Wahre Liebe von Curin (Tyka) ================================================================================ Kapitel 30: Max’ wahre Wahrheit ------------------------------- 30. Kapitel: Max’ wahre Wahrheit Kai lag halb, saß halb im Bett von Tyson und hielt diesen im Arm. Selbst jetzt da Tyson schlief, schien er doch hin und wieder zu zittern. Kai konnte sich schon denken, dass er Alpträume hatte. Tyson hatte ihn erzählt was passiert war nachdem sie sich vor dem Haus getrennt hatten. Dabei hatte er immer wieder geweint und gezittert. Und mit jeden Wort das Tyson erzählte, war Kai der Meinung, dass er nicht gut genug mit Tala fertig geworden ist. Wie er ihm die Gurgel zudrückte oder sämtliche Zähne ausschlug und alle Gliedmaßen brach; immer wieder kamen ihn diese Bilder in den Sinn, doch er hatte Tala mit nur ein paar blauer Flecken in seiner Wohnung zurückgelassen. Eine viel zu milde Strafe für jemanden, der einen Jungen vergewaltigen wollte, nur weil dieser jemand anderen liebte. Während Tyson erzählt hatte und sich dabei an Kai drückte, hatte dieser seine Wunden geliebkost und ihn sanft gestreichelt um ihn zu beruhigen. Schließlich war Tyson in Kais Armen eingeschlafen. Sanft wischte Kai die wenigen Tränen weg, die immer noch auf Tysons Wangen ruhten. Eigentlich hatte er sich diese Nacht ganz anders vorgestellt. Klar war in seiner Vorstellung, auch die Tatsache vorhanden, dass sie nebeneinander im Bett liegen würden und sich hielten, aber keiner von ihnen hatte in seiner Vorstellung Verletzungen und ganz bestimmt nicht wären sie noch bekleidet gewesen. Doch bei diesen Gedanken senkte Kai die Lieder und hörte kurz auf über Tysons Wange zu streicheln. Schon seit Ray ihn darauf angesprochen hatte und dann als Tala deswegen ausgerastet war, fragte sich Kai, ob sie nicht doch zu früh miteinander geschlafen hatten. Kai stand vorsichtig auf um Tyson nicht zu wecken und schlich durch das dunkle Zimmer. Leise öffnete er die Tür, huschte durch und schloss sie auch wieder leise. Danach bewegte er sich zum Badezimmer. Er stellte sich vor dem Spiegel über den Waschbecken und betrachtete seine Wunden. Er drehte den Wasserhahn auf und schöpfte sich eine große Menge Wasser ins Gesicht, dann richtete er sich wieder auf und betrachtete sich von neuen, während das Wasser sein Gesicht herunter lief. War es vielleicht doch etwas voreilig gewesen schon mit Tyson zu schlafen? Sie hatten sich gerade ihre Liebe gestanden und lebten dann schon ihre Liebe körperlich aus. Okay, die Situation in der sie sich befunden hatten, war nicht gerade leicht gewesen. Beide nur mit Shorts, eine ganze Nacht allein in einen „fast“ geräumigen Auto. Für Kai war dies ein kleineres Problem gewesen als für Tyson. Aber er hatte dennoch ja gesagt, aber doch nur weil er schon erregt gewesen war. Wenn Kai das Thema erst gar nicht zum existieren gebracht hätte, wenn er nicht unbedingt in dieser sowieso verfahrenen Situation Tyson mit Liebkosungen überschüttet hätte, vielleicht hätten sie dann nicht miteinander geschlafen und Tyson wäre es ganz recht gewesen zu warten. Am liebsten würde Kai ihn fragen, ob die Nacht im Auto wirklich okay für ihn gewesen war, oder ob er es schon bereute, aber er wollte ihn lieber im Moment nicht mit solchen Fragen belasten. Das Thema körperliche Liebe würde erstmal auf Eis liegen. Klar, war die Vergewaltigung nicht passiert und Tyson würde sich bestimmt bald wieder fangen, nachdem der erste Schock überwunden war, aber er selbst musste auch erstmal mit sich ins Reine kommen, bevor er und Tyson ihre Beziehung wieder so vertiefen würden. Kai nahm ein Geräusch an der Tür wahr und sah sich um. Im Türrahmen stand Ray und musterte ihn. Er hatte schon vorher wahrgenommen, dass Kai endlich da war. Als Kai noch mit den aufgelösten Tyson an der Tür stand, hatte Ray kurz um die Ecke geschielt und erleichtert geseufzt, weil Kai endlich eingetroffen war, hatte sich aber diskret zurückgezogen, da die beiden ja allein sein wollten. „Ist er eingeschlafen?