Zerbrochene Freundschaft von xxNico_Robinxx (Kapitel 51) ================================================================================ Kapitel 31: Chopper: Melancholy ------------------------------- Nach einem kurzen Umsehen weise ich Sanji mit einem Fingerzeig zu den zwei Truhen, die zwischen den beiden Betten stehen. „Dort müssten noch weitere Decken drin sein“, meine ich überflüssigerweise, als er auch schon an mir vorbeigegangen ist. Anschließend lasse ich meinen Blick erneut durch das Zimmer wandern, in dem ich früher so viel Zeit verbracht habe. Nichts scheint sich verändert zu haben. Auf dem großen Schreibtisch befinden sich immer noch all meine Utensilien: das Mikroskop mit seinen beiden Okularen, der Ständer mit den Reagenzgläsern, die Zentrifuge zum Mischen von diversen Reagenzien, die drei Mörser und der Bunsenbrenner. Langsam gehe ich näher und blicke voller Stolz hinauf zu dem einzelnen Regalbrett, das über dem Tisch hängt. Nach Themen angeordnet stehen dort in Reih und Glied meine Fachbücher über Medizin, Botanik, Dendrologie und Mykologie(*). In Gedanken sehe ich die vergilbten, teils fleckigen Seiten vor mir, in denen ich so oft herumgeblättert habe, und ein Stich der Wehmut überkommt mich. „Sind das alles Heilpflanzen?“ Aus den Gedanken herausgerissen, blicke ich ein wenig verwirrt zu Sanji. Nachdem er aus den Truhen ein paar Decken entnommen hat, hat er sich der gegenüberliegenden Wandseite zugewandt. Diese wird komplett von einem einzigen riesigen Schrank mit Glastüren eingenommen, in dessen unteren Böden große Schubläden stecken. Darin habe ich immer Gläser und Präpariersalz für meine Forschungsexemplare aufbewahrt. „Ein Teil von ihnen“, antworte ich leise, als ich neben Sanji trete, und traurig die vielen unbeschrifteten Gläser betrachte, zu deren Erforschung ich nicht mehr gekommen bin. „Die, die beschriftet sind, habe ich bereits alle erforscht.“ „Und was kann man mit ihnen machen?“ Aus ernsten Augen blickt Sanji zu mir herab, und ich kann erkennen, dass er wirklich an meinen Forschungsarbeiten interessiert ist. Mein Herz vollführt dabei einen kleinen Freudensprung, und ich kann mich nur mit großer Mühe zurückhalten, nicht in einen sprudelnden Redefluss zu verfallen. „Na ja, einige eignen sich für einen Tee – zur Beruhigung oder als Schlaftrunk. Andere wiederum kann man viel eher zu einer Salbe verarbeiten – als schmerzlindernd, entzündungshemmend oder für eine bessere Wundheilung.“ „Und was ist mit den Pilzen?“ Sanji nimmt eines der Gläser aus dem Schrank heraus und begutachtet einen langstieligen Pilz darin, dessen gelbe Kappe mit weißen und roten Pusteln übersät ist. Ich weiß noch genau, dass ich diesen Pilz auf Little Garden gefunden habe. Woogey, einer der Riesen, hatte mich nachdrücklich darauf hingewiesen, ihn ja nicht zu essen, da er fürchterliche Magenschmerzen hervorruft. „An die habe ich mich, ehrlich gesagt, noch nicht wirklich herangewagt“, druckse ich herum. „Warum denn nicht?“ Überrascht blickt Sanji mich an, bevor er das Glas wieder zurück an seinen Platz stellt und die Tür schließt. „Die meisten Pilze haben eine hohe Anzahl an Halluzinogenen.“ „Du meinst, man bekommt Wahnvorstellungen?“ „So in etwa“, erkläre ich und nicke zugleich ein paar Mal mit dem Kopf, während ich an die vielen Artikel über die Wirkungen von Pilzen denke. „Aber viele Ärzte sind der Meinung, dass man solche Pilze gut als Narkotikum benuten kann.