp seinen Sohn? Nein, meine Männer und ich werden bei der Befreiung mithelfen. Koste es, was es wolle!“ „Und wann wolltest du uns darüber informieren?“ Kalte Wut blitzt in Zorros Augen kurz auf, während er mich herausfordernd mustert. „Macht das denn einen Unterschied?“, entgegne ich leise und mit einem leicht drohenden Unterton in der Stimme. „Zumindest verringert es unsere Kampfkraft“, erwidert Robin lakonisch. In ihrem Gesicht zeigt sich keine einzige Regung, was mich hätte darauf schließen lassen können, was sie über diese Angelegenheit denkt. Doch scheint sie eh eine Meisterin darin zu sein, Gefühle hinter einer hohen Mauer zu verstecken. „Im Dorf selbst befinden sich schon um die hundert Mann, sofern eines der Marineschiffe dort vor Anker liegt, während wir nur wie viele sind – 40, 50 Mann? Es ist nicht gerade ein ausgewogenes Verhältnis, zumal niemand von uns gegen eine Musketenkugel immun ist. Und so gut organisiert die ganze Anlage erscheint, müssen wir davon ausgehen, dass sich die gleiche Anzahl auch innerhalb des Gefängnisses befindet – wobei ich persönlich davon ausgehe, dass die Anzahl noch weitaus höher ausfällt. Von daher würde ich schon sagen, dass diese kleine, aber nicht gerade unbedeutende Information sogar einen ganz erheblichen Unterschied ausmacht. Und deshalb würde es mich auch brennend interessieren, ob es überhaupt Möglichkeiten gibt unbemerkt ins Gefängnis hineinzukommen.“ Mit diesen Worten hat Robin uns allen den Wind aus den Segeln genommen, als sie sich geduldig abwartend wieder an Marco wendet. In dessen Gesicht zeigt sich ein Hauch von Anerkennung. Eine schnelle Auffassungsgabe in Verbindung mit einer präzisen Kombinationsgabe findet man nur allzu schwer bei einer Frau. Und hier zeigt sich nun auch endlich der wahre Grund dafür, warum es ihr auch so lange gelungen ist, vor der Marine zu flüchten. Und wahrlich, ich muss mich ziemlich stark zurückhalten, um sie nicht dazu zu überreden meiner Mannschaft beizutreten. Auf jeden Fall wäre sie eine unglaubliche Bereicherung für uns. Doch ich bin mir sicher, dass Ruffy mir dann den Kopf abreißen würde, schmunzle ich innerlich. „Meiner Meinung nach“, antwortet Marco ihr sachlich und breitet dabei die Hände in einer entschuldigen Geste aus, „besteht die einzige Möglichkeit darin als Gefangener hineinzukommen. Ich meine, selbst wenn ihr es irgendwie unbemerkt durchs Dorf schaffen solltet, die Soldaten im Gefängnis würden euch schon meilenweit erblicken. Der Weg dort rauf ist völlig kahl. Keine Bäume, keine Büsche – nichts, hinter dem man sich verstecken könnte. Und was die Felswand angeht – das Gestein ist hauptsächlich an der Nord- und Westseite viel zu glatt und rutschig, als dass man dort hinaufklettern könnte. An der Ostseite dagegen wäre es vielleicht denkbar. Aber da gäbe es wiederum das Problem, dass man, sobald man den Felssims erklommen hat, noch die Gefängnismauer überwinden muss. Und diese wird aufs Strengste patrouilliert.“ Allmählich beginne ich zu verstehen, warum bisher noch niemandem ein Ausbruch gelungen ist. Doch zufrieden stellt mich diese Feststellung nicht – im Gegenteil. Erkennen zu müssen, dass es so gut wie keine Möglichkeit gibt hineinzugelangen, frustriert mich zutiefst. Und die Zeit rinnt uns allmählich davon. Ruffy ist der Marine mittlerweile schon so oft entkommen, dass die Weltregierung sicher alles daran setzen wird, ihn so schnell es geht hinrichten zu lassen. Und dies ist bestimmt nur noch eine Frage der Zeit. „Wie viele Soldaten befinden sich im Gefängnis?“, frage ich und blicke dabei unentwegt Marco an. „Keine Ahnung“, erwidert er achselzuckend. „Und der Innenbau? Auf wie vielen Etagen ist das Gefängnis gebaut? Und wie ist es eingeteilt?“ „Keine Ahnung“, bekomme ich erneut achselzuckend als Antwort, was langsam eine maßlose Wut in meinem Inneren entstehen lässt. Grimmig runzle ich daraufhin die Stirn und versuche eine unflätige Bemerkung runterzuschlucken, die seinen Allerwertesten mit dem eines Primaten verglichen hätte. „Bevor du fragst“, mischt sich Whitebeard wieder ein, dem meine Reaktion scheinbar nicht entgangen ist. „Wir haben einen meiner Männer als Handwerker ins Gefängnis eingeschleust. Sein Leichnam baumelt jetzt dafür an der Tormauer herab.“ Nach diesen Worten verraucht meine Wut augenblicklich. Stattdessen reagiere ich mit einem heftigen Adrenalinschub auf die Nachricht, während sich meine Muskeln zum Zerreißen anspannen. Schnell blicke ich zu Whitebeard, dessen Gesicht sich zu einer grimmigen Maske verzogen hat. „Sie wissen also von einem Befreiungsschlag?“, frage ich leise. Innerlich jedoch verspüre ich den Wunsch los zu schreien. Ein Hindernis nach dem anderen baut sich vor uns auf, während wir ahnungslos einfach nur davor stehen bleiben können, nicht wissend, wie wir dieses Labyrinth an Problematik durchqueren sollen. „Wenn, dann haben sie nur eine Ahnung“, antwortet Marco stattdessen. „Kelpo hat ihnen nichts verraten, denn sonst hätte die Marine uns längst aufgesucht.“ „Trotzdem werden sie vorbereitet sein“, spricht Zorro genau das aus, was mir durch den Kopf geht. Und das verkompliziert die ganze Angelegenheit nur noch mehr. Nicht nur, dass wir immer noch keine Ahnung haben, wie wir ins Gefängnis hineingelangen können, wissen wir ebenso wenig, was uns im Inneren erwartet. Die wichtigsten Informationen fehlen uns. „Gibt es einen Zugang zur Kanalisation des Gefängnisses?“, will Zorro schließlich nach einigen Minuten der Stille wissen, in der ein jeder von uns seinen Gedanken nachgeht. „Ja – an der Westküste an einem kleinen Strandabschnitt“, erklärt Marco und zeigt mit dem Finger auf einen Punkt auf der Karte. „Allerdings kann ich nicht sagen, ob der Zugang versperrt ist oder nicht. Denn zwischen diesem Wäldchen hier und dem Eingang sind es etwa 70 Schritt über eine kahle, weiße Fläche. Und die Soldaten haben von den Gefängnismauern eine gute Sicht auf das Feld.“ „Na gut“, seufze ich schließlich ergeben, während ich in Gedanken immer noch vergeblich nach einer Lösung unseres Problems suche, „weiß man denn wenigstens wer der befehlshabende Offizier dieser verfluchten Anlage ist?“ „Sein Name lautet Morgan Ironwhip“, antwortet Marco bereitwillig, in dessen Augen ein Funken Mitleid aufblitzt. „Er hat den Rang eines Kapitäns und gilt im Hauptquartier als sehr streng, diszipliniert - und unbestechlich.“ „Irgendeine Möglichkeit muss es doch geben dort hinein zu gelangen!“, brülle ich aus vollem Halse los und haue mit der zur Faust geballten Hand auf den Tisch. Schwer atmend blicke ich daraufhin auf die Karte vor mir, während ich mit aller Macht versuche die ungezügelte Wut in meinem Inneren zu bändigen. Es scheint völlig aussichtslos zu sein … aussichtslos einen Weg zu finden, über den wir unbemerkt ins Innere des Gefängnisses gelangen können. Der einzige Weg scheint wirklich der zu sein die direkte Konfrontation zu suchen – und dies ist völlig unmöglich. Wie Robin bereits angemerkt hat, sind wir zahlenmäßig weit unterlegen. Wir würden es wahrscheinlich nicht einmal bis zum Tor schaffen. Und selbst wenn doch … wie soll es dann weitergehen? Wir müssten dort drin dann erstmal Ruffy und Lysop finden – und nebenbei noch kämpfen. Und was dann? Wie soll sich dann die Flucht gestalten? Bis wir raus wären, wäre sicher genügend Zeit vergangen, damit die Verstärkung eintreffen kann. „Wie sieht es mit Seepatrouillen aus?“, wendet Robin völlig gelassen ein. Von der hoffnungslosen Problematik unserer derzeitigen Situation merkt man ihr rein gar nichts an. „Diese finden eher unregelmäßig statt, wobei dies wahrscheinlich eher auf das Wetter zurückzuführen ist. Doch auch die Eisschollen hier in den Gewässern stellen ein großes Problem dar, da sie meistens vor der Küste treiben und manchmal auch an Land gespült werden.“ „Und das Wetter ist – wie?“ „Unbeständig und unvorhersehbar. Jeden Augenblick könnte es anfangen zu schneien, zu hageln oder auch zu stürmen. Erst gestern ist ein heftiger Sturm hier über uns ausgebrochen – von jetzt auf gleich. Der Wind dabei war so stark – der hätte uns fast den Mast gekostet.“ Lange Zeit ist es so still, dass nur noch das Atmen der Männer zu hören ist sowie das sanfte Rauschen des Meeres. Irgendwo in der Ferne erklingt das schrille Kreischen einer Möwe. Doch davon bekomme ich nichts mit. In Gedanken gehe ich stattdessen immer und immer wieder sämtliche Informationen durch, die Marco uns gegeben hat … wäge das Für und Wider ab … versuche mir die Ortschaften im Geiste vorzustellen … mögliche Knotenpunkte eines Angriffs … doch es ist vergebens. Viel zu gut und viel zu genau ist das Gefängnis so gebaut worden, dass ein Ausbruch – geschweige denn ein Einbruch – schier unmöglich ist. „Hast du einen Plan?“ Zorros Stimme hallt wie ein Pistolenschuss übers Deck und reißt mich jäh aus meinen Gedanken heraus. Verwirrt und in der Annahme, dass die Worte an mich gerichtet sind, blicke ich zu ihm. Doch seine Augen sind auf einen Punkt hinter mir gerichtet, weshalb ich mich fragend zu Robin umwende. Ihr Gesichtsausdruck wirkt gedankenverloren, während ihre Augen blicklos auf die Karte gerichtet sind. „Vielleicht“, murmelt sie leise, weshalb ich mich gehörig anstrengen muss, um sie überhaupt zu verstehen. Doch dieses kleine Wort reicht schon aus, dass mein Herz freudig aufspringt. Voll von neu erwachter Hoffnung warte ich gespannt auf ihren Schlachtplan. Kapitel 37: Zorro: Nightmare ---------------------------- Widerstrebend ergebe ich mich meinem Schicksal und setze mich schwer aufseufzend in meiner Hängematte auf. Müde streiche ich mir mit den Händen übers Gesicht und fahre mir durch die Haare. Scheinbar soll es wieder eine Nacht werden, in der ich wenig bis gar kein Schlaf bekommen soll. Es ist schon erstaunlich, wie schnell sich der Körper, der Verstand und das Herz an die Nähe eines Menschen gewöhnen. Ganz zu Anfang, nachdem Robin und ich uns getrennt hatten, war es mir genauso wie heute ergangen, in der ich mich mit jeder Faser meines Körpers nach ihr gesehnt habe – selbst im Schlaf. Und so wie auch heute, hatte ich mich damals unruhig und schlaflos umhergewälzt, immer mit dem Gefühl der Leere an meiner Seite – eine Leere, die nur Robin ausfüllen kann. „Aber du sollst auch wissen, dass ich nicht ewig warten werde.“ Immer wieder hallen diese Worte durch meinen Kopf – erinnern mich an das mir gegebene Versprechen. Doch mittlerweile glaube ich nicht mehr daran. In den letzten Tagen habe ich immer und immer wieder darüber nachgedacht – aber ich kann es nicht. Mir ist klar geworden, dass ich Robin genauso sehr brauche, wie ich Nahrung und Wasser zum Leben brauche. Sie ist ein Teil von mir und meinem Leben. Ohne sie jedoch bin ich wie ein Fisch an Land … ohne Wasser nicht überlebensfähig. Selbst wenn das vergangene Jahr anders verlaufen wäre … wenn ich genauso weiter gelebt hätte wie auf der Flying Lamb … wenn Chopper und ich uns irgendwo eine ganz normale Arbeit gesucht hätten und uns irgendwo niedergelassen hätten … wäre ich trotz allem nur ein halber Mensch gewesen. „Aber du sollst auch wissen, dass ich nicht ewig warten werde.“ Doch … das würde ich. Selbst wenn es heißt, dass ich bis an mein Lebensende und noch darüber hinaus auf sie warten müsste, ich würde es tun. Das ist mir nun klar geworden. Aber so wie es in letzter Zeit ständig zwischen uns läuft – die ewigen Streitereien und Diskussionen, das Misstrauen und die damit einhergehende Eifersucht, die Ungewissheit ihrer Gefühle und Loyalität mir gegenüber -, so kann es zwischen uns nicht länger weitergehen. Wir würden uns – irgendwann – damit gegenseitig zerstören. Wir würden so lange damit weitermachen, bis wir uns irgendwann hassen würden. Und das ist etwas, dass wir auf gar keinen Fall zulassen dürfen. „Scheiße, verdammt“, flüstere ich leise in die Dunkelheit hinein, angesichts der momentan ausweglos erscheinenden Situation. Und dennoch treibt die Sehnsucht nach ihr mich dazu die Beine entschlossen aus der Hängematte zu schwingen. Die knarzenden Bodendielen unter meinen Füßen innerlich verfluchend, schleiche ich mich langsam durch den Schlafraum, vorbei an den unzähligen Pritschen und Hängematten voller schnarchender Matrosen, bis ich die Tür mit einem quietschenden Schnappen des Schlosses hinter mir schließe und einige wenige Sekunden lang regungslos in dem fahl beleuchteten Gang des Unterdecks stehen bleibe. Das ist doch Wahnsinn, denke ich innerlich so bei mir, während ich den Gang mit leisen Schritten entlang gehe. Selbstgeißelung nennt man das, was ich hier tue. Aber andererseits, was soll schon groß passieren? Denn schließlich will ich nichts weiter tun, als nur einen kurzen Blick auf ihren schlafenden Körper werfen. Da ist doch nichts Großartiges dabei … mal von der süßen Qual abgesehen, die mich dabei empfangen wird. Bereits jetzt, wo ich weiß, dass ich nur noch wenige Schritte von ihr entfernt bin, zeigen sich die ersten Anzeichen von Lust und Verlangen in mir. Die Fingerspitzen fangen an zu kribbeln – wollen das Gefühl ihrer samtweichen Haut unter sich spüren. Die Nervenenden meiner Nase zwicken und jucken, riechen sie schon den fruchtigen Geruch ihres Haars und den lieblich-süßen Duft ihres Körpers. Energisch rufe ich mich selbst zur Ordnung und schüttle dabei heftig mit dem Kopf. Ein paar Mal atme ich dabei ein und aus und rufe mir irgendwelche belanglose Dinge ins Gedächtnis, in der Hoffnung so mein Verlangen unterdrücken zu können. Schlussendlich gelingt es mir auch – unweigerlich. Denn als ich vor Shanks Kabine ankomme, stelle ich mit einiger Beunruhigung fest, dass die Tür einen Spalt weit offen steht. Mein Verlangen ist wie weggewischt, während ich die Tür langsam mit einer Hand öffne und das Licht aus dem Gang die Einzelheiten im Zimmer in dämmrige Schatten hüllt. Eine eiskalte Furcht greift nach meinem Herzen, als mein Blick über das zerwühlte Bett hinunter auf die im Licht aufblitzenden Glasscherben wandert. Schnell blicke ich zur Kommode und werde daraufhin in meiner Vermutung bestätigt: die Öllampe ist aus welchen Gründen auch immer zu Boden gefallen und zerbrochen. Hastig laufe ich mit weit ausholenden Schritten daraufhin weiter den Gang entlang zum Badezimmer und reiße rücksichtslos und voller Elan die Tür weit auf. Es reicht ein schneller, kurzer Blick, um festzustellen, dass sich niemand im Bad befindet, weshalb ich nun mehr rennend den Gang wieder zurück und aufs Deck hinaus laufe. Tiefschwarze Wolken haben den sternenklaren Nachthimmel verdunkelt, wodurch es mir sehr schwer fällt überhaupt irgendwas an Deck erkennen zu können. Wohin man auch blickt, überall sind unförmige Schatten zu sehen. Langsam wandere ich übers Deck und blicke dabei nach allen Seiten, während ich immer wieder leise Robins Namen rufe. Doch bis auf das sanfte Flattern der Segel im Wind und das Branden des Meeres an den Schiffsrumpf ist kein einziger Laut zu hören. Bereits in der Vergangenheit habe ich hin und wieder feststellen müssen, was für eine Angst und Panik es bei Robin auslöst, wenn sie nachts plötzlich im Dunkeln erwacht. Manchmal ist sie dann völlig aufgelöst in Tränen ausgebrochen. Andere Male wiederum ist sie orientierungslos und hysterisch in der Kabine umhergelaufen, stets in wilder Panik auf der Suche nach einem Ausgang, wobei alles, was ihre Hände ertasteten in wilder Hast zu Boden gerissen wurde. Bei diesen Gedanken wird meine Sorge um sie umso größer, sehe ich vor meinem inneren Auge, wie sie völlig hysterisch aufs Deck gerannt kommt und plötzlich über die Reling fällt. Mit zitternder Hand fahre ich mir durchs Gesicht, in der Hoffnung, so das Bild aus meinem Kopf zu vertreiben. „Okay, Junge – mal jetzt nicht den Teufel an die Wand“, versuche ich mich zu beruhigen. „In der Kombüse brennt Licht, also ist sie vielleicht dorthin gegangen.“ Mit immer schnelleren Schritten laufe ich weiter zum Heck hoch, wo sich das Oberdeck mit der Kombüse befindet. Meine Beine fühlen sich wie weicher Pudding an, während ich die wenigen Treppenstufen zum Oberdeck hinaufsteige. Durch eines der Bullaugen werfe ich einen kurzen Blick ins Innere hinein und pure Erleichterung durchströmt meinen Körper, als ich Robin in der Kombüse erspähe. Völlig erschöpft lehne ich mich daraufhin an das Geländer hinter mir und warte darauf, dass mein Herzschlag zu seinem normalen Rhythmus zurückfindet und das Adrenalin nicht mehr länger durch meine Blutbahnen rauscht. „Junge, Junge, was hast du doch für eine blühende Fantasie“, murmle ich leise in einem Anflug von Selbstbelustigung, bevor ich einmal kurz mit dem Handrücken einen dünnen Schweißfilm von der Stirn wische. Anschließend richte ich mich zu meiner vollen Größe auf und lasse meinen Kopf ein paar Mal hin und her kreisen, um die Anspannung in meinem Nacken zu lösen. Dann endlich fühle ich mich bereit dazu die Kombüse zu betreten. Die Tür gibt keinen einzigen Laut von sich, als ich sie öffne und den riesigen Raum betrete, der groß genug ist, dass die gesamte Schiffsbesatzung darin Platz findet. Über mehrere Tische hinweg, blicke ich zu Robin, die regungslos vor eines der Bullaugen auf der linken Seite steht. Selbst mein Eintreten scheint sie nicht zu bemerken, was mich zu einem besorgten Stirnrunzeln bewegt, da sie ihre Umgebung sonst immer genauestens wahrnimmt. Kritisch mustere ich daraufhin ihr äußerliches Erscheinungsbild, das lediglich aus ihrer Nachtwäsche besteht: einem losen Trägertop sowie einer recht kurzen Shorts. Keine Jacke, keine Hose, kein Pulli – nicht einmal Schuhe trägt sie, was mir sagt, dass sie ihre Kabine ziemlich überhastet verlassen haben muss. Erneut betrachte ich Robin genauer, wobei ich diesmal versuche zu erkennen, in was für einer psychischen Verfassung sie sich befindet. Noch immer zeigt sie mit keiner Regung, dass sie meine Anwesenheit wahrgenommen hat, was ich für kein gutes Zeichen halte. Und auch erst jetzt bemerke ich das leichte Zittern ihres Körpers, was bei der Kälte, die den Raum trotz des Heizofens für sich beansprucht hat, kaum verwunderlich ist angesichts ihrer dürftigen Bekleidung. Jedoch könnte das Zittern aber auch eine andere Ursache haben. Den Oberkörper hält Robin fest und mit angespannten Muskeln ihrer Arme umschlungen. Ist es wegen der Kälte oder handelt es sich dabei um eine reine Schutzmaßnahme? „Robin?“ Leise und behutsam rufe ich ihren Namen, während ich langsam an der Seite der Kombüse entlang gehe, wodurch ich ihr Profil immer besser erkennen kann. Beim Klang meiner Stimme zuckt Robin erschrocken zusammen. Ein waidwunder Blick in einem viel zu blassen Gesicht schaut mir entgegen, was mir einen heftigen Stich ins Herz versetzt, der sich kurz darauf zu einem eng geknüpften Knoten bildet, als ich die Vielzahl an Gefühlen sehe, die sich in ihren Augen widerspiegeln – Angst, Verzweiflung, Trauer, Einsamkeit. „Warum bist du nicht zu mir gekommen?“, frage ich sie mit sanfter Stimme, während ich mich ihr Stück für Stück nähere. Ihr Blick wird ausdruckslos, als sie sich von mir abwendet und wieder gedankenverloren aus dem Bullauge starrt. „Weil ich lernen muss damit selber fertig zu werden.“ Ihre monotone Stimme behagt mir überhaupt nicht, habe ich Robin bislang noch nie so erlebt. Man könnte ihren Zustand sogar als apathisch bezeichnen, was bei mir sämtliche Alarmglocken läuten lässt. Fieberhaft überlege ich, wie ich mich weiter verhalten soll, während ich weiterhin aufmerksam ihre starre Haltung beobachte. „Aber ich bin doch hier“, sage ich mit sanfter Stimme zu ihr. Gleichzeitig breite ich einladend meine Arme aus, um ihr meine Bereitschaft zu zeigen sie trösten zu wollen. „Aber nicht immer“, höre ich sie leise sagen. Ihr Mund bewegt sich kaum beim Sprechen und auch ihr Blick ist nach wie vor nach innen gerichtet. „Vielleicht“, antworte ich unsicher, da ich nicht genau weiß, was sie mit ihren Worten meint. „Aber dann wird Sanji da sein.“ In einer Tour fängt Robin an ihren Kopf leicht zu schütteln, während sich ihre Augen schließen. Ihr Mund verzieht sich dabei zu einem gequälten Lächeln. „Dieses Gejaule … ich höre es immer wieder. Das Geschrei … das Lachen. Immer wieder und wieder und wieder … pausenlos.“ Mit schmerzgepeinigten Augen blickt Robin zu mir auf. Tränen – wahre Sturzbäche – rinnen an ihrem Gesicht herab auf den Boden. Die Muskeln an ihren Armen spannen sich weiter an, als sie ihre Schultern noch fester umklammert. Ihr Anblick zerreißt mir das Herz und gerne hätte ich die wenigen Schritte, die uns noch voneinander trennen, überwunden und sie in meine Arme gerissen. Doch etwas in ihrem Blick hält mich noch davon ab. „Sie wollen nicht aufhören“, spricht sie mit rauer und abgehackter Stimme weiter, wobei ihr Blick sich wieder nach innen richtet, und sie nun mehr zu sich selbst redet als zu mir. „Hören einfach nicht auf … nicht bei mir … nicht bei Sanji … sie hören einfach nicht auf.“ Ihre Stimme wird immer leiser und verzweifelter, bis sich Robin die Ohren mit den Händen zuhält, als könne sie so die Laute, die nur noch aus einem Teil ihrer Erinnerungen entspringen, zum Verstummen bringen. Nicht mehr länger an mich haltend, überwinde ich den kurzen Abstand zwischen uns mit zwei Schritten und ziehe sie fest in meine Arme. Ich spüre ihre Fingernägel an meiner Brust, als sie in einer verzweifelten Geste ihre Finger in meinen Pullover krallt. Das gepeinigte Zittern ihres Körpers dringt mir durch Mark und Bein, während sich harte Schluchzer aus ihrer Kehle zwängen, als wollten sie den Körper von innen heraus zerreißen. Wenn ich es könnte … wenn es in meiner Macht läge … würde ich den Schmerz gerne an ihrer Statt ertragen. So aber bleibt mir nichts anderes übrig, als nur für sie da zu sein … ihr den nötigen Halt gebend und Trost spendend. Sanft und behutsam streichle ich dabei über ihren Rücken und murmle irgendwelche Worte wie ‚Alles wird gut’ und ‚Ich bin ja hier’, während ich sie wie ein Baby langsam hin und herwiege. Es vergehen noch etliche weitere Minuten, bis ich dann merke, dass Robin langsam aber sicher ruhiger wird. Das Zittern ihres Körpers lässt immer mehr nach und auch die harten Schluchzer werden weniger. Und auch die Tränen rinnen ihr nicht mehr länger wie eine Sintflut an ihren Wangen herab, während ihre Finger sich allmählich entspannen. Trotzdem macht Robin keinerlei Anstalten sich aus der Umarmung zu lösen, was mir aber nur recht ist. Unaufhörlich streichle ich weiterhin sanft über ihren Rücken, derweil ich über ihre letzten Worte nachdenke, was mich dazu veranlasst sie noch fester an mich zu drücken. All meine Befürchtungen und Ängste lösen sich dabei plötzlich in einem Nichts auf, so als wären sie nie da gewesen. Frei und unbeschwert komme ich mir vor, ein Gefühl, von dem ich bis heute nichts gewusst habe … es noch nie bisher verspürt habe. Eine vollkommene Zufriedenheit breitet sich in meinem Inneren aus – vom Herzen ausgehend bis in die Enden aller Muskeln, Sehnen und Nerven. „Ich liebe dich“, flüstere ich ihr schließlich bar jeglicher Angst ins Ohr. Kapitel 38: Robin: Love ----------------------- Die Angst hat nachgelassen … ist wie weggewischt, als wäre sie nie da gewesen … hat sich in der sanften Umarmung verflüchtigt wie Rauch, der vom Wind weggetragen wird. So war es schon immer. Immer, wenn die Erinnerungen mich in meinen Träumen heimsuchten, brauchte ich nur in diese starken Arme flüchten, und sie wurden wieder das, was sie sind – Erinnerungen. Nur hier finde ich die nötige Sicherheit … die Geborgenheit … die Kraft … um mit den Schatten der Vergangenheit fertig zu werden. Doch jetzt, wo die Dämonen mich nicht mehr länger verfolgen, wäre es an der Zeit sich aus der Umarmung zu lösen … aber ich kann es nicht. Viel zu sehr genieße ich die Wärme, die von ihm ausgeht und meinen Körper von innen heraus wärmt. Viel zu sehr verspüre ich den Wunsch ihm noch näher zu kommen als es die physische Norm es mir erlaubt … einfach nur in ihn hineinkriechen und eingehüllt werden von seiner Stärke und Zärtlichkeit. „Ich liebe dich.“ Jäh reißen mich die Worte aus meiner angenehmen Benommenheit heraus, und überrascht blicke ich auf. Ein leises Lächeln umspielt seine Mundwinkel, während sein Blick sanft und ernst auf mir ruht. Völlige Verwirrung, zarte Freude und sprachloses Staunen wechseln sich gegenseitig ab, während ich fieberhaft überlege, ob ich die Worte nur in meinem Inneren vernommen habe … entsprungen aus einen Wunsch ganz tief in meinem Herzen drin. Gleichzeitig wandern meine Augen über sein Gesicht, auf der Suche nach … ja, nach was eigentlich? Nach einem Zeichen, dass es wirklich so ist? Nach einem Hinweis, dass ich mich lediglich verhört habe? „Was hat sich geändert?“, frage ich leise und gedankenverloren, die Worte mehr an mich selbst gerichtet. Doch dabei ziehen sich unwillig seine Augenbrauen zusammen, während ein kalter Luftzug meine Schultern umspielt, als Zorro die Umarmung löst und einen Schritt zurückweicht. Die Sanftheit ist aus seinen Augen verschwunden und haben stattdessen einer leisen Enttäuschung platz gemacht. „Ich dachte, du würdest dich freuen?“ Seine Stimme klingt anklagend, aber auch herausfordernd. Aufmerksam versuche ich selbst die kleinste Regung in seinem Gesicht abzulesen, nicht wissend, was er eigentlich von mir erwartet. Von der trauten Zweisamkeit von eben ist nun nichts mehr zu spüren, was mich unendlich traurig stimmt. Denn schon verspüre ich die ersten Donnerwolken über mir, die sich stets dann ankündigen, wenn mal wieder ein Streit ansteht. „Es … es tut mir Leid“, stottere ich schließlich unsicher. Es fällt mir so unglaublich schwer mich zu konzentrieren. Mein Kopf fühlt sich an, als würde er in einem Schraubstock stecken. Gefühle und Regungen wirbeln wild durcheinander durch meinen Verstand und machen es mir unmöglich auch nur einen Gedanken festzuhalten. „Ich wollte dich nicht mit meiner Äußerung verletzen.“ „In einen Freudentaumel hast du mich damit nicht gerade versetzt“, schnaubt er angesäuert. Unnachgiebig, mit keinem Hauch von Verständnis oder Zärtlichkeit in den smaragdgrünen Augen mehr, verschränkt er die Arme vor der Brust. Innerhalb von wenigen Sekunden hat Zorro eine unüberwindbare Mauer vor sich aufgezogen, was mir zeigt, wie tief ich ihn verletzt habe. Kraftlos sacken meine Schultern herab, werden herunter gezogen von einer zentnerschweren Last, während eine bleierne Müdigkeit meinen Verstand einnebelt. Leichte Kopfschmerzen breiten sich pochend hinter meinen Schläfen aus. Und das Einzige, was ich mir im Augenblick nur noch wünsche ist Schlaf. Einfach nur in einen traumlosen Schlaf fallen und alles für einen Moment vergessen … einfach nur hinter sich lassen. Die Diskrepanzen zwischen Zorro und mir … die unbeantwortete Frage nach der Zukunft … die Sorgen um Ruffy und Lysop … die Planungen einer ungewissen Befreiung … all das und noch vieles mehr, was meine Seele in den letzten Tagen beschäftigt, wünsche ich einfach nur hinter mir lassen zu können. Müde reibe ich mir über die Augen und massiere nachdrücklich die Schläfen, um den Schmerz dahinter zu lindern. Gleichzeitig versuche ich meine Gedanken zu ordnen … zu der kühlen und bedächtigen Person zurückzufinden, als die ich mich normalerweise gebe. Schlafmangel … Kraftlosigkeit … Verwirrung … sie alle lassen mich völlig überfordert mit dieser Situation kämpfen. „Es geht dir nicht gut?!