“, fragte Ray, der sich nun lässig an den Türrahmen lehnte. „Er war sehr erschöpft gewesen“, meint Kai nur, langte dabei nach einen Handtuch und wischte sich das Gesicht trocken. „Du siehst nicht besser aus“, meinte Ray. „Soll ich mal deine Wunden versorgen?“ Ray trat ins Badezimmer ein und langte nach Kais Kinn um sein Gesicht zu sich her zu ziehen und die Wunden so besser mustern zu können. Kai kam es vor, als würde ein Blitz durch ihn fahren, als sein Kopf so gedreht wurde, vielleicht hatte er sich das Genick verstaucht, außerdem hasste er es, wenn man ihn einfach so anfasste. „Mir geht’s gut“, sagte er und schlug Rays Hand einfach weg. „Ein paar blaue Flecken machen mir doch nichts aus. Ich habe im Training schon schlimmere Verletzungen abbekommen und die meisten davon habe ich mir selber zugefügt.“ „Ja genau, du selber. Aber dieses mal war es ein Freund, der dich so zugerichtet hat und deshalb sollte ich mir das mal ansehen.“ Kai schaute mit einen Blick, der Ray hätte aufspießen können, zu diesen hinüber und sagte nichts, zu dieser leider wahren Erkenntnis. „Wobei“, sprach Ray weiter, „die Verletzungen auf deinen Körper wahrscheinlich nichts im Vergleich zu denen sind, die du innerlich abbekommen hast. Deine Seele muss furchtbar leiden. Auch wegen Tyson.“ „Mach dir um meine Seele keine Gedanken“, sagte Kai und trat an Ray vorbei. Es machte ihn mürrisch, dass Ray so gut in ihn sehen konnte, „die ist schon kaputt genug, aber Tysons ... ich hoffe er ist so stark wie er immer tut.“ Damit befanden beide das Gespräch für beendet, doch als Ray sich schon abwenden wollte, hielt ihn Kai noch einmal auf. Ray drehte sich wieder zu ihm herum. „Ich werde dir niemals genug danken können dafür, dass du rechtzeitig da warst und Tyson geholfen hast.“ „Er ist auch mein Freund, vergiss das nicht.“ „Trotzdem. Hab Dank.“ Damit war für Kai das Gespräch nun endgültig beendet und er begab sich wieder in Tysons Zimmer. Tyson lag immer noch leicht zitternd im Bett. Dieses mal legte sich Kai richtig ins Bett und schloss Tyson fest in seine Arme, aber auch so, das sich Tyson raus winden konnte, wenn er wollte, doch anscheinend wollte er das nicht, denn auch er schlang seine Arme um Kai und legte seinen Kopf an dessen Brust. Am nächsten Morgen war Ray der Erste gewesen, der im Haus der Kinomiyas aufstand. Das lag nicht daran, dass er schon so früh ausgeschlafen war, oder weil er allgemein ein Frühaufsteher war. Es lag allein daran, weil heute der Tag war, an dem er endlich die Sache mit Max aus der Welt schaffen wollte, deshalb hatte er auch die letzten Stunden, die er zum Schlaf nutzen wollte, damit verbracht, sich zu überlegen, wie das Gespräch ablaufen sollte. Aber er wusste, wenn er erstmal Max gegenüberstand und dieser ihn mit seinen blauen Teddybäraugen ansah, dann würde jedes Zurechtgelegte Gespräch ihm im Hals stecken bleiben. Er saß am großen Küchentisch und genehmigte sich ein eher karges Frühstück. Ein einfaches Stück Toast und dazu eine Tasse Kaffee. Von Kai und Tyson war noch keine Spur zu sehen. Na ja, es war ja auch