“ „Aber du siehst das anders?“, hakt Sanji nach, da ihm mein geringschätziger Tonfall wohl nicht entgangen ist. „Mir ist ein Patient lieber, wenn er bei einem chirurgischen Eingriff tief und fest schläft. Weißt du, wie viele Ärzte schon schwer verletzt wurden, weil ihre Patienten unter solchen Halluzinogenen gestanden haben? In solch einem Zustand sind sie unberechenbar, weil ihr Verstand ihnen Bilder suggeriert, die in Wahrheit gar nicht vorhanden sind. Laut einer Studie, die ich vor einigen Jahren gelesen habe, soll sich die Wirklichkeit völlig verzerren. Die Menschen um einen herum nehmen ganz andere Formen und Farben an. Sie … sie haben plötzlich grauenvolle Fratzen und ihre Körper … dehnen sich, weiten sich aus. Und solche Ereignisse lösen in einem Angst, Hysterie und Panik aus, woraufhin der Patient zu der logischsten Waffe greift, die ihm zur Verfügung steht – nämlich Gegenwehr.“ Überrascht über mich selbst, schüttle ich den Kopf, während sich meine Rage allmählich wieder legt, in die ich mich reingeredet habe. Und dennoch könnte mir schon wieder die Hutschnur hochgehen, wenn ich nur daran denke, wie sorglos so manche Ärzte mit ihren Patienten umgehen. Profit und medizinischer Erfolg ist ihnen wichtiger, als das Wohlergehen ihrer Schützlinge. „Arbeitest du noch an deinen Forschungen?“, fragt Sanji leise in die Stille hinein. Niedergeschlagen blicke ich zu Boden, während ich an das vergangene Jahr zurückdenke. Jede Woche waren Zorro und ich in einer anderen Stadt, in einem anderen Dorf. Wir sind nie lange an einem Ort geblieben. Im Höchstfall waren es mal drei Tage. Ansonsten waren wir immer unterwegs. „Dafür habe ich nie die Zeit gehabt“, antworte ich schließlich nach einer Weile. „Das ist schade, denn du bist ein guter Arzt“, meint Sanji und kniet sich vor mir hin. Gleichzeitig umfasst er mit seinen Händen meine Schultern. Ob diese Geste als Trost gedacht ist, oder ob er so verhindern will, dass ich seinem beschwörenden Blick ausweiche, vermag ich nicht zu sagen. „Und das sage ich nicht, weil ich dein Freund bin. Ich meine, welcher Arzt setzt sich schon so dafür ein und umreist die Welt, nur um ein Heilmittel für Krankheiten zu finden? Und das ist eine gute Tat, denn du tust es nicht für dich. Du willst den Menschen damit helfen. Warum schließt du dich Ruffy also nicht wieder an? Dann kannst du auch deine Forschungen wieder aufnehmen?“ Stumm erforsche ich Sanjis Gesicht und suche nach irgendeinem Anzeichen, dass er seine Worte nicht ernst meint. Aber wie ich es nicht anders erwartet habe, so finde ich keinerlei Unsicherheiten in den verständnisvollen Augen aufflackern. Insgeheim gebe ich ihm ja Recht. Meine Arbeit ist wichtig. Nur in dem man alle Pflanzen, Bäume und Pilze erforscht, so hat man eines Tages vielleicht die Chance ihre Wirkungen miteinander zu kombinieren, um ein Allheilmittel zu entwickeln. „Das hat Zorro auch gesagt“, gebe ich ihm schließlich nichts sagend als Antwort. Für einen Moment wendet er seine Augen von mir ab und sein Mund verzieht sich zu einem verkniffenen Lächeln. „Dann hat er ausnahmsweise mal was Vernünftiges gesagt“, ringt sich Sanji hörbar aufseufzend die Worte ab. Unwillkürlich muss ich dabei breit grinsen. Es ist ein so typisches Verhalten. Ob