“ Es ist mehr eine Feststellung als eine Frage, als Zorro mich aus besorgten Augen kritisch mustert. Ich kann es förmlich vor mir sehen, wie die Mauer um ihn herum Risse bekommt. Seine Sorge um mich überwiegt seine Enttäuschung und wärmt mein Herz. „Um es mit deinen Worten zu sagen, befinde ich mich nicht gerade in einem Freudentaumel“, antworte ich mit einem leisen, humorlosen Auflachen. Nein, gut geht es mir sicher nicht. Denn allmählich wächst mir die Situation über den Kopf, und ich brauche dringend Ruhe. Ruhe, in der ich meine Gedanken und Gefühle sortieren und analysieren kann … in der ich noch einmal alles Revue passieren lassen kann … in der ich über meine weiteren Schritte nachdenken kann. „Wir können nachher weiterreden“, spricht er voller Verständnis weiter, wobei er seine Abwehrhaltung nun gänzlich fallen lässt. Seine Schulterpartie entspannt sich und seine Arme hängen kraftlos an den Seiten herab. Das ist sicherlich das Beste … ein wenig Zeit verstreichen lassen, damit jeder von uns wieder einen klaren Kopf bekommen kann. Doch … wenn ich ihn so ansehe … erscheint mir dieser Gedanke nicht fair. Ich habe ihn enttäuscht … ihn verletzt. Und trotzdem kommt er mir entgegen – macht sich sogar Sorgen um mich. Und genauso verlief es in der Vergangenheit auch schon. Während er immer nur am Geben war, was habe ich da gemacht? Was habe ich ihm in all dieser Zeit zurückgegeben? „Nein“, antworte ich mit fester Stimme und schüttle nachdrücklich den Kopf. „Dieser Zeitpunkt ist zum Reden genauso gut wie jeder andere auch. Und wer weiß – nachher kommt mit Sicherheit wieder irgendwas dazwischen oder wir finden einen neuen Streitpunkt.“ Kurz halte ich inne und versuche meine Gedanken zu sortieren, während Zorro stumm und geduldig wartet. Er hat seine Arme wieder vor sich verschränkt. Doch diesmal sind sie ein Zeichen des Abwartens auf die kommenden Dinge. „Ich meine, was ich gesagt habe“, wende ich mich ihm wieder zu. Sachlich und ernst – so will ich es halten. Ich will keinerlei Vorwürfe oder Anklagen erheben, sondern endlich Klarheit zwischen uns schaffen. Keine Provokationen … keine Ausflüchte … keine Worte benutzen, die falsch ausgelegt werden können. „Es tut mir wirklich Leid, dass ich dir wehgetan habe. Ich war in dem Moment einfach zu überrascht – und auch irgendwie überfordert mit der Situation. Denn ich weiß, du bist nicht gerade jemand, der sein Herz auf der Zunge trägt. So habe ich dich auch nicht kennen gelernt. Du bist eher ein Mann, der seine Taten für sich sprechen lässt. Deshalb habe ich auch nie erwartet, dass du mir mal sagen würdest, dass du mich liebst. Vielleicht gehofft, ja – aber nie wirklich erwartet. Und ja, ich freue mich darüber – sehr sogar. Aber wenn ich ehrlich bin, so brauchtest du es mir eigentlich nie sagen. Denn was du für mich empfindest, habe ich schon immer gewusst. Du hast es mir immer und immer wieder mit deinen Augen gesagt, mit deinen Berührungen oder mit der Wärme deiner Stimme – und das ist für mich ausreichend.“ Ich halte in meiner Ansprache kurz inne, um meine Gedanken erneut zu sortieren. Doch mittlerweile sprudeln die Worte einfach nur so aus mir heraus, ohne dass ich ihnen noch hätte Einhalt gebieten können. Durch einen Tränenschleier hindurch, bemerke ich, dass Zorro Anstalten macht etwas zu erwidern. Vermutlich deshalb, da er annimmt, ich sei mit meiner Rede am Ende. Mit erhobener Hand gebe ich ihm aber zu verstehen noch ein wenig zu warten. „Ein Grund, warum es mit uns damals nicht funktioniert hat, war deine Angst. Du hast Angst vor den Gefühlen in deinem Herzen; Angst vor einer Zurückweisung und Angst davor, nicht gut genug für mich zu sein. Aber diese Ängste sind unbegründet! Denn du bist der einzige Mann in meinem Leben, in dessen Armen ich morgens aufwachen will. Dein Gesicht ist es, was ich vor dem Einschlafen als Letztes sehen will. Ich will jede Minute meines Lebens in deiner Nähe sein. Ich will den Rest meines Lebens mit dir verbringen. Denn du bist der einzige Mann in meinem Leben, den ich liebe und immer lieben werde.“ Es gibt kein Halten mehr, als die Worte sich einen Weg durch mein Herz hinaus bahnen. Unentwegt blicke ich Zorro dabei an, während eine wahre Tränenflut mein Gesicht benässt. Kein Schluchzen, kein Stocken hindert mich nun daran, ihm all das zu sagen, was sich in meinem Herzen befindet. „Das weiß ich“, antwortet er mir mit einer Stimme, die so tief und rau von unterdrückten Gefühlen ist, dass ich sie kaum wieder erkenne. Erstaunt beobachte ich, wie er immer wieder schwer schlucken muss, während seine Gesichtszüge sich voller Anspannung verziehen, um den aufsteigenden Tränen Einhalt zu gebieten. „Ich wusste es von dem Augenblick an“, spricht er weiter, während er langsam auf mich zukommt und dabei jegliche Zurückhaltung aufgibt, in der er nun seinen Tränen freien Lauf lässt, „als du mir zu verstehen gabst, dass ich der Einzige bin, der deine Dämonen vertreiben kann. Nur ich kann dein Ritter in strahlender Rüstung sein.“ Über seine eigenen Worte lächelnd, lehnt er seine Stirn an meine, während er sanft seine Hände auf meine Wangen legt. Die Augen geschlossen, holt er zitternd Luft. Dieser Anblick lässt mein Herz voller Sehnsucht und Glück anschwellen, und ich habe das Gefühl, es würde jeden Moment zerspringen. Vorsichtig hebe ich eine Hand an sein Gesicht und streiche über die feuchte Spur hinweg, die einzelne Tränen hinterlassen haben. Bei dieser Bewegung öffnet er langsam wieder seine Augen, die vor lauter unterschwelligen Gefühlen das satte Grün eines Eichenbaumes angenommen haben. Eine endlos lange Zeit erwidert er meinen Blick, schaut dabei so tief in mich hinein, dass er meine Seele erkunden kann – und ungeniert lasse ich es zu. Doch schließlich … in einer quälend langsam verstreichenden Zeit … kommen wir uns näher, bis sich unsere Lippen zu einem sanften und zärtlichen Kuss vereinen. Unablässig schauen wir uns dabei in die Augen. Nun gibt es nichts mehr zwischen uns, dass uns noch voneinander trennen kann. Keine Zweifel … keine Furcht … keine Differenzen … keine Geheimnisse … keine unbeantworteten Fragen oder Antworten … nichts steht mehr zwischen uns. Kapitel 39: Zorro: Game in the dark ----------------------------------- Kühl, unnahbar, distanziert, geheimnisvoll … alles Eigenschaften, mit denen ich Robin beschreiben würde, wenn ich sie immer noch so kennen würde, wie zu dem Zeitpunkt, als sie sich unserer Bande angeschlossen hat. Heute jedoch fallen mir ganz andere Charakterzüge ein … sanft, warmherzig, liebevoll, verletzlich. Doch gehört sie nicht zu den schwachen Frauenzimmern, die Hilfe suchend sofort zu ihrem Mann, ihrem Geliebten, ihrem Bruder oder ihrem Vater laufen. Nein, Robin besitzt eine äußerst starke Persönlichkeit, obwohl sie durch die Hölle gelaufen ist! Viel zu früh musste sie lernen auf eigenen Beinen zu stehen … musste lernen eigene Entscheidungen zu treffen – weise, vorausschauend, klug. Nur ein Fehltritt hätte ausgereicht und sie wäre heute nicht mehr am Leben. Was sie bereits im Kindesalter erlebt hat, hätte jeden anderen daran zerbrechen lassen. Doch nicht Robin – sie ist stark geblieben. Hat ihren Weg mit eiserner Entschlossenheit weiter verfolgt. Doch jetzt? In der Kombüse war sie mir mutlos erschienen … verzweifelt … hilflos. Eigenschaften, die ich an ihr nie kennen gelernt habe … nie an ihr gesehen habe. Wehrlos wie ein Baby stand sie ihrer Angst gegenüber und wusste sich nicht zu helfen. Die Mauer, die sie zum Schutz vor ihr Herz aufgezogen hatte, war wie feiner Sand zerronnen, und sämtliche Gefühle und Emotionen waren in ihren Augen und in ihrem Gesicht abzulesen. Ein Anblick, der mich mehr geschmerzt hat als es ein Schwerthieb es je gekonnt hätte. Aber auch ich komme mir hilflos dabei vor. Ich biete ihr meine starken Arme an … ziehe sie in den Schutz meiner Umarmungen … tröste sie mit warmer Stimme. Und dennoch bin ich nicht in der Lage ihr die Angst dauerhaft zu nehmen. Nur für den Moment … für den einen kurzen Augenblick … kann ich an Robins Stelle gegen ihre Dämonen kämpfen. „Gegen Windmühlen kämpfen“, murmle ich leise vor mir hin. Die Worte schießen mir unwillkürlich durch den Kopf, obwohl mir nicht einfallen will, wo ich sie schon mal gehört habe. Dennoch erscheinen sie mir zu meiner Situation sinngemäß zu passen. Robin, die damit beschäftigt ist, die Glasscherben der zerbrochenen Öllampe vorsichtig aufzusammeln, blickt bei meinen Worten fragend auf. Eine ihrer zartgeschwungenen Augenbraue zieht sich dabei leicht in die Höhe. „Du zitierst aus Don Quijote*?“, lächelt Robin mir zu, während sie, die Glasscherben vorsichtig in der Hand haltend, sich aus ihrer knienden Position erhebt. Ohne Eile durchquert sie dann den Raum zum Müllbehälter. „Ist mir nur grade so eingefallen“, murmle ich nichts sagend, während ich jetzt angestrengt nachdenke, wer oder was dieser Don Quijote ist. Ihren Worten kann ich entnehmen, dass es sich dabei auf jeden Fall um ein Buch handeln muss. Und da ich mir so gut wie nichts aus Büchern mache, wird sie mir wohl einmal davon erzählt haben. Für einen Augenblick schweifen meine Gedanken dabei zurück in die Vergangenheit – zurück zu den Momenten, in denen nur wir beide uns abends Gesellschaft geleistet hatten und Robin mir von einen ihrer dicken Wälzer erzählte. Unwillkürlich muss ich grinsen, als ich daran denken muss, wie es eigentlich dazu gekommen war. Nur um die drückende Stille zwischen uns damals zu füllen, hatte ich sie eines Tages nach eines ihrer Bücher gefragt, obwohl es mich eigentlich nicht die Bohne interessiert hatte. Und trotzdem – irgendwie hatte sich die ganze Situation dann zu einem Ritual entwickelt. Immer, wenn sie eines ihrer Bücher zu Ende gelesen hatte, hatte sie mir im Anschluss davon erzählt – und ich habe sie gewähren lassen. Auch wenn ich es damals nicht zugegeben hätte, hätte man mich danach gefragt, so hatte ich dennoch Gefallen daran gefunden einfach nur ihrer Stimme zu lauschen. Und gerade diese Momente sind es auch, die ich im vergangenen Jahr am Schmerzlichsten vermisst habe – dieses vertraute Beisammensein und ihre warme Stimme, mit der sie das Handlungsgeschehen eines Romans wiedergab. Für mich waren es Augenblicke, in denen mich ein innerer Frieden überkam und alle Sorgen und Zweifel von mir abfielen. „Es ging dabei um einen Mann, der sich für einen Ritter hielt, nicht wahr?“, überlege ich laut und erinnere mich an den Abend zurück, als Robin mir von dem Roman erzählt hatte. Es war damals zu einem Zeitpunkt, an dem unsere Streitereien bereits immer häufiger vorkamen. „Er interessierte sich sehr für das Rittertum und hatte dazu auch etliche Bücher gelesen. Doch irgendwann begann er Fiktion mit der Wirklichkeit zu vermischen, wodurch alles, was er sah, zu etwas aus seiner Fantasie wurde. Dadurch kam es, dass die Windmühlen in seinen Augen zu …“ Ja, zu was eigentlich? Auf der Suche nach der Lösung runzle ich konzentriert die Stirn. Doch will es mir partout nicht einfallen, gegen was Don Quijote kämpfen wollte. „… Riesen“, kommt Robin mir immer noch lächelnd zur Hilfe. „Anstelle von Windmühlen sah er Riesen.“ „Genau, das war es.“ „Aber wie kommst du jetzt darauf?“, fragt sie mich, wobei in ihrem Blick ein Funken Bewunderung aufblitzt. Und auch ich komme nicht umhin, ein wenig stolz auf mich zu sein, hätte ich doch nie gedacht, dass ich mich an etwas so unbedeutendes wie die Inhaltsangabe eines Romans erinnern würde. Und dennoch zeigt es mir – aber auch Robin –, dass ich mich, wenn auch unbewusst, für das interessiere, an das Robin Gefallen findet. „Einfach nur so“, antworte ich ihr ausweichend und winke mit einer Hand kurz ab. Gleichzeitig jedoch beschäftige ich mich gedanklich mit der Situation, in der sich Don Quijote befand, und mit der Situation, in die Robin sich derzeit befindet. Bei genauerer Betrachtung kämpfen beide gegen ein Gespinst an: Don Quijote gegen die Riesen, die in Wahrheit harmlose Windmühlen waren; Robin gegen die Dämonen aus der Dunkelheit, die aber nur noch in ihren Erinnerungen existieren. Welches Schicksal Don Quijote schließlich gegen seinen Kampf gegen die Windmühlen ereilte, vermag ich heute nicht mehr zu sagen. Bei Robin dagegen wäre die Lösung die, ihr zu zeigen, dass es nicht die Dunkelheit ist, die sie zu fürchten hat. Gedankenverloren betrachte ich Robin, die mir still und ruhig und mit verschränkten Armen entgegenblickt. Dies ist ein Wesenszug, den ich sehr an ihr schätze. Sie fühlt sich keineswegs dazu genötigt zu fragen, was einen beschäftigt. Stattdessen wartet sie stillschweigend ab, bis derjenige von selbst auf sie zukommt und anfängt sein Herz auszuschütten. Zwar habe ich genau das nicht gerade vor – mein Herz bei ihr ausschütten -, dennoch bin ich ihr dankbar, dass sie mir die Zeit gibt, weiter über eine Lösung des Problems nachzudenken. Nicht die Dunkelheit ist es, die sie zu fürchten hat, schießt es mir dabei immer wieder durch den Kopf. Doch wie kann ich es ihr begreiflich machen? Es ist ja nicht so, dass sie es selbst nicht versteht. Aber es ist ihr Herz und ihr Geist, die sie daran hindern, diese Tatsache zu verstehen – und nicht der Verstand. Nur eine Konfrontation mit ihrer Angst herbeizuführen, reicht da nicht aus, zumal es diese bereits zur Genüge gegeben hatte, ohne dass sich ein sichtbarer Erfolg eingestellt hätte. Aber was dann? Alles um mich herum völlig ausgeblendet, starre ich unentwegt auf die sich zartflackernde Flamme der Sturmlaterne, die wir aus dem Gang draußen vor dem Zimmer mitgenommen hatten. Eine völlige Stille umgibt mich, bis auf das ständige Knarren und Knacken des Holzes, das der gewaltigen Wassermenge um uns herum strotzt. Und plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Nicht die Dunkelheit ist es, aus der Robins Angst resultiert, sondern ihre Erinnerungen. Das, was sie erlebt hat, ist lediglich nur eine Verbindung zur Dunkelheit. Wenn es mir also gelingen würde, diese Verbindung zu unterbrechen oder sie mit etwas anderen zu ersetzen, müsste sich Robins Angst doch dann verflüchtigen, oder nicht? Hin und her gerissen zwischen der Euphorie, die Lösung des Problems endlich gefunden zu haben, und der großen Unsicherheit, ob der Plan nicht vielleicht nach hinten losgehen wird, sehe ich zu Robin. Den Kopf leicht zur Seite geneigt, blickt sie mir fragend entgegen. Innerlich jedoch sehe ich ihren Anblick aus der Kombüse vor mir – die weit aufgerissenen Augen voller Angst und Verzweiflung; die schutzsuchende Umarmung, mit der sie ihren Körper umschlungen hatte. Nein – diesen Anblick will ich nie wieder ertragen müssen! Ein letztes Mal blicke ich mich im Zimmer um, präge mir die Standorte und ungefähre Entfernungen der einzelnen Möbelstücke ein, bevor ich mich dann ohne zu zögern dem kleinen Nachttischchen zuwende. Das kleine Seitentürchen der Sturmlaterne öffnet sich mit einem leisen Quietschen, bevor ich mich vorbeuge und dann die Kerze entschlossen auspuste. Hinter mir höre ich, wie Robins Atemzüge für einen Moment ins Stocken geraten, als sich eine völlige Schwärze über die Kajüte legt. Jetzt kann man nicht einmal mehr die Hand vor Augen sehen. „Zorro?“ Es ist mehr ein Hauch, ein geflüstertes Wort in der Dunkelheit. Dennoch höre ich die Unsicherheit und Angst aus ihrer Stimme heraus – aber auch einen leichten Unterton von Überraschung. Sie, die sonst immer jeden Schritt aufs Genaueste plant, sich ihr Handeln vorher genau überlegt, hat eine solche Situation nicht vorausgesehen. Und nun weiß sie nicht, wie sie sich verhalten soll. Wie bei einem Drahtseilakt versucht sie die Balance der Sicherheit zu halten, um nicht in den Abgrund der Furcht hinunterzufallen. „Ich bin hier“, antworte ich ihr mit sanfter Stimme, während ich die Distanz zwischen uns mit langsamen Schritten überwinde. In Gedanken messe ich dabei die Entfernung zwischen uns ab. Ihre etwas schnelleren Atemzüge kommen mir dabei zu Hilfe. Für einen Augenblick bleibe ich bewegungslos stehen und schließe die Augen. In Gedanken sehe ich das Zimmer und Robin vor mir, so dass ich sachte den Arm ausstrecke und mit den Fingerspitzen ihren Arm berühre. Ich spüre, wie der Hautkontakt für einen Moment unterbrochen wird, als sie erschrocken zusammenzuckt, war die Berührung für sie völlig unerwartet. Beruhigend streiche ich an ihrem Arm herunter und umfasse ihre Hand. Eisige Finger drücken meine, als ich sanfte Küsse auf ihre Fingerknöchel hauche. Währenddessen taste ich mit der linken Hand nach ihrem Rücken und streiche an ihm herunter bis zur Taille, bevor ich schließlich ganz hinter Robin trete und sie in eine sachte Umarmung ziehe, meinen Kopf dabei an ihrem geschmiegt. Ihre Atmung geht immer noch schnell und auch die Muskeln unter meinen Händen sind zum Zerreißen gespannt. Ebenso spüre ich ein leises Erzittern ihres Körpers, wobei ich nicht genau sagen kann, ob es aus Furcht ist oder ob es an der Körperanspannung liegt. „Siehst du“, flüstere ich ihr leise ins Ohr, worauf Robin erneut kurz zusammen zuckt. „Es ist alles in Ordnung. Nichts hat sich hier im Zimmer verändert. Wir befinden uns immer noch an Bord der Red Force, und wir sind immer noch von Wasser umgeben.“ „Dann kannst du ja das Licht wieder anmachen“, flüstert sie mir schnell aber ebenso leise zurück. Ihre Stimme wird dabei von einer großen Unsicherheit begleitet, wodurch ihre Tonlage zwischen Hoch und Tief hin und her schwankt. „Wir brauchen kein Licht.“ „Aber …“ „Kein ‚Aber’“, gehe ich entschieden, aber weiter mit sanfter Stimme dazwischen. Aufmunternd drücke ich sie kurz fest an mich und verteile kleine Küsse auf ihre Schulter. „Denk´ an Don Quijote – seine Riesen ist deine Furcht.“ „Dann ist meine Angst nur reine Fantasie?“ Obwohl ich nur einen kleinen Hauch von Angriffslust in ihrer Stimme heraushören kann, muss ich dennoch grinsen. Ihre Reaktion ist ein gutes Zeichen … ein Zeichen dafür, dass sie zwar immer noch Furcht verspürt, aber sich trotz allem nicht davon klein kriegen lässt. „Nein … aber sie entspringt aus deiner Vergangenheit. Und genau dort sollst du sie auch lassen.“ „Aber wie?“ Ihre Worte sind zwar nur leise gesprochen, dennoch klingen sie wie ein gequälter Aufschrei in meinen Ohren. Der Schmerz, der dabei in ihrer Stimme mitschwingt, presst mir mein Herz zusammen und lässt meine Kehle sich verengen. „Indem ich dir etwas ganz Besonderes zeige“, antworte ich ihr mit rauer Stimme. Meine Kehle ist wie ausgetrocknet, als ich versuche den Kloß herunterzuschlucken, der sich voll mit unterdrückten Gefühlen gebildet hat. „Etwas, an das du dich jedes Mal erinnern sollst, wenn dich die Angst überkommt.“ An meiner Wange spüre ich, wie Robin sachte mit dem Kopf nickt. Erleichtert schließe ich die Augen und hauche ihr einen zarten Kuss auf die Wange. Sie vertraut mir bedingungslos – und nun ist es an mir zu beweisen, dass dieses Vertrauen auch gerecht ist. Innerlich bete ich darum, dass mein Plan auch weiterhin aufgeht … dass ich in der Lage sein werde, ihre schlechten Erinnerungen durch gute zu ersetzen. Doch es wird nicht einfach und erfordert eine eiserne Disziplin. Ob ich dieser Aufgabe gewachsen bin, wird sich daher erst noch zeigen müssen. Voller Anspannung ob des ungewissen Ausgangs atme ich zur Beruhigung einmal tief ein. Meine Sinne werden dabei sofort von dem Duft des Mandelöls erfüllt, mit dem Robin sich ihre Haare am Abend zuvor gewaschen hatte. Schon während der ganzen Zeit über, in der ich ihren Körper in meinem Armen gehalten habe, ist mir der Duft bereits aufgefallen. Aber erst jetzt nehme ich auch einen Hauch von Orange und Mango wahr – Komponenten ihrer Feuchtigkeitscreme, wie ich nur allzu gut weiß, da ich ihr erst am Nachmittag den Rücken damit eingerieben hatte. Selbstverständlich war ich ihrer Bitte bereitwillig nachgekommen – hinterher jedoch hatte ich es für einen Moment bereut, als mir Shanks´ Männer seltsame Blicke zugeworfen hatten, da zu dem Zeitpunkt der Geruch an meinen Händen haften geblieben war. Noch ein weiteres Mal atme ich ihren Duft ganz tief ein und lasse ihn innerlich auf der Zunge zergehen, bevor ich schließlich langsam mit meinen Lippen die zarte Haut ihrer Schulter suche. Immer wieder verteile ich kleine Küsse auf meinem Weg zu ihrem Hals, bis ich den schnell pulsierenden Punkt ihrer Halsschlagader finde. Ganz leicht nur beiße ich in die pochende Stelle hinein, doch reicht es aus, um Robin ein leises Aufkeuchen zu entlocken. Meine Antwort darauf besteht nur aus einem heiseren Knurren, während ich mich im Geiste für meine Idee aufs Übelste verfluche. Denn ihr fast schon kaum wahrnehmbarer Laut hätte beinahe ausgereicht, um die Ketten zu zersprengen, mit denen ich mich eisern zurückhalten muss. Bereits jetzt schon schreit alles in mir danach, Robin die wenige Kleidung vom Leib zu reißen, sie aufs Bett zu werfen und sofort in sie einzudringen, um sie zum höchsten Gipfel der Lust zu führen, bis ich leer und ausgepumpt über ihr zusammenbrechen würde. Stattdessen aber beiße ich die Zähne fest aufeinander, schüttle innerlich diesen Wunsch aus meinen Gedanken und konzentriere mich wieder auf mein Ziel und auf die Frau in meinen Armen. Eine gewisse Befriedigung kann ich mir nicht verhehlen, als Robins Körper anfängt unruhig zu werden, während ich unablässig an ihrer Haut knabbere, unter der ihr Puls schnell und kräftig schlägt. Mit einem selbstzufriedenen Grinsen fahre ich schließlich mit der Zunge an ihrem Hals hinauf zu ihrem Ohr. Nur allzu bereitwillig legt Robin ihren Kopf zur Seite, damit ich einen besseren Zugang erhalte. Ein spitzes Stöhnen entringt sich ihrer Kehle, als ich mit den Zähnen sanft in ihr Ohrläppchen beiße und anfange daran zu knabbern. Vergessen ist nun die Angst vor der Dunkelheit … die Angst davor, was in den tiefschwarzen Schatten lauern könnte. Lust, Verlangen und der Wunsch nach der befriedigenden Erlösung haben Robins Geist und Wahrnehmung völlig eingenommen. Zwar ist ihr Körper nach wie vor angespannt, doch nicht mehr wegen der Furcht vor dem Ungewissen … vor dem, was passieren könnte. Heißes Begehren und das sinnliche Verzehren nach meinen Berührungen ist es, weshalb ihre Muskeln angespannt sind. Und dem Wunsch ihres Körpers komme ich gerne nach, weshalb ich nun auch damit beginne nur mit den Fingerspitzen ihre sensible Haut an der Taille zu streicheln. Ihr Atem gerät dabei ins Stocken und ihre Muskeln zucken unter meinen hauchzarten Berührungen immer wieder zusammen, während ich Stück für Stück das Verlangen in Robin immer weiter steigere. Beinahe verliere ich die Kontrolle über die Situation und über mein Handeln, als Robin anfängt ihr süßes Hinterteil in provozierenden Bewegungen an meinem Unterleib zu reiben. Zitternd atme ich die angehaltene Luft aus und schlucke schwer. Ein leichter Schweißfilm bildet sich derweil auf meiner Stirn, wird es für mich immer schwerer und schwerer mich zurückzuhalten. Als ich kurz in meinen Bewegungen inne halte, um neue Kraft zu sammeln, fühle ich plötzlich zarte Fingerspitzen, die durch meine kurzen Haare streichen, und mich dazu auffordern mit den Liebkosungen weiter fortzufahren. Gleichzeitig legt Robin ihre rechte Hand auf meine, die bislang bewegungslos auf ihrem Bauch gelegen hatte, und diese nun versucht in tiefere Regionen zu drängen. „Hier soll ich also hin?