noch 6 Uhr morgens und er konnte sich denken, dass besonders Tyson nach den gestrigen Ereignissen Schlaf brauchte, doch auch Kai sah für ihn gestern Nacht ganz schön erschöpft aus. Allerdings nützte es ihm nichts, dass er nun schon so früh wach war. Das Gespräch mit Max hatte er schon für heute Vormittag geplant, aber bestimmt nicht in aller Herrgottsfrühe. Es würde keinen guten Eindruck machen, wenn er Max aus den Bett klingelte, um sich dann zurechtfertigen und Max gleichzeitig seine Fehler noch mal aufzulisten. Er würde noch ein wenig warten. Doch was sollte er nun machen, nachdem er nun wach war? Sich für 4 Stunden ein Frühstück genehmigen, erschien ihn doch etwas arg lang. Er hätte lieber noch ein bisschen im Bett bleiben sollen, zwar hätte er keinen Schlaf gefunden, aber alles war besser, als sich eine Koffeinüberdosis zuzuziehen. Das Grübeln über den Kaffee wurde ihm allerdings abgenommen, als Tyson in der Küche auftauchte. Er war schon angezogen und schien sich auch schon gewaschen zu haben. Merkwürdigerweise zeigte er keinerlei Anzeichen von Müdigkeit, dabei war Tyson dafür bekannt ein Langschläfer zu sein. Außerdem war es ein merkwürdiges Bild, dass Tyson vor Kai aufstand. Um sich zu vergewissern, dass Kai nicht einfach nur hinter Tyson war, verrenkte sich Ray um durch die offene Tür schauen zu können, aber da war kein Kai in Sicht. „Warum bist du schon wach?“, fragte Ray. Tyson antwortete nicht sofort auf die Frage, sondern stellte sich erstmal sein Frühstück zurecht, indem er einen Toast in den Toaster steckte und Milch in eine Tasse gab. „Ich konnte nicht mehr schlafen“, war Tysons Antwort. „Irgendwie fehlte mir jegliche Müdigkeit.“ Ray machte ein verdutztes Gesicht. Warum fehlte Tyson Müdigkeit? Der gestrige Tag war doch bestimmt anstrengend genug gewesen. „Weißt du zufällig wie man die Mikrowelle einstellt um einen heißen Kakao zu bekommen“, fragte Tyson ihn, der mit ziemlich ratloser Miene neben der Mikrowelle stand. Ray, der natürlich wusste, dass Tyson in der Küche eine Niete war, stand sofort vom Tisch und nahm das Frühstück machen nun selbst in die Hand. Tyson wies er an, sich zu setzen. „Du musst mir das nicht abnehmen“, meinte Tyson, nachdem er sich gesetzt hatte. „Ich weiß, wie du in der Küche bist“, sagte Ray und schenkte Tyson ein freundliches Lächeln, welches dieser erwiderte, doch Ray wendete sich gleich wieder bestürzt ab. Die Wunden die Tala ihm zugefügt hatten, waren noch deutlich sichtbar auf Tysons Gesicht. Schließlich waren Kakao und Toast fertig und Ray stellte sie vor Tyson. Der schmierte noch Butter und Marmelade auf sein Toast, bevor er zu Essen begann. „Willst du heute noch zu Max?“, fragte Tyson sachte nach. „Ich habe es zumindest vor“, antwortete Ray, der sich nun fühlte, als hätte er einen Klos im Hals, als sich das Gespräch Max zuwandte. „Er hat ziemlich unter der Trennung gelitten“, erzählte Tyson und Ray dachte: /Und ich habe unter seinen Verhalten in den letzten Wochen unserer Beziehung gelitten./ „Außerdem hat er gestern ziemlich gelassen darauf reagiert, dass du wieder da bist. Er wird dir also nicht mit Freundlichkeit entgegenkommen, da er seine Wut wohl nur angestaut hat.“ /Der wird was erleben, wenn ich meine Wut über sein kindisches Verhalten rauslasse./ „Es wird nur ein klärendes Gespräch zwischen mir und Max sein. Ich habe nicht vor alle Schuld auf mich zu nehmen und der Punchingball für Max’ angestaute Wut zu sein.“ Tyson hörte aus Rays Stimme heraus, dass er nun von diesen Thema wegwollte, und er schien ihm den Gefallen tun zu wollen. „Wie ... geht es dir eigentlich?