Zerbrochene Freundschaft von xxNico_Robinxx (Kapitel 51) ================================================================================ Kapitel 43: Robin: No giant --------------------------- Wir sind umgeben von einer gespenstischen und unheilvollen Atmosphäre. Dichte, feine Nebelschwaden ziehen wie Wollfäden an uns vorbei. Der Wind pfeift durch das kahle Geäst der Bäume, deren Zweige auf erschreckende Weise an Finger- und Handskeletten erinnern. Lautes Knacken und Knarren hallt durch den Wald, verursacht durch die schwere Last von Eis und Schnee in den Bäumen. Und weit über uns ertönt das tiefe Grummeln des Donners, der Vorbote auf das kommende Unwetter. Ein leichtes Unbehagen breitet sich in meiner Magengegend aus, während ich die tiefdunkle Wolkenwand über uns beobachte, die sich in wenigen Augenblicken vor den blassen Mond schieben wird. Vergeblich versuche ich dabei die Tränen wegzublinzeln, die der schneidende Wind mir ständig in die Augen treibt. Fasziniert beobachte ich daraufhin eine einzelne Schneeflocke, wie sie im kalten Mondlicht in meine offene Handfläche schwebt und dort langsam zu zwei winzigen Wassertropfen schmilzt. Dann verschwindet meine Hand Stück für Stück im schwarzen Schatten, den mein Körper auf sie wirft. Mein Blick hebt sich und alles um mich herum liegt im Dunkeln. Nur der schneebedeckte Boden hebt sich gräulich von der schattenhaften Umgebung ab. Das dumpfe Knirschen von Schnee dringt an meine Ohren und ich blicke zur Seite. Für so manch einen würde Zorros hochgewachsene Gestalt mit den breiten Schultern einschüchternd, ja sogar bedrohlich wirken, wenn sie im Dunkeln auf einen zukommt – aber nicht für mich. In seinen Armen habe ich das Zuhause wieder gefunden, von dem ich so lange getrennt war und von dem ich keine Hoffnung hatte, es jemals wieder zu verspüren – diese Wärme, diese Geborgenheit, diese Liebe. Weiße Atemwölkchen steigen vor meinem Gesicht auf, als Zorro seine Stirn an meine lehnt. Mit dem Daumen streicht er sanft über meine Wange. Normalerweise tauscht er selten bis gar keine Zärtlichkeiten mit mir aus, wenn wir in der Öffentlichkeit sind und jeder uns sehen kann. Doch daran kann ich erkennen, dass er in Sorge ist, auch ohne seine Gesichtszüge sehen zu müssen, die völlig in Schatten getaucht sind. „Wenn etwas schief laufen sollte …“, flüstert er mir mit rauer Stimme zu, ohne seinen Satz zu beenden. Beruhigend streiche ich ihm über die Wange bis hinunter zu seinem von Bartstoppeln übersäten Kinn, das sich rau und kratzig unter meiner Handfläche anfühlt. Doch in meinem Inneren bin ich alles andere als ruhig oder gelassen. Ich verspüre dieselbe Sorge. Zu vieles kann schief gehen … zu viele Fragen sind noch unbeantwortet. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir noch gewartet, ungeachtet dessen, ob der Nebel uns nun vor den Blicken der Wachen abschirmt oder nicht. Der Schrei einer Möwe hallt schrill durch die Nacht, woraufhin Zorros Atem für einen kurzen Moment ins Stocken gerät, während mein Körper sich anspannt. Es ist soweit … das verabredete Zeichen! Ich hole tief Luft und kläre meine Gedanken … konzentriere mich auf die Aufgabe, die vor mir liegt. Den Mann vor mir sperre ich aus meinen Gedanken … verstecke die warmen Gefühle, die er in mir hervorruft, in den hintersten Winkel meines Herzens. Schon spüre ich die ersten Anzeichen von Ruhe, von Gelassenheit. Meine Schultern entspannen sich … meine Nackenmuskulatur lockert sich. Ebenso merke ich, wie die Sanftheit aus meinen Gesichtszügen schwindet und ersetzt wird von der unbeteiligten Maske, in der Gefühle keine Rolle spielen. Ich bin wieder in die Rolle der unnahbaren Miss Bloody Sunday geschlüpft, die jeder Situation mit einer absoluten Überlegenheit begegnet. Gerade als ich aus dem Schutz des Baumes treten will, hält Zorro mich mit einem sanften Griff um mein Handgelenk zurück. Fragend blicke ich zu ihm, obwohl ich sein Gesicht in der Dunkelheit nicht sehen kann. Ob er meines sehen kann? „Wirst du klar kommen?