“, raune ich ihr ins Ohr, während meine Hand tiefer rutscht, bis ich mit den Fingerkuppen den oberen Saum ihrer Shorts spüre. Anstatt aber mir mit einem eindeutigen Wort ihr Einverständnis zu geben, ernte ich lediglich ein etwas lang gezogenes Stöhnen, als ich mit der Zungenspitze in ihre Ohrmuschel gleite. Nichtsdestotrotz fahre ich mit den Fingern unter den Stoff, wo mich dann eine warme Feuchtigkeit begrüßt, als ich das Zentrum ihrer Lust erreiche. Ich komme nicht umhin ein tiefes Stöhnen von mir zu geben, und ich merke, dass meine Beherrschung nur noch an einem seidenen Faden hängt. Um weiterhin die Kontrolle zu behalten, mache ich Anstalten meine Hand aus ihrer Shorts zu ziehen, doch Robin scheint eindeutig dagegen zu sein. Während sie immer schneller und wilder ihren Körper an meinem reibt, was mich bereits den Atem kostet, umfasst sie in einem festen Griff mein Handgelenk. In diesem Augenblick wünsche ich mir aus vollem Herzen, das Licht nicht gelöscht zu haben. Denn nur allzu gerne würde ich Robin jetzt sehen wollen, wie sie völlig in ihrer Ekstase aufgeht – die Augen dabei geschlossen und den Mund leicht geöffnet. Diesen Anblick, in dessen Genuss ich bei unseren unzähligen Liebesspielen bereits kommen durfte, stelle ich mir vor meinem geistigen Auge vor … und der letzte Rest an Beherrschung ist dahin. Mit einem tiefen Knurren, das dem eines Bären gleicht, ziehe ich entschlossen meine Hand aus ihrer Shorts, umfasse mit einem festen Griff ihre Taille und drehe Robin zu mir um. Ihr überraschtes Aufkeuchen wird sofort unterdrückt, als ich meine Lippen zu einem wilden, beinahe schon animalischen Kuss auf ihren Mund presse. Tief dränge ich meine Zunge in ihre Mundhöhle, wo sofort ein leidenschaftlicher Tanz entbrennt, währenddessen ich meine Hände unter ihr Top wandern lasse, bis die beiden Wölbungen darunter gänzlich von meinen Handflächen umschlossen werden. Immer wieder festige ich meinen Griff um Robins Busen und streichle mit den Daumen über die aufgerichteten Knospen, was jedes Mal ein atemloses Stöhnen bei ihr hervorruft. Alles um mich herum ist vergessen … meine Planung … mein Vorhaben … mein Ziel. Wie von Sinnen geht es mir nur noch darum, diese köstlichen Gefühle zu steigern und so lange auszukosten, bis es nicht mehr geht. Und Robin scheint es ebenso zu ergehen, als sie fast schon fieberhaft nach dem Saum meines Pullis greift. Ihre Fingernägel kratzen dabei an meiner Haut, und ich bin mir sicher, dass ich nachher einige rote Striemen vorfinden werde. Doch das ist mir egal – meinetwegen kann sie mir sogar meinen ganzen Körper zerkratzen, wenn dadurch das heiße Verlangen erhalten bleibt. Ein unwilliges Stöhnen dringt aus Robins Kehle, als es ihr nicht sofort gelingt mir meinen Pullover auszuziehen, da ich keinerlei Anstalten mache die Berührungen und den wildentflammten Kuss zu unterbrechen. Schließlich jedoch habe ich dann doch ein Einsehen und rücke für einen Moment von ihrem Körper ab. Rasend in meiner Begierde entledige ich mich von meinem Kleidungsstück, was allerdings zu einem kleinen, reißenden Geräusch führt. Nur mit einer kalten Gleichgültigkeit nehme ich den Ton wahr und werfe den Pulli achtlos über die Schulter. Um allen weiteren Unterbrechungen noch zuvorzukommen, öffne ich anschließend meine Hose und ziehe sie mitsamt meiner Schuhe ebenfalls aus, bevor ich diese dann mit den Füßen eher zur Seite trete als schiebe. Dann erst greife ich wieder nach Robin und ziehe sie wieder an meinen nun mehr nackten Körper. Beinahe geben meine Knie unter mir nach, als ich bemerke, dass Robin die Zeit ebenfalls genutzt hat, um sich ihrer Kleidung zu entledigen, so dass nun kein Fetzen Stoff mehr den Hautkontakt zwischen uns unterbricht. Tief aufstöhnend vergrabe ich meinen Kopf in ihrer Halskuhle, als sie ihr linkes Bein um meine Taille schlingt, wodurch sich ihr Lustzentrum ganz fest an meinen Unterleib presst. Sämtliche Fasern meines Körpers schreien danach, dieser Einladung Folge zu leisten und mich tief in ihr einzugraben. Doch noch bin ich nicht bereit dazu diesem Wunsch nachzugeben, würde es dann zu einem schnellen Ende führen. Noch will ich diese prickelnde Gefühle weiter auskosten … will die Wärme ihrer Haut weiterhin unter meinen Fingern spüren … will weiter den Geschmack ihres Körpers auf meiner Zunge schmecken … will immer noch ihr wildes Keuchen und Stöhnen in meinen Ohren hören. Die ganze Zeit über fahre ich mit der rechten Hand an ihrem Oberschenkel rauf und runter, als das anfänglich sanfte Streicheln ihrer Hände auf meinem Rücken langsam zu einem schmerzhaften Festkrallen wird. Und auch ihre rhythmischen Bewegungen werden allmählich zu einem unkontrollierbaren Zucken, woraus ich schließe, dass Robin sich dem Rande der Ekstase immer weiter nähert. Um die ersehnte Erlösung herbeizuführen, schiebe ich meine Hand zwischen unsere Körper und suche ihren Lustpunkt. Die unartikulierten Laute, die dabei aus Robins Kehle dringen, nehmen eine immer höhere Tonlage an, als ich mit den Fingern in sie eindringe, während ich mit dem Daumen ihr Lustzentrum streichle. Gleichzeitig verteile ich an ihrem Hals kurze, dahingehauchte Küsse und fahre mit den Zähnen über die sensible Haut, bis zu dem Moment, in dem Robins Körper für einen Augenblick wie zu einer Salzsäule erstarrt, bevor er dann in ein unkontrollierbares Zucken verfällt. Damit gibt es für mich nun kein Halten mehr. Bestimmend, aber sanft ziehe ich Robin hinab zu Boden, noch bevor ihr Höhepunkt gänzlich abgeklungen ist und ihre Beine den Dienst versagen können. Kaum, dass ihr Rücken den Holzboden berührt, dringe ich auch schon in sie ein. Wohlige Wärme und ein spitzer, lustvoller Schrei empfangen mich, was mich zu Höchstleistungen anspornt. Mein Gewicht auf beide Arme verteilt, stoße ich unablässig immer und immer wieder zu, wodurch Robin sämtliche ihrer Extremitäten um meinen Körper schlingt, um mich noch tiefer spüren zu können. Aus ihrem Keuchen und Stöhnen sind mittlerweile spitze Schreie geworden, die ich noch nie von ihr gehört habe und mich so dermaßen berauschen, dass meine Bewegungen wilder und stärker werden, bis Robin explosionsartig und mit einem langen Aufschrei zu einem erneuten Höhepunkt gelangt. Immer wieder saugen sich die Muskeln ihres Lustzentrums dabei um meine Libido, wodurch ich noch ein paar Mal zustoße, bis auch ich den Gipfel des Verlangens erreiche. Ein langes Stöhnen entringt sich dabei meiner Kehle und für einen Moment harre ich steif in meinen Bewegungen aus. Der angehaltene Atem entweicht mir mit einem zischenden Laut, als ich nach endlos erscheinenden Minuten endlich wieder anfange mich zu bewegen. Die Muskeln in meinen Armen haben bereits begonnen unter der massiven Kraftanstrengung zu protestieren, so dass ich mich langsam neben Robin auf den Boden lege, während noch die letzten Schübe des Höhepunktes wie Wellen über mich hinwegrollen. „Nie wieder werde ich Don Quijote lesen können, ohne an die heutige Nacht denken zu müssen“, murmelt Robin leise an mein Ohr, als sie ganz nah neben mich rutscht und ihren Kopf auf meinen sich immer noch schnell hebenden Brustkorb legt. Bereitwillig lege ich meinen Arm um sie und genieße diese ruhige, friedliche Stimmung. „Da bekommt das Buch doch eine ganz neue Bedeutung“, antworte ich ihr mit einem leisen Lachen in der Stimme. „Vielleicht sollte ich es doch einmal lesen.“ „Vielleicht – aber vielleicht sollte ich dir ein paar andere Bücher zum Lesen geben. Wer weiß, was dir dazu so einfallen würde.“ Nach ihren Worten grinse ich nur breit in die Dunkelheit hinein, wohl wissend, dass ich wahrscheinlich nie eines dieser Bücher lesen werde, während ich Robins Körper auf meinen ziehe, um sie ganz fest zu umschlingen und um die letzten Nachbeben unseres Liebesspiels auszukosten. Kapitel 40: Chopper: Family --------------------------- Tot – kein anderer Begriff umschreibt das derzeitige Leben auf der Flying Lamb treffender als dieses eine kleine Wort. Ich erinnere mich an Zeiten, da herrschte ein heilloses Durcheinander und reges Treiben. Unsere Stimmen hallten lachend, brüllend, schreiend, fröhlich oder missmutig über Bord. Wir spielten irgendwelche Spiele oder erzählten uns Geschichten, wenn wir nicht gerade unseren täglichen Beschäftigungen nachgingen. Lysop bastelte an irgendwelchen Erfindungen oder nahm Reparaturen an der Lamb vor. Nami zeichnete an ihren Karten oder kümmerte sich um das Steuer. Zorro trainierte eifrig mit seinen Schwertern oder seinen Gewichten oder lag irgendwo schlafend an Deck. Sanji kümmerte sich ums Essen oder stritt sich mit Zorro. Robin las irgendein Buch oder ging ihren Studien nach. Ruffy saß träumend auf dem Kopf der Lamb oder ging Sanji auf die Nerven. Und ich experimentierte mit meinen Forschungen oder führte mit Robin tiefgründige Diskussionen über alles Mögliche. Heute jedoch ist alles anders. Heute herrscht eine bedrückende Stille an Bord. Der eisige Wind pfeift durch die Spalten und Ritzen in den Wänden. Das dunkle Holz um uns herum knackt und knarrt bei jedem Senken und Heben des Schiffes. Das Feuer im Heizofen prasselt leise vor sich hin. Hin und wieder ist dann das zarte Streichen von Papier zu hören, sobald ich eine Seite meines Tagebuches umschlage, in denen ich sämtliche meiner bisherigen Forschungen niedergeschrieben habe. Es ist irgendwie so, als sei mit dem Streit sämtliches Leben auf der Lamb verschwunden. Leise seufze ich auf, während meine Augen zu Nami wandern, die, eingerollt in ihrer Decke, in der Nähe des Ofens schläft. Trotz des großen Schmerzes und der abgrundtiefen Sorge in ihren Augen, versucht sie weiterhin stark zu sein … für sich … für uns. Aber sehr bald schon werden ihre Kraftreserven aufgebraucht sein. Das erkenne ich an ihrer fahlen Haut und den tiefen dunklen Ringen unter ihren geröteten Augen. Doch helfen kann ich ihr nicht. Meine Medizin hilft nur gegen körperliche Beschwerden, nicht aber gegen die seelischen Probleme. Dies ist eine Sache, bei der ihr nur Sanji helfen kann. Aber auch ihm ergeht es nicht anders – wie eigentlich keinem von uns. Ace´ Unbeschwertheit ist seit Ruffys Gefühlsausbruch vor zwei Tagen wie weggeblasen. Die meiste Zeit hält er sich seitdem immer irgendwo an Deck auf. Und wenn er sich dann doch mal zu uns gesellt, so läuft er wie ein eingesperrtes Raubtier durch die Kombüse. Ab und zu ist mir dabei aufgefallen, dass er, wenn er sich unbeobachtet fühlt, seinen Bruder dabei nachdenklich mustert. Ich glaube, dass er sich um Ruffys Seelenheil Sorgen macht – und das kann ich gut nachvollziehen. Ich habe die etlichen verheilten und unverheilten Verletzungen an seinem Körper gesehen, wodurch ich eine ungefähre Vorstellung davon bekommen habe, wie die Zustände im Gefängnis auf Winters Island aussehen. Doch diese Wunden werden mit der Zeit in Vergessenheit geraten. Die seelischen Wunden dagegen bereiten mir größere Sorgen, da mich das Gefühl nicht loslässt, als hätte der Aufenthalt im Gefängnis und Lysops Worte Ruffys Geist gebrochen. Seine Worte bestätigen dies, da er das Vertrauen in sich selbst, aber auch in uns verloren hat. Ich wage es nicht darüber nachzudenken, was mit ihm geschieht, sollte jede Hilfe für Lysop zu spät kommen … oder wir alle wieder unseren eigenen Weg gehen. Meine Ohren spitzen sich, als dumpfe Schritte vor der Kombüse ertönen. Diese Laute wirken in der sonstigen Stille irgendwie Fehl am Platze, weshalb sie mich auch sofort aus meinen Gedanken reißen. Neugierig blicke ich daher zur Tür, als Sanji, die Kapuze vom Kopf streichend, den Raum betritt. Kalter Wind fegt kurz durch die Kombüse und lässt das Feuer im Ofen aufgeregt prasseln und knacken, während ich von einem kurzen Frösteln erfasst werde. Ohne ein Wort des Grußes oder dergleichen, zieht Sanji seine Handschuhe aus und entledigt sich seiner Jacke, von deren Schultern pulveriger Schnee zu Boden fällt und dort langsam schmilzt, bevor er sich dann zu mir an den Tisch setzt. Mit ungelenken Fingern, die vermutlich vor Kälte recht klamm sind, greift er nach dem Henkel der Teekanne, deren Inhalt ich mit Hilfe eines Stövchens auf dem Tisch warm halte. Graue Dampfwölkchen steigen auf, als Sanji den Tee in eine Tasse einschüttet. Ein wohliger Seufzer entringt sich seinen bläulich verfärbten Lippen, als er seine Hände wärmend um die Tasse legt. „Wie sieht es draußen aus?“, frage ich mit leiser Stimme, obwohl mich die Antwort keineswegs interessiert. Das elendige Wetter mit seinem Schnee, dem kalten stürmischen Wind und dem dichten Nebel wird wahrscheinlich niemals mehr aufhören, so habe ich das Gefühl. Jeden Tag habe ich das gleiche Bild vor Augen, wenn ich einen Blick aus einem Bullauge werfe. Grau und trostlos ist die Welt dort draußen, in der kein Leben zu existieren scheint. „Der Wind nimmt wieder zu“, antwortet Sanji ebenfalls leise und zwischen zwei Schlucken aus seiner Tasse. „Ich habe Ruffy und Ace angewiesen den Anker auszuwerfen.“ Wieder einmal, geht es mir durch den Kopf und grimmig presse ich die Lippen fest aufeinander. Wieder einmal müssen wir unsere Fahrt unterbrechen, weil das Wetter zur Nacht hin schlechter wird. Ich kann mich an Augenblicke erinnern, in denen das Meer und das Wetter uns schon mehr als einmal vor einer Herausforderung gestellt haben, aber noch nie war es so … so mühselig … so entmutigend. Es ist beinahe so, als würden wir nur auf der Stelle treten. Und dabei rennt uns die Zeit davon – tick-tack, tick-tack. Wir müssen Winters Island erreichen – und das so schnell wie irgend möglich. Denn wenn wir dort ankommen und die anderen sind nicht mehr da … Wir haben am vergangenen Abend über diese Möglichkeit gesprochen, aber keine Lösung gefunden. Alles spricht dafür, dass wir sie verpassen werden … dass der Vorsprung der Red Force einfach zu groß ist … dass wir ungesehen aneinander vorbei fahren werden. Die Lamb mit dem Ziel Winters Island und die Red Force auf dem Weg nach Mary Joa, denn die anderen wissen ja nicht, dass sich Ruffy bei uns befindet. Und selbst wenn wir im Besitz eines Eternal-Ports nach Mary Joa wären, hätten wir immer noch keine Garantie dafür, dass die anderen ebenfalls dorthin unterwegs wären. Es gibt einfach zu viele ‚Wenn´s’ und zu viele ‚Vielleicht´s’. Und das ist einfach nur niederschmetternd … nicht zu wissen, wann wir unsere Freunde endlich wieder sehen. „Geht dir diese Stille auch auf die Nerven?“ Blicklos starrt Sanji auf die Tischplatte, während er nach wie vor seine Tasse mit beiden Händen umfasst hält. „Wir unterhalten uns ja auch nicht“, antworte ich eher lakonisch, woraufhin Sanji augenblicklich seinen blonden Haarschopf leicht schüttelt. „Diese Stille meine ich nicht. Ich meine diese schwere, trostlose Stille zwischen uns. Noch nie zuvor ist mir die Kombüse so … leer vorgekommen … so einsam. Verstehst du, was ich meine?“ „Oh, ja“, meine ich mit leiser inbrünstiger Stimme, da ich anscheinend doch nicht der Einzige bin, dem diese Art von Stille aufgefallen ist. „Die Fröhlichkeit fehlt.“ „Was wirst du tun, wenn alles vorbei ist?“, fragt Sanji mich und blickt mir fest und ernst zugleich in die Augen. Lange kann ich seinem Blick aber nicht standhalten, so dass ich tief aufseufzend auf mein Tagebuch hinabschaue. Mehrere Passagen auf den beiden aufgeschlagenen Seiten wurden dick mit Bleistift unterstrichen. Darin geht es um Versuche, die mir einst misslungen sind. Unzählige Gedanken gehen mir dabei durch den Kopf – mögliche Gründe für das Scheitern der Experimente. Vielleicht habe ich die falschen Komponenten miteinander gemischt oder die Tinkturen bei zu hohen oder zu niedrigen Temperaturen gelagert; vielleicht zu viel oder zu wenig Wasser, Säure oder Kochsalzlösung dazugegeben oder zu einer falschen Konsistenz verarbeitet. Dieses oder noch vieles mehr fallen mir an Ideen ein, so dass ich eine unendliche Liste erstellen könnte. Und ich muss auch zugeben, es juckt mir gewaltig in den Fingern diese unzähligen Theorien auszuprobieren. Innerlich sprühe ich nahezu vor Tatendrang mich in mein Labor zurückzuziehen, den Saft von meinen bisher gesammelten Pflanzen auszupressen oder den Blütenstaub in Wasser aufzulösen, um damit herum zu experimentieren. Doch ich habe ein Versprechen gegeben! Und wenn ich es einhalten will, dann kann ich meine Forschungen unmöglich weiter betreiben. „Du wartest darauf, wie Zorro sich entscheiden wird, nicht wahr?“ Im leichten Kopfnicken erkenne ich, dass ich nichts sagen brauch, da Sanji scheinbar meine Antwort von meinen Augen ablesen kann. Er hält meine Forschungen für ungemein wichtig – was sie ja auch sind -, und er hatte mir auch dazu geraten, denen weiter nachzugehen. Doch vermag ich weder in seinem Gesicht noch in seiner Stimme zu erkennen, wie er über meine Antwort denkt. Verurteilt er mich nun, weil mir eine Freundschaft wichtiger ist als mein Traum? „Du machst deine Entscheidung auch von Robin abhängig“, kontere ich ein wenig kleinlaut, um mich trotz allem zu rechtfertigen. Überrascht bemerke ich den dunklen Schatten, der sich daraufhin für einen Moment über Sanjis Augen legt, während sein nun nach innen gerichteter Blick zu einem Punkt an der Wand hinter mir wandert. Mein Herz presst sich qualvoll zusammen, als mich eine fürchterliche Vorahnung beschleicht. Kann es sein …? Ich wage es nicht, weiter über diese Frage nachzudenken, denn die Antworten darauf könnten das endgültige Scheitern der Strohhutbande zur Folge haben. Unwillkürlich wandert mein Blick zur schlafenden Nami hinüber, während sich einzelne Tränen in meinen Augen sammeln. „Ich kann dir nicht sagen, wie Robin sich entscheiden wird“, antwortet Sanji schließlich nach einigen Minuten der Stille, ohne dabei seine Augen von der Wand zu nehmen. Sein entrückter Blick verrät mir, dass sein ganzes Sein auf irgendein Ereignis in der Vergangenheit gerichtet ist, das sich mir jedoch nicht erschließt. „Doch wenn es zu keiner Versöhnung kommen sollte zwischen ihr und Zorro, wird sie alleine ihrer Wege ziehen. Dann wird sie nicht einmal mehr mich dabei haben wollen – und das nur wegen eines dämlichen Streites zwischen uns.“ „Wieder ein Streit?!“, entfährt es mir fassungslos, und niedergeschlagen senken sich meine Schultern. Gleichzeitig jedoch spüre ich auch eine leise Wut in mir aufsteigen – Wut auf meine Freunde, die es scheinbar darauf angelegt haben sich gegenseitig zu zerstören. Haben sie alle allmählich den Verstand verloren? Wissen sie denn nicht, was sie alle mit ihren dummen Streitereien kaputt machen? Grimmig beiße ich die Zähne aufeinander, im vergeblichen Versuch diese brodelnde Wut in mir unter Kontrolle zu halten. „Ihr seid alle Idioten!“, fange ich lautstark dann doch an zu schimpfen, nicht mehr länger an mich haltend. Dass ich damit aber Nami aus ihren Schlaf reiße, bekomme ich nur am Rande meines Bewusstseins mit, die mit erschreckten Augen verwirrt um sich schaut. Stattdessen aber lasse ich Sanji meine ganze Wut sehen. „Wir waren mal mehr als nur Freunde. Wir waren mal eine Familie, vereint durch unsere Träume. Wir waren mal eine Gemeinschaft, die sich gegenseitig ihr Leben anvertraute. Und ihr habt nichts Besseres zu tun, als all das zu zerstören!“ „Was glaubst du eigentlich, wer du bist?“, knurrt Sanji mit leiser Stimme zurück und erschreckt fahre ich zurück. Zwar ist es nicht so, dass ich ihn nicht das eine oder andere Male wütend erlebt habe – sogar auch auf mich. Aber noch nie war er dabei so! Eine eiskalte Wut blickt mir aus seinen nun stahlblauen Augen entgegen und jagt mir einen Schauer über den Rücken. Meine Kehle ist wie ausgetrocknet, während ich aufmerksam, aber voller Furcht zugleich seinen zum Zerreißen gespannten Körper beobachte. Ein leises, fast kaum wahrnehmbares Knacken und Reißen lässt mich zu seiner Tasse blicken, an dessen oberen Rand sich langsam mehrere Risse bilden, so fest packen seine Hände zu. Völlig entgeistert muss ich erkennen, dass mir ein Fremder gegenüber sitzt. „Glaubst du vielleicht, wir haben Spaß daran uns Gemeinheiten an den Kopf zu werfen? Dass wir uns Dinge gesagt haben, die wir hinterher bereut haben und noch immer bereuen? Dass wir Sachen getan haben, die mit nichts zu entschuldigen sind? Ich habe nie mehr gewollt, als für Robin ein Freund zu sein. Denn nichts anderes hat sie sich ganz tief in ihrem Inneren mehr gewünscht – einen Freund, mit dem sie über alles reden kann. Und genau das ist es, was uns zum Verhängnis wurde, weil gewisse Leute mehr in diese Freundschaft hinein interpretiert haben als in Wirklichkeit existierte. Was blieb uns am Ende anderes übrig als zu gehen, als selbst Reden nichts mehr brachte? Glaubst du vielleicht, die Entscheidung ist uns leicht gefallen? Glaubst du vielleicht, dass wir nicht genauso empfunden haben wie du? Dass ihr für uns nicht ebenfalls wie eine Familie seid? Diese ewigen Streitereien haben wir niemals gewollt – zu keinem Zeitpunkt. Aber unsere Freundschaft wollten wir auch nicht aufgeben, dafür bedeutet sie uns einfach zu viel. Und ich lasse sie mir auch von niemanden kaputt machen – von keinem, selbst wenn ich darum kämpfen muss.“ Abwartend blickt Sanji mich einige Sekunden an, bevor er schließlich von seinem Platz aufsteht. Mit einem leisen Rascheln nimmt er seine Jacke vom Haken neben der Tür und verlässt lautlos die Kombüse. Ich bin dagegen viel zu eingeschüchtert, als dass ich ihn mit nur einem Wort hätte aufhalten können. Doch was soll ich auch schon auf seine Wutrede entgegnen? Die Situation war damals ja wirklich ziemlich verfahren. Und ich glaube auch nicht, dass sich auch nur einer über die begangenen Fehler im Klaren war, an denen eine Versöhnung schlussendlich gescheitert ist. Dagegen sieht es heute anders aus … wenn da nur nicht die Veränderungen wären, die wir alle durchgemacht haben. Kapitel 41: Nami: To accept --------------------------- „Wir waren mal mehr als nur Freunde. Wir waren mal eine Familie, vereint durch unsere Träume. Wir waren mal eine Gemeinschaft, die sich gegenseitig ihr Leben anvertraute. Und ihr habt nichts Besseres zu tun, als all das zu zerstören!“ Jedes einzelne Wort schneidet mir tief ins Herz, als ich Chopper tatenlos zuhören muss, da ich zu keiner Regung fähig bin. Heiße Wut und unterdrückter Schmerz lässt seinen kleinen Körper erzittern, während seine dunklen Augen, in denen ein alles verzehrendes Feuer brennt, fest auf Sanji gerichtet sind. Nur allzu gerne würde ich zu ihm gehen und ihn in die Arme nehmen … ihn trösten wollen … ihn beruhigen und ihm versichern, dass sich alles wieder zum Guten wenden wird. Aber nicht nur meine Zweifel darüber, dass dem wirklich so sein wird, halten mich davon ab. Chopper ist völlig außer sich, wie ich ihn noch nie erlebt habe. Ich habe den Eindruck, dass, wenn er seiner Wut wirklich freien Lauf ließe, er Sanji womöglich an die Kehle gehen würde. „Was glaubst du eigentlich, wer du bist?“ Gerade als ich im Begriff bin mich von meiner Schlafstatt zu erheben, lässt mich Sanjis leise Stimme in meinen Bewegungen innehalten. Die Luft im Raum ist mit einem Male wie elektrisiert, während mein Körper von einem eisigen Schauer erfasst wird und eine kalte Gänsehaut meinen Nacken und meine Arme überzieht. Ich brauche ein paar Sekunden, bis mir bewusst wird, dass es pure Angst ist, die sich mit klammen Fängen um mein Herz legt. Überrascht über dieses groteske Gefühl, handelt es sich schließlich hier um Sanji, wandern meine Finger der rechten Hand über den Boden auf der Suche nach dem kühlen Metall meines Klimataktstocks. Die Angst in Choppers fassungsloser Miene treibt mir warme Tränen in den Augen, scheint auch er erkannt zu haben, dass ihm ein völlig Fremder gegenübersitzt, aus dessen Stimme eine tödliche Gefahr spricht. „Glaubst du vielleicht, wir haben Spaß daran uns Gemeinheiten an den Kopf zu werfen? Dass wir uns Dinge gesagt haben, die wir hinterher bereut haben und noch immer bereuen? Dass wir Sachen getan haben, die mit nichts zu entschuldigen sind? Ich habe nie mehr gewollt, als für Robin ein Freund zu sein. Denn nichts anderes hat sie sich ganz tief in ihrem Inneren mehr gewünscht – einen Freund, mit dem sie über alles reden kann. Und genau das ist es, was uns zum Verhängnis wurde, weil gewisse Leute mehr in diese Freundschaft hinein interpretiert haben als in Wirklichkeit existierte. Was blieb uns am Ende anderes übrig als zu gehen, als selbst Reden nichts mehr brachte? Glaubst du vielleicht, die Entscheidung ist uns leicht gefallen? Glaubst du vielleicht, dass wir nicht genauso empfunden haben wie du? Dass ihr für uns nicht ebenfalls wie eine Familie seid? Diese ewigen Streitereien haben wir niemals gewollt – zu keinem Zeitpunkt. Aber unsere Freundschaft wollten wir auch nicht aufgeben, dafür bedeutet sie uns einfach zu viel. Und ich lasse sie mir auch von niemanden kaputt machen – von keinem, selbst wenn ich darum kämpfen muss.“ Erschrocken zucke ich zusammen, als Sanji sich von der Bank erhebt, und ich wage es nicht einmal zu atmen, aus Angst davor, dass er auf mich aufmerksam werden könnte. Wie erstarrt bleibe ich daher einfach nur sitzen, während meine Augen jede seiner kontrollierten Bewegungen wahrnehmen und beobachten. Erst, als die Tür leise hinter ihm ins Schloss fällt und die Spannung aus der Luft schwindet, atme ich erleichtert auf. Langsam löse ich anschließend meine tauben Finger vom Griff meiner Waffe. Jedes Wort war wie ein Stich ins Herz und führt mir vor Augen, was wir alles zurückgelassen haben … was wir unwiderruflich zerstört haben … und was aus uns geworden ist. Hätte ich es gekonnt? Gequält schließe ich die Augen. Äußerlich war es Sanji, der zuvor am Tisch gesessen hatte. Doch die Stimme …! Sie war so anders … zischend … kalt … tödlich. Sie gehörte nicht zu dem jungen Mann, dem ich vor so langer Zeit mein Herz geschenkt habe. Sanji mit dem sonnigen Gemüt und den warmen Augen. Hätte ich es also gekonnt? Hätte ich meine Waffe gegen ihn erheben können? Sie gegen ihn einsetzen können? „Ruffy hat Recht.“ Choppers leise Stimme lässt mich mit tränenfeuchten Augen zu ihm blicken. Wie ein Häuflein Elend sitzt er am Tisch, den Blick auf die raue Holzfläche gerichtet. Kraftlos hängen seine Schultern herab, als sei er sämtlicher seiner Energien beraubt. Dennoch spüre ich bei ihm auch die Erleichterung darüber, dass Sanji nicht mehr länger anwesend ist. „Wir klammern uns wie Ertrinkende an die Vergangenheit, anstatt uns auf die Zukunft zu konzentrieren. Wir wollen mit aller Macht die alte Zeit zurückgewinnen. Doch diese Zeit ist längst vorüber – das müssen wir endlich einsehen und akzeptieren.“ „Was … was willst du damit sagen?“ Stockend ringe ich nach Atem, während sich ein trockenes Schluchzen meiner Kehle entringt. Will ich die Antwort wirklich wissen? Seine Worte haben so was Endgültiges an sich, dass sich mein Herz schmerzhaft zusammen presst. „Wir können unmöglich dort wieder anknüpfen, wo unsere gemeinsame Freundschaft aufgehört hat“, schüttelt er bedauernd mit dem Kopf, bevor seine ernsten Augen meinen Blick suchen. „Verstehst du nicht? Wir haben uns zu sehr … zu stark … verändert. Wir sind zu ganz neuen Persönlichkeiten herangewachsen. Und vieles ist durch den Streit und den darauf folgenden Konsequenzen kaputt gegangen.“ „Aber das bedeutet noch lange nicht das Ende der Strohhutbande!“, wehre ich vehement gegen die Vorstellung, in der jeder wieder seiner Wege ziehen wird. Blind vor Tränen rapple ich mich vom Boden auf und gehe schwankenden Schrittes auf Chopper zu. Das kann es nicht gewesen sein, geht es mir dabei immer wieder durch den Kopf. Unsere Bemühungen, alles wieder ins rechte Licht zu rücken … unsere Fehler ungeschehen zu machen. Wir stehen doch noch am Anfang. Es kann doch nicht schon vorbei sein? „Nein, die Strohhutbande ist noch nicht am Ende“, antwortet Chopper leise und derselbe Funken Hoffnung, der mein Herz voll von Optimismus schnell schlagen lässt, blitzt in den kleinen, dunklen Knopfaugen hell auf. „Unsere Verbundenheit, unsere Treue und Loyalität und unsere Träume sind noch immer vorhanden und halten uns trotz aller Differenzen zusammen. Dass wir uns zur Rettung von Ruffy und Lysop eingefunden haben, beweist es schließlich.“ „Aber … ein Neuanfang bedeutet, dass es niemals wieder wie früher wird.“ „Richtig.“ Kraftlos nehme ich auf der Bank Platz, während meine Gedanken von unendlichen Erinnerungen überschwemmt werden. Wie oft haben wir hier alle zusammen lachend in der Kombüse gesessen? Wie viele Geburtstage, wie viele Weihnachten haben wir zusammen gefeiert? Wie oft haben wir uns gegenseitig getröstet oder aufgemuntert? Soll es das nie wieder geben? „Würde es wieder wie früher werden“, durchdringt Choppers sanfte Stimme meine Gedanken, „stehen wir wieder vor denselben Problemen und werden wieder dieselben Fehler begehen. Und ein Neuanfang muss nicht unbedingt etwas Schlechtes bedeuten.