“, wollte Ray nun wissen. Tyson war ihm eine Spur zu gelassen, wo er gestern doch noch so fertig gewesen war. „Na ja. Im Grunde gut, denke ich“, antwortete Tyson leise und schlurfte von seinen Kakao. „Bist du dir sicher? Ich will nicht, dass du dir etwas vormachst.“ Nun wurde Tyson ernst und schaute Ray strafend an. „Was soll ich denn haben? Das einzige was ich habe, sind ein paar unschöne Wunden, aber sonst nichts. Ich wurde ja nicht wirklich vergewaltigt.“ Es war eindeutig zu hören, dass er darüber nicht reden wollte. War es nun aus Verbitterung, oder weil er einfach ein solches Gespräch nicht nervlich durchhalten würde. „Tala war dein Freund und du hast ihn vertraut.“ Ray beugte sich vertrauensvoll zu Tyson und sprach mit beschwörender Stimme. „Ich weiß, dass es dir nicht gut geht. Du solltest deinen Gefühlen freien Lauf lassen und nicht alles in dich hineinfressen.“ Tyson sah Ray mit einen Gesichtsausdruck an, der nun wirklich Verbitterung war. Ray erwartete schon, dass er schnell vom Tisch aufstehen würde und fluchtartig das Zimmer verließ, oder gleich in Tränen ausbrechen würde, aber nichts dergleichen geschah. Er blieb einfach nur sitzen und vertilgte weiter sein Frühstück, wobei er dies aber sehr langsam tat. Nach einer Nacht voller erholsamem Schlaf, regte sich nun auch Kai. Er war noch nicht wirklich wach und hatte auch nicht vor, jetzt schon aufzustehen. Das war zwar wider seine Natur, aber er fühlte sich immer noch erschöpft. Deshalb tastete er etwas neben sich herum, da Tyson anscheinend nicht mehr in seinen Armen lag. Vielleicht hatte er sich im Schlaf umgedreht oder Tyson hatte sich einfach aus seinen Armen gewunden. Zumindest fühlte er nun die leere Seite des Bettes ab, nur um festzustellen, dass sie wirklich leer war. Sofort riss Kai die Augen auf und sah nun auch, dass kein Tyson neben ihn lag. Er schaute geschwind auf die andere Seite des Bettes, doch auch hier war nur die Wand. „Tyson?!“, sagte Kai in den leeren Raum und das obwohl er mit einen Blick erfassen konnte, dass sich hier drin niemand befand. Kai war zerstreut. Wo war Tyson? Es war doch noch nie vorgekommen, dass der kleine Japaner vor ihm aufstand, doch nun erblickte er auch den Wecker auf den Nachtisch und ihm wurde klar, wo sein Tyson wohl war. Es war schon kurz nach 10 Uhr und so lange schlief Tyson nun auch nicht. Es verwunderte ihn sehr, dass er so lange geschlafen hatte. Er hatte gestern wohl einfach nicht gemerkt wie erschöpft er doch gewesen war. Nun stand er aber auf. Nach einer kurzen Katzenwäsche, streifte er sich seine Klamotten über und ging in die Küche. Hier war Tyson nicht. Komisch, er hätte schwören können, Tyson wäre noch mit Essen beschäftigt. Sein nächstes Ziel war das Wohnzimmer. Tatsächlich saß sein Liebster hier auf dem Sofa und genoss die morgendlichen Animes. Allerdings ...genoss war nicht das richtige Wort. Seine Augen waren starr auf den Fernseher gerichtet und er verzog keine Miene. Kai ging zu ihm hin und gab ihn zuallererst einem Kuss auf die Stirn und erst jetzt bemerkte Tyson die Anwesenheit von ihm. „Ich habe dich gar nicht bemerkt“, sagte er verwundert und schaute zu Kai auf, als wäre dieser eine Erscheinung. „Du machst aber auch nicht den Eindruck als würdest du dem Morgenprogramm folgen“, sagte Kai mit verschränkten Armen. Er musterte Tyson ganz genau, als müsste er sich vergewissern, dass es dieser auch wirklich war. „Ich bin ja auch in Gedanken“, sagte Tyson und schaltete den Fernseher wieder ab. Kai erwartete schon fast, dass Tyson gleich wieder auf das Thema Tala kommen würde, doch da hatte er sich getäuscht. „Ray ist gerade auf den Weg zu Max. Er will mit ihm reden.