bei Sanji oder Zorro, beide hassen es wie die Pest, wenn sie mal einer Meinung sind, und geben es daher auch nur ungern zu. Als Sanji mich dann wieder anblickt, kann auch er sich das Lächeln nicht verkneifen, das jedoch schnell wieder schwindet. „Hör zu, Chopper. Wie auch immer es mit Nami, Robin, Zorro und mir weitergehen wird, du solltest in erster Linie an dich und deine Forschungen denken. Ich weiß ja, dass du gerne uns alle um dich herum haben möchtest, aber das alles hier …“ – mit einer ausholenden Handbewegung weist er auf das Regal mit all seinen Exponaten – „das ist so eine große und wichtige Sache. Die sollte man nicht so ohne weiteres vernachlässigen.“ Geduldig abwartend, gibt Sanji mir die Zeit über das Gesagte nachzudenken, bevor er sich dann langsam von seiner knienden Position erhebt. Gerne würde ich meinem ersten Impuls nachgeben und ihm zustimmen. Ich vermisse die Arbeit … das Mischen von Reagenzien … das Beobachten der verschiedenen Reaktionen. Die Vorfreude … der Spaß … die Spannung … aber auch die Enttäuschung, wenn mir ein Experiment nicht gelingt … all diese Gefühle fehlen mir. Doch auf der anderen Seite sind da meine Freunde und die ungewisse Zukunft – und das Versprechen, dass ich Zorro gegeben habe. Zwar hat Zorro ebenfalls gemeint, dass ich mich Ruffy wieder anschließen soll. Aber ich habe ihm doch mein Wort gegeben, das ich bei ihm bleibe, egal, wie er sich letzten Endes entscheidet. Ich kann doch jetzt nicht einfach so mein Versprechen brechen! „Du musst dich nicht sofort entscheiden, aber …“ „Sanji!“ Was auch immer Sanji mir noch sagen wollte, der schrille Schrei Namis unterbricht ihn augenblicklich. Und plötzlich durchfährt ein heftiger Ruck die Flying Lamb und ich stolpere ein paar Schritte hin und her, bevor ich schlussendlich unsanft auf meinem Hinterteil plumpse. Die Gläser im Schrank klirren leise und ein paar Utensilien rutschen mit einem leisen Schaben über den Schreibtisch. Aus schreckgeweiteten Augen blicke ich zu Sanji auf, der keine Minute verliert und in einem Sprint, der eines Marathonläufers würdig ist, aus dem Zimmer rennt. In Sekundenschnelle hat sich die ruhige Atmosphäre, in der Verständnis und Mitgefühl die vorherrschenden Gefühle waren, in Luft aufgelöst. Stattdessen pulsiert das Adrenalin durch meinen Körper. Mein Puls ist vor Aufregung und Angst gestiegen und mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Es dauert eine Weile, bis ich mich schließlich aus meiner Erstarrung löse, und folge Sanji mit trippelnden Schritten. In Gedanken versuche ich zu verstehen, was gerade passiert ist. Haben wir einen Eisberg gerammt? Als ich in den Gang hinaustrete, ist von seiner hochgewachsenen Gestalt längst nichts mehr zu sehen. Zwischen meinen hastigen Atemzügen lausche ich nach irgendwelchen Geräuschen. Und tatsächlich, vom Deck her dringt dumpfes Geschrei zu mir herunter, und hin und wieder ein explosionsartiges Knallen, als würde jemand schießen. „Wir werden angegriffen“, flüstere ich voller Schrecken. Die Gedanken rasen förmlich durch meinen Kopf, während ich fieberhaft überlege, was ich nun tun soll. Einer Eingebung folgend, kehre ich rasch noch mal ins Sanitätszimmer zurück und steuere zielsicher den Schreibtisch an. In hastiger Verzweiflung ziehe ich sämtliche Schubläden raus, bis ich schließlich in der Untersten