“ Nein – aber es kann alles verändern, antworte ich im Stillen. Schnell unterdrücke ich ein humorloses Lachen, das meine Kehle hinaufsteigt, als mir sofort bewusst wird, dass sich doch eh schon alles verändert ein – einschließlich wir selber. Und trotzdem muss ich Chopper Recht geben. Selbst wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, es würde trotz allem zum Streit kommen, weil wir nicht gelernt haben miteinander zu reden oder einander zuzuhören oder uns gegenseitig zu vertrauen. Und auf einmal verstehe ich es! Verstehe es mit einer absoluten Klarheit vor Augen, so dass ich nun weiß, was ich zu tun habe … was ich tun muss. Mein ganzer Körper … mein ganzes Sein … krampft sich dabei qualvoll zusammen, doch habe ich keine andere Wahl. Wie Chopper bereits gesagt hat, müssen wir die Tatsachen endlich einsehen und sie akzeptieren. In einer unwirschen Handbewegung wische ich mir die Tränen von den feuchten Wangen, obwohl mir angesichts meines bevorstehenden Handelns neue Tränen in die Augen steigen. Fest beiße ich daher die Zähne aufeinander und stehe entschlossen vom Tisch auf. Ohne mich weiter um die fragenden Blicke Choppers zu kümmern, begebe ich mich auf die Suche nach Sanji. Ein Neuanfang bedeutet schließlich auch loslassen zu müssen. Kapitel 42: Sanji: Refurbishing of the feelings ----------------------------------------------- Müde reibe ich mir mit einer Hand übers Gesicht und schließe dabei wohltuend meine Augen. Alles dreht sich in meinem Kopf. Die Gedanken wirbeln wild durcheinander, während mein Geist einfach nicht zur Ruhe kommt. Der Drang meinen Körper auf die raue Decke unter mir zu betten und mich dem vergessenden Schlaf zu ergeben, ist beinahe übermächtig. Doch der Schmerz, der sich mit seinen scharfen Klauen fest in mein pochendes Herz krallt, ist einfach zu stark, als dass ich mich dem Wunsch hingeben könnte. Leise seufze ich in der Stille um mich herum auf, als ich wieder auf das Foto in meinen Händen hinabschaue. Es stammte noch aus glücklichen Tagen, als wir lächelnd und winkend in die Kamera geblickt haben. Eine Gemeinschaft aus unterschiedlichen Charakterzügen – Willensstärke, Entschlossenheit, Tapferkeit, Stärke, Intelligenz, Mut, Gerissenheit –, die sich zu einer Einheit gebildet hat. Doch heute scheint die Kluft zwischen uns noch größer zu sein. Mit zarten Bewegungen meines Daumens streiche ich über das Gesicht von Robin. Beinahe schon schüchtern wirkt ihr Lächeln … zurückhaltend ihre Körpersprache. Damals hatte sie sich noch nicht ganz zugehörig gefühlt. Erst später fing sie an uns ihre Gedanken, Erinnerungen und ihr Herz zu öffnen. „Ich wünschte, du wärst jetzt hier bei mir“, flüstere ich leise und mit einer Inbrunst, die aus den Tiefen meines Herzens kommt, wohl wissend, dass mich niemand hören kann – schon gar nicht Robin. Noch nie habe ich sie so sehr an meiner Seite gebraucht. Sie kennt mich … sie versteht mich … wie kein anderer hier an Bord. Ich könnte ihr ohne irgendwelche Bedenken von meinem Schmerz erzählen und sie würde mir einfach nur zuhören. Sie würde mich mit ihren sanften Augen verständnisvoll ansehen und mir mit einem warmen Lächeln zärtlich durch die Haare streichen. Sie würde tröstend nach meiner Hand greifen, sie drücken und mir irgendwelche liebevollen Worte des Trostes zuflüstern. Sie würde mir Ratschläge geben … mir sagen, was ich tun könnte … wie ich mich verhalten soll. Sie würde mir Klarheit verschaffen … über mich … über meine Gefühle … über meine Zukunft. Ohne das Foto aus den Händen zu legen, lehne ich meinen Kopf an das raue, kratzende Holz hinter mir. Mein Blick wandert dabei hoch an die Decke. Aber nicht die dunklen Holzstreben sind es, die ich vor meinen Augen habe, sondern Choppers anklagender Blick, in dem so viel Schmerz lag. Wir waren mal mehr als nur Freunde. Wie ich es hasse! Immer und immer wieder derselbe Vorwurf, der unablässig in meinen Ohren nachhallt. Ich weiß, dass wir Freunde waren … dass wir eine Familie waren. Und ich wünsche mir auch nichts anderes, als dass diese Zeit wieder zurückkehrt. Aber wie? Was geschehen ist, ist nun einmal geschehen … und ich kann es nicht wieder rückgängig machen. Das Einzige, das uns bleibt, ist die Zukunft. Und wie die aussehen mag – wer weiß? Ich könnte mich Ruffy wieder anschließen und mich weiter auf die Suche nach meinem Traum machen. Doch würde es was bringen? Würde ich es überhaupt wollen, wenn Chopper, Zorro und Robin ganz andere Wege gehen? Die Familie wäre dann immer noch zerrissen. Ein zaghaftes Klopfen ertönt von der Tür und holt mich in die Gegenwart zurück. Erschöpft sacken meine Schultern herab, während ich innerlich laut fluche. Ich will nicht, geht es mir durch den Kopf. Ich will nicht schon wieder reden. Ich will einfach nur allein gelassen werden … einfach nur meine Ruhe haben. Doch irgendwie versteht das keiner. Aus schmalen Augen sehe ich dabei zu, wie die Tür sich langsam Zentimeter für Zentimeter öffnet. Ein klein wenig überrascht ziehe ich eine Augenbraue hoch, als ich Namis schlanke Gestalt im Lichtschein der Laterne ausmache. Sie wäre die Letzte, mit der ich gerechnet hätte. Unser letztes gemeinsames Gespräch liegt zwar noch nicht sehr lange zurück, doch hat es wie so oft in letzter Zeit in einen Streit geendet. Und auch darin bin ich mir nicht im Klaren, wie es weitergehen soll. Sie hat mich bewusst hintergangen und Zorro gegen uns aufgehetzt, nur um zwischen Robin und mir einen Keil zu treiben. Enttäuschung, Wut, Schmerz … aber auch Zweifel haben mich bei ihrem Geständnis überkommen. Zweifel über meine Gefühle zu ihr. Zweifel darüber, ob ich nicht vielleicht eine Frau liebe, die nur in meiner Vorstellung existiert. Denn nie … nicht einmal in meinen kühnsten Träumen … hätte ich mir vorstellen können, dass Nami zu einer solch hinterhältigen Tat fähig wäre. Zögernd betritt Nami den Schlafraum und schließt leise die Tür hinter sich, bevor sie sich anschließend mit dem Rücken dagegen lehnt. Noch deutlicher hätte sie die zwischenmenschliche Distanz zwischen uns nicht zum Ausdruck bringen können, die uns voneinander trennt. Lange Zeit blickt sie mir stumm und aus geröteten Augen entgegen, bis sie einmal tief Luft holt, als müsse sie Kraft schöpfen. „Ich habe dein Vertrauen verloren“, spricht sie mit erstaunlich klarer Stimme, „und ich bin in deiner Achtung gesunken. Ich weiß, das habe ich selber zu verantworten. Ich habe einen … riesengroßen Fehler begangen, der sich wahrscheinlich mit nichts wieder gut machen lässt. Denn damit habe ich einen Stein ins Rollen gebracht, der alles verändert hat … der auch dich verändert hat.“ Still höre ich ihr zu … lausche ihrer hellen Stimme, die so voller Stärke und Entschlossenheit ist. Ich wüsste auch nicht, was ich sagen sollte. Viel zu sehr bin ich von ihrem selbstsicheren Auftreten überrascht. Von ihrer sonstigen Unsicherheit ist im Augenblick nichts zu spüren. „Du konntest die Leute mit deiner Heiterkeit anstecken“, spricht sie mit einem leisen Auflachen weiter, während ihr Blick auf einen Punkt in der Vergangenheit gerichtet ist. „Du warst ausgelassen und fröhlich, hattest immer ein freundliches Wort für mich. Aber seit unserem Wiedersehen suche ich vergeblich danach. Stattdessen sehe ich in dir nur Härte, Unnachgiebigkeit und eine maßlose Kälte. Und darüber hinaus … habe ich Angst vor dir. Ich kann nicht vorhersagen, wie du auf was reagierst … und ob du nicht vielleicht sogar Gewalt anwenden würdest … uns gegenüber. Ich musste erkennen, dass du nicht mehr der Sanji bist, den ich einst kennen und lieben gelernt habe … dass es diesen Sanji wohl nur noch in meinen Erinnerungen geben wird.“ Ein trauriges Lächeln erscheint auf ihrem Gesicht, während ihre von Trauer erfüllten Augen im Lichtschein verdächtig glitzern. Und auch ich muss schwer schlucken. Einerseits bestürzt es mich, dass sie tatsächlich Angst vor mir hat, obwohl ich ihr niemals auch nur ein Haar krümmen könnte. Aber andererseits zeigt es mir auch, wie wenig wir uns noch kennen und dass scheinbar keinerlei Vertrauen mehr zwischen uns herrscht. „Chopper hatte gemeint, wir müssten wieder von ganz vorne anfangen … neu beginnen. Und er hat Recht damit. Wir müssen uns erst wieder neu kennen lernen und Vertrauen aufbauen, damit unsere Freundschaft überhaupt eine Zukunft hat. Deshalb …“ Für einen Moment zögert Nami, als würden ihr die kommenden Worte schwer fallen. Laut seufzt sie mit geschlossenen Augen auf, bevor ihr tränenfeuchter Blick wieder den meinen sucht. „Deshalb bin ich auch hier … um dir meine Freundschaft anzubieten, ohne dass ich … irgendwas von dir erwarte oder von dir verlange. Nein … nein, das ist nicht ganz richtig. Ich erwarte schon etwas. Dass wir nämlich hier und jetzt einen Schlussstrich ziehen und nicht mehr weiter auf der Vergangenheit herumreiten. Ja … das wollte ich dir nur gesagt haben. Du … brauchst mir jetzt noch keine Antwort darauf geben. Denk´ einfach nur darüber nach.“ Bei ihren letzten Worten kommt wieder ihre Unsicherheit zum Vorschein, als befürchte sie einen Schritt zu weit gegangen zu sein. Doch bekomme ich dies nur am Rande meines Bewusstseins mit. Ebenso auch, wie sie nach einigen Sekunden der Stille leise den Raum verlässt. Ich bin zu keiner Regung fähig, als wäre ich in Zeit und Raum gefangen, während ihre Worte unablässig in meinem Kopf wie ein Echo nachhallen. Zitternd hole ich tief Luft und habe dabei das Gefühl, als würde mir jemand die Brust zuschnüren. Namis Worte haben mich schwer getroffen – und dennoch hat sie in allen Punkten Recht. Unwillkürlich fällt mein Blick auf das Foto, das ich immer noch in Händen halte, und mit einem Male wird mir bewusst, dass es vorbei ist. Diese illustre Bande gehört für immer der Vergangenheit an. Nami hat es erkannt – und die Konsequenzen daraus gezogen. Ihre Worte waren ein Abschied – ein Abschied von dem Freund, der ich einst mal war … von dem jungen, unbeschwerten Mann, dessen einzige Sorge damals darin bestanden hatte Ruffy vom Kühlschrank fernzuhalten. Und wie sie ebenfalls richtig erkannt hat, bin ich heute ein ganz anderer … kälter und härter, wie sie sagt. Und das stimmt auch. Ich habe ein Jahr lang in einer Welt gelebt, die frei von Mitgefühl und Nächstenliebe war. In einer Welt gelebt, in der nur der Stärkste überleben konnte. Um das zu können, musste ich erwachsen werden. Geliebt hast du sie mit Sicherheit. Aber ob die Liebe immer noch existiert, kann ich dir nicht sagen. Doch sobald du sie siehst, glaube mir, dann wird dir dein Herz die Antwort darauf geben. „Ich kenne jetzt die Antwort“, flüstere ich mit gebrochener Stimme an Robins Bildnis gewendet. Ein trockenes Schluchzen steigt mir die Kehle hinauf, als ich nach kurzem Zögern schließlich das Foto in der Mitte zerreiße. Wenn es für mich eine Zukunft geben soll, in der ich auch wirklich leben kann … frei von dem Ballast der Vergangenheit … dann muss ich es Nami gleichtun und loslassen. Kapitel 43: Robin: No giant --------------------------- Wir sind umgeben von einer gespenstischen und unheilvollen Atmosphäre. Dichte, feine Nebelschwaden ziehen wie Wollfäden an uns vorbei. Der Wind pfeift durch das kahle Geäst der Bäume, deren Zweige auf erschreckende Weise an Finger- und Handskeletten erinnern. Lautes Knacken und Knarren hallt durch den Wald, verursacht durch die schwere Last von Eis und Schnee in den Bäumen. Und weit über uns ertönt das tiefe Grummeln des Donners, der Vorbote auf das kommende Unwetter. Ein leichtes Unbehagen breitet sich in meiner Magengegend aus, während ich die tiefdunkle Wolkenwand über uns beobachte, die sich in wenigen Augenblicken vor den blassen Mond schieben wird. Vergeblich versuche ich dabei die Tränen wegzublinzeln, die der schneidende Wind mir ständig in die Augen treibt. Fasziniert beobachte ich daraufhin eine einzelne Schneeflocke, wie sie im kalten Mondlicht in meine offene Handfläche schwebt und dort langsam zu zwei winzigen Wassertropfen schmilzt. Dann verschwindet meine Hand Stück für Stück im schwarzen Schatten, den mein Körper auf sie wirft. Mein Blick hebt sich und alles um mich herum liegt im Dunkeln. Nur der schneebedeckte Boden hebt sich gräulich von der schattenhaften Umgebung ab. Das dumpfe Knirschen von Schnee dringt an meine Ohren und ich blicke zur Seite. Für so manch einen würde Zorros hochgewachsene Gestalt mit den breiten Schultern einschüchternd, ja sogar bedrohlich wirken, wenn sie im Dunkeln auf einen zukommt – aber nicht für mich. In seinen Armen habe ich das Zuhause wieder gefunden, von dem ich so lange getrennt war und von dem ich keine Hoffnung hatte, es jemals wieder zu verspüren – diese Wärme, diese Geborgenheit, diese Liebe. Weiße Atemwölkchen steigen vor meinem Gesicht auf, als Zorro seine Stirn an meine lehnt. Mit dem Daumen streicht er sanft über meine Wange. Normalerweise tauscht er selten bis gar keine Zärtlichkeiten mit mir aus, wenn wir in der Öffentlichkeit sind und jeder uns sehen kann. Doch daran kann ich erkennen, dass er in Sorge ist, auch ohne seine Gesichtszüge sehen zu müssen, die völlig in Schatten getaucht sind. „Wenn etwas schief laufen sollte …“, flüstert er mir mit rauer Stimme zu, ohne seinen Satz zu beenden. Beruhigend streiche ich ihm über die Wange bis hinunter zu seinem von Bartstoppeln übersäten Kinn, das sich rau und kratzig unter meiner Handfläche anfühlt. Doch in meinem Inneren bin ich alles andere als ruhig oder gelassen. Ich verspüre dieselbe Sorge. Zu vieles kann schief gehen … zu viele Fragen sind noch unbeantwortet. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir noch gewartet, ungeachtet dessen, ob der Nebel uns nun vor den Blicken der Wachen abschirmt oder nicht. Der Schrei einer Möwe hallt schrill durch die Nacht, woraufhin Zorros Atem für einen kurzen Moment ins Stocken gerät, während mein Körper sich anspannt. Es ist soweit … das verabredete Zeichen! Ich hole tief Luft und kläre meine Gedanken … konzentriere mich auf die Aufgabe, die vor mir liegt. Den Mann vor mir sperre ich aus meinen Gedanken … verstecke die warmen Gefühle, die er in mir hervorruft, in den hintersten Winkel meines Herzens. Schon spüre ich die ersten Anzeichen von Ruhe, von Gelassenheit. Meine Schultern entspannen sich … meine Nackenmuskulatur lockert sich. Ebenso merke ich, wie die Sanftheit aus meinen Gesichtszügen schwindet und ersetzt wird von der unbeteiligten Maske, in der Gefühle keine Rolle spielen. Ich bin wieder in die Rolle der unnahbaren Miss Bloody Sunday geschlüpft, die jeder Situation mit einer absoluten Überlegenheit begegnet. Gerade als ich aus dem Schutz des Baumes treten will, hält Zorro mich mit einem sanften Griff um mein Handgelenk zurück. Fragend blicke ich zu ihm, obwohl ich sein Gesicht in der Dunkelheit nicht sehen kann. Ob er meines sehen kann? „Wirst du klar kommen?“ „Ich muss“, antworte ich ohne zu zögern und in dem Wissen, worauf sich seine Frage bezieht, während ich im Stillen jedoch meine Zweifel habe. Angst ist ein Faktor, den man nicht bestimmen kann … der unvorhersehbar ist … der einen zu irrationalen Handlungen verleiten kann. Doch noch ist nicht die Zeit gekommen, in der ich mich mit dieser Frage auseinandersetzen muss. Also denke ich gar nicht weiter darüber nach. Ohne einen Blick zurückzuwerfen … ohne ein Wort des Abschieds – des kurzen Abschieds, hoffe ich … betrete ich den dichten Nebel. Die Geräusche des Waldes bleiben hinter mir zurück, als würde die grauweiße Wand sie verschlucken. Nur der Schnee unter meinen Füßen knirscht leise bei meinen Schritten. Aus den Augenwinkeln werfe ich einen Blick hinauf zu den Wehrzinnen des Gefängnisses, beobachte wachsam die winzigen Lichtpunkte, die durch den Nebel zu einem gelben Irgendwas verwischt werden, während ich selbstsicher meinen Weg gehe. Das Grummeln des Donners wird tiefer, bedrohlicher und vereinzelt zucken helle Lichtstreifen durch die Wolken über mir. Ihre Helligkeit durchdringt sogar den Nebel – verzerrt die Schatten zu grotesken Formen. Mein Herz schlägt schneller und Adrenalin durchflutet meine Blutbahnen. Doch meine Befürchtung vor der Entdeckung bleibt aus. Kein Ruf schallt durch die Nacht, so dass ich ungefährdet den Eingang zur Kanalisation erreiche. Zwei von Shanks´ Männern erwarten mich dort bereits. Während wir uns vor den Blicken der Soldaten versteckten, haben die beiden das Eisengitter aus seiner Verankerung gelöst, das den Zugang versperrt hatte. Seit Monaten schon hatte sich niemand mehr um die Instandhaltung gekümmert, wodurch das Eisen bei diesem rauen Klima schnell verrostet ist. „Hoffen wir, dass es keine Sackgasse ist“, murmelt der Kleinere der beiden so leise, dass ich mich schon anstrengen muss, um ihn über den Wind hinweg zu verstehen. Auffordernd hält er mir anschließend eine unangezündete Fackel entgegen, die ich für den Moment ignoriere. Stattdessen blicke ich in die völlige Dunkelheit hinein, die mich hinter der Öffnung erwartet. Dabei weht mir der abstoßende Gestank von Abfall und Fäkalien entgegen. Mein Magen rebelliert gegen den Geruch, so dass ich dazu übergehe durch den Mund zu atmen, was es jedoch nicht gerade erträglicher macht. Schwärze … nichts als Schwärze … ein völliges Nichts erwartet mich dort, während ich innerlich spüre wie sie an ihren Gittern rütteln – die Dämonen meiner Vergangenheit. Nur sehr zögerlich nehme ich die Fackel an mich. Das Holz unter meiner Hand ist glatt und warm, im Gegensatz zu meinem Körper, der aus dem Inneren heraus wie erkaltet ist. Langsam setze ich einen Fuß vor, dann den nächsten – Stück für Stück -, bis die Dunkelheit mich in sich eingeschlossen hat. Prüfend werfe ich einen Blick zurück, wissend, dass der Ausgang nicht weit entfernt ist und sehe nur einen graubläulichen und unförmigen Punkt. Fest beiße ich die Zähne zusammen und schließe die Augen, atme mehrmals gleichmäßig tief ein und aus und versuche mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Dann erst wende ich mich wieder um und setze vorsichtig einen Fuß nach vorn. Meinen freien Arm strecke ich weit aus und suche mit den Fingern nach der Wand, die sich irgendwo zu meiner Rechten befinden müsste. Plötzlich werden meine Fingerspitzen von Kälte durchströmt, als sie gegen das spitze, raue Gestein stoßen – und Erinnerungen überwältigen mich wie eine Flutwelle. Meine Umgebung rückt in weite Ferne und ich werde in eine andere Zeit, an einen anderen Ort katapultiert. Die Dunkelheit um mich herum aber bleibt. Der Boden unter meinen nackten Füßen ist eisigkalt. Die Wände um mich herum sind glatt und eben. Und Stille … unheilvoll, beängstigend … als gebe es kein Leben. Nur meine eigenen Atemzüge hallen unnatürlich laut durch diese absolute Finsternis. Ich taste die Wände ab … ruhig, kontrolliert, sorgsam. Dann plötzlich ein Lachen … voller Hohn … voller Spott. Ein Knall … eine weitere Stimme … ein Scheppern. Immer schneller, immer verzweifelter taste ich die Wände ab … kratze mit den Fingern über das kalte Gestein, während mir warme Tränen unaufhaltsam übers Gesicht laufen. Die Laute um mich herum werden immer mehr, die Geräusche immer lauter, bis es zu einem chaotischen Crescendo anschwillt … und ich nicht mehr weiß, wo ich bin. Alles um mich herum dreht sich … schattenhafte Gesichter, die schreien und lachen … Fratzen, die sich zu einem Zerrbild des Schreckens verziehen. Ich wende mich ab … suche in der Dunkelheit fieberhaft und am Rande der Hysterie nach einem Ausweg … schreiend, fluchend, wimmernd. Ich kralle meine Nägel ins Gestein … schürfe mir die Finger blutig … hämmere die Fäuste gegen die unnachgiebige Wand … bis meine Beine kraftlos unter mir nachgeben. Doch anders als sonst, in der ich einer endlosen Tiefe entgegenstürze, falle ich dieses Mal nicht. Ich spüre Hände an meinen Armen, die mich festhalten … warme, zärtliche Hände, die sanft meine Haut streicheln. Sie umschlingen mich … hüllen mich ein in ein Schild der Sicherheit und Geborgenheit, während sie mich an einen festen und stählernen Körper drücken. Raue und doch nachgiebige Lippen fahren an der Seite meines Halses entlang … hauchen mir zarte Küsse auf die Haut. Und eine Stimme, tief und brummend, flüstert mir sanft Worte ins Ohr … Worte des Trostes, die mir Kraft geben … und Sicherheit … es kann mir gar nichts passieren. Seine Riesen sind deine Furcht, höre ich Zorros warme Stimme sagen. Und er hat Recht! Diese Stimmen, der Lärm, die Erinnerungen an diesen dunklen, finsteren Ort … sie existieren nur in meinem Kopf. Sie sind nicht die Wirklichkeit … nicht die Realität. Doch was viel wichtiger ist: sie können mir nichts tun. Sie können mir nichts anhaben, da sie nicht wirklich da sind. Diese Erkenntnis trifft mich mit solch einer Wucht, dass ich den Halt unter mir verliere und mit den Knien hart auf den steinigen Boden aufschlage. Völlig benommen kehre ich in die Gegenwart zurück, als würde ich aus einer Trance erwachen. Nach wie vor bin ich von tiefer Finsternis umgeben, doch werde ich nicht mehr länger von den Stimmen und dem Gelächter tyrannisiert. Ihren Nachhall spüre ich zwar noch in Form meines zittrigen Körpers, meines keuchenden Atems und meines rasenden Herzschlags, aber die kalten Fänge der Angst haben mich nunmehr losgelassen. Ich habe es geschafft, geht es mir halb wissend, halb fragend durch den Kopf. Ich habe es tatsächlich geschafft. Zum ersten Mal habe ich meine inneren Dämonen besiegen können, ohne hinterher wie ein wimmerndes Häuflein Elend aus diesem Albtraum zu erwachen … zusammen gekauert und am Boden liegend, in der Hoffnung, dass diese Tortur bald ein Ende findet. Tränen der Freude steigen mir in die Augen, während mir ein befreiendes Lachen die Kehle hinaufsteigt, das ich jedoch sofort wieder hinunterschlucke. Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt und nicht der richtige Ort für so was, meldet mir sofort mein Verstand, wodurch ich mir auch wieder meiner Aufgabe bewusst werde. Da ich keine Ahnung habe, wie viel Zeit mittlerweile vergangen ist … Sekunden oder sogar Minuten … stehe ich eiligst vom Boden auf. Ein Stöhnen entweicht mir meinen Lippen, als ich beim Versuch mich auf meinen noch etwas wackligen Beinen aufzurichten, mit der Schulter gegen die Gesteinswand falle. Mich meinen Dämonen zu stellen, hat einiges an Kraft gekostet, weshalb mein Körper mir nur bedingt gehorcht. Trotzdem kann ich im Augenblick keine Rücksicht darauf nehmen. Denn wenn ich noch mehr Zeit vertrödle, wird Zorro früher oder später den Eindruck bekommen, dass mir etwas zugestoßen ist. Und was dann passieren wird … Mehr stolpernd als gehend, taste ich mich also vorsichtig und langsam weiter, bis meine Hand nach wenigen Schritten ins Leere greift. Eine Abzweigung, genau wie ich es vermutet habe. Ich blicke zurück zum Eingang, doch kann ich ihn nirgends in der Dunkelheit ausmachen. Seufzend und mit leichter Besorgnis taste ich in meiner Manteltasche nach dem Päckchen Streichhölzer. Es war ausgemacht, dass ich die Fackel erst an der Stelle anzünde, wo der Gang in einen anderen mündet, um sicher zu gehen, dass der Fackelschein nicht nach draußen dringt, wo er eventuell die Aufmerksamkeit der Soldaten wecken könnte. Aber jetzt stellt sich mir die Frage, ob ich nicht vielleicht zu weit vom Eingang entfernt bin und Shanks´ Männer den Fackelschein nicht sehen können. So schnell, wie die Zweifel in mir aufgekommen sind, so schnell verschwinden sie auch wieder, als ich mit einem Streichholz das obere in Leinen gewickelte Ende der Fackel anzünde und kurz darauf der Schrei einer Möwe wie aus weiter Ferne an meine Ohren dringt. Der Ruf hallt nur noch sehr schwach von den Wänden wieder, was mir besagt, dass der Eingang um ein etliches Stück von mir entfernt ist … weiter zumindest als ich erwartet habe. Um die Wartezeit zu überbrücken, bis der Erste der Nachzügler bei mir eintreffen wird, blicke ich mich interessiert um. Das Gestein um mich herum glitzert im Fackelschein rot auf, während rauchartige Nebelschwaden über den Boden kriechen. Ansonsten ist nicht viel mehr zu sehen. Dennoch beobachten meine Augen weiterhin den Gang zu meiner Rechten, derweil ich mich frage, ob dieser Weg uns auch wirklich ans Ziel bringen wird. Meine Aufmerksamkeit wird aber schon bald von Schritten abgelenkt, die sich schnell nähern, so dass ich wieder einmal in Richtung des Eingangs blicke. Unwillkürlich muss ich lächeln, als ich im Schein der Fackel zunächst nur einen dunklen Schatten ausmache. Doch die Statur, die sich daraus erhebt, würde ich überall wieder erkennen. Forschen Schrittes kommt Zorro auf mich zu und bleibt so nahe vor mir stehen, dass vielleicht noch eine handbreit Platz zwischen uns ist. Im Feuerschein sehe ich, dass das Grün um seine Iris dunkel vor Sorge ist, während er mein Gesicht aus ernsten Augen genau mustert. Seine Gesichtsmuskeln sind dabei angespannt und verleihen seinem Ausdruck einen grimmigen Zug. „Keine Riesen … nur Windmühlen“, flüstere ich in die Stille hinein, woraufhin sich seine verkniffenen Lippen langsam zu einem verstehenden Lächeln verziehen. Kapitel 44: Ruffy: Unconditional -------------------------------- Meine Crew … meine Freunde – das Vertrauen in ihnen und an ihren Fähigkeiten war stets bedingungslos, unabhängig davon, wie ihre Vergangenheit ausgesehen hat. Instinktiv wusste ich, dass sie ihr Leben für mich geben würden. Und ich würde das Meine für sie geben – selbst heute noch, auch wenn der Streit sie alle auseinander gebracht hat. Und dennoch scheine ich das Vertrauen in sie verloren zu haben. Ich zweifle nicht an ihren Fähigkeiten, an ihre Stärke oder an ihren Mut. Es ist eher Zweifel an ihren Glauben an die Freundschaft. Aber wann ist das geschehen? So vieles haben wir gemeinsam geschafft … so vieles gemeinsam erreicht und erlebt. Unzählige Kämpfe haben wir ausgefochten, etliche Abenteuer bestritten und so viele Inseln erkundet. All dies hätten wir niemals erreichen können, wenn wir uns nicht so bedingungslos vertraut hätten. Keiner von uns wäre alleine so weit gekommen. Von Anfang an hast du uns in Schwierigkeiten gebracht. Unwillkürlich kommen mir Lysops Worte in den Sinn. Die Wahrheit lässt sich nicht leugnen, denn genau so habe ich mich in der Vergangenheit verhalten. Nicht ein einziges Mal habe ich auch nur einen Gedanken an die möglichen Konsequenzen meines Handelns verschwendet. Für mich ging es immer nur um das Abenteuer … um den Nervenkitzel … um die Risikobereitschaft … darum, meine Kräfte an ihnen zu messen und stärker zu werden, um meinen Traum, König der Piraten zu werden, eines Tages erfüllen zu können. Daran, dass ich meine Freunde durch meine eigene Vermessenheit in tödliche Gefahren bringen würde, habe ich nie auch nur einen Gedanken verschwendet. Lysops und Choppers Einwände habe ich stets mit einem Achselzucken ignoriert. Sie waren nun einmal Angsthasen mit wenig Selbstvertrauen, die am Ende eines Abenteuers trotz allem immer über sich hinauswuchsen. Eine andere Reaktion habe ich daher auch nie von ihnen erwartet. Doch wie hätte ich mich entschieden, wenn Zorro, Sanji oder Robin Einwände erhoben hätten? Hätte ich diese dann auch ignoriert? Hätte ich dann auch nur mit den Schultern gezuckt und sie als Angsthasen abgetan? Sie verfügen über genügend Selbstvertrauen, um zu wissen, wie stark sie sind und wie viel und was sie sich zutrauen können. Hätte ich dann also gezögert? Hätte ich ihnen in diesem Augenblick dann vertraut und hätte das mögliche Abenteuer links liegen gelassen? Ohne die Antworten zu kennen, lege ich seufzend den Kopf in den Nacken und blicke zum sternenübersäten Nachthimmel hinauf. Zum ersten Mal nach einer gefühlten Ewigkeit gönnen uns die See und das Wetter endlich mal eine Ruhepause, trotz des kalten Windes, der noch immer mühelos die Kleidung durchdringt. Dennoch gebe ich mich der seligen Nacht nicht hin, da ich viel zu oft schon miterlebt habe, wie schnell das Wetter auf der Grandline umschlagen kann. Bereits in der nächsten Sekunde kann sich über uns der nächste Sturm zusammenbrauen. Und dann müssten wir wieder gegen den Schnee und den Hagel, gegen den peitschenden Wind und dem aufgewühlten Meer ankämpfen, in der Hoffnung, dass die Lamb nicht mit Mann und Maus untergehen wird. „Wird dir nicht allmählich kalt?