“ Vielleicht waren es nur 5 Minuten, aber wahrscheinlich doch mehr. Die Zeit spielte keine allzu große Rolle in diesen Moment, aber er wusste, dass jede Sekunde die er hier stand, ihn nicht viel weiter brachte. Er sollte nun endlich das Haus betreten und mit Max reden. Was brachte es, wenn er nun wieder zu Tyson gehen würde und das Gespräch somit verschob? Er würde sich nur noch mehr Szenarien ausdenken, die er dann wieder vergaß. Und das Aufschieben allgemein, hatte auch nicht viel Sinn. Ob nun heute oder in 10 Jahren, er würde nichts anderes zu sagen haben und Max wohl auch nicht. So straffte Ray die Schultern und ging die letzten Schritte zur Haustür. Mit zittriger Hand drückte er die Klingel mit der Aufschrift Mizuhara und verharrte mit angehaltenem Atem. Bald darauf meldete sich die Stimme von Max’ Vater, die fragte, wer denn da sein. Ray versteifte sich augenblicklich. Seinen Namen zu sagen hätte womöglich die Folge, dass Max’ Vater ihn nicht einlassen würde. Er hatte nie etwas gegen die Beziehung von ihnen beiden gehabt, war auch still gewesen, als Ray sich trennte, aber vielleicht war das auch nur Fassade gewesen. Wer versicherte ihn, dass er noch eine Chance hätte sich zu erklären, wenn der Vater wusste, dass derjenige, der seinen Sohn das Herz brach, vor der Tür stand. „Ich möchte mit Max reden“, antwortete Ray in die Sprechanlage. Vielleicht hatte Mr. Mizuhara ja das Verständnis nicht nach den Angelegenheiten seines Sohnes zu fragen. Aber es war dumm zu glauben, er würde nicht die Stimme des Exfreundes seines Sohnes erkennen. Umso mehr wunderte sich Ray, als die Stimme freundlich antwortete, „Komm rauf, Ray“, und die Tür summte, und er nun hinauf schreiten konnte. Mit einen mulmigen Gefühl im Magen, fast so als würden sich darin Schlangen tummeln, erklomm er die Treppen und sah am Ende schon Max’ Vater stehen. „Gu-Guten Tag“, brachte Ray schwer heraus. Seine Miene verriet zwar nicht, wie nervös er wirklich war, aber leider verriet ihn seine Stimme umso mehr. Sie war merkwürdig hoch und sein Mund fühlte sich ausgetrocknet an. „Max ist in seinen Zimmer. Und keine Sorge, Daichi ist gerade nicht da. Ich habe ihn zum einkaufen geschickt“, erklärte Max’ Vater mit ruhiger Stimme und schenkte Ray ein aufmunterndes Lächeln, doch Ray konnte nur verwundert zurückblicken. Hatte der alte Herr wirklich nichts gegen ihn? Konnte es sein, dass kein bisschen Wut in ihn war, obwohl er Max damals so zurückgelassen hatte? Jetzt beugte er sich sogar vor und sagte vertrauensvoll zu Ray: „Ich weiß, dass du ihn geliebt hast und ich müsste blind gewesen sein, wenn ich nicht bemerkt hätte, was am Schluss mit ihm los war.“ Er gab ihm noch einen Klaps auf die Schulter und ging dann in ein anderes Zimmer davon. Nun stand Ray wieder ganz allein da. Er ließ den Blick schweifen. Der Eingangsbereich hatte sich nicht stark verändert in den letzten Monaten. Die paar Bilder an den Wänden, die Schuhe vor dem Regal und die Türen in die verschiedenen Zimmer. Gemächlich schritt Ray zu dem Zimmer mit der Aufschrift „Max“. Mit bunten und großen runden Buchstaben zeigte dieser Schriftzug wer dahinter war. Mit seinen Fingerspitzen fuhr Ray die Buchstaben ab. Er hatte sie für Max gemacht. Mit Mühe hatte er aus Ton die Buchstaben geformt und schließlich bemalt. Vielleicht wirkte die Aufschrift ein wenig kindlich für einen 