einen letzten verbliebenen Rumbleball finde – ein Überbleibsel der vergangenen Tage, als es die Strohhutbande noch gegeben hatte. Schnell verstaue ich diesen in meiner Hosentasche, bevor ich mich dann in meine Mensch-Form verwandle. Eng an die Wand gepresst, schleiche ich langsam zur Treppe und blicke durch die Öffnung ins Freie. Der Lärm ist hier zwar ein wenig lauter, aber dennoch hört er sich noch immer so weit entfernt an. Wie kann das sein? Vorsichtig steige ich die wenigen Stufen hinauf, während meine Muskeln zum Zerreißen gespannt sind. Innerlich bereite ich mich darauf vor, meine Freunde in einem wildentbrannten Kampf vorzufinden, in den ich mich dann tatkräftig hineinstürzen würde. Stattdessen jedoch sehe ich … nichts. Eine weiße, undurchdringliche Nebelwand, gepaart mit dem beißenden Gestank verbrannten Schießpulvers, lässt mich rein gar nichts erkennen, was um mich herum geschieht. Nur das Gebrüll und die Schreie lassen mich in etwa vermuten, wo sich einige Leute befinden. Immer noch wachsam, verlasse ich langsam den Niedergang, als plötzlich ein graues Schemen auf mich zugestolpert kommt. Instinktiv stelle ich mich in Angriffsposition – die Beine ein wenig gespreizt, um einen festen Stand zu haben, und die halb zu Fäusten geballten Hände erhoben, um einen Angriff abzuwehren oder um einen auszuführen. Und dann, als würde sich in der Nebelwand eine Tür öffnen, steht unmittelbar vor mir ein junger Mann. Sein Gesicht ist zwar ein bisschen geschwärzt und ein, zwei Kratzer zieren seine rechte Wangenhälfte, dennoch entgehen mir nicht die jugendliche Reinheit mit dem bisschen Bartflaum, weshalb ich ihn auf 15-16 Jahren einschätze. Zu meinem eigenen Schrecken entgeht mir auch nicht, dass er die blauweiße Uniform der Marine trägt. Keuchend bleibt der Junge vor mir stehen und blickt mit verwirrten Augen zu mir empor. Dann aber reißt er seine Augen schreckgeweitet auf und seine Hände umschließen den Lauf seines Gewehres noch fester, wodurch seine Fingerknöchel weiß hervortreten. Im nächsten Moment aber hat sich sein Schrecken auch schon wieder gelegt und ein gefährliches Funkeln tritt in seine Augen. Gerade, als er im Begriff ist, den Lauf seines Gewehres auf mich zu richten, reiße ich ihm die Flinte mit einem kräftigen Ruck aus den Händen. Gleichzeitig verpasse ich ihm einen harten Faustschlag gegen die rechte Schläfenseite. Augenblicklich knicken seine Beine unter ihm ein und der Junge fällt bewusstlos vor mir zu Boden. Für einen Moment knie ich mich neben dem Jungen auf den Boden und lege zwei Finger auf seine Halsschlagader. Zufrieden stelle ich fest, dass der Puls unter der zarten Haut in einem regelmäßigen Rhythmus schlägt. Erleichtert nehme ich zur Kenntnis, dass er, abgesehen von einem dröhnenden Schädel und einer beachtlichen Beule, keine weiteren Schäden davongetragen hat. Danach erhebe ich mich wieder und werfe das Gewehr, das ich noch immer in der Hand halte, achtlos in den Niedergang, wo es klappernd die Stufen herunterfällt. Mein Gewissen beruhige ich damit, dass es dort jedenfalls keiner so schnell findet. Langsam wandele ich anschließend über das Deck, wobei ich mich immer wieder nach allen Seiten umdrehe. Eine gespenstische Atmosphäre liegt in der Luft. Der Lärm, der mittlerweile zu einem großen Teil abgenommen hat, scheint irgendwie wie aus dem Nichts