“, höre ich plötzlich Namis warme Stimme hinter mir sagen, so dass ich mir nach einer endlos erscheinenden Zeit wieder der Gegenwart bewusst werde. „Ich spüre sie kaum“, antworte ich, während ich mich im Schneidersitz umdrehe und auf Nami hinabblicke. Von ihrem Gesicht ist nichts zu erkennen, dass tief in den dunklen Schatten ihrer Kapuze liegt. Nur die kleinen Atemwölkchen sind zu sehen, als Nami langsam ihre Unterarme auf der Reling abstützt und aufs nächtliche Meer hinausschaut. Lange Zeit bleibt es still zwischen uns, währenddessen ich ihre schattenhafte Gestalt einfach nur mustere und meinen Gedanken nachhänge. Dabei komme ich nicht umhin sie für ihre Stärke zu bewundern. Die letzten Wochen und Monate müssen die reinste Tortur für sie gewesen sein, sowohl körperlich als auch seelisch. Und dennoch steht sie hier, immer noch voller Hoffnung auf ein gutes Ende, nicht nur, was die Rettung von Lysop angeht. Jemand anderes an ihrer Stelle hätte sich längst der Niedergeschlagenheit ergeben und seinen Kopf in den Sand gesteckt und aufgegeben. Nicht aber Nami! Sie hat Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um Lysop und mich aus der Gefangenschaft der Marine zu befreien. Und dabei ist sie sogar über ihren eigenen Schatten gesprungen und hat nach Sanji und Robin suchen lassen. Wie gern wäre ich bei diesem Wiedersehen dabei gewesen. Die Wunden, die noch lange nicht verheilt waren, wurden mit Sicherheit wieder aufgerissen. Doch damit hat Nami gerechnet, das weiß ich instinktiv. Jeder von ihnen hat damit gerechnet – und trotzdem sind sie gekommen. Ein jeder von ihnen hat seinen Schmerz und seinen Stolz hinuntergeschluckt, nur um Lysop und mich zu befreien. Und allmählich beginne ich zu begreifen. „Ich war blind“, spreche ich die Worte aus, die mir durch den Sinn gehen, obwohl sie mehr an mich selbst gerichtet sind als an Nami. Dennoch blickt sie zu mir auf. Du redest die ganze Zeit von meiner Crew. Aber welche Crew, frage ich dich? Wo soll diese Crew sein, von der du da redest? Ich kann es dir sagen … ich kann dir sagen, wo sie ist – in der Vergangenheit! Genau dort wirst du sie finden – und nicht in der Gegenwart! „Ich habe meine Mannschaft, meine Freunde niemals verloren. Ich hätte nur ein Wort sagen müssen, und sie wären zurückgekommen. Stattdessen habe ich einfach nur still dagesessen und zugesehen.“ „Du hättest nichts tun können, Ruffy. Wir haben die Probleme selbst erschaffen, und nur wir selber können sie auch wieder aus den Weg räumen.“ „Könnt ihr das?“ „Ich habe einen Fehler gemacht, Ruffy.“ Nami stößt einen leisen Seufzer aus, so dass ich mich schon anstrengen muss, um ihn zu hören, während sie ihren Blick erneut aufs Meer richtet. Dennoch ist ihre Stimme fest und klar, wie schon lange nicht mehr. Aber auch ihre Körperpartie scheint unter dem weiten Mantel recht entspannt zu sein, was mich zu einem verwirrten Stirnrunzeln bewegt. Denn normalerweise spannt sich ihr ganzes Selbst zusammen, sobald das Thema auf den Streit kommt, und sie wie ein gehetztes Reh wirkt. „Und wahrscheinlich werde ich ihn für den Rest meines Lebens bereuen, da ich viel damit kaputt gemacht habe. Aber ja, wir können es trotzdem schaffen. Doch du musst dir auch im Klaren darüber sein, dass es hier nicht um eine Lappalie geht, über die wir am nächsten Tag lachen können. Das hier ist eine viel größere Sache. Hierbei geht es um unsere Freundschaft, um unseren Zusammenhalt und Vertrauen und um unsere Gefühle. Sanji und ich haben zwar jetzt mit der Vergangenheit abgeschlossen, aber noch immer steckt ein Keil zwischen uns, weil ich ihn hintergangen habe. Sein Vertrauen muss ich mir erst wieder verdienen, bevor es zwischen uns überhaupt annähernd so werden kann wie früher. Aber das braucht seine Zeit! Und diese Zeit musst du uns geben, Ruffy, denn sonst gibt es für die Strohhutbande keine Hoffnung.“ Bei den letzten Worten blickt Nami wieder zu mir auf. Und obwohl ich ihre Augen in der Dunkelheit nicht sehen kann, so spüre ich dennoch den beschwörenden Blick auf mir, dem ich aber nicht lange standhalten kann. Schuldgefühle zwingen mich dazu meine Augen von Nami abzuwenden, habe ich irgendwo in der Tiefe meines Herzens die Hoffnung auf Versöhnung längst aufgegeben. „Die sollt ihr bekommen“, flüstere ich schließlich mit gebrochener Stimme, da sich der Kloß in meinem Hals einfach nicht hinunterschlucken lässt, während sich an meinem Horizont so etwas wie ein kleiner Hoffnungsschimmer zeigt. Ich habe meine Freunde unlängst aufgegeben … habe nicht mehr daran geglaubt, dass sie das Band, das einst zwischen ihnen bestanden hatte, jemals wieder flicken könnten. Die Situation hatte so aussichtslos erschienen. Sie waren unfähig sich vernünftig unterhalten zu können, so dass es nie lange gedauert hat, bis sich die Atmosphäre um sie herum zu einer Eiseskälte gewandelt hatte, und sie erneut anfingen sich zu streiten. „Danke“, antwortet Nami mir mit weicher Stimme, in der deutlich ein Lächeln mitschwingt. Ein enormer Druck der Erleichterung baut sich in meinem Inneren auf, den ich gerne mit einem lauten Lachen herauslassen würde. Stattdessen aber erwidere ich Namis Lächeln und blicke wieder hinauf zum Firmament, während sich ein angenehmes Schweigen zwischen uns ausbreitet. Für mich fühlt es sich an, als hätten ihre Worte mir eine zentnerschwere Last von den Schultern genommen. So verfahren ihre Situation auch ausgesehen hatte, so scheint es dennoch wirklich noch Hoffnung zu geben – Hoffnung für die Strohhutbande. Und wenn uns das Wetter auch weiterhin wohlgesonnen bleibt, so sollte sich in ein paar Tagen auch zeigen, ob … Wie ein Geistesblitz durchfährt mich ein Gedanke, der alles in meinem Inneren zum Erstarren bringt und mir die Eingeweide zu zerreißen droht. So schnell es meine vor Kälte erstarrten Knochen und Muskeln erlauben, springe ich nur wenige Sekunden später vom Kopf der Lamb und sprinte quer über das Deck, während Nami mir nur verwirrt hinterher ruft. Mehr auf allen vieren als auf zwei Beinen poltere ich die Treppe zur Kombüse hoch und reiße die Tür so kraftvoll auf, dass die Scharniere im Holzrahmen kreischend aufschreien. Durch den Höllenlärm, den ich veranstaltet habe, blickt Chopper mich aus schreckgeweiteten Augen an, während Sanji und Ace lediglich mit angespannten Muskeln am Tisch sitzen. Schwer atmend betrete ich das Innere des Raumes und nehme nur am Rande meines Bewusstseins wahr, dass ich die drei scheinbar bei einer Partie Karten gestört habe. „Sanji, wie lange reichen unsere Vorräte noch?“, frage ich halb atemlos und blicke meinem Smutje entgegen, dessen Augen sich nur minimal schmälern. „Das Trinkwasser vielleicht noch für drei Wochen“, antwortet er mir nach ein paar Sekunden, während sich seine Muskeln langsam wieder entspannen, erkennend, dass uns keine Gefahr droht. „Die Lebensmittel, wenn ich die Rationen entsprechend strecke, dürften dagegen für knapp fünf Wochen ausreichen.“ „Solange werden wir aber nicht brauchen, um Winters Island zu erreichen“, höre ich Namis Stimme hinter mir sagen, die Sanjis Worte wohl noch gehört hat, als sie hinter mir die Kombüse betritt. „Wir dürften in ein paar Tagen dort ankommen.“ „Aber Shanks wird nicht mehr da sein“, erwidere ich leise, woraufhin es in sowohl Sanjis Augen als auch in den Augen meines Bruders verstehend aufblitzt. In der Stille, die nun einsetzt, warte ich regungslos ab, während Nami mit geschlossenen Augen die Tür schließt und ihren Mantel an einen der Garderobenhaken aufhängt. Sanji und Ace warten ebenfalls still ab. Einzig Chopper blickt verwirrt von einem zum anderen. „Es wird wahrscheinlich Wochen dauern, bis wir die nächste Insel erreichen, wenn wir jetzt den Kurs ändern.“ Seufzend lässt sich Nami neben Sanji an den Tisch nieder und reibt sich müde die Stirn. Es ist ihr deutlich anzusehen, wie ihre Gehirnwindungen fieberhaft nach einer Lösung arbeiten. Dieser Anblick versetzt mir einen Stich ins Herz, da es schließlich meine Entscheidung war den Kurs nach Winters Island beizubehalten, als wir vor einigen Tagen bereits darüber gesprochen hatten. Aber wie bei den unzähligen Malen der Vergangenheit war ich auch dieses Mal nicht dazu bereit, mir das Für und Wider anzuhören, und habe stattdessen wieder einmal meinen Sturkopf durchgesetzt. „Eigentlich liegt es doch klar auf der Hand, welches unser Ziel ist“, unterbricht Sanji schließlich die Stille. „Whitebeard wurde doch vorgeschickt, um Informationen zu sammeln. Da wird er bestimmt auch mitbekommen haben, dass man dich nach Mary Joa überführen wollte. Shanks wird deshalb alles daran setzen, Lysop so schnell wie möglich aus dem Gefängnis rauszuholen, um die Verfolgung aufzunehmen. Er wird also kaum Zeit vergeuden.“ „Aber niemandem ist es bisher gelungen von Winters Island zu flüchten“, entgegnet Chopper mit solch ungewohnt ernster Stimme, dass ich überrascht zu ihm herüberblicke. Obwohl der Streit bei uns allen folgenschwere Konsequenzen mit sich gezogen hat, so muss ich trotzdem feststellen, dass er auch positive Auswirkungen hervorgerufen hat. Chopper ist in dieser schweren Zeit viel reifer und erwachsener geworden, was sein eher sonst so schwaches Selbstbewusstsein nur mehr gestärkt hat. „Wer weiß schon, mit was für Problemen sie sich herumschlagen müssen. Von daher kann es auch gut möglich sein, dass sie noch immer auf Winters Island sind, ohne Lysop auch nur einen Schritt näher gekommen zu sein. Sie könnten sehr gut unsere Hilfe gebrauchen, die sie aber nicht bekommen würden, wenn wir jetzt nach Mary Joa segeln.“ „Das stimmt schon“, nickt Sanji bedächtig mit dem Kopf, „aber ich kenne zwei Leute, die trotzdem keine Zeit verschwenden würden.“ „Zorro und Robin“, entfährt es mir und Sanji zuckt nur einmal kurz mit den Achseln. „Auf Lysop wartet nicht die Hinrichtung“, fährt er dann erklärend fort. „Bei Ruffy sieht die Sache allerdings anders aus. Die anderen wissen nicht, dass er mittlerweile bei uns ist, und werden folglich davon ausgehen, dass man ihn auf Mary Joa sofort hinrichten lässt, sobald er dort ankommt. Deshalb werden Robin und Zorro sich bestimmt an die Verfolgung gemacht haben und es Shanks überlassen, Lysop zu befreien.“ „Dann sollte Mary Joa wirklich unser Ziel sein“, wendet Nami mit fester Stimme ein, wobei sie dennoch ihre Lippen missmutig zusammenpresst. Aber ich kann ihre Bedenken verstehen. Wir haben viel Zeit mit unserer Entscheidung vergeudet, worin letztendlich die Schuld bei mir zu suchen ist. Unsere Vorräte neigen sich allmählich dem Ende zu, die wir auf Winters Island hätten auffüllen können. So aber können wir nur hoffen, dass wir auf dem Weg nach Mary Joa an einer anderen Insel vorbeikommen, wo wir das dann nachholen können. Hinzu kommt aber auch noch, dass Mary Joa der Sitz der Weltregierung ist. Kein Pirat würde deshalb auch nur freiwillig einen Fuß darauf setzen. Doch angesichts der Umstände bleibt uns keine andere Wahl, da sonst Zorro und Robin die nächsten sind, die von der Marine geschnappt werden. „Dann ist das also abgemacht?“, frage ich in die Runde und blicke jeden einzelnen fest in die Augen. Nacheinander nicken Nami, Sanji, Chopper und Ace mir zu. Und anders, als es bei unserer letzten Diskussion der Fall war, als wir über unsere nächsten Schritte berieten, erkenne ich, dass meine Freunde dieses Mal hinter meiner Entscheidung stehen – und das bedingungslos. Kapitel 45: Zorro: Ironwhip --------------------------- Meine Atmung geht gleichmäßig und ruhig, während ich den dumpfen Schritten lausche, die sich in einem zackigen Tempo von uns fortbewegen. Erst als ich mir sicher bin, nicht entdeckt zu werden, werfe ich einen Blick um die Ecke. In dem spärlichen Licht, das durch die Fenster in den dunklen Gang geworfen wird, kann ich am anderen Ende des Flures noch zwei schattenhafte Gestalten ausmachen, die alsbald schon hinter der nächsten Wegbiegung verschwinden, während ihre Schritte nach und nach in der Dunkelheit verklingen. Ich lasse noch weitere Sekunden verstreichen, um sicherzugehen, dass die beiden Soldaten nicht kehrtmachen und wieder zurückkommen. Doch alles bleibt still – zu still. Meine Eingeweide ziehen sich voller Unbehagen zusammen und ich werde das Gefühl nicht los, dass hier irgendetwas nicht stimmt. Zu wenigen Soldaten – gerade mal einer handvoll – mussten Robin und ich bislang aus dem Weg gehen. Bedenkt man die Größe des Gefängnisses, so haben wir mit weitaus mehr Patrouillen gerechnet. Und dafür, dass noch nie ein Befreiungsschlag geglückt ist, kommen wir viel zu einfach voran, so dass mich allmählich der Verdacht überkommt, dass Whitebeards Mann doch geredet hat und wir geradewegs in eine Falle gelaufen sind. Schnell werfe ich einen Blick auf Robin, die geduldig hinter mir steht, ohne den leisesten Laut von sich zu geben. Durch die tiefen Schatten um uns herum kann ich ihr Gesicht nicht erkennen, so dass ich nicht einschätzen kann, was in ihrem Kopf vor sich geht. Dafür aber strahlt sie eine kalte, unpersönliche Präsenz aus, wie ich es nicht anders von ihr erwartet habe. Es überrascht mich schon lange nicht mehr, wie mühelos sie ihre Gefühle ausschalten kann, sobald wir uns in brenzligen und gefahrvollen Situationen befinden. In solchen Momenten konzentriert sich Robin dann voll und ganz auf die Ereignisse und behält einen kühlen Kopf, anstatt von Gefühlen abgelenkt zu werden. Sie wird dann immer zu der Person, die ich zu einer Zeit kennen gelernt habe, als sie noch kein Mitglied der Strohhutbande war … als sie noch nicht wusste, was Gemeinschaft, Freundschaft oder Zusammenhalt bedeutet. Aber auch ohne ihr Gesicht sehen zu können, weiß ich instinktiv, dass ihr die wenigen Soldaten ebenfalls nicht entgangen sind. Mit Sicherheit hat Robin sich schon ihre eigenen Gedanken dazu gemacht, so dass sie auf alle Eventualitäten vorbereitet ist, weswegen ich auch keine Zeit mit Worten verschwende, und ihr stattdessen mit einem kurzen Handzeichen zu verstehen gebe, mir zu folgen. Langsam folgen wir dem Verlauf des Flures, ohne dabei die dunklen Schatten an den Wänden aus den Augen zu lassen, die hin und wieder von grellweißen Blitzen erhellt werden. Kahler, weißer Putz zieht an uns vorüber, der an vielen Stellen bereits abgeplatzt und von Rissen durchzogen ist. Das, und der vor Jahren längst verblichene und ausgetretene Linoleumboden, lassen mich vermuten, dass sich schon lange niemand mehr hier um die Instandhaltung kümmert. Und ich frage mich, ob dies nicht vielleicht sogar die Erklärung dafür ist, warum sich hier so wenige Soldaten aufhalten. Da das Gefängnis weitläufig und sich über mehrere Stockwerke hinaus erstreckt, wäre es gut möglich, dass einige Trakte gar nicht genutzt werden und eine entsprechende Bewachung hinfällig wäre. Eine sanfte Berührung an meinem Arm reißt mich aus meinen Überlegungen, woraufhin ich sofort in meinen Bewegungen innehalte. Fragend blicke ich Robin an, die mit dem Kopf zu einer Tür weist, die aufgrund ihrer grauen Beschaffenheit mit dem hellen Wandputz zu verschmelzen scheint. Auf einem kleinen Schild, das neben der Tür an der Wand hängt, kann ich das Wort Archiv entziffern. Sämtliche Alarmglocken schrillen in meinem Inneren laut auf, als sich die Tür zu meiner völligen Überraschung problemlos öffnen lässt. Normalerweise lässt man einen Raum, in dem sich wichtige offizielle Dokumente befinden sollten, nicht so einfach unverschlossen zurück. Nachlässigkeit oder Absicht? Kurz werfe ich einen Blick auf Robin, deren Körper sich um wenige Zentimeter aufrichtet, wodurch ich erkennen kann, dass sie sich auf einen möglichen Angriff vorbereitet. Nickend gebe ich ihr zu verstehen, sich bereitzuhalten, während ich meine rechte Hand fest um den Griff von Yubashili lege und die Tür weiter aufstoße. Wie auch schon die Flure ist der Raum dahinter in dunkles Nachtlicht gehüllt, das durch eine breite Fensterfront am rückwärtigen Ende fällt. Dennoch erkenne ich in den grauschwarzen Gebilden, die sich von einer Seite des Raumes zur anderen erstrecken, halbhohe Aktenschränke aus massivem Metall. Sanft zupft Robin an meiner Jacke, um meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, und gibt mir mit einem Fingerzeig zu verstehen, dass ich mich der linken Seite des Raumes zuwenden soll, während sie sich die andere Seite vornimmt. Gemeinsam schreiten wir dann die langen Reihen entlang, um sicherzugehen, dass sich nicht vielleicht ein Schreiberling oder ein Soldat hinter den Schränken versteckt hält. Bereits nach wenigen Sekunden erreiche ich den hinteren Teil des Raumes, von wo aus ich einen vorsichtigen Blick aus den Fenstern werfe. Unter mir erstrecken sich zu beiden Seiten hin zwei Außenanlagen, die von meterhohen Drahtzäunen umschlossen sind. Wahrscheinlich ist das der Außenbereich für die Häftlinge, vermute ich im Stillen. Zwischen den beiden Anlagen führt eine breit angelegte Straße vom Gebäude bis zu einer Wehrmauer, die den hinteren Außenbereich des Gefängnisses von dem vorderen Bereich trennt. Von meiner Position aus kann ich noch gerade so erkennen, dass sich hinter der Mauer einige Gebäude befinden, in denen die Soldaten wahrscheinlich Quartier bezogen haben. „Es gibt also zwei Tore“, höre ich Robin neben mir leise murmeln, nachdem sie sich zu mir gesellt hat. Ebenso wie ich lässt sie ihren Blick langsam über die gesamte Anlage schweifen, wobei sie mit Sicherheit jedes Detail wie einen Schwamm in ihr Gedächtnis aufsaugt. „Gut, dass wir uns für einen anderen Eingang entschieden haben“, kommentiere ich ihre Worte, während ich die Wehrzinnen aufmerksam mustere. Mehrere Gruppen von bis zu drei Soldaten patrouillieren die mit Fackeln beleuchteten Wehrgänge ab, wobei sie immer wieder mal stehen bleiben und die Gegenden zu beiden Seiten hin wachsam beobachten. Wenn wir den Weg der direkten Konfrontation eingeschlagen hätten, wie Shanks es zunächst vorhatte, wären wir sang- und klanglos untergegangen, das wird mir in diesem Moment bewusst. Das vordere Tor hätten wir vielleicht – aber auch wirklich nur vielleicht! – einnehmen können. Spätestens aber beim Zweiten wären wir gescheitert. „Sogar Kanonen haben die auf den Mauern stehen.“ „Dieser Ironwhip scheint nichts dem Zufall überlassen zu wollen“, merkt Robin an und verschränkt die Arme vor der Brust, ohne ihre Augen von dem Ausblick zu nehmen. Ihre düstere Stimme dabei lenkt meine Aufmerksamkeit dagegen auf sie. „Was denkst du?“, frage ich sie daher, obwohl ich sie lieber in meine Arme ziehen würde, um ihre sorgenvollen Gedanken zu vertreiben. Stattdessen konzentriere ich mich nur darauf sie zu beobachten und jede Regung an ihr wahrzunehmen. „Ich denke, dass wir so schnell wie möglich von hier verschwinden sollten. So gut, wie das Gefängnis durchdacht und organisiert ist, erscheint es mir zweifelhaft, dass sie die Mauern doppelt besetzen, aber diesen riesigen Betonklotz dagegen vernachlässigen.“ Ohne zu wissen, was ich auf ihre Worte erwidern soll, wende ich meinen Blick langsam von ihr ab und lasse meine Augen erneut über das Gelände wandern. Aber was gibt es auch schon groß dazu zu sagen? Robin spricht schließlich nur das aus, was mir selbst zu denken gibt. „Irgendwas stimmt hier nicht“, seufzt Robin auf und blickt zu mir herüber. Das dunkle Nachtlicht spiegelt sich in ihren blauen Augen wider, in denen eine tiefe Besorgnis geschrieben steht. Aber dennoch kann ich auch einen Hauch von Entschlossenheit darin erkennen, die mir besagt, dass sie trotz allem keinerlei Gedanken hegt jetzt aufzugeben. „Dann lass uns schnell Ruffy und Lysop finden“, meine ich schließlich grimmig. Doch gerade, als ich mich vom Fenster abwenden will, bemerke ich weit am Horizont einen rötlichen Schimmer, der sich mehr und mehr ausweitet. Auch die Soldaten auf den Wehrgängen werden nach und nach darauf aufmerksam, wie ich es aus den Augenwinkeln mitbekomme. Aber anstatt das Geschehen wie Schaulustige zu beobachten, halten sie in ihren Bewegungen nur kurz inne, bevor sie ihre Wache dann weiter fortsetzen. „Yasopp“, murmelt Robin leise und ich beginne sofort zu verstehen. Ein Teil unseres Plans sieht vor, dass Yasopp und zwei weitere Gefolgsmänner für ein wenig Ablenkung im Dorf sorgen sollen, indem sie die Schmiede und einige wenige Häuser in Brand stecken, damit die dort lebenden Bewohner und Soldaten für eine Weile beschäftigt sind. Außerdem soll Yasopp auch zusehen, dass das Feuer sich auch auf den Anlegesteg ausweitet, damit das vor Anker liegende Marineschiff gezwungen ist abzulegen. Für uns wäre damit gewährleistet, dass das Aussenden von Verstärkungstruppen sich um einige Zeit hinauszögert, da das Schiff woanders nicht anlegen kann und die Soldaten nur mit Hilfe der Beiboote zurück ans Land kommen können. Zufrieden damit, dass wenigstens schon mal dieses Vorhaben aufzugehen scheint, wende ich mich nun vollends vom Fenster ab. Hinter mir höre ich Robins Kleidung leise rascheln, und im stummen Einverständnis beginnen wir damit die Aktenschränke nach dem Verbleib von Ruffy und Lysop durchzusuchen. So vergehen mehrere Minuten, in denen nur das aufdringliche Quietschen der Schubläden, das leise Rascheln von Papier und das bedrohliche Grummeln des herannahenden Gewitters zu hören ist. Schublade für Schublade gehe ich die Schränke durch, bis ich wieder zum Ausgangspunkt gelange, ohne gefunden zu haben was ich suche. Gereizt und völlig genervt beiße ich daher die Zähne so fest aufeinander, dass die Muskeln in meinem Unterkiefer unter Schmerzen heftig protestieren, obwohl ich viel lieber meine geballte Faust gegen einen der Schränke geschlagen hätte. Innerlich spüre ich, wie die Zeit drängt, da das Risiko unserer Entdeckung mit jeder verstreichenden Minute größer wird, zumal Shanks und seine Leute irgendwo innerhalb des Gefängnisses für Ablenkung sorgen wollen – wie auch immer diese aussehen mag. Und sollte es dabei zu einem Kampf zwischen ihnen und den Soldaten kommen, ohne dass wir Ruffy und Lysop gefunden haben, wird es für uns nahezu unmöglich sein, sie hier noch herauszuschaffen. Missmutig werfe ich einen Blick aus dem Fenster hinaus. Immer wieder zucken grelle Blitze über das schwarze Himmelszelt hinweg und werfen groteskgeformte Schatten auf die Erde, während das dumpfe Donnergrollen immer näher kommt und an Lautstärke zunimmt. Innerlich stöhne ich laut auf, als ich auch schon die ersten Schneeflocken bemerke, die wild durch die Luft gewirbelt werden. Unser Rückweg könnte sich schwieriger gestalten als erhofft, sollte das Unwetter an Stärke zunehmen. Das Meer wäre zu aufgewühlt und würde zu hohe Wellen schlagen, als dass wir ungehindert mit den Booten zum Schiff zurückkehren könnten. Als ein erneuter Blitz die Nacht erhellt, bemerke ich plötzlich einen Schatten, der sich neben meinem Abbild in dem Fensterglas widerspiegelt. Sämtliche Muskeln angespannt drehe ich mich zur Tür und ziehe gleichzeitig Yubashili mit einem leisen Sirren aus der Scheide. Noch in derselben Sekunde durchzieht ein lautes Knallen den Raum, als der helle Schatten seinen linken Arm nach vorne schnellen lässt. Aus den Augenwinkeln bemerke ich, dass sich Robin aufgeschreckt nach der Ursache des Lärms dreht, als auch schon etwas Schlangenähnliches durch die Luft saust – genau auf sie zu. Der Warnschrei bleibt mir in der Kehle stecken, als ich tatenlos mit ansehen muss, wie ihr Körper in der nächsten Sekunde zusammenzuckt. Ihr leises überraschtes Aufkeuchen hallt dabei wie ein Pistolenschuss in meinem Inneren wider. Nein, schießt es mir wieder und wieder durch den Kopf, während blankes Entsetzen meinen Körper zu Eis erstarren lässt und mich jegliches körperliche Gefühl verlässt. Ich kann nicht einmal mehr sagen, ob ich noch den harten lederumwickelten Griff Yubashilis in den Händen halte. Erst als Robin schwankend in die Knie geht, kommt wieder Bewegung in meinen Körper. Doch bereits nach zwei, drei Schritten ertönt abermals ein lauter Knall, so dass ich mehr aus einem Reflex heraus einen Satz zurückspringe, als auch schon etwas Graues vor meiner Nase aufblitzt und wieder verschwindet. Im nächsten Moment wird der Raum von einem lauten Gepolter und Gequietsche erfüllt, als Teile der Aktenschränke zu Boden fallen. Scheiße, fluche ich im Stillen, während ich mich gleichzeitig frage, was das für eine komische Waffe ist, die ständig durch die Luft fliegt und Metall wie Papier schneidet. Als der Raum wieder von einem Blitz erhellt wird, erhasche ich einen besseren Blick auf meinen Gegner, der die weiße Kapitänsuniform der Marine trägt. Käpt´n Morgan Ironwhip, geht es mir sofort durch den Kopf, als mir bewusst wird, wen ich vor mir habe. Kapitel 46: Robin: Decided -------------------------- Mit einem sanften Ruckeln öffnet sich die Schublade, ohne dabei eines dieser nervenden quietschenden Geräusche von sich zu geben, die meine Anspannung jedes Mal in höhere Sphären hebt. So still und leise, wie wir ins Gefängnis eingedrungen sind, so lässt mich der ungewollte Lärm, den wir verursachen, nunmehr an den sprichwörtlichen Elefanten im Porzellanladen erinnern. Aus den Augenwinkeln werfe ich schnell einen prüfenden Blick zur Tür hinüber, die nach wir vor geschlossen ist. Instinktiv weiß ich aber, dass es nicht lange dauern wird, bis wieder eine Patrouille am Raum vorbeigehen wird. Sie werden dann mit Sicherheit auf die Geräusche aufmerksam, sollten wir uns dann immer noch hier aufhalten. Mit leichter Besorgnis nehme ich das leise Zittern meiner Finger wahr, die schnell, aber konzentriert über die Akten fahren. Das ungute Gefühl, das mich bereits beim Anblick der Befestigungsmauern überkam, wächst zusehends und lässt meine Nervenenden vor lauter Anspannung vibrieren. Meine Eingeweide ziehen sich voller Unbehagen zusammen und alles in mir schreit danach schnellstmöglich von hier zu verschwinden. Marco, Whitebeards Kommandant der 1. Division, hat den befehlshabenden Leiter des Gefängnisses, Käpt´n Morgan Ironwhip, als streng und diszipliniert beschrieben. Demnach müsste dieser das Gefängnis dann eigentlich mit einer harten Hand führen. Die Kanonen auf den Mauern und das kontrollierte Verhalten der Soldaten, als sie das brennende Dorf bemerkten, bestätigen diesen Eindruck. Aber warum wird dann das Gebäude vernachlässigt? Diese Frage lässt mir einfach keine Ruhe. Unentwegt geht sie mir durch den Kopf und lässt sämtliche Alarmglocken in meinem Inneren geradezu aufschreien. Und bisher konnte ich mich immer bedingungslos auf meinen Instinkt verlassen. In all den Jahren hat er nicht einmal in meiner unnachlässigen Wachsamkeit versagt. Tief seufze ich auf, während ich mich hin- und hergerissen fühle zwischen meinem untrüglichen Instinkt, der mich vor einer bevorstehenden Gefahr warnt, und meiner Loyalität und Verbundenheit zu meinen Freunden, die ich auf keinen Fall im Stich lassen will. Unter anderen Umständen würde ich dafür sorgen, dass wir sofort unbemerkt von hier verschwinden, zumal dieses Unterfangen schon von Anfang an unter keinen guten Stern gestanden hat. Aber die Frage ist, ob sich uns noch einmal eine solche Gelegenheit bieten würde. Wir sind jetzt schon so weit gekommen … wir sind quasi nur noch einen Schritt von Ruffy und Lysop entfernt … wie können wir da jetzt gehen? Plötzlich halten meine Finger in ihren Bewegungen inne und reißen mich aus meinen Gedanken, als meine Augen im fahlen Licht über einen Namen stolpern. Das Herz klopft mir vor Aufregung, aber auch voller Erleichterung bis zum Hals, während ich die Akte schnell aus der Schublade ziehe. Trotz meiner gespannten Erwartung höre ich hinter mir gleichzeitig ein leises Sirren, das meine Sinne augenblicklich vibrieren lässt. Und obwohl mir dieses leise Geräusch so vertraut ist, dauert es noch eine weitere Sekunde, bis mein Verstand es zugeordnet hat, als auch schon ein lauter peitschender Knall den Raum erfüllt und mein Körper erschreckt zusammenfährt. Schnell wende ich mich der drohenden Gefahr zu, innerlich bereit anzugreifen, als mit einem Male ein Ruck durch meinen Körper geht. Sofort legt sich ein roter Schleier über meine Augen und die Welt um mich herum wird kleiner und kleiner, bis nur noch ein einziges Gefühl zu existieren scheint … Schmerz. Heiß, verzehrend und wild pulsierend fegt er Welle über Welle über mich hinweg, während die Kraft und das Leben langsam aus meinem Körper schwindet. Unter mir geben meine Beine nach und ich sacke kraftlos zu Boden. Nur der Aktenschrank hält meinen Körper davon ab, hart auf den Boden aufzuschlagen, als ich mich schwer gegen das unnachgiebige Metall lehne. Merkwürdigerweise fühle ich mich an den Morgen zurückerinnert, an dem ich zum ersten Mal in meinem Leben mit einem wohlausgereiften Kater aufgewacht bin, nachdem Zorro und ich mit reichlich Alkohol auf unser Wiedersehen angestoßen hatten. An diesem Tag ist mir alles so schwer gefallen … das Denken, die Bewegungen, das Verstehen. Und genauso fühle ich mich jetzt auch. Wie aus weiter Ferne dringen die Geräusche eines Kampfes zu mir herüber, während mein Verstand immer noch versucht zu begreifen, was geschehen ist. Ein unbestimmtes Gefühl drängt mich dazu irgendwas zu tun … mich zu bewegen, doch sämtliche meiner Sinne sind nur auf den Schmerz konzentriert. Ziellos wandern meine Augen über den dunklen Boden vor mir, der teilweise von losen Zetteln bedeckt ist. Sie müssen aus der Akte gefallen sein, geht es mir am Rande meines Bewusstseins durch den Kopf, der sich so anfühlt, als wäre er in Watte gepackt. In meinen Ohren höre ich das rasende Rauschen meines eigenen Blutes und das schnelle verzweifelte Schlagen meines Herzens, während sich eine eisige Kälte in meinem Inneren ausbreitet und ein betäubendes Gefühl meinen Körper langsam von den Füßen beginnend einhüllt. Zittrig und mühsam wandere ich mit der rechten Hand an meiner Seite entlang, um den Quell dieses unerträglichen Schmerzes ausfindig zu machen. Es dauert auch nur wenige Sekunden, bis ich dann keuchend nach Luft schnappe und mir Tränen die Sicht verschwimmen lassen, als meine Fingerspitzen über die Verletzung fahren und einen sengenden Schmerz auslösen, der Explosion für Explosion Elektrostöße aussendet. Instinktiv presse ich meine Handfläche daraufhin auf die Wunde, und trotzdem spüre ich, wie das warme Blut unaufhaltsam zwischen meinen Fingern hindurch rinnt. „Robin!