15-jährigen, aber Max hatte sich damals gefreut. Tief Luft holend, richtete sich Ray zu seiner vollen Größe auf und klopfte an die Tür. Er hörte ein freundliches „Herein“ und drückte die Türklinke herunter. Mit unterdrückter Nervosität öffnete er die Tür und schritt mit großen Schritten hinein. Sobald er ganz drin war, schloss er die Türe wieder, erst dann sah Max zu ihm auf und nachdem das Gesicht den überraschten Ausdruck verlor, wechselte er blitzschnell zu wütend, doch dennoch blieb die Stimme ruhig. „Ich hätte es ahnen müssen“, sagte er und stand auf. Bisher war Max auf den Boden gesessen. Er hatte sich an das Bett gelehnt und in einen Buch gelesen. Nun legte er das Buch weg und stand mit verschränkten Armen vor Ray hin. „Welch Ehre“, sagte er sarkastisch und musterte seinen Exfreund von oben bis unten. „Doch womit verdiene ich sie? Wurde es dir in China zu langweilig oder ist dir noch etwas eingefallen, was ich vielleicht noch bei mir aufbewahre?“ Ray wollte schon zu einer Antwort ansetzen, doch er wurde von Max unterbrochen, der ihn immer noch finster ansah. „Wird das ein etwas längeres Gespräch?“ Ray nickte nur und erwiderte nun die unfreundliche Miene. Max führte sich auf wie ein unschuldiges misshandeltes Opfer. Ihm gefiel das ganz und gar nicht. Ohne eine weitere Frage verließ Max den Raum. Ray fragte sich, ob er ihn hätte aufhalten sollen, aber es war nun wirklich nicht die Art des Blondschopfes einfach abzuhauen, deshalb blieb er einfach stehen und wartete. Er nutzte die Zeit um nun auch dieses Zimmer zu begutachten. Hier hatte sich einiges verändert. Früher regierten Bilder von ihm und Max den Raum, wie auch Geschenke die sich gegenseitig gemacht hatten. Doch nun waren Bilder von ihren Alten Team auf den Regalen und der ganze Raum wirkte allgemein ein wenig leerer als früher. Fast alles Rote war aus dem Zimmer verschwunden und schmerzhaft fiel Ray sogar auf, dass Max nun ein kleineres Bett hatte. Er hatte wirklich vollkommen mit Ray abgeschlossen, aber war es das nicht auch gewesen, was Ray erreichen wollte, als er ging? Nach ein paar Minuten kehrte Max mit einem Tablett zurück. Darauf standen zwei Tassen und eine Kanne mit Tee. Max nickte zu einem kleinen Tisch, der am Fenster stand. Sie setzten sich beide und Max schenkte ihnen ein. „Sehr gastfreundlich“, sagte Ray im gereizten Ton. Er vermutete schon eine Falle oder eine versteckte Gemeinheit hinter dem plötzlich zuvorkommenden Verhalten von Max, aber der Tee schmeckte gut und sogar Max genehmigte sich eine Tasse. „Du bist anscheinend hier um dich zu erklären“, sagte er mit erhabener Stimme, „diese Gelegenheit sollte ich doch ausschöpfen, oder nicht?“ Max taktierte ihn mit einem forschenden Blick und nun reichte es Ray völlig. Zwar immer noch ruhig, aber mit eindeutigem Zorn in der Stimme begann er nun zu sprechen. „Du siehst dich wohl als Opfer der ganzen Sache und ich bin nun das schwarze Schaf, das sich nach Monaten der Feigheit, dir nun doch zum Schlachten präsentiert, oder wie darf ich das verstehen?“ „Du hast mich verlassen“, antwortete Max und wirkte nun doch verunsichert. Er war einfach nicht der harte Typ, auch wenn Wut und Enttäuschung ihn nun steuerten, konnte er durch ein paar gezielte Worte aus der Bahn geworfen werden. „Du hast mich verlassen“, wiederholte er, „und das ohne irgendeine Erklärung oder Entschuldigung.“ „Ich dachte, das wäre nicht nötig.