zu kommen. Es ist beängstigend, wenn man nicht weiß, was vor einem geschieht. Und jederzeit kann ein dunkler Schatten vor dir auftauchen, bei dem man nicht weiß, ob er Freund oder Feind ist, so wie es bei dem jungen Soldaten der Fall war. Schließlich erreiche ich völlig unbeschadet die Reling, und vor mir türmt sich eine massive Holzwand auf. Durch die sanften Bewegungen des Meeres reibt das Holz knirschend und knarrend an die Backbordseite der Lamb. Innerlich mache ich mir einen Vermerk, dass wir nachher, sobald es wieder ruhiger ist, einen Kontrollgang im Unterdeck machen müssen, für den Fall, dass bei dem Zusammenprall ein Leck geschlagen wurde. Plötzlich fahre ich erschreckt zurück, als sich etwas Schweres auf meine Schulter legt, so dass ich mit einem Mal mit dem Rücken an der Reling stehe, während ich instinktiv die Fäuste kampfbereit hebe. „Ganz ruhig, Chopper“, beschwichtigt mich Sanji mit erhobenen Händen. „Ich bin es nur.“ „Verdammt, Sanji!“, brülle ich lautstark, während mein Herz nur schwer in seinen normalen Rhythmus zurückfindet. „Mach das nie wieder!“ „Ist bei dir alles in Ordnung?“, fragt mich Nami mit besorgter Stimme, die hinter Sanji aus dem Nebel tritt. In ihren Händen hält sie ihren Klimataktstock, aus dessen oberen Öffnung noch ein wenig Rauch aufsteigt. Nickend beantworte ich ihre Frage, was sie mit einiger Erleichterung zur Kenntnis nimmt. „Ich glaube, das waren alle“, ertönt von irgendwo über mir die Stimme von Ace. Gerade blicke ich fragend hinauf, als er auch schon neben mir zu Boden springt und dabei federnd in die Knie geht, um den Sprung in seiner Kraft abzumildern. „Bist du sicher?“, hakt Sanji zweifelnd nach und zieht dabei die Augenbraue hoch. „Das waren nämlich nicht gerade viele Soldaten.“ „Vielleicht waren sie vorher schon in einen Kampf verwickelt“, wendet Nami ein und blickt uns fragend an. „Das könnte gut möglich sein“, antwortet Ace unbekümmert und zuckt mit den Schultern. Ich dagegen blicke hinter mir hinauf zum Marineschiff. Der Gedanke, dass irgendwo noch ein bewaffneter Soldat rumlaufen könnte, behagt mir nicht sonderlich. Denn schließlich könnte er jetzt dort oben an der Reling stehen und mit einem Gewehr auf uns zielen. Aufgrund unseres Geredes würden wir trotz des Nebels immer noch eine gute Zielscheibe abgeben. „Meinst du wirklich?“ Die Überraschung ist Nami deutlich anzusehen, da sie wohl selbst nicht so wirklich an ihrer Aussage geglaubt hat. „Ja, denn bei dem Schiff handelt es sich um einen Gefangenentransporter.“ „Woher weißt du das?“, frage ich ihn. „Das Schiff ist zu leicht bewaffnet. Gerade mal zwei Kanonen stehen auf dem Deck.“ „Ein Gefangenentransporter“, wiederholt Nami langsam Ace´ Worte und für einen Moment blitzt in ihren Augen etwas Undefinierbares auf. „Vielleicht sind sie ja auf dem Weg nach Winters Island?“ „Und wenn schon“, meint Sanji wegwerfend, der wohl allmählich das Interesse an dem Geschehen verliert. In aller Ruhe, als hätte er alle Zeit der Welt, zündet er sich eine seiner Zigaretten an und behält den inhalierten Rauch für eine Weile in seinen Lungen, bevor er diesen wieder aushaucht. Fasziniert beobachte ich die leichten Rauchschwaden, wie sie sich mit den weißen Nebelschwaden vereinen, wo sie nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind. „Nein, du verstehst nicht“, meint Nami mit