“, höre ich jemanden laut meinen Namen rufen. Die Verzweiflung in der Stimme lässt daraufhin die Räder meines Verstandes sich wieder drehen, wodurch mir siedendheiß der Grund für mein Hiersein wieder einfällt. Sofort richten sich meine Augen auf die losen Blätter am Boden. ‚Strohhutpiraten’ hat auf der Akte gestanden, weswegen sie auch meine Aufmerksamkeit geweckt hatte. Demnach müssen die gesuchten Informationen irgendwo auf den Papieren stehen. Doch bevor ich mit meiner freien Hand nach einen der Zettel greifen kann, knallt es plötzlich so laut, als hätte der Blitz eingeschlagen, gefolgt von dem Geräusch zersplitternden Glases. Sofort weht ein kalter Wind über mich hinweg und fegt die Blätter aus meiner Reichweite. Der Tumult jedoch lässt mich aufblicken. Fest beiße ich daher die Zähne zusammen, während ich meinen müden Körper irgendwie dazu bringe, sich umzuwenden und sich mit den Rücken an den Aktenschrank zu lehnen, damit ich einen besseren Überblick über den Raum bekomme. Aus einem mir unerklärlichen Grund ist die mittlere Fensterfront zerbrochen, durch das der Wind ungehindert hindurchpeitscht und Schnee und Regen hereinweht. Sämtliche meiner Muskeln spannen sich alarmiert an, als sich plötzlich ein schwarzer Schatten hinter einen der Aktenschränke erhebt. Innerlich schöpfe ich nach der letzten verbliebenen Kraft, die mir noch geblieben ist, und bereite mich auf einen Gegenangriff vor, als mehrere Blitze über den tiefschwarzen Himmel ziehen und den Raum in ein helles Licht tauchen. Sofort fällt die Anspannung von mir ab, als ich in dem bedrohlichen Schatten Zorros hochgewachsene Gestalt erkenne, die sich schnellen Schrittes auf mich zu bewegt. Kaum, dass er sich neben mir auf die Knie niedergelassen hat, reißt er mir auch schon in einer einzigen harschen Bewegung die Knöpfe meines Mantels auf, während meine Augen fieberhaft seine gesamte Gestalt mustern. Aber bis auf einige wenige Prellungen im Gesicht und einigen Kratzern unter dem zerrissenen Stoff seiner Jacke, aus denen kaum noch Blut fließt, kann ich keine ernsthaften Verletzungen an ihm feststellen, was mich erleichtert aufseufzen lässt. Mein Aufatmen endet jedoch in ein verzweifeltes Aufkeuchen, als Zorro mit seinen Fingern über meine eigene Wunde fährt, nachdem er mir den Pullover so weit hochgeschoben hat, bis die Verletzung freiliegt. „Verdammte Scheiße!“, höre ich ihn über meine Schmerzen hinweg leise fluchen, während ich meine Hand wieder fest auf die Wunde presse. „Ich bringe dich sofort von hier weg.“ „Nein!“, fahre ich energisch dazwischen und greife mit meiner freien Hand nach seinem Arm, bevor er überhaupt Anstalten machen kann und seine Arme unter meinen Körper schiebt, um mich hochzuheben. Beschwörend blicke ich seinem grimmigen Gesicht entgegen, das aufgrund meines Einwands noch um eine Spur härter wird. „Das ist hier kein Kratzer“, faucht Zorro mich mit vor wutunterdrückter Stimme an. „Die Wunde ist zu tief. Wenn sie nicht sofort versorgt wird …“ Den Rest des Satzes lässt Zorro offen, aber seine Augen, in denen ich deutlich eine tiefe Besorgnis um mein Wohlergehen erkennen kann, sprechen Bände. Fahrig fährt er sich mit beiden Händen durch die kurzen Haare, bevor er seinen Blick dann wieder auf mich richtet. Gerne würde ich ihm die Angst nehmen, die er nur in den seltensten Momenten offen zeigt, und ihm versichern, dass es mir gut geht und ich das ausstehen werde. Doch ich bin mir über die Schwere meiner Verletzung nur allzu genau im Klaren, denn der Blutfluss hat kein bisschen nachgelassen, so dass mir die Worte im Halse stecken bleiben. „Ich habe die Akte gefunden“, antworte ich daher, ohne weiter auf seinen Einwand einzugehen, und blicke richtungsweisend zu den verstreuten Blättern hinüber. „Auf einen der Zettel müsste draufstehen, wo wir sie finden können.“ „Nein, Robin, wir verschwinden von hier!“, hält Zorro sofort dagegen. „Es wird hier gleich nur von Soldaten so wimmeln. Und wenn dieser Ironwhip seinen Flug nach unten überlebt hat, wird er ebenfalls hier aufkreuzen, während du nicht mehr in der Lage bist zu kämpfen, geschweige denn, dass du dich überhaupt auf den eigenen Beinen halten könntest.“ Tränen der Verzweiflung steigen mir in die Augen, aber Zorro hat Recht. Wir haben die Aufmerksamkeit der Soldaten auf uns gelenkt. Daher ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sie hier sind. Und in einem Kampf wäre ich eher hinderlich als eine große Hilfe, da es mir schon schwer genug fällt, mich überhaupt auf unsere Sache zu konzentrieren. Meine Kraft schwindet zusehends, während eine bleierne Müdigkeit meine Sinne einzunehmen droht und mich dazu verlockt, mich dem endlosen Schlaf hinzugeben. Doch meine Zeit ist noch nicht gekommen … sie kann noch nicht gekommen sein. Vieles ist noch unerledigt … Träume und Wünsche haben sich noch nicht erfüllt. Ich kann noch nicht gehen! „Ich kann sie nicht im Stich lassen“, zische ich die Worte zwischen fest zusammengebissenen Zähnen hervor, während ich entschlossen versuche mich vom Boden aufzurappeln. Wenn ich ihm zeige, dass ich alleine laufen kann, wird er leichter ein Einsehen mit mir haben. Doch dieses mühsame Unterfangen gestaltet sich schwieriger als gedacht, da meine gefühllosen Beine meinen Befehlen einfach nicht gehorchen wollen. „Tot nützt du ihnen aber auch nichts!“, hält Zorro nicht weniger entschlossen dagegen und drückt mich mit seinen unnachgiebigen Händen auf meinen Schultern wieder hinab zu Boden. Ein letztes Mal noch bäume ich mich verzweifelt gegen Zorros sture Grimmigkeit auf, da ich merke, dass mir die Kraft für weitere Diskussionen einfach fehlt. Aber auch die Hilflosigkeit in Zorros Augen besagt mir, dass seine Geduld ebenfalls am Ende ist. Wenn ich es jetzt nicht schaffe, ihn noch umzustimmen, ist alles reden sowieso verschwendete Liebesmüh. Denn dann wird er mich packen und mich hier rausschaffen – selbst wenn es bedeuten würde, dass er mich an den Haaren hinauszerren müsste … er würde es tun. „Aber verstehst du denn nicht? Das hier ist unsere einzige Chance sie rauszuholen. Noch einmal bekommen wir eine solche Gelegenheit nicht mehr.“ Sekunden vergehen, in denen er mich einfach nur still ansieht, während draußen vor den Fenstern der Sturm in seiner vollen Stärke wütet und sich Blitz und Donner im Sekundentakt abwechseln. In Zorros Gesicht erkenne ich deutlich seinen inneren Kampf, hin- und hergerissen zwischen seinen Wünschen mich in Sicherheit zu bringen, aber gleichzeitig auch Ruffy und Lysop zu befreien. Eine halbe Ewigkeit scheint zu vergehen, bis Zorro sich endlich wieder rührt und eine Hand fest in meinen Nacken legt. In dem Wissen, den Kampf verloren zu haben, schließe ich niedergeschlagen die Augen, voller Trauer und Bedauern darüber die Chance verpasst zu haben unsere Freunde zu retten. Doch im nächsten Moment schlage ich die Augen wieder auf, als ich völlig überraschend Zorros Lippen auf den meinen spüre. Ein wilder und animalischer Kuss entbrennt zwischen uns, der aus Angst, Furcht und Verzweiflung resultiert – und der niemals zu enden scheint. Tief in den Empfindungen gefangen, die seine warmen Lippen in mir auslösen, ziehe ich ihn an dem Revers seiner Jacke näher zu mir heran, um seine körperliche Wärme an meinem erkalteten Körper zu spüren. Für einen Augenblick gerät alles um mich herum in Vergessenheit. Ich vergesse, wo wir sind … vergesse den Grund für unser Hiersein … vergesse die drohende Gefahr vor den Soldaten … selbst Ruffy und Lysop vergesse ich für den Moment. Nur der Mann in meinen Armen ist alles, was im Augenblick für mich zählt. Er hat das Glück und die Hoffnung in mir wiedererweckt, als ich längst den Glauben daran verloren hatte. Er hat die Einsamkeit aus meinem Inneren vertrieben, die mich über viele Jahre hinweg begleitet hatte. Er hat meinem Herzen wieder Leben eingehaucht, von das ich geglaubt hatte, es nie besessen zu haben. Und er hat mir beigebracht zu lieben und zu vertrauen – Eigenschaften, deren Existenzen ich angezweifelt hatte. Schließlich endet der Kuss doch und atemlos lehnt Zorro seine Stirn an meine. Aus Augen, in denen Trauer und Liebe zugleich geschrieben stehen, sieht er mich festen Blickes an, während sein Daumen sanft und zärtlich über meine Wange streicht. „Also gut“, flüstert er mir mit rauer Stimme zu. „Wir holen sie hier raus.“ Kapitel 47: Zorro: Time ----------------------- Wir, die Strohhutbande, haben uns längst einen Namen auf der Grandline gemacht, wofür letztendlich nicht nur unsere Kopfgelder gesorgt haben. Unsere Abenteuer, die teils wirklich verrückt waren, haben sich auf der ganzen Welt herumgesprochen, obwohl wir noch längst nicht zu den ganz Großen unter den Piraten zählen. Bis dahin ist es für uns noch ein sehr weiter Weg. Und dennoch werden wir bereits gefürchtet. Die nervösen Reaktionen der Soldaten vor mir beweisen es, die ich langsam nacheinander ansehe. Die langen Gewehre liegen zittrig in ihren Händen und ihre dunklen Pupillen sind vor Furcht ganz geweitet. Normalerweise dürfte es einfach für mich werden, diese fünf Gestalten zu überwältigen. Trotzdem gebe ich mich nicht der irrigen Annahme hin, sei seien leichte Beute. Es braucht nur eine gut gezielte Kugel, um mich außer Gefecht zu setzen. Und wenn das passieren sollte, dann ist alles für die Katz. „Legt Eure Waffen nieder und ergebt Euch!“, werde ich von einem schmächtigen Soldaten aufgefordert, dessen Adamsapfel unsicher auf- und abhüpft. Nervös leckt er sich über die Lippen, während sich kleine Schweißperlen auf seiner Stirn bilden. Meine Augen wandern sofort zu seinen Händen hinab, die meine Vermutungen augenblicklich bestätigen. Dieser Kerl hat soviel Schiss in der Hose, dass schon eine unbedachte Bewegung meinerseits ausreichen würde, damit er den Abzug seiner Waffe im Affekt heraus betätigt. Starr wie eine Salzsäule bleibe ich daher regungslos stehen und taxiere die Soldaten erneut. Im Geiste aber sehe ich bereits mein weiteres Vorgehen. Der Soldat zu meiner rechten Seite steht mir am Nächsten. Zwei lange Schritte bräuchte ich, um die Distanz zwischen uns zu überbrücken. Bei ihm dürfte es ein Leichtes sein, ihn dann mit Kitetsu aufzuspießen, sofern ich schnell und überraschend den Angriff starte. Und wenn ich mich dann seitlich von ihm wegdrehe, könnte ich dem nächsten Soldaten noch aus der Bewegung heraus meinen Ellbogen ins Gesicht schlagen und gleichzeitig das Leben des dritten nächststehenden Kameraden mit Yubashili beenden. Damit würden dann noch zwei Soldaten verbleiben, die sich jedoch auf der linken Seite des Flures befinden und somit ein freies Schussfeld auf mich hätten, sobald ihre Gefährten zu Boden fallen. Die Ledergriffe meiner beiden Schwerter knirschen leise in meinen Händen, als ich meinen Griff festige und mich innerlich darauf vorbereite jeden Moment zuzuschlagen. Wenn mein Plan funktionieren soll, muss mein Angriff unvorbereitet kommen, damit sie für den Augenblick zu überrascht sind, um rechtzeitig zu reagieren. „Ich sagte, Ihr sollt Eure …“ Der Soldat von eben ergreift erneut das Wort, nachdem ich keinerlei Anstalten mache seiner Aufforderung nachzukommen. Doch zwei Arme, die unvermittelt aus seinen Schultern wachsen und seinen Kopf in einem unnachgiebigen Griff nach hinten reißen, lassen den Rest seiner Worte in einem gedämpften Röcheln untergehen, bis ein lautes, unangenehmes Knacken durch den Flur hallt. Wenige Sekunden später schlägt der leblose Körper mit gebrochenem Genick dumpf auf den Boden auf, während ich keine Zeit verschwende und die Verwirrung der anderen Soldaten ausnutze, die durch das abrupte Ableben ihres Kameraden entstanden ist. Trotzdem fällt es mir schwer mich auf mein Handeln zu konzentrieren, da sich jede Faser meines Körpers über Robins Nähe nur allzu bewusst ist. Die kalte Angst um sie, die mein Herz in einem klammen Griff fest umschließt, seit Ironwhip sie niedergestreckt hatte, lässt sich einfach nicht abschütteln. Mit jeder Sekunde und mit jeder Minute, die verstreicht, schwindet immer mehr das Leben aus ihrem geschwächten Körper. Ich hätte meinem ersten Impuls folgen sollen und sie von hier wegbringen müssen. Stattdessen jedoch bin ich ihrer verzweifelten Bitte nachgekommen. Aber sie hat ja Recht, so ungern ich das auch zugeben mag. Dies hier ist unsere einzige Chance Lysop noch zu befreien. Ein weiteres Mal werden wir keine Gelegenheit dazu bekommen, denn Winters Island wäre nach diesem Vorfall dann auf jeden Fall vor uns gewappnet. Während ich innerlich weiterhin mit mir am Hadern bin, verkürze ich mit zwei langen Schritten die Distanz zwischen mir und einen der Soldaten, wie ich es mir im Geiste bereits ausgemalt hatte. Kitetsus scharfe Klinge durchdringt anschließend mühelos die nachgiebige Haut, die von weißem Stoff bedeckt ist, während der junge Mann mich aus weit aufgerissenen Augen ansieht, in denen Überraschung und Verwunderung zugleich liegen. Ein Fünkchen Mitleid regt sich in meinem Inneren, wie es immer der Fall ist, wenn ich ein junges Leben auslöschen muss. Doch in der Welt, in der ich lebe, heißt es nun einmal ‚Du oder Ich’. Lange halte ich mich daher nicht mit dem Burschen auf, dessen Lebenswille noch verzweifelt ums hoffnungslose Überleben kämpft, und drehe mich seitwärts von ihm weg. Kitetsu ziehe ich dabei aus der tödlichen Wunde, dessen Klinge nunmehr blutverschmiert ist. Noch aus derselben Bewegung heraus schmettere ich daraufhin dem nächsten Soldaten meinen Ellbogen ins Gesicht, der laut aufschreiend sein Gewehr aus den Händen fallen lässt und sich voll gepeinigter Schmerzen von mir abwendet. Die beiden letztverbliebenen Soldaten haben sich mittlerweile von ihrer Überraschung erholt, wie ich aus den Augenwinkeln bemerke, und stolpern eiligst mehrere Schritte den Gang zurück, bevor sie dann ihre Gewehre auf mich richten und das Feuer eröffnen. Instinktiv werfe ich mich sofort zu Boden, um aus der Schusslinie zu geraten, als der Flur im Sekundentakt immer wieder in ein grellweißes Licht getaucht wird. Doch trotz meiner schnellen Reaktion spüre ich während des Fallens noch, wie meine rechte Schulter zurückgerissen wird, als eine Kugel durch Haut, Fleisch und Muskeln dringt. „Nein!“, höre ich hinter mir Robin so laut aufschreien, dass mir ihre Stimme noch für weitere Sekunden in den Ohren nachhallt und mir das Blut in den Adern gefrieren lässt. Gleichzeitig beobachte ich mit leisem Entsetzen, wie die beiden Soldaten vor mir von unzähligen Armen umschlungen werden, bis nur noch ihre braunen Stiefel zu sehen sind. Wie bei einer Boa Constrictor schlingen sich die Arme fester und fester um ihre beiden Opfer, deren dumpfes Stöhnen und Röcheln immer verzweifelter wird und an Höhe dazu gewinnt, als das erste Bersten von Knochen ertönt. Sprachlos beobachte ich dieses Todesspiel, dem die beiden Soldaten hilflos ausgeliefert sind. Noch nie zuvor habe ich gesehen, dass Robin eine solche Brutalität ausübt, in der sie ihre Gegner langsam und qualvoll sterben lässt. Sonst sind ihre Attacken zwar von ungemeinen Schmerzen erfüllt, dafür aber hatte sie den Tod stets schnell eintreten lassen. In diesem Fall aber kommt der Tod nur sehr langsam, während die Leiber Stück für Stück zerquetscht werden. Schließlich findet das Schauspiel dann doch ein Ende, als kein Laut mehr aus dem Inneren dieser skurrilen Kokons dringt. Und so schnell, wie sie aufgetaucht sind, so schnell verschwinden die Arme auch wieder und geben die beiden Soldaten frei, die leblos und mit völlig verformten Körpern zu Boden fallen. Verwirrt über das, was ich gesehen habe, stehe ich langsam vom Boden auf, während es in meiner Schulter pocht und brennt. Aber da ich in meinen Bewegungen kaum eingeschränkt bin und der Blutfluss eher zäh verläuft, werfe ich nur einen flüchtigen Blick auf die Verletzung, die von geschwärzten und zerfransten Stoff umgeben ist. Anschließend wende ich mich Robin zu, wobei meine Augen auf den Soldaten treffen, den ich für eine kurze Zeit mit dem Ellbogen ausgeschaltet habe. Das pure Entsetzen steht in seinen weit aufgerissenen Augen geschrieben, während diese über die Leichen seiner Kameraden wandern. Sein ganzer Körper ist am Zittern, während sein leichenblasses Gesicht den Anschein erweckt, als sei jegliches Leben daraus gewichen. Aber als er dann nach einer endlos erscheinenden Zeit meinen Blick erwidert, kommt wieder Bewegung in seinen Körper. Zunächst langsam weicht er mehrere kleine Schritte vor mir zurück, bis er sich dann flink umdreht und den Flur auf seinen butterweichen Beinen entlang rennt. Ich kümmere mich nicht weiter um den Flüchtigen und gehe stattdessen eiligen Schrittes auf Robin zu, an deren Seite ich mich auf die Knie niederlasse. Zu geschwächt, um noch auf den eigenen Beinen stehen zu können, ist ihr Körper irgendwann kraftlos an der Wand zu Boden gesackt. Für wenige Augenblicke kann ich nichts anderes tun, als sie nur tatenlos anzusehen. Ich weiß nicht, was ich sagen soll oder tun kann. Noch nie zuvor bin ich mir so hilflos vorgekommen wie in diesem Moment, als meine Augen über ihr viel zu blasses Gesicht hinab zu ihrem Brustkorb wandern, der verzweifelt um jeden angestrengten Atemzug kämpft. Zum ersten Mal in meinem Leben stehe ich einem Feind gegenüber, gegen den ich nichts ausrichten kann. Es heißt ja, Zeit ist ein kostbares Gut. Aber wie kostbar sie wirklich ist, wird mir erst jetzt so richtig bewusst. Man denkt ja eigentlich, dass man alle Zeit der Welt hätte, um seine Träume und Pläne zu verwirklichen. In Wahrheit ist das aber nicht so! Robin und ich haben eine zweite Chance erhalten – so glaubten wir zumindest. Doch jetzt hat es den Anschein, als wären uns nur diese wenigen vergangenen Tage geblieben, die wir überwiegend mit Streitereien verbracht haben. So viel kostbare Zeit ist uns damit verloren gegangen – Zeit, die wir gemeinsam viel besser hätten verbringen können. Zärtlich streiche ich Robin mit zitternder Hand über die Stirn und wische den kalten Schweiß fort. Ja, ich habe Angst … Angst davor, sie zu verlieren. Aber ich schäme mich nicht für meine körperliche Reaktion darauf, wie ich es in der Vergangenheit sicherlich getan hätte. Früher hätte ich es bestimmt als hinderliche Schwäche abgetan, die es sich zu verkneifen gilt. Heute denke ich ein wenig anders darüber, auch wenn es mir nach wie vor noch schwer fällt Gefühle offen zu zeigen – außer bei Robin. In ihrer Gegenwart konnte ich mich schon immer offen und ehrlich zeigen, ohne hinterher befürchten zu müssen als Schwächling abgestempelt zu werden. Auf meine Berührung hin flattern ihre geschlossenen Augenlider, bis sie sich schließlich langsam öffnen und ihre Augen mich müde ansehen. Es presst mir mein Herz zusammen die von einem trüben Blau umgebene Iris zu sehen. „Du wurdest getroffen“, murmelt Robin leise und schwerfällig, so dass ich mich schon anstrengen muss, um ihre Worte überhaupt zu verstehen. „Es ist nichts Ernstes“, antworte ich schnell und streiche beruhigend über ihre viel zu kalte Wange. Die Zeit läuft mir davon und ich weiß nicht, wie ich mich entscheiden soll. Lysop befindet sich irgendwo in der Etage über uns auf der Krankenstation. Im Grunde genommen ist er nur wenige Schritte von uns entfernt. Aber Robin braucht dringend Hilfe und der Rückweg ist lang – und mit Sicherheit auch sehr beschwerlich. Und Shanks – weiß der Teufel, wo er und seine Männer stecken. „Wir schaffen es nicht, oder? Wir können nicht beide zusammen befreien.“ In ihren Augen glitzert es von ungeweinten Tränen, und der Anblick bricht mir das Herz. Gequält schließe ich daher meine Augen und schmiege mein Gesicht an ihre Wange, während ich zu einem Entschluss komme. „Wir schaffen das. Wir beide holen jetzt Lysop hier raus … und Shanks wird sich um Ruffy kümmern.“ Fast bleibt mir die Lüge im Halse stecken. Dass Ruffy gar nicht mehr auf Winters Island ist, weiß Robin noch gar nicht. Ich konnte es ihr nicht sagen, nachdem ich die Worte gelesen hatte. Und ich kann es ihr auch jetzt nicht sagen. Sie würde sofort wissen, was es zu bedeuten hat … dass Ruffy auf dem Weg zu seiner Hinrichtung ist. Dieses Wissen würde ihr den letzten Rest ihres Lebenswillens rauben – und gerade den braucht sie jetzt so dringend. Behutsam schiebe ich meine Arme unter Robins Körper und hebe sie vorsichtig hoch. Ein unwilliges Stöhnen dringt aus ihrer Kehle, als ich meine rechte Hand dabei fest auf ihre Wunde drücke, aus der immer noch ungehindert das Blut fließt. Für weitere Proteste reicht ihre Kraft nicht aus, während ich mich im Geiste frage, wie wir das alles nur schaffen sollen. Kapitel 48: Robin: Promise -------------------------- Zorros ausgreifende Schritte dringen wie ein dumpfes, von weit herkommendes Pochen an meine Ohren. Die weißen Wände ziehen wie ein schwammiges Etwas an mir vorüber, während das matte gelbe Licht der Deckenlampen mir in den Augen brennt. Ich merke, wie ich mich immer wieder der bleiernen Benommenheit hingebe und voller Wohltat die müden Lider schließe. Es ist, als wenn mein Körper nur noch auf Sparflamme arbeitet und mein Gehirn sämtliche Notschalter umgelegt hat, um mich irgendwie noch am Leben zu erhalten. Konzentration und Aufmerksamkeit lassen sich nicht mehr länger aufrechterhalten, wodurch ich den Blick aufs Wesentliche verloren habe. Wobei … eigentlich ist mein Blick auf nichts mehr gerichtet, denn die Wahrheit ist, ich dämmere nur noch vor mich hin. Und dennoch … irgendwo am Rande meines Bewusstseins weiß ich noch, wohin wir gehen … was unsere Aufgabe ist. Alles in meinem Inneren fühlt sich so kalt an, so dass ich mein Gesicht fester an den weichen Stoff von Zorros Jacke schmiege. Ich wünschte mir, er würde mich mit seiner Wärme völlig einhüllen, denn sie ist das Einzige, das ich noch spüren kann. Selbst der Schmerz ist aus meinem tauben Körper verschwunden. Und nicht einmal die starken Arme, die mich tragen, kann ich noch länger fühlen. Das Leben schwindet aus meinem Körper … und viel ist nicht mehr davon übrig. Mühsam öffne ich meine Augen und blicke auf das Gesicht hinauf, das mir so vertraut ist. Seine Augen sind voller Konzentration nach vorn gerichtet. Und trotz meines umwölkten Verstandes entgeht mir nicht der dunkle Schatten, der auf ihnen liegt. Er kennt die Wahrheit bereits! Meine Augen füllen sich mit Tränen, von der sich eine aus meinen Augenwinkeln löst, während sich meine Kehle unnachgiebig zuschnürt und mir das Atmen erschwert. Angestrengt versuche ich meinen freien Arm zu heben, um mit der Hand über seine mit Stoppeln übersäte Wange zu streichen. Doch zu mehr als zu einem schwachen Zucken meiner Finger bin ich nicht fähig. Kurz darauf richten sich Zorros Augen auf die meinen, da ihm wohl meine Körperanspannung nicht verborgen geblieben ist. Seine Kinnpartie spannt sich an und verhärtet sich, als er voller Wut die Zähne zusammenbeißt. „Wage es ja nicht!“, knurrt er mich mit tiefer Stimme an. Irgendwas in meinem Blick muss ihm verraten haben, was mir durch den Kopf geht. Dieser Augenblick … dieser Moment ist eigentlich zum Heulen. Wir hatten eine Chance … und wir haben sie mit unserem dummen Streit vertan. Stattdessen haben wir so viel Zeit verstreichen lassen, die wir hätten gemeinsam verbringen können. Und jetzt? Jetzt habe ich nur noch so wenig davon übrig, dass uns vielleicht nur noch Minuten bleiben. Aber statt in Tränen auszubrechen lächle ich, während mein Herz sich mit Wärme füllt. Schon in der Vergangenheit hatte es Momente gegeben, in denen seine Worte genau diese Wirkung hervorgerufen haben. Momente, in denen ich lieber beleidigt oder wütend sein wollte. „Du tust gerade so, als könnte ich den Tod aufhalten“, antworte ich ihm mit leiser Stimme. Seine Gesichtszüge werden daraufhin weicher, doch Angst und Sorge stehen weiterhin in seinen Augen geschrieben. „Das kannst du auch.“ Seine Stimme ist fest und kräftig, und so voller Gewissheit, als hätte er die Zukunft gesehen. Wo nimmt er nur all die Hoffnung, den Optimismus und die Zuversicht her? Die Zeit verrinnt zwischen unseren Fingern viel zu schnell, als dass wir ihr Einhalt gebieten könnten. Noch immer gilt es Lysop zu finden. Und der Rückweg wird schwieriger und umkämpfter sein als der Hinweg. Nicht zu vergessen, dass draußen ein gewaltiger Sturm tobt und wir mit den Booten noch raus aufs Wasser müssen, um zum Schiff zurückkehren zu können. Es bedeutet Zeit, die ich nicht mehr habe. Mein Körper wird unmöglich so lange durchhalten können. Vorsichtig setzt Zorro mich wieder einmal auf den Boden ab, während ich mich kraftlos an die raue Wand lehne. Prüfend … musternd wandern daraufhin seine dunkelgrünen Augen über mein Gesicht, als wollten sie jedes Detail in sich aufnehmen, bevor sie dann meinen Blick suchen. Seine rauen, leicht schwieligen Hände wandern an meinen Armen hinauf zu meinem Gesicht, um es sanft einzurahmen. „Du besitzt noch so viel Kraft, Robin, dass du nur darauf zurückgreifen musst. Doch du darfst nicht aufgeben. Du musst weiter kämpfen.