“ Ray beschloss das Gespräch nun nach seinen Wünschen verlaufen zu lassen. Max hatte gesagt was er sagen musste. Seine Situation, warum er das Opfer ist, war nun von ihm klar definiert worden, nun war es an Ray, die Schuld von Max auf den Tisch zu bringen und zu hoffen, dass er dieses Mal eine Erklärung kriegen würde. „Wir hatten doch schon Wochen bevor ich Schluss machte, keine wirkliche Beziehung mehr, weder körperlich noch emotional. Und das kannst du nicht verleugnen.“ „Zu wenig Sex und Zuneigung ist für dich wohl ein Grund Schluss zu machen“, sagte Max und hörte sich nun wieder gekränkt an, aber es schwang auch Unmut mit. „VERDAMMT, MAX!!“ Nun war Ray wirklich der Kragen geplatzt, er hatte mit der Faust auf den Tisch geschlagen und war aufgestanden. Das ganze war doch eine Phrase. Er wollte erklären, verständlich machen, was Max in ihrer Beziehung falsch gemacht hatte, doch er kam kaum zu Wort, weil Max anscheinend auf jede Bemerkung eine hämische Antwort geben musste. Doch nun schaute der Amerikaner erschreckt zu ihm auf. Ray schloss die Augen und besinnte sich wieder darauf, dass dies eine rein verbale Unterhaltung werden sollte. Er setzte sich wieder hin und nuschelte eine Entschuldigung. Max, zwar immer noch verschreckt, aber nun etwas weniger besorgt, nickte und Ray war sich sicher, dass die Anschuldigungen von seiner Seite nun enden würden. Zur Beruhigung nahm er einen weiteren Schluck, erst dann setzte er wieder an zu sprechen. „Eigentlich dachte ich immer, du würdest mich so gut kennen, dass du wüsstest, dass zu wenig Sex und Zuneigung, nicht der Grund wären, mich zu trennen.“ Anstatt zu widersprechen, starrte Max nun auf den Tisch und ballte die Hände zu Fäusten. „Was mich störte, war der Grund warum du dies tatest. Wobei ich den Grund bis heute nicht weiß, somit war es nun auch nicht wirklich der Grund, sondern die Ahnungslosigkeit. Ich weiß nicht, ob ich damals einen Fehler gemacht habe, oder etwas passiert ist. Ich wusste es nicht und weiß es bis heute nicht, denn du hast es mir nicht gesagt. Zuerst habe ich es hingenommen. Ich hielt es für eine Phase, eine die vorübergeht, aber leider blieb dieser Abstand zwischen uns und ich fragte dich, was der Grund dafür sei. Anfangs nur zögerlich und nicht direkt, aber als du immer noch schwiegst und mir ausgewichen bist, wurde ich bestimmter, aber deine Ausweichungen wurden immer lächerlicher und ich immer ungeduldiger.“ Nun tat sich auch wieder etwas in Max’ Gesicht, zuerst schien er zu erschrecken und dann sich an etwas erinnern. Doch Ray fuhr fort. „Ich hatte unserer Liebe alle Chancen gegeben, die ich aufbringen konnte. Es war Selbstquälerei. Dir nahe zu sein, und doch so weit entfernt war unerträglich für mich und deine ständigen Ausflüchte, wurden zur Folter. Was hätte ich tun sollen?“, fragte Ray nun verzweifelt und seine Augen drückten puren Schmerz aus. „Ich konnte nicht mehr. So gern ich gehofft hätte, es würde sich wieder legen und wir würden wieder so eine Beziehung führen wie früher, aber irgendwann war alle Hoffnung aufgebraucht. Ich sah keine Zukunft mehr für uns und ging. Ich habe dich immer geliebt und diese Liebe ist auch jetzt noch in mir, aber sie bedeutete dir wohl nichts.“ Nun war gesagt was gesagt werden musste. Rays Fäuste krallten sich schmerzhaft in seine Schenkel und er wartete voller Spannung, was nun von Max kommen würde. Doch es kam nichts. Er spürte das Brennen in seinen Augen und im Hals, unterdrückte aber die Tränen der Wut. Sekunden, Minuten, unwichtig wie lange sie nun still dasaßen. Rays Augen ruhten auf Max, und dessen auf den Boden, doch es wurde nun doch zu lang. Würde Ray wieder ohne Erklärung gehen müssen? Es sah so aus. Er erhob sich. „Es gab jemand anderen in meinen Leben.