aufgeregter Stimme und legt eine Hand auf Sanjis Arm, um ihn davon abzuhalten sich von dem Geschehen abzuwenden. Es entgeht mir nicht, dass er bei der Berührung kurz zusammenzuckt. Nami muss es auch gemerkt haben, da sie ihre Hand schnell wieder zurückzieht. „Wenn sie wirklich nach Winters Island wollen, dann werden sie auch einen Eternal Port haben“, erklärt sie, als wäre nichts geschehen. Jedoch vermeidet sie jeden Blickkontakt zu Sanji. „Der Kapitän liegt oben auf dem Deck“, meint Ace, der verstanden hat, was Nami uns damit zu sagen versucht. Und mit einem Blick zu Sanji, scheint auch er verstanden zu haben, da er gerade dabei ist auf die Reling zu klettern. Wir anderen tun es ihm gleich, und zu viert kraxeln wir auf das Marineschiff. „Wir sollten uns zur Vorsicht einmal auf dem Schiff umsehen“, wendet sich Sanji leise an mich, als wir das Deck erreicht haben. Eine Hand hat er mir dabei auf die Schulter gelegt, um mich daran zu hindern, dass ich Nami und Ace in den dichten Nebel folge. „Ich bin noch nicht wirklich davon überzeugt, dass wir alle Soldaten erledigt haben.“ Wieder muss ich an den ominösen Soldaten aus meiner Vorstellung denken und ein kalter Schauer rieselt mir den Rücken hinab. Bei diesem Nebel würde es mich zumindest nicht wundern, wenn sich irgendwo noch ein paar Soldaten versteckt haben. Selbst Geräusche scheinen von den wabernden Schwaden verschluckt zu werden. Mit grimmiger Mimik nicke ich und zeige Sanji, dass ich verstanden habe. Gemeinsam wenden wir uns leisen Schrittes nach links, in der Annahme, dass sich dort irgendwo der Decksaufbau befindet. Nach wenigen Metern verfängt sich mein Fuß in irgendwas am Boden und stolpernd stürze ich nach vorne. Aus einem blitzschnellen Reflex heraus packt Sanji mich am Arm und stemmt sich mit seinem Körper nach hinten, um zu verhindern, dass ich mich auf den Decksplanken wieder finde. Dankbar blicke ich ihn an und nicke ihm kurz zu, nachdem ich mein Gleichgewicht zurückerhalten habe. Danach blicke ich zurück, um zu sehen, über was ich gestolpert bin. Ein wenig erschreckt, erkenne ich am Boden einen ausgestreckten Arm liegen. Im ersten Augenblick habe ich die grauenhafte Vorstellung, dass es sich dabei um einen abgetrennten Armstummel handelt. Doch als ich genauer hinsehe, bemerke ich, dass sich der restliche Körper wie ein dunkler Schatten in den Nebelschwaden abhebt. Erleichtert atme ich auf und ernte ein belustigtes Schmunzeln von Seiten Sanjis, als hätte er meine Gedanken gelesen, was sogar wahrscheinlich ist. So gut, wie Sanji, Zorro oder Robin kann ich meine Gedanken und Emotionen nicht hinter einer versteinerten Maske verstecken. Schließlich gehen wir weiter und erreichen nach einigen Schritten den Decksaufbau, der unter anderem die Kommandobrücke und das Ruderhaus beinhaltet. Mit einem Fingerzeig gibt Sanji mir zu verstehen, dass ich mich im Unterdeck umsehen soll, wobei er auf eine offen stehende Tür weist, die eindeutig nach unten führt. Ohne meine Antwort abzuwarten, steigt er auch schon die wenigen Stufen zur Brücke hinauf, und ist im nächsten Augenblick in der weißen Nebelwand verschwunden. Seufzend luge ich die schmale Treppenstiege hinab. Das untere Ende wird von einer kleinen Laterne beleuchtet, was ich mit einiger Erleichterung zur Kenntnis nehme, da ich so gut wie keine Lust verspüre mich im