“ Die Stärke, die ihn umgibt, die Kraft, die hinter seinen Worten liegt … es ist, als würden sie um mich herum schweben und mich wie eine Wolke einhüllen. Sie dringen durch meine Haut, durch mein Fleisch bis in mein tiefstes Inneres … dringen vor bis zu dem Ort, in dem nur Gefühle und Instinkte existieren. Ich fühle, wie sie an meinem Überlebenswillen zerren, ihn aufrichten und bestärken. Gleichzeitig erwacht auch eine zarte Knospe der Hoffnung, während ich Zorro einfach nur ansehe. Er gibt mir Halt, Kraft, Zuversicht, Hoffnung und noch so vieles mehr – und ich weiß, dass ich es schaffen kann. „Diese Kraft wird aber schnell aufgebraucht sein“, gebe ich trotz aller Zuversicht zu bedenken. Doch bevor Zorro mir antworten kann, hallen leise Rufe und Schritte durch den Flur, die sich uns schnell nähern. Ein weiterer Kampf steht bevor – vielleicht mein Letzter. In diesem Moment wird das Gebäude durch eine heftige Explosion erschüttert, auf die in schneller Abfolge noch weitere folgen. Putz rieselt von der Decke herab und die Lampen schwingen an ihren Halterungen hin und her. Shanks, geht es mir augenblicklich durch den Kopf. Das Ablenkungsmanöver hat begonnen, aber wahrscheinlich zu spät. „Ein Leben ohne dich ist kein Leben“, antwortet Zorro mir dann doch, während seine Augen langsam wieder meinen Blick suchen. „So lange du kämpfst, kämpfe ich auch. Und sollten wir untergehen, dann nur gemeinsam.“ Stolz und mit eiserner Entschlossenheit hält Zorro mir geduldig seine Hand entgegen. Innerlich sammle ich meine letzte Kraft zusammen, bevor ich mich dann mit seiner Hilfe auf die Beine ziehe. Wenn irgendwo in meinem Herzen noch irgendwelche Zweifel und Ängste bestanden haben, ob es richtig war, dass ich mich diesem Mann geöffnet und ihn in mein Herz gelassen habe, so wurden sie in diesem Augenblick für alle Zeiten ausgelöscht. Denn in diesem Augenblick möchte ich nirgends woanders sein als an seiner Seite. Hier gehöre ich hin. Mein Herz quillt über von all der Liebe, die ich für ihn empfinde, während ich Zorro dabei beobachte, wie er Yubashili und Kitetsu aus ihren Scheiden zieht und sich kampfbereit in die Mitte des Flures stellt. Seine Augen sind nunmehr auf die Soldaten gerichtet, die allmählich in unser Blickfeld treten. Er wird kämpfen und erst aufgeben, wenn ich aufgebe … das ist sein Versprechen. Kapitel 49: Lysop: Cold ----------------------- KABUMM … KABUMM … KABUMM. Orientierungslos und mit schmerzenden Rippen setze ich mich ruckartig auf meiner Pritsche auf. Den Atem anhaltend, blicke ich mich panisch in meiner kleinen Zelle um, während mir das Herz in einem wilden Tempo bis zum Halse schlägt. Immer wieder erzittern die Wände unter der Wucht der Explosionen, als würde das Gefängnis von einem Erdbeben durchgeschüttelt. Staub und Putz rieseln von der Decke auf mich herab, an der meine einzige Lichtquelle hin- und herpendelt. Draußen auf dem Gang höre ich schnelle Schritte an meiner Zelle vorbeieilen, während aufgeregte Stimmen durch den Flur hallen und Anweisungen geben, die Ärzte in Sicherheit zu bringen. Natürlich - wir Häftlinge bleiben in unseren Zellen uns selbst überlassen. Warum sollte man uns auch in Sicherheit bringen? Unsere Leben sind doch unwichtig, schließlich sind wir nichts weiter als lästige Schmeißfliegen, die hin und wieder zur Belustigung der Soldaten herhalten müssen. Konzentriert spitze ich die Ohren, in der Hoffnung so in Erfahrung bringen zu können, was draußen vor sich geht, während auf dem Flur langsam die letzten Schritte verklingen. Die Explosionen haben nachgelassen, aber immer noch ist ein dumpfes Grollen und Brummen zu hören. Vermutlich handelt es sich dabei um kleinere Detonationen, ausgelöst durch Pulverfässer oder sonst welchen explosionsartigen Gerätschaften, deren Ausmaße jedoch in diesem Teil des Gebäudes nicht zu spüren sind. Könnte es sein, dass das Gefängnis angegriffen wird? Nein, das ist unwahrscheinlich! Selbst für einen Laien wie mich ist es deutlich zu erkennen, wie gut platziert das Gefängnis auf dieser Anhöhe ist. Mögliche Angreifer würden viel zu früh entdeckt werden, so dass sie es gar nicht einmal so weit ins Innere der Anlage schaffen würden. Viel wahrscheinlicher dürfte es eher sein, dass ein Blitz irgendwo eingeschlagen ist. Und anhand der gewaltigen Explosionen vermute ich, dass es sich dabei um das Munitionslager gehandelt hat. Als würde jemand meine Gedanken bestätigen wollen, ertönt irgendwo über mir das tiefe, langsam heranrollende Rumpeln eines Gewitters. Ich staune immer wieder darüber, wie launisch und wechselhaft das Wetter in diesen Gefilden der Grandline ist. So schnell, wie ein Unwetter mit seinen starken Winden und seinem Schnee und Hagel über die Insel hinwegfegt, so schnell verschwindet es auch wieder und hinterlässt warmen Sonnenschein oder eine kristallklare Nacht, als wäre nie etwas gewesen. Nur warme Temperaturen bringt ein solcher Sturm nicht mit – leider. Denn die winterliche Kälte ist allgegenwärtig, weswegen ich eigentlich auch recht froh darüber bin, dass ich mich für den Moment auf der Krankenstation befinde. Hier ist es spürbar wärmer als in den tiefer gelegenen Bereichen, wo sich die Häftlingszellen befinden; und die Kälte sich im kahlen Gestein eingenistet hat und alles durchdringt – die Wände, die Böden, die spärliche Bekleidung, einfach alles. Mühsam rutsche ich an das Kopfende meiner schmalen Pritsche, ohne meine Augen dabei von der Tür zu lassen. Ich weiß nur allzu gut, wie trügerisch diese unheilvolle Stille ist, die stets über diesen unwirklichen Ort liegt. Ironwhip führt das Gefängnis mit eiserner Hand. Und Disziplinlosigkeit wird von ihm unverzüglich und mit voller Härte bestraft, ungeachtet dessen wer man ist. Selbst die Soldaten, die ich bisher noch nie lachen oder scherzen gesehen habe, verhalten sich still und leise, als befürchten sie, die kalten grauen Augen ihres Vorgesetzten dann auf sich gerichtet zu sehen. Aber andererseits wird das Verprügeln und Quälen eines Häftlings von ihm befürwortet – was ein Widerspruch! Ironwhip ist ein leicht einzuschätzender Mann, was ihn aber nicht weniger gefährlich macht. Er liebt es, wenn andere Schmerzen erleiden, ob sie von physischer oder psychischer Natur sind – das spielt dabei kaum eine Rolle. Er genießt es regelrecht den Schmerz in den Augen eines Häftlings zu sehen, und ihn dabei zu beobachten, wie er sich voller Qual windet. Die körperliche Züchtigung überlässt Ironwhip den Soldaten. Angesichts seiner niedrigen Meinung, die er von uns Insassen hat, könnte man meinen, dass er sich an uns nicht seine feinmanikürten Finger schmutzig machen will. Doch die Wahrheit sieht anders aus! Für ihn ist es eine Art Spiel oder sogar eine Form von Kunst den Häftlingen seelische Qualen zu bereiten. Und dieses Spiel beherrscht er perfekt. Er kennt jeden einzelnen Häftling – weiß um seine Vergangenheit, von seinen Taten, von seiner Familie und Freunden. Und dieses Wissen nutzt er gnadenlos aus. Ich weiß nicht, ob das Zufügen solcher Qualen nur zur Belustigung dient oder reine Absicht ist, um uns gefügig zu machen. Denn – bei dem einen früher, bei dem anderen später – kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem der Wille gebrochen wird. Man lernt sich mit seiner Situation abzufinden, wie es bei einem Großteil der Häftlinge der Fall ist, die nur noch ein Schatten ihres eigenen Ichs sind. Anfangs kämpft man noch dagegen an, wehrt sich mit Händen und Füßen, denn es gibt noch Hoffnung im Herzen. Man weiß, man ist nicht alleine. Man hat Freunde, die irgendwo draußen auf der Grandline sind. Sie werden einen herausholen. Sie werden nichts unversucht lassen, um einen zu befreien. Dieser Gedanke ist tröstend, wenn die Schläge Folge für Folge auf einen niederprasseln, und er macht einen stark – bis die seelische Qual anfängt wild um sich zu schlagen. Sie reißt Wunden auf, wo vorher keine waren, und befällt Herz und Verstand. Zweifel breiten sich wie schwarzes Pech in den Gedanken aus und ziehen einen in eine tiefe Finsternis hinab, bis irgendwann der Verstand sich in einem dunklen, lethargischen Zustand befindet, in dem einem nur noch alles egal ist. Dann existiert kein Funken Hoffnung mehr im Herzen. Das Einzige, das verbleibt, ist dann nur noch die Sehnsucht nach Freiheit, die einzig in der Erlösung liegt. Und so hoffe ich stets aufs Neue, dass der nächste Schlag oder der nächste Tritt der Letzte sein würde. Körperlich wie auch seelisch müde lehne ich meinen Kopf an die kalte Wand, während ich versuche die abgewetzte Decke bis zum Kinn zu ziehen. Doch immer wieder rutscht das dünne Leinen aus meinem Griff. Meine Finger sind einfach zu erstarrt, als dass sie sich krümmen lassen. Stattdessen ziehe ich meine Beine an und verschränke die Arme vor der Brust, schließlich bringt es nichts sich so abzumühen. Viel mehr Wärme hätte ich mit der Decke so auch nicht bekommen. Ich kann mich schon gar nicht mehr daran erinnern, was Wärme wirklich bedeutet. Ich kann mich zwar daran erinnern, wie die kugelrunde Sonne auf uns herab schien, als wir durch die Wüste Alabastas gelaufen sind. Doch ich weiß nicht mehr, wie es sich angefühlt hatte. Die Hitze muss unerträglich gewesen sein, denn vor meinem geistigen Auge sehe ich die schweißbedeckten Gesichter meiner Freunde, und wie wir mit erschöpften Gliedern durch den Sand gestapft sind. Der Gedanke an meine Freunde lässt mein Herz schwer werden und mühsam schlucke ich den Kloß in meinem Hals herunter. Genüsslich hatte Ironwhip es mir vor Augen gehalten, dass nichts von unserer Ergreifung an die Öffentlichkeit geraten ist. Niemand weiß etwas davon – und das lässt nur einen Schluss zu. Nami hat es nicht geschafft! Wie hätte sie auch ganz alleine die Flying Lamb manövrieren sollen? Zu viele Handgriffe müssen zur selben Zeit geschehen, als dass es eine einzelne Person schaffen könnte. Obwohl – Robin hätte es vielleicht mit ihren Teufelskräften geschafft. Aber sie ist gegangen – genau wie auch Zorro, Sanji und Chopper. Ob es ihnen wohl gut geht? Denken sie manchmal an uns und an unsere gemeinsame Zeit? Viel ist von der einstigen Strohhutbande nicht mehr übrig geblieben. Das, was uns einst ausgezeichnet hatte, ist mit dem Weggang unserer Freunde zerbrochen. Das zeigt sich schon daran, wie es den Soldaten fast schon mühelos gelungen war, Ruffy und mich zu schnappen. Denn unsere wahre Stärke hat in unserem Zusammenhalt gelegen. Gegenseitig haben wir uns Kraft gegeben, so dass wir selbst das Unmögliche schafften und an den Herausforderungen gewachsen sind. Dabei haben wir immer wieder dem Tod ins Auge geblickt. Und immer wieder haben wir überlebt – und das dank unseres Zusammenhalts. Eigentlich kann ich voller Stolz auf die Zeit mit Ruffy und meinen anderen Freunden zurückblicken. Die Geschichten, die ich einst Möhre, Paprika und Zwiebel erzählt habe, sind während meiner Zeit als Mitglied der Strohhutbande real geworden. Was würden die Drei für große Augen machen, wenn ich jemals die Gelegenheit bekommen sollte, ihnen von meinen Abenteuern zu erzählen. Ich wäre nicht mehr länger dieser feige Prahlhans, der damals durch die Straßen von Syrop Village gelaufen ist und versucht hatte die Bewohner vor einem Piratenangriff zu warnen, den es niemals gegeben hatte. Für sie wäre ich heute ein waschechter Pirat – und das habe ich nur Ruffy zu verdanken. Ohne ihn und seinen verrückten Ideen und Handlungen würde ich selbst vor meinem eigenen Schatten Angst haben. Stattdessen aber habe ich mich meinen Ängsten gestellt und bin an ihnen gewachsen. Plötzlich werde ich aus meinen wehmütigen Erinnerungen an meine Heimat gerissen, als sich leise Schritte meiner Tür nähern. Sofort schießt das Adrenalin durch mein Blut und mein Herz setzt ein paar Schläge aus, bevor es dann in meinem Brustkorb anfängt zu rasen. Ich halte den Atem an, während meine Augen unverwandt auf die Zellentür gerichtet sind. Über dem Gefängnis tobt noch immer das Gewitter. Doch zum ersten Mal nehme ich noch weitere Geräusche wahr, die leise und dumpf durch das Gestein zu mir durchdringen und sich mit dem knallenden Donner vermischen. Und auf einmal bekomme ich das unbestimmte Gefühl, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmt. Mit einem quietschenden Ratschen wird die Verriegelung meiner Zellentür zurückgeschoben und sämtliche meiner Muskeln spannen sich bis zur Schmerzgrenze an. Auch wenn meine Chancen mit all meinen Verletzungen verdammt gering sind, so halte ich mich bereit jederzeit von der Pritsche aufzuspringen, um mich gegen die Angriffe meines Widersachers zu erwehren. Doch als meine Augen auf den Mann treffen, der langsam meine Zelle betritt, fällt meine Gegenwehr sofort in sich zusammen. Sprachlos sitze ich einfach nur da, unfähig auch nur einen zusammenhängenden Gedanken zu fassen, während mein Verstand versucht zu verstehen, was hier gerade passiert. „Wir haben nicht viel Zeit, also kannst du laufen?“ Nicht in der Lage auch nur ein Wort zu sagen, nicke ich Ben Beckman zu. Unzählige Fragen schießen mir durch den Kopf, während ich mir wie ein Idiot vorkomme, der stumm und bedröppelt auf einer abgewetzten Pritsche sitzt. Ich habe fest damit gerechnet, dass Soldaten meine Zelle stürmen würden oder Ironwhip selber hereinkäme. Aber mit so was …? Wie ein Puzzle setzt sich das Geschehen langsam in meinem Kopf zusammen. Meine erste Vermutung, dass das Gefängnis angegriffen wird, war demnach also richtig. Und meine Erretter sind niemand anderer als mein Vater und sein Käpt´n mit dessen Mannschaft. Doch wie ist das möglich? Wie haben sie von meiner Gefangennahme erfahren? Gerne hätte ich Ben danach gefragt. Doch trotz dieser riesengroßen Überraschung ist mir die Dringlichkeit in seiner Stimme nicht entgangen, weswegen ich all meine Fragen zunächst beiseite schiebe und mich auf das Hier und Jetzt besinne. Entschlossen schwinge ich daher meine Beine über die Kante der Pritsche, wobei ich das schmerzhafte Ziehen meiner steifen Gelenke für den Augenblick ignoriere. Eher humpelnd als laufend folge ich dann Ben auf den Gang hinaus, wo ich zunächst mehrmals mit den Augen blinzeln muss, da das Licht hier draußen viel heller ist als in meiner Zelle. Sofort werde ich von einer handvoll Männer flankiert, dessen Minen grimmige und entschlossene Züge aufweisen. Die Narben in ihren Gesichtern sprechen von den unzähligen Kämpfen vergangener Zeiten, weswegen ich mich in ihrer Nähe sofort sicher fühle. Während wir dem Verlauf des Flures mit schnellen Schritten folgen, zieht alles um mich herum wie ein blasser Film an mir vorüber. Meine Augen sind fest auf den Rücken Ben Beckmans gerichtet und ich konzentriere mich darauf einen Schritt vor den anderen zu setzen. Doch meine Gedanken sind ganz und gar auf die baldige Freiheit gerichtet, von der ich nie geahnt hätte sie jemals wieder erleben zu dürfen. So passiert es, dass ich plötzlich in Ben hineinstolpere, als er unvermittelt stehen bleibt. Seine Männer haben unlängst ihre Waffen gezogen und rennen an mir vorbei, um sich ins Kampfgetümmel zu schmeißen, das vor uns liegt. „Bleib unten!“, befiehlt mir Ben mit strenger Stimme, kaum dass er mich zu Boden gestoßen hat und die ersten Kugeln durch die Luft fliegen. Instinktiv versuche ich mich so klein wie möglich zu machen und schütze meinen Kopf mit den Armen. Wie eine undurchdringliche Mauer haben sich Soldaten vor uns positioniert und schießen mit ihren Gewehren auf uns. Schreie und Schüsse hallen durch den Flur, der langsam von dem Rauch verbrannten Schießpulvers eingehüllt wird. Doch in all dem Chaos entgeht mir nicht Ironwhips Antlitz, das hin und wieder hinter der Reihe der Soldaten aufblitzt. Seine Augen sind jedoch nicht auf uns gerichtet und mir wird klar, dass dort hinten irgendetwas vor sich geht. Auf meinen Unterarmen aufgestützt, robbe ich langsam an der Wand auf die Soldaten zu. Da der Gang bereits von einigen Leichen gesäumt ist, haben die Soldaten keinen einzigen Blick für mich übrig und konzentrieren sich stattdessen auf Ben und seine Männer. Stück für Stück nähere ich mich der menschlichen Mauer, wodurch mein Blick zwischen den Beinen hindurch immer klarer wird, bis meine Augen auf einen am Boden liegenden Körper fallen. Obwohl die dunklen Haarsträhnen einen Großteil des Gesichtes verdecken, erkenne ich es sofort, und mir stockt voller Entsetzen der Atem. Ungeachtet der drohenden Gefahr um mich herum, verdopple ich meine Anstrengungen, so dass ich Robin bereits nach wenigen Sekunden erreiche. Stumm formen meine Lippen Worte der Hilflosigkeit, als ich sie sanft an der Schulter fasse. Ihre Lider fangen leicht an zu zittern, ohne dass sich ihre Augen dabei öffnen. Dennoch reicht die winzige Bewegung aus, dass sich eine tiefe Erleichterung in meinem Körper ausbreitet und ich den angehaltenen Atem mit einem zischenden Laut ausstoße. Kurz darauf weckt Ironwhips kalte Stimme meine Aufmerksamkeit und meine Augen wandern hinauf. Regungslos beobachte ich die beiden Kontrahenten, die sich einen scheinbar erbarmungslosen Kampf liefern, während sich Freude, Hass, Überraschung und Wut in meinem Inneren abwechseln. Immer wieder züngelt Ironwhips Peitsche wie eine Schlange auf Beutefang über den glatten Boden hinweg und die dunklen Klingen von Zorros Schwertern durchschneiden die Luft. Unerbittlich umkreisen sie sich wie zwei unruhige Raubkatzen, ohne dabei in ihrer Wachsamkeit nachzulassen. Ein jeder von ihnen hofft auf einen Fehler des anderen, um so eine Lücke in der Verteidigung ausmachen zu können. Fieberhaft suche ich nach einer Möglichkeit, wie ich Zorro helfen kann, als mein Blick zurück auf Robin fällt. Ihr Gesicht ist blass, beinahe schon durchscheinend, als wäre kaum noch Leben in ihr. Voller Staunen erkenne ich, dass sie bereit ist ihr Leben für meines zu geben. Wir haben zwar oft gesagt, dass wir füreinander sogar bis in den Tod gehen würden. Doch das waren nur Worte, über die wir nie groß nachgedacht haben. Erst jetzt, während ich auf das Gesicht Robins hinabblicke, wird mir die Bedeutung dieser Worte so richtig bewusst – und wie groß dieses Opfer letztendlich ist. Mühsam schlucke ich den Kloß in meinem Hals hinunter, während sich eine grimmige Entschlossenheit in meinem Inneren ausbreitet. Ihr Opfer – wenn es denn so kommen sollte – soll nicht umsonst gewesen sein. Nicht mehr länger auf meine eigene Sicherheit bedacht, rutsche ich daher auf den Knien zum leblosen Körper eines Soldaten hinüber. Kalten Herzens entreiße ich das Gewehr aus seinen Händen, mit dem er zuvor vergeblich versucht hatte seine eigene Haut zu retten, und ignoriere seine geöffneten Augen, die dem Tod voller Entsetzen entgegenblicken. Fachkundig und schnell befülle ich anschließend die Waffe mit dem Schießpulver, das wenige Sekunden vorher noch am Gürtel des Toten gehangen hatte. Doch bevor ich die Lunte anzünde, halte ich noch einmal kurz in meinen Bewegungen inne und schöpfe innerlich nach Kraft und Ruhe. Mir ist durchaus bewusst, dass ich nur einen Schuss habe, der unbedingt treffen muss. Eine weitere Gelegenheit werde ich danach wahrscheinlich nicht mehr haben, da dann die Aufmerksamkeit der Soldaten auf mich gerichtet sein wird. Schließlich setze ich das obere Ende der Lunte mit einem Feuerstein in Brand und lege das Gewehr an. Mit ruhigen Händen richte ich den Lauf auf mein Ziel und warte geduldig auf den passenden Moment. Genau in dem Augenblick, als Zorro einen Ausfallschritt vollführt und mir die Sicht auf Ironwhip freimacht, betätige ich den Abzug. Kapitel 50: Zorro: Closed eyes ------------------------------ Die Haut unter meinen Fingern ist kalt. Die Wangen haben einen fahlen Ton angenommen. Selbst die Lippen schimmern bereits bläulich. Krampfhaft versuche ich einen Teil meiner mentalen Stärke auf Robin zu übertragen, während ich mit einer Hand sanft an ihrer Wange herab streiche, bis mein Daumen auf ihren Lippen zu liegen kommt. Ihr Atem ist kaum zu spüren, so zart ist er – wie ein Hauch im Wind. Aber er ist da! Dennoch breitet sich die kalte Gewissheit in meinem Inneren aus. Die Gewissheit darüber, den Kampf gegen die Zeit verloren zu haben. „Weiter, weiter!“, höre ich irgendwo hinter mir die Stimme von Shanks brüllen, während ein kleiner Teil seiner Männer, die uns begleitet haben, schnellen Schrittes an mir vorbei eilen und dem Gang vor uns zum Ausgang folgen. Von irgendwo in den Räumen über uns ertönen immer wieder Schüsse und Schreie, die mir am Rande meines Bewusstseins verraten, dass der Kampf mit den Soldaten noch immer kein Ende gefunden hat. Ihr Wille, das Gefängnis zu beschützen und zu sichern, ist nach wie vor ungebrochen, was wohl der strengen Hand Ironwhips geschuldet ist. Aber vielleicht hat sich sein Tod unter den Soldaten auch noch gar nicht herumgesprochen? Ich erinnere mich, wie ich vollkommen überrascht auf den Leichnam Ironwhips hinab gestarrt hatte. In Erwartung, die schneidende Spitze der eisenharten Peitsche auf mich zufliegen zu sehen, hatte ich während meiner Körperdrehung Yubashilis Klinge erhoben, um den Angriff abzuwehren, als Ironwhip völlig unerwartet in die Knie gesackt war. Dieselbe tiefe Überraschung, die vermutlich auch in meinen Augen gestanden hatte, war nun für alle Zeiten in seinem trüben Blick geschrieben. Was danach alles geschehen ist, vermag ich nicht zu sagen. Ich kann nicht einmal sagen, wie ich es überhaupt bis hierher zurück in die Kanalisation geschafft habe. Ich weiß nur noch, wie ich nach dem Kampf mit Ironwhip Robin voller Angst in meine Arme genommen hatte. Sie war mir so leblos erschienen, dass ich bereits das Schlimmste angenommen hatte. Sie hatte sich kein bisschen geregt … kein Flattern ihrer Augenlider … kein unwilliges Stöhnen … nicht einmal ein Zucken ihrer Finger, als ich ihre Hand in meine genommen hatte. Der einzige Hinweis, dass sie innerlich noch immer ums Überleben kämpft, zeigt sich in ihren – zugegeben – recht schwachen Atemzügen. Aber mehr braucht es nicht, um meine Hoffnung aufrecht zu erhalten. Doch für wie lange noch? Wie lange noch, bis Robin sich dem Tod geschlagen geben muss? „Gib nicht auf“, wispere ich fast lautlos an ihr Ohr, während ich versuche die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. Ihre Haut ist an meiner Wange so erschreckend kalt, dass ich sie noch fester in die Arme schließe, als würde meine Körperwärme ausreichen, um sie am Leben zu halten. Viel mehr kann ich im Augenblick nicht für sie tun, obwohl ich nichts lieber tun würde, als an ihrer Stelle ihren Kampf austragen zu können. „Gehen wir!“ Als Bens feste Stimme durch den Tunnel hallt, stehe ich mit Robin in den Armen langsam auf. Ihr Kopf sackt daraufhin kraftlos gegen meine Schulter und ich beiße die Zähne fest aufeinander, während die eisige Furcht wieder nach meinem Herzen greift. Ich muss weiterhin hoffen … weiterhin beten … weiterhin stark sein, dass es noch nicht zu spät ist. Den Blick nach vorn auf Bens straffen Rücken gerichtet, laufe ich ihm mit schnellen, ausgreifenden Schritten nach. Shanks sowie einige seiner Männer sind zurück geblieben, um uns den Rücken so lange wie möglich freizuhalten. Doch der Kampfeslärm hinter uns wird immer lauter und auch hektischer, was mich vermuten lässt, dass die Soldaten uns ganz dicht auf den Fersen sind. „Mach jetzt nicht schlapp“, rufe ich Lysop zu, der sichtlich Mühe hat mit mir Schritt zu halten. Humpelnd läuft er neben mir her, wobei er immer wieder auf dem unebenen Weg ins Stolpern gerät. Zudem fällt es ihm immer schwerer die Beine zu heben, was mir besagt, dass Lysop bereits an seinen letzten Kraftreserven zehrt. Doch trotz seines äußeren Erscheinungsbildes, das Zeugnis darüber spricht, was ihm alles in diesem Höllenloch von Gefängnis widerfahren ist, hält sich mein Mitleid für ihn in Grenzen. Jetzt heißt es nur noch die Zähne zusammenzubeißen, damit wir noch heil aus dieser Sache herauskommen können. Nach einer halben Ewigkeit, wie mir scheint, erreichen wir dann schließlich den Ausgang. Noch immer tobt der Sturm über der Insel und der eisige Wind peitscht uns Schnee und Eisregen in die Gesichter, die sich wie spitze Nadeln anfühlen, kaum dass wir ins Freie getreten sind. Währenddessen blitzt und donnert es über unseren Köpfen so heftig, dass der Boden unter unseren Füßen unter der gewaltigen Wucht jedes Mal erzittert. Ben verschwendet keine Zeit und lässt die Männer, die uns begleitet haben, mehrere Meter vor dem Zugang Stellung beziehen. Aufmerksam beobachte ich sie, wie sie in stummer Absprache ihre Schusswaffen mit Schießpulver füllen, bevor sie diese dann auf den Eingang richten und darauf warten, dass sich der erste Soldat zeigt. „Ihr beide lauft zu den Booten!“, ruft Ben mir über den Wind hinweg mit kräftiger Stimme zu und weist mit einer Hand zum Wald hinüber, der in dem dichten Schneegestöber nicht mehr auszumachen ist. Verstehend nicke ich, obwohl ich mir sicher bin, dass Shanks´ Vize diese winzige Bewegung über die Entfernung hinweg sicher nicht erkennen kann. Gleichzeitig aber setze ich mich in Bewegung, wobei mir Lysop auf dem Fuße folgt. Allerdings kommen wir viel langsamer voran, als mir eigentlich lieb ist. Der Schnee liegt mittlerweile höher, als noch bei unserem Hinweg, so dass mir bei jedem Schritt das weiße Pulver bis weit über die Fußknöchel geht. Und der Wind drückt so stark gegen meinen Körper, dass ich Mühe habe gegen ihn anzukommen. Prüfend werfe ich einen Blick auf Lysop zurück, der sich mehrere Schritte hinter mir befindet. Verbissen kämpft er sich durch den Schnee, trotz seiner mehr als spärlichen Kleidung, die ihn kein bisschen vor dem schneidenden Wind schützt. Kurz entschlossen stelle ich Robin, die nach wie vor kein Lebenszeichen von sich gibt, auf die Beine und stütze sie nur mit meinem Körper, während ich mich meiner Jacke entledige. Aus zusammengekniffenen Augen blickt Lysop mich zunächst fragend an, als ich ihm meine Jacke hinhalte. Doch bereits nach wenigen Sekunden blitzt das Verstehen in seinem Blick auf, bevor er sie sich mit steifen Bewegungen über seinen viel zu mageren Körper zieht. Währenddessen blicke ich zurück zum Gefängnis, in der Hoffnung bekannte Gesichter zu sehen, die uns eiligst folgen. Stattdessen aber sehe ich dort, wo sich meiner Vermutung nach der Kanalisationszugang befindet, wie es in dem dichten Schneetreiben immer wieder hell aufblitzt. Angestrengt lausche ich in den Sturm hinein, und tatsächlich meine ich wie aus sehr weiter Ferne Kampfeslärm auszumachen. Doch der Wind rauscht so laut an meinen Ohren vorbei, dass ich es nicht mit Sicherheit sagen kann. Dennoch hoffe ich inbrünstig, dass Shanks und seine Männer sich gegen die Übermacht an Soldaten behaupten können, und uns sehr bald nachkommen werden. Gerade, als ich mich von dem Geschehen abwenden will, sehe ich, wie sich etwas Dunkles wie ein schwarzes Schemen aus dem dichten Schnee abzeichnet. Abwartend bleibe ich daher stehen, als, mehr fühlend als sehend, eine Pistolenkugel nur haarscharf an meinem Gesicht vorbeischießt. Augenblicklich lasse ich mich zu Boden fallen, wobei ich Lysop mit einer Hand an der Jacke mit hinabreiße, der mich überrascht, aber auch fragend ansieht. „Bleib unten!