“ Leise Worte, mehr geflüstert als ausgesprochen. Sie erreichten Ray und ließen ihn erstarren. „Du hast mich betrogen!?“ „Nein!“ Ein Aufschrei und nun sah Max wieder zu Ray. Seine Augen schwammen in Tränen. „Ich habe dich nicht betrogen. Niemals. Aber ich habe jemanden wieder getroffen von früher. Du kennst sie nicht, aber ich habe sie früher sehr gemocht und sie mich auch. Wir haben uns ein paar weitere Male wieder gesehen und ich wollte dir nichts davon erzählen, weil ich mich zu ihr hingezogen fühlte. Ich fing an, an uns zu zweifeln und überlegte sogar...“ Max schluckte schwer und wischte die Tränen weg, doch es kamen neue. „Ich überlegte mir sogar Schluss zu machen. Deshalb wollte ich nicht mehr so oft in deiner Nähe sein und allgemein nicht mit dir alleine. Ich brauchte Zeit um mir über meine Gefühle klar zu werden. Doch dann ... dann hast du mich verlassen und ich merkte, dass ich nur dich liebte. Doch es war zu spät. Ich wusste damals nicht, dass meine Heimlichtuerei der Grund dafür gewesen ist. Ach, was Rede ich da. Ich wollte es doch gar nicht wissen. Ich habe mir etwas vorgemacht, mir und allen Anderen. Ich habe dich zum Täter gemacht, obwohl ich es doch gewesen bin, aber die Trennung hat mich zu sehr getroffen. Ich konnte den Schmerz nicht mehr ertragen und es war viel einfacher, dir die Schuld zu geben, als sie bei mir zu suchen.“ Ray starrte auf Max herunter. Abscheu und Fassungslosigkeit spiegelten seine Augen wieder. Er drehte sich um. „Ray, warte! Es tut mir Leid“, war das Letzte was er hörte, als er fluchtartig die Wohnung verließ. Kai nahm seinen Kaffee still zu sich, nur Tyson redete munter. Kai hatte ihm, gegen seine Art, erzählt was ihm Ray gestern anvertraut hatte. Eigentlich hätte er es für sich behalten, aber Tyson von seinen eigenen Sorgen abzulenken war eine Methode, die sich auszahlte. Tyson schaute nicht mehr abwesend vor sich hin oder wirkte verängstigt, sondern erläuterte Kai eine Theorie nach der anderen um Max’ Verhalten zu erklären. Manche waren einfach, andere abenteurerisch. Keine kam an die Wahrheit heran. „Vielleicht wurde er erpresst“, meinte Tyson und beugte sich vertrauensvoll zu Kai. „Von wem denn?“, fragte Kai genervt und las weiter die Zeitung. Tyson setzte sich wieder ordentlich hin und schien sich eine neue Hypothese zu überlegen. Dann hörten sie wie die Tür auf und wieder zuging. „Ich habe Ray einen Schlüssel mitgegeben“, erklärte Tyson. „Ich wusste ja nicht, wann er wieder kommt.“ „Könnte auch Hiro sein der mich abschlachten will.“ „Dann wärst du schon längst Tod.“ Sie gingen wieder ihrer vorherigen Tätigkeit nach. Niemand wusste wie es zwischen Max und Ray verlaufen würde, deshalb wollten sie warten, bis einer von ihnen auf sie zukam, wobei das wohl nur auf Tyson zutraf und sich Kai wohl nicht dafür interessierte. Doch plötzlich hörten sie aus dem Garten ein schreckliches Gebrüll und das aufeinander schlagen von Holz. Sie standen sofort auf und stürmten in den Garten. Ray hatte sich eins von den Holzschwertern genommen und drosch damit auf einen Baum ein, während er chinesische Flüche brüllte. Tyson blieb ein paar Meter davon entfernt, aber Kai stürmte zu dem wütenden Ray und entriss ihm das Schwert. „Hast du sie noch alle?“, giftete er ihn an und nun trat auch Tyson näher und nahm nun seinerseits Kai das Schwert ab. Ray atmete schwer, wirkte gehetzt und bis in jede seiner Fasern verletzt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)