Dunkeln vorantasten zu müssen. Innerlich gebe ich mir schließlich einen Ruck und setze einen Fuß auf die oberste Stufe. Danach steige ich langsam die Treppe hinab, wobei ich auf jedes noch so kleine Geräusch achte, und das untere Ende nicht aus den Augen lasse. Nach und nach eröffnet sich vor mir ein langer, schmaler Gang. Auch dort hängen in einigen Abständen Laternen, so dass ich gut erkennen kann, dass ab und zu Türen vom Gang abzweigen. Am unteren Treppenabsatz bleibe ich jedoch erst Mal unschlüssig stehen, da direkt neben mir ein kurzer Durchgang ist, an dessen Ende sich eine offene Luke befindet, die scheinbar noch ein Deck tiefer führt. Aber hatte Ace nicht auch gesagt, dass es sich bei diesem Marineschiff um einen Gefangenentransporter handelt? Es wäre also nur logisch, dass sich dort die Zellen befinden würden. Eine Weile lasse ich meinen Blick abschätzend zwischen der Luke und dem Gang wandern. Insgeheim wäre es mir lieber, wenn Sanji mit mir zusammen hier heruntergekommen wäre, denn dann müsste ich jetzt nicht abwägen, welches Deck ich zuerst untersuchen soll. Zumal beide Möglichkeiten ein- und dieselbe Gefahr beinhalten, wie ich nach einiger Zeit zu meinem eigenen Unmut feststellen muss. Angenommen, dass sich hier irgendwo einer oder mehrere Soldaten versteckt halten, so könnten sie mir heimlich folgen und mich überwältigen. Zumindest hätten sie es dann nicht weit, um mich in eine Zelle zu sperren, bemerke ich in einem Anflug von Selbstironie. Energisch verdränge ich solche Gedanken mit einem heftigen Kopfschütteln, und spreche mir selbst Mut zu. Meine derzeitige Situation ist auch nicht besser, als die von Sanji. Schließlich muss er sich da oben genauso vorsehen. Entschlossen wende ich mich daher von der Luke ab und schleiche den Gang entlang. Besser gesagt, versuche ich zu schleichen, da das Holz unter meinen Füßen bei jedem Schritt knarzende und knackende Geräusche von sich gibt. Zähneknirschend füge ich mich in mein Schicksal und versuche die verräterischen Laute zu ignorieren. Doch plötzlich meine ich von irgendwoher eine Stimme rufen zu hören. Sekundenlang bleibe ich wie angewurzelt stehen, ohne fähig zu sein auch nur einen einzigen Muskel zu rühren, als dann auch noch ein kalter Windzug meine Wange streift. Sämtliche Haare zu Berge stehend, springe ich mit dem Rücken gegen die Wand und blicke mit panikerfüllten Augen nach allen Seiten. Mein Atem geht nur stoßweise und entweicht mir mit einem zischenden Laut, während mein Herz mit rasendem Tempo bis zum Halse schlägt und das Blut nach diesem Adrenalinschub überdeutlich in den Ohren rauscht. Minuten – oder doch nur Sekunden – verstreichen, ohne dass noch etwas zu hören wäre, so dass sich allmählich mein Gemütszustand wieder beruhigt. Nach und nach entspannen sich meine Muskeln und lösen sich von der Wand, während mir fast schwarz vor Augen wird, so erleichtert bin ich. Gleichzeitig jedoch schelte ich mich selbst als Hasenfuß für meine paranoiden Wahnvorstellungen. Mit zitternder Hand streiche ich mir übers Gesicht und atme ein paar Mal tief ein, bevor ich mich wieder meiner Aufgabe zuwende. Doch zu meinem Leidwesen komme ich gar nicht erst dazu, das Deck weiter zu inspizieren. „Oben ist alles in Ordnung“, höre ich es plötzlich hinter mir sagen. Wie von der Tarantel gestochen, schreie ich laut auf und drehe mich zu der Stimme um. Doch bei meinen hastigen Bewegungen stolpere ich über meine eigenen Füße und falle rücklings auf den Boden. Auf den Ellenbogen aufgestützt, blicke ich mit schreckgeweiteten Augen zu einem völlig überraschten Sanji auf. „Habe ich dich erschreckt?