“ „Ich muss“, antworte ich ohne zu zögern und in dem Wissen, worauf sich seine Frage bezieht, während ich im Stillen jedoch meine Zweifel habe. Angst ist ein Faktor, den man nicht bestimmen kann … der unvorhersehbar ist … der einen zu irrationalen Handlungen verleiten kann. Doch noch ist nicht die Zeit gekommen, in der ich mich mit dieser Frage auseinandersetzen muss. Also denke ich gar nicht weiter darüber nach. Ohne einen Blick zurückzuwerfen … ohne ein Wort des Abschieds – des kurzen Abschieds, hoffe ich … betrete ich den dichten Nebel. Die Geräusche des Waldes bleiben hinter mir zurück, als würde die grauweiße Wand sie verschlucken. Nur der Schnee unter meinen Füßen knirscht leise bei meinen Schritten. Aus den Augenwinkeln werfe ich einen Blick hinauf zu den Wehrzinnen des Gefängnisses, beobachte wachsam die winzigen Lichtpunkte, die durch den Nebel zu einem gelben Irgendwas verwischt werden, während ich selbstsicher meinen Weg gehe. Das Grummeln des Donners wird tiefer, bedrohlicher und vereinzelt zucken helle Lichtstreifen durch die Wolken über mir. Ihre Helligkeit durchdringt sogar den Nebel – verzerrt die Schatten zu grotesken Formen. Mein Herz schlägt schneller und Adrenalin durchflutet meine Blutbahnen. Doch meine Befürchtung vor der Entdeckung bleibt aus. Kein Ruf schallt durch die Nacht, so dass ich ungefährdet den Eingang zur Kanalisation erreiche. Zwei von Shanks´ Männern erwarten mich dort bereits. Während wir uns vor den Blicken der Soldaten versteckten, haben die beiden das Eisengitter aus seiner Verankerung gelöst, das den Zugang versperrt hatte. Seit Monaten schon hatte sich niemand mehr um die Instandhaltung gekümmert, wodurch das Eisen bei diesem rauen Klima schnell verrostet ist. „Hoffen wir, dass es keine Sackgasse ist“, murmelt der Kleinere der beiden so leise, dass ich mich schon anstrengen muss, um ihn über den Wind hinweg zu verstehen. Auffordernd hält er mir anschließend eine unangezündete Fackel entgegen, die ich für den Moment ignoriere. Stattdessen blicke ich in die völlige Dunkelheit hinein, die mich hinter der Öffnung erwartet. Dabei weht mir der abstoßende Gestank von Abfall und Fäkalien entgegen. Mein Magen rebelliert gegen den Geruch, so dass ich dazu übergehe durch den Mund zu atmen, was es jedoch nicht gerade erträglicher macht. Schwärze … nichts als Schwärze … ein völliges Nichts erwartet mich dort, während ich innerlich spüre wie sie an ihren Gittern rütteln – die Dämonen meiner Vergangenheit. Nur sehr zögerlich nehme ich die Fackel an mich. Das Holz unter meiner Hand ist glatt und warm, im Gegensatz zu meinem Körper, der aus dem Inneren heraus wie erkaltet ist. Langsam setze ich einen Fuß vor, dann den nächsten – Stück für Stück -, bis die Dunkelheit mich in sich eingeschlossen hat. Prüfend werfe ich einen Blick zurück, wissend, dass der Ausgang nicht weit entfernt ist und sehe nur einen graubläulichen und unförmigen Punkt. Fest beiße ich die Zähne zusammen und schließe die Augen, atme mehrmals gleichmäßig tief ein und aus und versuche mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Dann erst wende