“, befehle ich ihm mit lauter Stimme ganz nah an seinem Gesicht, damit er mich über den Wind hinweg auch wirklich versteht. Ohne auf eine Antwort zu warten, springe ich dann auch schon im nächsten Moment wieder auf die Beine und renne in gebückter Haltung den Soldaten entgegen, die sich scheinbar unbemerkt aus dem Kampfgetümmel lösen konnten. Innerlich verbiete ich es mir, noch einen Blick zurück auf Robin zu werfen, weiß ich ganz genau, dass meine Aufmerksamkeit dann von Sorge überschattet wäre, und ich wäre nicht mehr in der Lage, mich voll und ganz auf den Kampf zu konzentrieren. Innerhalb weniger Sekunden erreiche ich den ersten Soldaten. Und noch bevor er weiß, wie ihm geschieht, hat die weiße Klinge Wado-Ichi-Monjis seinen schmächtigen Körper auch schon durchdrungen. Ich warte gar nicht erst ab, bis der leblose Körper rücklings in den Schnee fällt, sondern wende mich sofort meinem nächsten Gegner zu, der mit zittrigen Händen sein Gewehr auf mich richtet. Im nächsten Augenblick jedoch fällt ein Teil des vorderen Laufes herunter zu Boden, als Yubashili durch das Gewehr gleitet, als bestünde es nur aus Papier. Gleichzeitig lasse ich erneut Wado-Ichi-Monji durch die Luft sausen, bis kalter Stahl auf weiches Gewebe trifft. Schon sehr bald ist der Schnee um mich herum blutrot gefärbt, während ich einen Soldaten nach dem anderen ausschalte. Doch noch immer nimmt die Anzahl der Angreifer nicht ab. Eher wird ihre Zahl immer größer, bis ich schließlich realisiere, dass die Soldaten Shanks und seine Truppe nach und nach bis zu Lysop und mir zurückgedrängt haben. Sogar die Luft um mich herum ist bereits erfüllt von Schüssen, Explosionen, Schreie, Rufe und dem Geruch von Schießpulver, ohne dass ich es so wirklich bemerkt habe. Augenblicklich sehe ich mich auf dem Schlachtfeld nach Robin um. Doch ihren Körper kann ich nirgends ausmachen, weswegen eine leichte Panik in mir aufsteigt. Und je mehr Zeit verstreicht, ohne dass ich sie irgendwo entdecke, desto wilder und hektischer blicke ich mich nach allen Seiten um, bis ich blind gegenüber alles und jedem zwischen all den kämpfenden Piraten und Soldaten herumlaufe. Längst habe ich den Überblick darüber verloren, wer Freund oder Feind ist, vermischen sie alle sich zu einem gesichtslosen, schwammigen Etwas. Und zu guter Letzt habe ich schließlich auch noch die Orientierung verloren, so dass ich nicht einmal mehr sagen kann, in welcher Richtung der Wald oder das Gefängnis liegen. Plötzlich höre ich direkt hinter mir ein lautes Knacken, das so unangenehm ist, dass mir ein eisiger Schauer den Rücken herunter rieselt. Hastig drehe ich mich um, wobei ich den Griff um Yubashili festige, bereit jederzeit die Klinge erneut zum Singen zu bringen. Ein Soldat mittleren Alters war unbemerkt hinter mich getreten. Bevor er mir aber hinterrücks sein Schwert in den Rücken jagen konnte, haben ihn unzählige Arme an seinen Extremitäten gepackt, und seinen Oberkörper so weit nach hinten gekrümmt, dass sein Rückgrat irgendwann nachgegeben hat und brach. In dem Moment, in dem ich mich zu ihm umdrehe, sehe ich noch, wie das Leben aus seinen Augen schwindet, bis nur noch ein stumpfer Ausdruck verbleibt und sie von einem leicht milchigtrüben Schimmer überzogen werden. Sofort blicke ich über den toten Körper hinweg zu Robin. Eine tiefe Erleichterung breitet sich in meinem Inneren aus und ich habe das Gefühl, dass mir eine zentnerschwere Last von den Schultern genommen wird, habe ich sie doch endlich gefunden. Doch in der nächsten Sekunde überkommt mich wieder die Sorge um sie. Von irgendwoher hat sie noch die Kraft genommen, sich auf ihre Knie aufzurichten, jedoch nicht ohne sich dabei mit einer zittrigen Hand vom Boden abzustützen. Dennoch schenke ich ihr ein kurzes Lächeln, während ihre Arme, die den Soldaten noch immer in ihrer tödlichen Umarmung gefangen halten, wie von Zauberhand verschwinden. Und plötzlich bleibt die Zeit stehen! Schreie, Schüsse, Explosionen … all das rückt in weite Ferne. Aus den Augenwinkeln bemerke ich eher nebenbei, wie der leblose Körper des Soldaten dumpf auf den verschneiten Untergrund fällt. Wie gebannt blicke ich auf Robins Lippen, die sich lautlos bewegen, und eine eiskalte Hand greift nach meinem Herzen, während sich die blauen Augen schließen und der Körper wie in Zeitlupe zur Seite in den Schnee sackt. Langsam setze ich einen Fuß nach vorn … dann den anderen … immer schneller werdend … und schneller … und schneller, bis ich über den Schnee zu fliegen scheine. Ich bemerke nicht, wie Yubashili irgendwo hinter mir zu Boden fällt … auch nicht, wie Kitetsu und Wado-Ichi-Monji ihm folgen. Ich bemerke nichts mehr um mich herum … nicht die Männer, an denen ich vorbeilaufe … nicht das Blut, das den Schnee tiefrot färbt … nicht den Schießpulvergeruch, der die Luft unerträglich schwer macht, trotz des nie enden wollenden Windes. Auf nichts anderes mehr ist meine Aufmerksamkeit gerichtet, als auf die Frau, die sich einfach nur strahlend schön vom weißen Schnee abhebt. „Nein, nein, nein, nein“, murmle ich die ganze Zeit vor mir her, während ich innerlich bete und hoffe. Meine Atmung ist schwer und abgehackt … meine Kehle wie zugeschnürt. Ich spüre, wie eine unnatürliche Kälte sich in meinem Inneren ausbreitet … ausgehend vom Herzen. Mit den Füßen voran rutsche ich die wenigen Meter, die mich noch von Robin trennen, durch den Schnee und komme direkt neben ihr zu Liegen. Eine bange Angst lässt mich für einen kurzen Moment zögern, bevor ich schließlich mit einer zitternden Hand über Robins viel zu kalter Wange streiche. Doch nichts geschieht. Kein Flattern ihrer Augenlider. Keine Atemwölkchen, die sich unter ihrer Nase bilden. Kein Heben und Senken ihres Brustkorbs. Nur ein … Nichts. „Nein!“, flüstere ich mit leiser, gebrochener Stimme und voller Unglauben im Herzen, was mein Verstand schon von dem Moment an begriffen hat, als sich ihre Augen geschlossen haben … für immer. Doch immer und immer wieder streichle ich ihr über die Wange, voller Hoffnung auf irgendeine Regung. Alles nehme ich dabei von ihr wahr … jeder Schatten, jede Wölbung, jede Kontur ihres Gesichtes, das ich selbst im Schlaf nachzeichnen könnte. Vorsichtig, als könnten meine Berührungen sie wie Glas zersplittern lassen, umfasse ich ihre Schultern, um ihren Oberkörper sanft aufzurichten. Kraftlos fällt daraufhin ihr Kopf nach hinten in den Nacken … und nun begreift auch mein Herz die alles vernichtende Wahrheit. Unfähig auch nur einen Muskel zu rühren, blicke ich auf Robin hinab, während sich ein riesiger Stein in meiner Brust bildet. Meine Sicht verschwimmt vor meinen Augen, als sich dann wie eine Explosion ein gutturaler Schrei meiner Kehle entringt. Meine Stimme hallt weithin über das Schlachtfeld und übertönt sämtliche Geräusche. Wie ein tiefes, schwarzes Loch scheint sie alles zu verschlucken, doch noch immer kann ich nicht aufhören. Ich lege alles in diesen Schrei hinein … mein Schmerz … meine Verzweiflung … meine Wut … meine Hoffnung … meine Trauer … meine Liebe. Nach endlos langen Minuten sacke ich schließlich zusammen … ausgebrannt … kraftlos … leer. Und trotzdem werden mein Körper, mein Verstand, mein Herz und meine Seele weiterhin von diesem alles verzehrenden Schmerz gepeinigt. Heftige Schluchzer erschüttern meinen Körper, als wollen sie ihn in Stücke reißen. Meine Kehle und meine Brust schmerzen von dem tiefschwarzen Druck der Trauer, die keinerlei Erlösung zu finden scheint. Währenddessen ziehe ich Robin in eine feste Umarmung an meine Brust und vergrabe meinen Kopf an ihren Hals. „Tu mir das nicht an“, flüstere ich schließlich mit rauer Stimme, die vollkommen fremd in meinen Ohren klingt, als mir ihr unverwechselbarer Geruch in die Nase steigt. „Du darfst mich nicht verlassen … nicht jetzt … nicht heute. Wir haben uns doch erst wieder gefunden, da kannst du nicht einfach wieder gehen.“ Prüfend schaue ich auf, betend und hoffend, es sei nur ein Traum … eine Illusion … eine Halluzination … irgendwas … nur nicht die bittere Wirklichkeit. „Bitte … ich brauche dich doch … bitte … mach deine Augen auf. Lass mich deine wunderschönen Augen sehen, bitte.“ Flehend, bettelnd entringen sich mir die Worte. Dabei ist es mir egal, ob ich mich wie ein Baby anhöre … wie ein weinerliches Kind. Es ist mir egal, ob mich wer so sieht. Mir ist alles egal … der schneidende Wind, der meine Kleidung durchdringt … die eiskalte Nässe des Schnees unter mir. Es hätte jetzt sogar ein Soldat hinter mir stehen können, der mit der Spitze seines Schwertes auf meinen Rücken zielt. Ich würde mich nicht dagegen wehren. Warum auch? Schließlich hat mich das Leben verlassen … für immer und unwiderruflich. Denn Robin ist tot. Kapitel 51: Lysop: Weak and strong ---------------------------------- Er wird in diesem Augenblick nach Mary Joa gebracht. Immer und immer wieder hallen die Worte durch meinen Kopf, seit Zorro Bens Frage nach Ruffys Verbleib beantwortet hatte. Seine Stimme war zwar ausdruckslos gewesen, doch seine Miene war grimmig und hart. Und ich brauchte nicht zu fragen, was die Worte zu bedeuten haben. Ein jeder von uns hat es verstanden. Selbst die Gesichter der Männer waren entsetzt und betroffen zugleich. Irgendwie ist es Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet Ruffy in derselben Stadt wie Gol D. Roger, wahrscheinlich sogar noch an demselben Platz, sein Ende finden soll. Aber warum? Diese Frage will mir einfach nicht aus den Sinn. Ist Ruffy denn wirklich eine so große Bedrohung? Wir haben doch bisher eigentlich kaum etwas erreicht – schon gar nicht, nachdem unsere Mannschaft auseinanderbrach. Und es gibt Piraten, die gefährlicher und stärker sind als Ruffy. Man nehme nur das Gefängnis von Impel Down. Wie viele Leute sitzen darin, die einen nur schief ansehen müssen, um sofort tot umzufallen? Oder ist es Ruffys Einfluss, den die Weltregierung fürchtet? Denn es ist nicht zu leugnen, dass Ruffy nicht dem typischen Bild eines Piraten entspricht. Er mordet und plündert nicht oder zerstört ganze Städte. Er giert nicht nach Macht oder Reichtum. Stattdessen hilft er notleidenden Menschen wie damals den Bewohnern von Kokos oder Alabasta. Es ist sein Gerechtigkeitssinn, mit dem er es schafft, die Menschen in seinen Bann zu ziehen. Wie würde die Welt wohl aussehen, würde es Ruffy schaffen Piratenkönig zu werden? Wenn er nicht nur Piraten um sich scharen würde, sondern auch ganze Länder? Ein Wort von ihm würde ausreichen, und ganz Alabasta oder die Himmelsbewohner von Skypia würden hinter ihm stehen. Und vielleicht ist es das, was die Weltregierung fürchtet – die Fähigkeit Menschen auf seine Seite ziehen zu können, ohne dabei Gewalt oder Druck auf sie ausüben zu müssen. Aber vielleicht will sie auch nur einfach ein Exempel an Ruffy statuieren, um der Welt zu zeigen, dass ihre Justiz vor niemandem Halt macht. Doch was auch immer der Grund letztlich sein mag, sie haben gewonnen – so oder so. Die Strohhutbande ist an sich selbst zerbrochen. Da können Zorro, Shanks, Ben und die anderen noch so verbissen kämpfen – es gibt keine Hoffnung mehr für uns. Robins durchscheinende Haut ist Beweis genug dafür. Ihr Leben hängt nur noch am seidenen Faden. Und selbst wenn es uns gelingen sollte den Weg durch diese Übermacht an Soldaten freizukämpfen und von der Insel zu entkommen, wenn irgendjemand Robins Leben noch im letzten Augenblick retten kann – für Ruffy jedenfalls käme jede Rettung zu spät. Und ohne ihn kann es keine Strohhutbande geben. Was bringt es also noch zu kämpfen? Wofür also die ganzen Bemühungen, wenn es doch sowieso aussichtslos ist – wenn es zu nichts führt? Noch während mir diese Gedanken durch den Kopf rasen, blicke ich mich um. Vor mir breiten sich entsetzliche Bilder aus, die mich sicherlich noch bis in meine Träume hinein verfolgen werden. Verbissen und unnachgiebig bekämpfen sich Soldaten und Piraten gleichermaßen mit Gewehren, Pistolen und Säbeln. Hier und dort liegen leblose Körper auf den Boden, die durch den heftigen Schneesturm schnell eingeschneit werden. Der Schnee selber ist stellenweise rot gefärbt, und immer wieder und wieder blitzt es um mich herum grell auf, sobald jemand einen Schuss aus seiner Waffe abgibt. Doch der Lärm ist weitaus schlimmer – lauter, grässlicher und viel entsetzlicher als der Sturm, der über uns tobt. Kampfesgeheul und Schmerzensschreie vermischen sich zu einem schrecklichen Kreischen, das von Schüssen und dem Klirren von Stahl begleitet wird. Wir werden sterben! Die Gewissheit breitet sich in meinem Inneren aus, kaum dass mir die Worte durch den Sinn gehen. Es ist aussichtslos. Die Anzahl der Soldaten scheint kein Ende nehmen zu wollen. Sobald einer von ihnen fällt, tauchen auch schon drei weitere auf. Und die Piraten werden immer weiter zurückgedrängt und ihre Reihen gnadenlos gelichtet. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Soldaten gesiegt haben. Entweder werden wir dann alle tot sein oder der Rest von uns hat sich ergeben. Aber will ich das? Zögernd wende ich mich von dem Kampfgeschehen ab und blicke hinüber zum Waldrand, der sich mit seinen kahlen Bäumen schemenhaft durch das dichte Schneetreiben abzeichnet. Wenn die Soldaten mich ergreifen, würde die Folter von neuem beginnen. Sie würden mich treten und schlagen und meinen Körper so lange malträtieren, bis ich alles vergessen habe und nur noch ein Schatten bin, wie all die anderen Gefangenen, die sich in ihr trostloses Leben ergeben haben. Ich wäre nichts weiter mehr als ein gesichtsloses Individuum … ein namenloses Etwas, dass sich nicht mehr von den anderen Insassen unterscheiden würde. Daher wäre dies meine Chance, dem zu entkommen. Ich könnte mich unbemerkt davonstehlen und niemand würde es bemerken, da die Männer viel zu sehr in ihre Kämpfe verwickelt sind. Die Bäume würden mir auf meiner Flucht ausreichend Schutz bieten, bis … Ja, bis was? Bis der Kampf vorüber ist oder ich einen Ort gefunden habe, an dem ich mich verstecken kann? Aber für wie lange? Diese Insel liegt ganz in den Händen der Marine. Es gibt hier keinen Ort, an dem ich mich lange vor den Soldaten verstecken könnte. Es gibt kein Entkommen! Kaum, dass mir die Erkenntnis bewusst wird, werde ich plötzlich von den Füßen gerissen, als für wenige Momente die Nacht zum Tag wird. Irgendetwas ist nur wenige Meter von mir entfernt in den Boden eingeschlagen und zu einem kugelrunden Feuerball explodiert. Sofort werde ich von dunkelschwarzem Rauch eingehüllt, der in meinen Lungen ein beißendes und kratzendes Gefühl verursacht und irgendwie nach Eisen schmeckt. Hustend spucke ich den widerlich schmeckenden Speichel aus, während ich mich mühsam und mit pochenden und schmerzenden Rippen wieder auf die Beine aufrichte. Der schneidende Wind vertreibt recht schnell die dicken Rauchschwaden, so dass ich bereits nach wenigen Sekunden den kleinen Krater erkennen kann, den eine Kanonenkugel in den schneebedeckten Boden geschlagen hat. Fassungslos und furchtsam zugleich blicke ich über das Schlachtfeld hinweg zu dem Ort hinüber, wo sich bei klaren Sichtverhältnissen das Gefängnis wie auf einem Thron von der Anhöhe erhebt. Bei diesem Sturm jedoch sind weder die Steilhänge noch das graue Gemäuer zu erkennen. Von daher bezweifle ich, dass die Sicht bei den Soldaten hoch oben auf den Zinnen besser ist als unsere. Und trotzdem gehen sie das Risiko ein, ihre Kameraden mit ihrem Beschuss mit in den Tod zu reißen. Als ein weiterer Einschlag den Boden wie bei einem gewaltigen Erdbeben erneut erschüttert, verschwende ich nicht länger mehr einen Gedanken an Flucht. Stattdessen laufe ich humpelnd direkt ins Schlachtgetümmel hinein, wobei ich stets versucht bin den kämpfenden Männern auszuweichen. Es kommt mir daher wie eine Ewigkeit vor, bis ich schließlich unter all den Kämpfern Shanks ausmache, dessen rotes Haar wie Feuer aus all dem Chaos um mich herum heraussticht. „Shanks!“, brülle ich immer wieder lauthals über den Lärm hinweg und fuchtle wild mit den Armen in der Luft, bis er dann endlich zu mir herübersieht. „Sie feuern mit Kanonen auf uns“, rufe ich ihm zu, in der Hoffnung, dass er mich trotz des Getöses und des Sturms um uns herum auch versteht. Aber ein Handzeichen von ihm lässt mich dann erleichtert aufatmen, während er gleichzeitig seinen Männern brüllend Befehle erteilt. Wenige Sekunden verharre ich noch an Ort und Stelle, ohne zu wissen, was jetzt meine Aufgabe ist, als ein markerschütternder Schrei, der sowohl von einem Menschen als auch von einem Tier stammen könnte, über das Schlachtfeld hinwegfegt. Mein Körper erstarrt augenblicklich zu Eis, denn noch nie zuvor habe ich soviel Schmerz und Qual in einem Ton vernommen wie in diesem Schrei. Selbst die Insassen im Gefängnis haben nicht einmal so sehr gelitten, obwohl man uns unsägliches angetan hatte. Irgendetwas Fürchterliches muss also passiert sein. Etwas, das sich nicht benennen lässt. Suchend wandere ich daher zwischen den Männern umher, um die Antwort auf meine Frage zu finden. Doch was meine Augen dann erblicken, lässt mich Schreckliches erahnen. Denn neben dem toten Körper eines Soldaten ragt die schwarze Spitze Yubashilis aus dem silbergrauen Schnee heraus. Mein Herz klopft mir voller Furcht bis zum Hals, während meine Augen weiter über den zertrampelten Schnee wandern und wenige Meter weiter Kitetsu und das Wado-Ichi-Monji entdecken, bis … ich es dann sehe. Wie betäubt humple ich auf dieses zusammengekrümmte Etwas zu, während ich versuche den Speichel in meinem Mund die trockene Kehle hinunterzuwürgen. Und die ganze Zeit denke ich mir, dass ich in einem ganz schrecklichen Albtraum gefangen bin und jeden Moment in meiner kleinen kalten Zelle aufwache. Ich wünsche es mir aus tiefstem Herzen, dass es nichts weiter als ein Traum ist … ein Produkt meiner Fantasie. Denn alles ist besser als die Wahrheit. Wenige Meter von Zorro entfernt, bleibe ich ruckartig stehen, als wäre ich vor eine unsichtbare Wand gelaufen. Ich weiß nicht, wohin ich blicken soll. Diese Szene ist so unwirklich, dass ich mir vorkomme, als würde ich neben mir stehen und das ganze aus der Ferne betrachten. Mein Verstand weigert sich die Wahrheit zu erkennen, trotz der bleichen Hand, die leblos im Schnee liegt, und trotz des zitternden und zuckenden Körper Zorros, der Robin in einer scheinbar nie enden wollenden Umarmung umschlungen hält. Dieser Anblick zerreißt mir das Herz und warme Tränen sammeln sich in meinen Augen, während ein trockenes Schluchzen mir die Kehle hinaufsteigt, als mein Verstand die Wahrheit akzeptiert. Augenblicklich sacken meine Schultern kraftlos hinab und eine schwarze, dumpfe Leere breitet sich in meinem Inneren aus. Blicklos wandern meine Augen über das Schlachtfeld, das noch immer wild und laut ausgefochten wird. Es ist, als wäre nie etwas geschehen … als wäre die Zeit nicht gerade im Hier und Jetzt stehen geblieben. Niemand scheint es zu interessieren, was hier gerade geschehen ist, als sei es eine unwichtige Sache. Erneut blicke ich auf Zorro und Robin hinab, und in meinem Kopf wirbeln die Worte chaotisch umher. Es ist mir einfach nicht möglich einen zusammenhängenden Gedanken festzuhalten oder mich auf eine Sache zu konzentrieren. Diese ganze Situation um mich herum ist so völlig surreal … einfach nur falsch. Und ich komme mir so hilflos dabei vor. Ich kann nichts sagen … ich kann nichts tun. Nichts, was einem Menschen möglich wäre, könnte irgendetwas daran ändern. Es ist endgültig! Kraftlos sacken meine Beine in sich zusammen und ich schlage mit den Knien hart auf den Boden auf. Doch der körperliche Schmerz ist nichts im Vergleich zu dem, der in meinem Inneren wütet. Ungehindert tropft der Überquell an Tränen auf meine geballten Fäuste, während ich mich stumm meiner Trauer hingebe. Es gibt ja doch nichts, was ich sagen könnte, um den Schmerz zu lindern. „Lysop!“ Eine kräftige Hand legt sich auf meine Schulter und trostlos blicke ich in Shanks´ Gesicht. Sein Mund ist zu einer harten Linie geformt und die Muskeln um seinen Kiefer herum sind angespannt. Stahlgraue Augen blicken mich teils beschwörend, teils mitfühlend an. „Ihr müsst hier verschwinden.“ Shanks´ Worte dringen nur langsam in mein Bewusstsein, doch verstehe ich deren Bedeutung nicht. Warum sollten wir verschwinden? „Hörst du mir überhaupt zu?“ Kräftig schüttelt Shanks meinen Körper durch, wodurch mein Kopf von einer Seite zur anderen geschleudert wird. Doch ich wehre mich nicht gegen die grobe Behandlung. Ich habe einfach keine Kraft mehr dafür. „Du und Zorro müsst hier verschwinden und zu den Booten laufen, hast du gehört?“ „Warum?“ „Soll das hier etwa umsonst gewesen sein?“, brüllt er mich schließlich an und weist mit seinem Arm auf das Schlachtgetümmel. Verwirrt folge ich der Richtung seines Arms und blicke auf die Piraten, die sich nach wie vor mutig den Soldaten entgegenstellen. Obwohl Letztere zahlenmäßig weit überlegen sind, so kämpfen Shanks´ kampferprobte Männer weiterhin verbissen. Umsonst? Mein Blick wird wie magisch von Robins Leichnam angezogen. Der Streit hat sie und Zorro auseinander gerissen, und hat Robin dazu bewogen die Strohhutbande zu verlassen. Und trotzdem sind beide – gemeinsam! – hierher gekommen, um mich zu befreien. Aber noch bin ich nicht frei! Noch bin ich nicht in Sicherheit vor den Qualen und vor der Folter der Soldaten. Trotzdem hat Robin bereits einen hohen Preis zahlen müssen. Sie hat für mich ihr Leben aufs Spiel gesetzt – und verloren. Wenn die Soldaten mich nun wieder gefangen nehmen oder gar töten, dann ist ihr Tod umsonst gewesen. Und das darf nicht sein! So darf es nicht enden! „Nein“, flüstere ich mit krächzender Stimme, während ich spüre, wie mein Kampfeswille neu angefacht wird. Grimmig beiße ich die Zähne aufeinander und rapple mich noch ein wenig mühsam auf die Beine auf. „Nein!“, antworte ich noch mal und dieses Mal mit kräftiger Stimme, und blicke Shanks dabei entschlossen in die Augen. Zustimmend nickt er mir zu. „Dann verschwindet jetzt!“ Aufmunternd gibt er mir noch einen Klaps auf die Schulter, bevor er sich mit wehendem Mantel umdreht und sich wieder zu seinen Männern ins Kampfgetümmel stürzt. Währenddessen blicke ich zu Zorro hinüber, der Robin immer noch sanft in den Armen hält und sie wie ein Baby wiegt. Völlig in seiner Trauer gefangen, scheint er nichts um sich herum wahrzunehmen, als ich mich vor ihm in den festgetrampelten Schnee niederlasse. „Zorro, wir müssen hier weg“, versuche ich seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Erst als ich eine Hand auf seinen Arm lege, sieht er auf. Aus einem tränennassen Gesicht blicken mir stumpfe, grüne Augen entgegen, aus denen scheinbar jeglicher Funken Leben verschwunden ist. Nichts ist darin zu sehen … kein Gefühl von Wärme oder Wut, kein Hass oder Traurigkeit, keine Entschlossenheit oder Stärke, keine Mutlosigkeit oder Sanftheit. Nur noch ein absolutes Nichts in Form einer tiefen, dunklen Leere ist geblieben. Voller Entsetzen muss ich erkennen, dass ich einem gebrochenen Mann gegenüber stehe, und Zorro, der sonst immer stark und unnachgiebig wie ein Fels in der Brandung ist, ist nunmehr ein Schatten seiner selbst. Hilflos, nicht wissend, wie ich mit dieser Erkenntnis umgehen soll, muss ich mit ansehen, wie Zorro seinen Kopf wieder senkt und Robins Körper noch enger an sich zieht, und eine tiefe Verzweiflung breitet sich in meinem Inneren aus. Was soll ich nur tun, geht es mir durch den Kopf, während ich auf der Suche nach einer Lösung wild um mich herschaue. Dabei entgeht mir nicht, dass Shanks und seine Männer von den Soldaten mittlerweile immer weiter zurückgedrängt werden, und sich unserem Standort langsam nähern. Nicht mehr lange und wir sind mittendrin. „Robin hätte das nicht gewollt“, plappere ich plötzlich drauf los, ohne die Kämpfenden dabei aus den Augen zu lassen. „Wir sind noch nicht am Ziel, hörst du? Sie hätte nicht gewollt, dass du jetzt aufgibst. Oder ist das deine Art, wie du ihren Tod ehren willst? Wenn ja, dann sage ich dir, dass sie etwas Besseres verdient hat.“ Wie vom Irrsinn befallen, sprudeln die Worte nur so aus meinem Mund, ohne zu wissen, ob sie überhaupt einen Sinn ergeben. Aber die Zeit drängt mich dazu, irgendetwas zu unternehmen, so schwachsinnig oder aussichtslos es auch erscheinen mag. Denn innerlich spüre ich bereits die kalten Ketten, die sich um meinen Hals legen und die harten Schläge, die meinen ganzen Körper malträtieren. Nie wieder will ich diese Hölle ein weiteres Mal durchleben müssen. Eher würde ich mich mit offenen Armen vor den Lauf einer Pistole stellen oder in die Klinge eines Schwertes werfen. Aber solange noch die Aussicht besteht, lebend von dieser Insel zu kommen, gebe ich die Hoffnung nicht auf, denn noch bin ich nicht bereit zu sterben. Ohne Vorwarnung werde ich plötzlich aus meinen Gedanken gerissen, als Zorro mir Robins Körper völlig überraschend in die Arme legt. „Geh – und nimm sie mit!“, befiehlt er mir mit rauer Stimme, die voll von unterdrückten Gefühlen ist. Meine Worte scheinen bei ihm tatsächlich etwas bewirkt zu haben, als seine zu Schlitzen verengten Augen mich aufmerksam mustern, in denen deutlich das gefährliche Versprechen auf Vergeltung geschrieben steht, sollte ich seinem Befehl nicht nachkommen. Aber anders als in der Vergangenheit reagiere ich dieses Mal nicht mit Furcht und heftigen Schluckbewegungen auf seine Bedrohlichkeit, sondern nicke stattdessen entschlossen mit dem Kopf. Und dennoch … eine gewisse Angst kann ich mir nicht verhehlen, als ich Zorro hinterher blicke, der festen Schrittes und gestrafften Schultern seinen Weg geht. Ohne groß in seinen forschen Bewegungen innezuhalten, hebt er eines seiner Schwerter vom Boden auf, dessen schwarze Klinge in dem hellen Mondlicht und dem Feuerschein immer wieder bedrohlich aufblitzt. „Ich nehme sie.“ Plötzlich taucht das grimmige und rußgeschwärzte Gesicht Ben Beckmanns vor mir auf, so dass ich erstmal erschreckt hintenüber falle. Ungeachtet meiner Reaktion nimmt er Robins Leichnam vorsichtig in seine Arme und blickt geduldig abwartend auf mich hinab. Verstehend nicke ich ihm zu und rapple mich ein zweites Mal vom Boden auf. Doch bevor ich mich vom Geschehen abwende und Ben in den Wald folge, blicke ich ein letztes Mal auf das Kampfgetümmel zurück, in dem Zorro wie ein grüner Blitz stumm durch die Reihen der Soldaten fegt, ohne dabei auch nur einmal Gnade walten zu lassen. Die Angst in mir nimmt bei diesem Anblick nur noch weiter zu – die Angst davor, einen weiteren Freund für immer zu verlieren. Wenn es nicht schon geschehen ist, geht es mir still durch den Kopf, als ich an die unendliche Dunkelheit und an die Härte in seinen Augen denken muss, die ich noch nie an ihm gesehen habe. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)