“, stellt er mir die völlig überflüssige Frage und streckt mir eine hilfsbereite Hand entgegen. Zwar hält sich meine Dankbarkeit für seine Hilfe in Grenzen, dennoch ergreife ich seine Hand und ziehe mich mit einiger Anstrengung vom Boden hoch. In diesem Augenblick kann ich gut nachvollziehen, was Zorro zu der einen oder anderen Behauptung bewegt hatte, sobald er sich mit Sanji in die Wolle bekam – was damals so gut wie jeden Tag vorgekommen ist. Denn für den Moment habe ich die Schnauze von der Sache ganz gehörig voll, und am Liebsten würde ich meine Faust in Sanjis breit grinsendes Gesicht schlagen. „Wie weit bist du?“, fragte er mich nach einem kurzen Räuspern und mit einem unterdrückten Lächeln – was ich ihm insgeheim zu Gute halten muss. Doch den Schalk in seinen Augen kann er nicht verstecken, weshalb ich mich mit einem tiefen Grummeln von ihm abwende. Stattdessen öffne ich mit schwelender Wut im Bauch eine der Türen. Mit Hilfe des Lichts vom Gang her erkenne ich, dass ich mich in einer Abstellkammer befinde. Langsam lasse ich meinen Blick über die aufgereihten Putzutensilien und den sorgfältig aufgehängten Werkzeugen an der Wand bis hin zu den ordentlich gestapelten Kartons an der rückläufigen Wandseite schweifen. Bewundernd muss ich zugeben, dass die Ordnungsdisziplin an Bord streng eingehalten wird, anders, als es bei der Lamb der Fall war. Bis auf die Lebensmittelkammer, für die Sanji damals Sorge getragen hatte, sah unsere Abstellkammer wie eine riesengroße Rumpelkammer aus – und das ist sie noch immer, wie ich auf der Suche nach einigen Kehrbesen feststellen musste. Plötzlich höre ich wieder diese unheimliche Stimme und zucke kurz zusammen. Mein Herz verfällt dabei wieder in ein rasendes Tempo. Aber anstatt herauszufinden, woher es kommt, blicke ich eisern auf die Gegenstände in der Kammer. „Hast du das auch gehört?“ Überrascht blicke ich hinter mir zu Sanji, doch seine Aufmerksamkeit ist ganz auf die Stimme gerichtet. Bald schon ist er aus meinem Blickfeld verschwunden und neugierig trete ich auf den Gang hinaus. Dort beobachte ich ihn dabei, wie er langsam auf den Durchgang zugeht, wobei er nach ein paar Schritten immer wieder kurz innehält und nach der Stimme lauscht. „Sie kommt von unten“, antwortet Sanji dann erklärend und gibt mir mit einem Wink zu verstehen, dass ich ihm folgen soll. Schnell komme ich seiner Aufforderung nach und kann gerade noch seinen blonden Schopf erkennen, der in der Tiefe der Luke verschwindet. Vorsichtig nähere ich mich der Bodenöffnung und blicke hinab. Als Sanji unten ankommt, klettere ich auf die Leiter. „Hal-lo!“, höre ich jetzt deutlicher die Stimme rufen, als ich hinter Sanji die Füße auf den Boden aufsetze und die geschlossene Tür vor uns mustere. Zum ersten Mal verspüre ich beim Klang der Stimme keinerlei Angst. Stattdessen zögere ich in meinen Bewegungen und blicke Sanji verwirrt an. Auch er hält kurz inne und zieht die Stirn kraus, bevor er schließlich die Klinke herunterdrückt und die Tür weit aufstößt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)