ich mich wieder um und setze vorsichtig einen Fuß nach vorn. Meinen freien Arm strecke ich weit aus und suche mit den Fingern nach der Wand, die sich irgendwo zu meiner Rechten befinden müsste. Plötzlich werden meine Fingerspitzen von Kälte durchströmt, als sie gegen das spitze, raue Gestein stoßen – und Erinnerungen überwältigen mich wie eine Flutwelle. Meine Umgebung rückt in weite Ferne und ich werde in eine andere Zeit, an einen anderen Ort katapultiert. Die Dunkelheit um mich herum aber bleibt. Der Boden unter meinen nackten Füßen ist eisigkalt. Die Wände um mich herum sind glatt und eben. Und Stille … unheilvoll, beängstigend … als gebe es kein Leben. Nur meine eigenen Atemzüge hallen unnatürlich laut durch diese absolute Finsternis. Ich taste die Wände ab … ruhig, kontrolliert, sorgsam. Dann plötzlich ein Lachen … voller Hohn … voller Spott. Ein Knall … eine weitere Stimme … ein Scheppern. Immer schneller, immer verzweifelter taste ich die Wände ab … kratze mit den Fingern über das kalte Gestein, während mir warme Tränen unaufhaltsam übers Gesicht laufen. Die Laute um mich herum werden immer mehr, die Geräusche immer lauter, bis es zu einem chaotischen Crescendo anschwillt … und ich nicht mehr weiß, wo ich bin. Alles um mich herum dreht sich … schattenhafte Gesichter, die schreien und lachen … Fratzen, die sich zu einem Zerrbild des Schreckens verziehen. Ich wende mich ab … suche in der Dunkelheit fieberhaft und am Rande der Hysterie nach einem Ausweg … schreiend, fluchend, wimmernd. Ich kralle meine Nägel ins Gestein … schürfe mir die Finger blutig … hämmere die Fäuste gegen die unnachgiebige Wand … bis meine Beine kraftlos unter mir nachgeben. Doch anders als sonst, in der ich einer endlosen Tiefe entgegenstürze, falle ich dieses Mal nicht. Ich spüre Hände an meinen Armen, die mich festhalten … warme, zärtliche Hände, die sanft meine Haut streicheln. Sie umschlingen mich … hüllen mich ein in ein Schild der Sicherheit und Geborgenheit, während sie mich an einen festen und stählernen Körper drücken. Raue und doch nachgiebige Lippen fahren an der Seite meines Halses entlang … hauchen mir zarte Küsse auf die Haut. Und eine Stimme, tief und brummend, flüstert mir sanft Worte ins Ohr … Worte des Trostes, die mir Kraft geben … und Sicherheit … es kann mir gar nichts passieren. Seine Riesen sind deine Furcht, höre ich Zorros warme Stimme sagen. Und er hat Recht! Diese Stimmen, der Lärm, die Erinnerungen an diesen dunklen, finsteren Ort … sie existieren nur in meinem Kopf. Sie sind nicht die Wirklichkeit … nicht die Realität. Doch was viel wichtiger ist: sie können mir nichts tun. Sie können mir nichts anhaben, da sie nicht wirklich da sind. Diese Erkenntnis trifft mich mit solch einer Wucht, dass ich den Halt unter mir verliere und mit den Knien hart auf den steinigen Boden aufschlage. Völlig benommen kehre ich in die Gegenwart zurück, als würde ich aus einer Trance erwachen. Nach wie vor bin ich von tiefer Finsternis umgeben, doch werde ich nicht mehr länger von den Stimmen und dem Gelächter tyrannisiert. Ihren Nachhall spüre ich zwar noch in Form meines zittrigen Körpers, meines keuchenden Atems und meines rasenden Herzschlags, aber die kalten Fänge der Angst haben mich nunmehr losgelassen. Ich habe es geschafft, geht es mir halb wissend, halb fragend durch den Kopf. Ich habe es tatsächlich geschafft. Zum ersten Mal habe ich meine inneren Dämonen besiegen können, ohne hinterher wie ein wimmerndes Häuflein Elend aus diesem Albtraum zu erwachen … zusammen gekauert und am Boden liegend, in der Hoffnung, dass diese Tortur bald ein Ende findet. Tränen der Freude steigen mir in die Augen, während mir ein befreiendes Lachen die Kehle hinaufsteigt, das ich jedoch sofort wieder hinunterschlucke. Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt und nicht der richtige Ort für so was, meldet mir sofort mein Verstand, wodurch ich mir auch wieder meiner Aufgabe bewusst werde. Da ich keine Ahnung habe, wie viel Zeit mittlerweile vergangen ist … Sekunden oder sogar Minuten … stehe ich eiligst vom Boden auf. Ein Stöhnen entweicht mir meinen Lippen, als ich beim Versuch mich auf meinen noch etwas wackligen Beinen aufzurichten, mit der Schulter gegen die Gesteinswand falle. Mich meinen Dämonen zu stellen, hat einiges an Kraft gekostet, weshalb mein Körper mir nur bedingt gehorcht. Trotzdem kann ich im Augenblick keine Rücksicht darauf nehmen. Denn wenn ich noch mehr Zeit vertrödle, wird Zorro früher oder später den Eindruck bekommen, dass mir etwas zugestoßen ist. Und was dann passieren wird … Mehr stolpernd als gehend, taste ich mich also vorsichtig und langsam weiter, bis meine Hand nach wenigen Schritten ins Leere greift. Eine Abzweigung, genau wie ich es vermutet habe. Ich blicke zurück zum Eingang, doch kann ich ihn nirgends in der Dunkelheit ausmachen. Seufzend und mit leichter Besorgnis taste ich in meiner Manteltasche nach dem Päckchen Streichhölzer. Es war ausgemacht, dass ich die Fackel erst an der Stelle anzünde, wo der Gang in einen anderen mündet, um sicher zu gehen, dass der Fackelschein nicht nach draußen dringt, wo er eventuell die Aufmerksamkeit der Soldaten wecken könnte. Aber jetzt stellt sich mir die Frage, ob ich nicht vielleicht zu weit vom Eingang entfernt bin und Shanks´ Männer den Fackelschein nicht sehen können. So schnell, wie die Zweifel in mir aufgekommen sind, so schnell verschwinden sie auch wieder, als ich mit einem Streichholz das obere in Leinen gewickelte Ende der Fackel anzünde und kurz darauf der Schrei einer Möwe wie aus weiter Ferne an meine Ohren dringt. Der Ruf hallt nur noch sehr schwach von den Wänden wieder, was mir besagt, dass der Eingang um ein etliches Stück von mir entfernt ist … weiter zumindest als ich erwartet habe. Um die Wartezeit zu überbrücken, bis der Erste der Nachzügler bei mir eintreffen wird, blicke ich mich interessiert um. Das Gestein um mich herum glitzert im Fackelschein rot auf, während rauchartige Nebelschwaden über den Boden kriechen. Ansonsten ist nicht viel mehr zu sehen. Dennoch beobachten meine Augen weiterhin den Gang zu meiner Rechten, derweil ich mich frage, ob dieser Weg uns auch wirklich ans Ziel bringen wird. Meine Aufmerksamkeit wird aber schon bald von Schritten abgelenkt, die sich schnell nähern, so dass ich wieder einmal in Richtung des Eingangs blicke. Unwillkürlich muss ich lächeln, als ich im Schein der Fackel zunächst nur einen dunklen Schatten ausmache. Doch die Statur, die sich daraus erhebt, würde ich überall wieder erkennen. Forschen Schrittes kommt Zorro auf mich zu und bleibt so nahe vor mir stehen, dass vielleicht noch eine handbreit Platz zwischen uns ist. Im Feuerschein sehe ich, dass das Grün um seine Iris dunkel vor Sorge ist, während er mein Gesicht aus ernsten Augen genau mustert. Seine Gesichtsmuskeln sind dabei angespannt und verleihen seinem Ausdruck einen grimmigen Zug. „Keine Riesen … nur Windmühlen“, flüstere ich in die Stille hinein, woraufhin sich seine verkniffenen Lippen langsam zu einem verstehenden Lächeln verziehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)